Der Duke und die unbeugsame Witwe - Band 1-3 - Freda MacBride - E-Book
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Der Duke und die unbeugsame Witwe - Band 1-3 E-Book

Freda MacBride

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Beschreibung

Drei wunderschöne Liebesgeschichten mit überraschenden Wendungen, starken Heldinnen und der bezaubernden Atmosphäre des Regency - für alle Fans von Georgette Heyer und Bridgerton.

Dieses eBook-Sammelband enthält die folgenden drei Romane:

DER DUKE UND DIE UNBEUGSAME WITWE

»Du solltest endlich heiraten, Elmsley!« Der Duke of Elmsley braucht dringend eine Gemahlin, um sein Erbe zu sichern. Aber als überzeugter Junggeselle möchte Charles auf keinen Fall seine Freiheit aufgeben! Da trifft er auf Helena, Viscountess Daventry. Die junge Witwe wird von ihrer Familie zu einer erneuten Heirat gedrängt. Der Duke und die Viscountess beschließen, eine Vernunftehe einzugehen. Während Helena so das Sorgerecht für ihren Sohn behalten kann, hofft Charles, die junge Witwe möge keine übertriebenen Erwartungen an ihn stellen. Doch vollkommen überraschend fühlt Charles sich immer mehr von der schönen Helena angezogen - und tut alles, um nach ihrer Hand nun auch ihr Herz zu gewinnen ...

DER EARL UND DIE TOLLKÜHNE LADY

Matilda lebt glücklich auf dem abgeschiedenen Anwesen ihrer Großmutter in Schottland. Aber ihr Vater hat andere Pläne mit ihr und beordert sie zur Saison nach London. Dort soll die junge Frau sich schnellstmöglich mit Frederick, dem Earl of Kendal, vermählen. Matilda ist empört! Sie will sich auf keinen Fall mit einem Fremden verloben und hat eine Idee: Da Dienstboten ihre Herrschaft meist besser einschätzen können, als das einer Dame bei gesellschaftlichen Anlässen gelingen kann, schlüpft sie in die Rolle des schottischen Mädchens Mairi, um das Personal des Lords auszuhorchen. Und erlebt dabei eine erstaunliche Überraschung ...

DER MARQUESS UND DIE BRAUT WIDER WILLEN

John Broughton, der Marquess of Bayne, führt ein fröhliches Junggesellenleben und das soll auch so bleiben. Doch dann begegnet er Ada, einer intelligenten jungen Frau, die sich der Wissenschaft verschrieben hat und sich ein Leben als Ehefrau nicht vorstellen kann. Die beiden sind voneinander fasziniert und beginnen eine heimliche Romanze. Bis sie in flagranti ertappt - und zur Heirat genötigt werden! Aber vielleicht ist diese Ehe ja gar nicht so schlimm ...

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 765

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Freda MacBride
Der Duke und die unbeugsame Witwe - Band 1-3

Digitale Erstausgabe - Sammelband

beHEARTBEAT in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2025 by Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 - 20, 51063 Köln, Deutschland

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Die Verwendung des Werkes oder Teilen davon zum Training künstlicher Intelligenz-Technologien oder -Systeme ist untersagt.

ISBN 978-3-7517-7535-9

Über die Autorin

Freda MacBride zog nach der Geburt ihrer zweiten Tochter aus Edinburgh nach Deutschland und lebt seitdem im Rheinland.Schon als Teenager war sie fasziniert von Lords und Ladys und den feinen Sitten der Londoner Gesellschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ihr das Lesen romantischer Geschichten, die in dieser Zeit spielen, irgendwann nicht mehr reichte. So begann sie, selbst Regency-Romane zu schreiben, in denen vor prickelnden Szenen nicht unbedingt der Vorhang fällt.

Über das Buch

Drei wunderschöne Liebesgeschichten mit überraschenden Wendungen, starken Heldinnen und der bezaubernden Atmosphäre des Regency - für alle Fans von Georgette Heyer und Bridgerton.

Dieses eBook-Sammelband enthält die folgenden drei Romane:

DER DUKE UND DIE UNBEUGSAME WITWE

»Du solltest endlich heiraten, Elmsley!« Der Duke of Elmsley braucht dringend eine Gemahlin, um sein Erbe zu sichern. Aber als überzeugter Junggeselle möchte Charles auf keinen Fall seine Freiheit aufgeben! Da trifft er auf Helena, Viscountess Daventry. Die junge Witwe wird von ihrer Familie zu einer erneuten Heirat gedrängt. Der Duke und die Viscountess beschließen, eine Vernunftehe einzugehen. Während Helena so das Sorgerecht für ihren Sohn behalten kann, hofft Charles, die junge Witwe möge keine übertriebenen Erwartungen an ihn stellen. Doch vollkommen überraschend fühlt Charles sich immer mehr von der schönen Helena angezogen - und tut alles, um nach ihrer Hand nun auch ihr Herz zu gewinnen ...

DER EARL UND DIE TOLLKÜHNE LADY

Matilda lebt glücklich auf dem abgeschiedenen Anwesen ihrer Großmutter in Schottland. Aber ihr Vater hat andere Pläne mit ihr und beordert sie zur Saison nach London. Dort soll die junge Frau sich schnellstmöglich mit Frederick, dem Earl of Kendal, vermählen. Matilda ist empört! Sie will sich auf keinen Fall mit einem Fremden verloben und hat eine Idee: Da Dienstboten ihre Herrschaft meist besser einschätzen können, als das einer Dame bei gesellschaftlichen Anlässen gelingen kann, schlüpft sie in die Rolle des schottischen Mädchens Mairi, um das Personal des Lords auszuhorchen. Und erlebt dabei eine erstaunliche Überraschung ...

DER MARQUESS UND DIE BRAUT WIDER WILLEN

John Broughton, der Marquess of Bayne, führt ein fröhliches Junggesellenleben und das soll auch so bleiben. Doch dann begegnet er Ada, einer intelligenten jungen Frau, die sich der Wissenschaft verschrieben hat und sich ein Leben als Ehefrau nicht vorstellen kann. Die beiden sind voneinander fasziniert und beginnen eine heimliche Romanze. Bis sie in flagranti ertappt - und zur Heirat genötigt werden! Aber vielleicht ist diese Ehe ja gar nicht so schlimm ...

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Der Duke und die unbeugsame Witwe - Band 1-3

Cover

Titel

Impressum

Über die Autorin

Über das Buch

Inhalt

Der Duke und die unbeugsame Lady

Cover

Grußwort des Verlags

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

So geht es weiter...

Weitere Titel der Autorin

Impressum

Der Earl und die tollkühne Lady

Cover

Grußwort des Verlags

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Weitere Titel der Autorin

Impressum

Der Marquess und die Braut wider Willen

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Grußwort des Verlags

Titel

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Weitere Titel der Autorin

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Contents

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Freda MacBride

Kapitel 1

D u solltest endlich heiraten, Elmsley!«

Bei diesen Worten seines besten Freundes zuckte Charles, der Duke of Elmsley, heftig zusammen. Natürlich wusste er selbst, dass es langsam an der Zeit war, für einen Erben zu sorgen. Doch gerade heute war seine Laune zu gut, um solch ein ernstes Vorhaben anzugehen. Es war ihm nämlich gelungen, endlich ein äußerst zufriedenstellendes Arrangement mit Miss Leandra zu treffen, und so verspürte er noch weniger Lust als sonst, sich nach einem jungen Ding zum Heiraten umzuschauen.

»Doch, ich meine das ernst.« John Broughton, der Marquess of Bayne, zog den Läufer über das Schachfeld und betrachtete seine neue Position äußerst zufrieden. »Du hast Verantwortung. Stell dir vor, was passiert, falls dir etwas zustößt und dein verschwenderischer Cousin deinen Titel und dein Vermögen erbt – in diesem Fall war's das mit Elmsley! Ich wette, der Besitz ist in kürzester Zeit vernachlässigt und verschuldet.«

Charles runzelte die Stirn. Das war tatsächlich ein ziemlich erschreckender Gedanke. Er starrte auf das Schachbrett und sah dann seinen Freund an.

»Warum grinst du so?«, fragte er misstrauisch.

»In drei Zügen bist du matt!«, klärte ihn der Marquess of Bayne auf. »Du bist heute einfach nicht bei der Sache!«

Charles runzelte die Stirn und besah sich das bevorstehende Unglück auf dem Schachbrett genauer. John hatte ihn wahrlich in die Enge getrieben. Aber es musste noch eine Möglichkeit geben ... Nein, es sah tatsächlich so aus, als wäre es seinem Freund zum ersten Mal seit Wochen gelungen, ihn zu schlagen.

»Unter diesen Umständen beenden wir das Spiel am besten sofort, ich habe heute Abend ohnehin noch etwas anderes vor.« Charles griff nach seinem Whiskyglas und lehnte sich im Sessel zurück.

»Lass mich raten – du besuchst deine neue Mätresse? Kein Wunder, dass du so abgelenkt bist.«

Charles grinste und trank einen Schluck. Dieser Whisky war wirklich hervorragend. Wozu brauchte man da noch geschmuggelten französischen Brandy, wenn die Schotten so etwas Gutes brennen konnten?

»Du hast doch bestimmt ebenfalls Pläne für heute Abend?«

»Natürlich – ich werde den Ball von Lady Attersley besuchen und die Damenwelt in Aufruhr versetzen. Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?«

Charles schüttelte den Kopf. »Was sollte ich da?«

»Dir eine Braut aussuchen.«

»Im Hühnerhof der Debütantinnen?«

»Was hast du gegen Debütantinnen? Ich finde sie jedes Jahr erneut entzückend!«

»Ich habe gar nichts gegen Debütantinnen, wenn sie mir nicht zu nahe kommen.«

Lord Bayne lachte. »Du musst ja nicht unbedingt diesen neuartigen Walzer mit ihnen tanzen. Bei den anderen Tänzen kannst du es schließlich leicht vermeiden, mehr als die behandschuhten Fingerspitzen zu berühren.«

Charles lachte. »Nein, mein Lieber, das muss ich zum Glück nicht. Und mir steht der Sinn auch eher nach anderen Vergnügungen, die ich nicht unbedingt als Tanzen bezeichnen würde und die sich keineswegs für eine unschuldige Miss der Gesellschaft eignen.«

»Oho. Dann gehst du tatsächlich besser zu der reizenden Leandra.«

Charles nickte. »Ja, genau dies ist mein Plan. Und wenn ich ihn verfolge, mache ich dir auch nicht deine Stellung als Hahn im Hühnerhof streitig. Denk an mich, wenn dich die jungen Damen langweilen.«

Lord Bayne erhob sich. »Dann wünsche ich dir höchstes Vergnügen. Und sobald du später entspannt im Bett liegst«, sagte er, »denk noch einmal nach. Zu einem legitimen Erben wirst du ohne Gemahlin nicht kommen. Du brauchst also eine repräsentative Frau aus guter Familie, die dir diesen Wunsch erfüllen kann, Elmsley.«

Charles runzelte die Stirn.

Sein Freund legte ihm die Hand auf die Schulter. »Na komm, das heißt ja nicht, dass du Leandra aufgeben musst. Eine junge Braut mit falschen romantischen Vorstellungen von der Ehe könnte sich vielleicht an ihr stören, aber – hast du schon einmal an eine Witwe gedacht? Eine Frau mit Erfahrung und dem nötigen Verständnis für dein Arrangement? Alt genug, um zu wissen, wie die Welt funktioniert, doch noch jung genug, um dir einen Erben zu schenken?«

Charles hob die Brauen. »Du überraschst mich. Darüber ließe sich tatsächlich reden. Allerdings bezweifle ich ein wenig, dass sich solch ein Wesen finden lässt.«

Lord Bayne wiegte den Kopf hin und her. »Das würde ich nicht sagen. Ich habe da eine Idee. Vielleicht zeigt sich schneller eine Frau für dich, als du es dir vorstellen kannst.«

Mit diesen etwas mysteriösen Worten verabschiedete er sich gut gelaunt und ließ den nachdenklichen Duke of Elmsley zurück.

Kapitel 2

L ondon zeigte sich an diesem Aprilsonntag des Jahres 1810 von seiner besten Seite. Zwar musste man mit den üblichen Schauern rechnen, aber zwischendurch präsentierte sich der Himmel immer wieder blau poliert, und Alt wie Jung, Arm wie Reich konnten sich im Hyde Park oder im St. James's Park ergehen und die ersten warmen Sonnenstrahlen dieses sonst so kühlen Frühjahrs genießen.

Natürlich waren Spaziergänge, Kutschfahrten oder Ausritte auf der Rotten Row im Hyde Park eine ziemlich ernste Sache, ging es doch der guten Gesellschaft darum, gesehen zu werden. Damen wie Herren trugen die neueste Mode und fieberten den nächsten Bällen, Konzerten, Opern oder Dinnerpartys der beginnenden Season entgegen.

Die jungen Mädchen, die der Königin bei Hofe gerade frisch vorgestellt worden waren, existierten nun von einem Tag auf den anderen erstmals offiziell und waren leicht an ihrem noch unsicheren Lächeln und ihren aufgeregten Blicken zu erkennen, die von einem Herrn zum anderen wanderten. War dieser wohl ein Earl oder gar ein Duke? Würde jener ihren Blick erwidern und am Ende beim nächsten Ball versuchen, ihre Bekanntschaft zu machen?

Helena, Viscountess Daventry, gehörte nicht zu ihnen. Sie war trotz ihrer jungen Jahre bereits verwitwet und hatte kein Interesse an dieser Parade der Eitelkeiten und fröhlichen Laune.

Sie stand in einem schlichten schwarzen Spazierkleid und der ebenso schwarzen Pelisse am Ufer der Serpentine, dieses großen Sees mitten im Hyde Park, der durch den River Westbourne und den Tyburn Brook gespeist wurde. Hier freuten sich eher die einfachen Leute: Hausmädchen an ihrem freien Nachmittag, Handwerksburschen, die ihnen nachpfiffen und versuchten, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, gediegene ältere Bürgerinnen und Bürger, die die gepflegten Wege entlangpromenierten und sich unterhielten, Kinder jeglichen Alters und aus allen Bevölkerungsschichten.

Die hochadelige Gesellschaft war an dieser Stelle des Parks nur durch ihren Nachwuchs vertreten. Zahlreiche Kindermädchen spazierten hier mit ihren Schützlingen, ließen sie kleine Papier- oder Holzschiffchen aufs Wasser setzen und beobachten oder die Enten füttern.

Auch Helenas Sohn hatte seine helle Freude an den Wasservögeln. Sie hatte die Köchin extra um einige Gemüseabfälle gebeten und sie in schnabelgerechte Stücke schneiden lassen. So stand Gussie nun wenige Schritte von ihr entfernt am Wasser und jauchzte begeistert, wenn eine der Enten sein Angebot annahm und das Futter fraß.

»Schau, Mummy, die da! Die will noch mehr!«

Helena lächelte. Der Erpel mit dem blau glänzenden Federkopf war nicht der einzige, der Gussie als Quelle wohlschmeckender Nahrung ausgemacht hatte. Und wer ließ sich nicht gern etwas vorsetzen, ohne danach suchen oder gar gründeln zu müssen?

Im Nu war der Kleine umringt von hungrigem Federvieh. Zunächst war er begeistert, aber als seine mitgebrachten Gemüsestücke verfüttert waren und die Enten immer noch von allen Seiten zu ihm drängten, verzog er ein wenig zweifelnd das Gesicht.

Sofort eilte das Kindermädchen herbei, nahm Gussie auf den Arm und brachte ihn zu seiner Mutter.

»Ich wollte aber noch bei den Enten bleiben!«, verkündete Gussie empört. »Ich bin doch schon groß.«

»Natürlich. Wir müssen nun allerdings langsam aufbrechen. Die Kutsche wird bereits auf uns warten«, sagte Helena diplomatisch.

Das Kindermädchen, das ihr Schwiegervater, der Earl of Dalby, für seinen Erben angestellt hatte, war für ihr Empfinden ein wenig übervorsichtig, und Gussie beklagte sich zunehmend, dass Nurse Bolton ihm Dinge verbot, die er sich in seinem fortgeschrittenen Alter von fünf Jahren durchaus zutraute.

Dennoch griff er nun, ohne zu protestieren, nach der Hand seiner Mutter und sah vertrauensvoll zu ihr auf, als sie sich auf den Weg durch den Park zur Kutsche machten.

Lieber wäre Helena einfach zu Fuß gegangen, das Haus im vornehmen Stadtteil St. James's lag nicht mehr als eine gute halbe Stunde Fußmarsch entfernt, und sie war oft schon viel länger unterwegs gewesen. Doch in London galten andere Regeln als auf Daventry Hall, wo sie und Gussie die letzten Jahre verbracht hatten. Sie würde sich nun den Gepflogenheiten der Hauptstadt wieder anpassen müssen.

Helena hielt die kleine Hand ein wenig fester, als sie die Serpentine und den Sonnenschein hinter sich ließen. Möglicherweise war sie die einzige Lady in London, die sich nicht so recht auf die beginnende Season freute. Nicht nach dem Gespräch, das ihr Schwiegervater gestern beim Dinner mit ihr geführt hatte.

Kapitel 3

H elena betrachtete das dunkelviolette Abendkleid mit der hohen Taille, das ihre Zofe für sie auf dem Bett bereitgelegt hatte. Sie ließ ihre Hand über den zarten, in mehreren Schichten verarbeiteten Musselin gleiten und seufzte.

»Nicht mehr lange, Mylady, in nur vier Wochen werden Sie auch die Halbtrauer ablegen können«, plauderte Agnes.

Sie suchte einen passenden Unterrock heraus, dessen Saum sichtbar sein würde, wenn ihre Herrin das Kleid beim Gehen anhob, um es vor Staub und Schmutz zu schützen.

»Und dann können Sie endlich wieder richtige Farben tragen. Soll ich die Schneiderin für nächste Woche bestellen? Es dauert ja ein bisschen, bis alles fertig ist.«

Helena zögerte. Ihre fast dreijährige Trauerzeit schien sich dieses Mal tatsächlich endgültig dem Ende zuzuneigen. Nach den langen Monaten in Schwarz und nur den letzten Wochen gelegentlich auch in Grau- und Lilatönen war sie in der Tat froh, bald ein wenig mehr Auswahl bei den Farben ihrer Kleider zu haben. Dennoch sah sie dem Ende der Trauerphase nicht nur mit Freude entgegen. Schon der heutige Abend mit dem Beginn der Rückkehr in die Gesellschaft würde nicht einfach sein.

»Das Schicksal hat Sie wirklich schwer getroffen, Mylady. Zuerst Ihr Gemahl, danach so bald Ihre Mutter und dann auch noch Ihr Vater ...« Agnes schüttelte mitleidig den Kopf und reichte Helena ihre Strümpfe.

Helena setzte sich auf das gepolsterte Bänkchen vor ihrem Frisiertisch, streifte die feinen schwarzen Seidenstrümpfe über ihre Beine und band die Strumpfbänder unterhalb des Knies mit einer festen Schleife.

Sie fröstelte. Es war trotz des sonnigen Tages immer noch kühl in London, kühler als sonst im April, und das niederbrennende Feuer im Kamin spendete nur wenig Wärme. Oder war die innere Kälte daran schuld, die sie ergriffen hatte, als sie das Stadthaus des Earls of Dalby betreten hatte? Es gab hier zu viele Erinnerungen.

Ja, sie musste Agnes zustimmen. Es war nicht ganz leicht gewesen, über die Serie von Todesfällen in ihrer Familie hinwegzukommen, vor allem der Tod ihrer Mutter hatte Helena tief getroffen. Aber andererseits hatte sie die zurückgezogenen Monate auf Daventry Hall abseits der gesellschaftlichen Verpflichtungen der Hauptstadt sehr genossen. Wie anders hätte sie so viel Zeit mit ihrem Sohn Augustus verbringen können? Seit sie vor einigen Tagen nach London gekommen waren, musste sie Gussie allzu zu oft seinem Kindermädchen überlassen.

»Mylady?« Ihre Zofe sah sie abwartend an.

»Ja, Agnes, du kannst die Schneiderin bestellen. Oder ... Ich sollte vielleicht besser zu ihr in den Salon fahren, es wird wohl wirklich Zeit, dass ich wieder häufiger außer Haus gehe. Kündige mich bitte für nächste Woche an.«

Agnes lächelte zufrieden und betrachtete das violette Kleid. Helena sah ihr an, dass die Zofe sich fast mehr auf die neue Garderobe ihrer Herrin freute als sie selbst. Das Ende der Trauerzeit bedeutete schließlich auch das endgültige Ende ihrer Abwesenheit von der Londoner Gesellschaft und damit das Ende ihrer relativen Freiheit. Sie würde wieder Gäste empfangen und Soiréen und Bälle und Hauskonzerte besuchen müssen.

Zwar hätte sie sich auf diese gesellschaftlichen Veranstaltungen durchaus freuen können – sie sehnte sich zunehmend nach Musik und Tanz und fröhlichen Menschen. Aber ihr Schwiegervater, der achte Earl of Dalby, hatte gestern beim Dinner als Familienoberhaupt angeordnet, dass sie erneut zu heiraten habe. Und in diesem Licht sahen Konzerte und Bälle doch um einiges anders aus.

Auf ihr Erschrecken hin hatte er ihr gönnerhaft versichert, er würde sich höchstpersönlich um einen geeigneten Gatten für sie kümmern. Diese Vorstellung war für Helena allerdings keineswegs beruhigend.

Doch vielleicht gelang es ihr, ihrem Schicksal zu entgehen und nicht abermals der Besitz eines Mannes zu werden. Neben all den Debütantinnen, die sehr viel jünger und somit reizvoller waren als sie, würde sich kaum jemand für eine Witwe interessieren, die bereits siebenundzwanzig und drei Jahre nicht in Gesellschaft gewesen war. Mit der Ausnahme weniger früherer Freundinnen, mit denen sie gelegentlich korrespondiert hatte, erinnerte man sich wahrscheinlich nicht einmal mehr an sie.

Agnes half Helena nun mit dem kurzen Korsett und dem schwarzen Unterrock mit dem spitzenbesetzten Saum. Sie schloss die Haken und Ösen am Rücken und streifte ihrer Herrin schließlich das Kleid selbst über den Kopf. Es war recht tief ausgeschnitten und hatte kurze gebauschte Ärmel, wie es der Mode entsprach.

Helena fröstelte erneut.

»Ich bringe Ihnen gleich Ihren Kaschmirschal«, sagte Agnes und beendete ihr Werk.

»Nein, gib mir zunächst den Spencer, bis ich gehen muss. Es ist wirklich kalt hier.«

»Ich könnte das Feuer erneut anfachen lassen«, bot Agnes an.

»Lass nur. Ich bin ja nicht mehr lange hier.«

Sie schlüpfte in das kurze schwarze Jäckchen aus warmem Wollstoff, das die Zofe ihr hinhielt, und knöpfte es bis zum Hals zu. Ja, das war besser.

Erneut setzte sie sich auf das Bänkchen am Frisiertisch und überließ ihr Haar Agnes' geschickten Händen. Vielleicht hätte sie heute Abend eine Haube tragen sollen, um als mögliche Heiratskandidatin noch weniger reizvoll zu sein? Doch sie hatte sich nie mit diesen konservativen Kopfbedeckungen anfreunden können und besaß daher keine.

Sie atmete einmal tief ein und wieder aus, während Agnes ihre Haare bürstete.

Eigentlich hatte sie nicht zu Lady Attersleys Ball gehen wollen, doch der alte Earl hatte auf ihre Einwände hin nur die Stirn gerunzelt.

»Du hast das Ende der Trauerzeit lange genug hinausgezögert. Es wird höchste Zeit, dass du dich wieder in Gesellschaft zeigst«, hatte er schlichtweg bestimmt.

Und dafür war Lady Attersleys Ball hervorragend geeignet, das musste Helena zugeben, denn die Lady war eine warmherzige Frau und umsichtige Gastgeberin und würde sie ohne großes Pathos erneut in den Kreis ihrer Gäste aufnehmen.

Leider konnte sie noch nicht wieder tanzen, das bedauerte sie wirklich, denn sie liebte Musik, und vor ihrer Ehe hatte sie nur allzu gern getanzt. Doch wenn sie die Trauerzeit so ernst beachtete wie bisher, würde sie auf ihren ersten Country Dance eben noch ein wenig länger warten müssen. Und eines war für sie klar und entschieden: Sie würde ihre Halbtrauer nicht auch nur einen Tag früher ablegen, als sie musste.

Helena betrachtete ihr Spiegelbild. Agnes hatte ihr blondes Haar schlicht gescheitelt und am Hinterkopf in einem kunstvollen Knoten aufgesteckt. An den Schläfen hatte sie einzelne Locken arrangiert, und einige seidene Veilchen zierten das Arrangement.

Helena nickte ihr dankend zu. Perfekt. Sie würde ihrem Schwiegervater keine Schande machen. Sie ließ sich aus dem Spencer helfen und griff nach ihren langen schwarzen Abendhandschuhen.

Als Helena die Treppe in die Halle hinunterschritt, wartete der Earl of Dalby bereits ungeduldig. Er musterte sie von oben bis unten und nickte dann zufrieden. Sie konnte seine Gedanken mühelos an seiner Miene ablesen: Er hatte sich soeben ausgerechnet, dass ihr Äußeres durchaus dazu taugte, noch einmal eine gute Partie zu machen.

Nicht zum ersten Mal erinnerte sie sich mit Wehmut an ihren Vater. Auch wenn er nicht immer die glücklichsten Entscheidungen getroffen hatte, was die Zukunft seiner einzigen Tochter betraf, so hatte er doch nie über ihren Kopf hinweg bestimmt. Er hätte es sicher verstanden, dass sie lieber zurückzogen mit ihrem Sohn auf Daventry Hall leben würde, statt erneut auf dem Heiratsmarkt zur Schau gestellt zu werden. Oh, sie hoffte inständig, dass auf dem heutigen Ball niemand war, der sich für sie interessierte!

Immerhin würde der Earl sie nicht mit irgendjemandem vermählen, sondern nach einem Titel und dem passenden Vermögen Ausschau halten, mit dem er sich indirekt verbinden wollte. Helena war, wenn auch nicht blutsverwandt, schließlich Mitglied seiner Familie und seines Haushalts und die Mutter seines Erben. Ein einflussreicher Gatte für sie würde das Ansehen des Earls durchaus positiv beeinflussen.

Dennoch ... Es war hoffentlich nicht so einfach, wie er es sich vorstellte, für eine Witwe mit Kind eine gute Partie zu arrangieren.

Helena griff nach dem Schal, den Agnes ihr reichte, und legte ihn um ihre Schultern. Der Earl bot ihr den Arm, und sie ließ sich von ihm hinaus zur Kutsche führen. Ihr Herz schlug ein wenig schneller als sonst.

Ob Frederick bereits auf dem Ball war? Der alte Earl und sie würden, wie es Mode war, recht spät erscheinen, vielleicht wartete Freddy schon auf sie? Hoffentlich! Er war erst gestern zurück nach London gekommen und hatte ihr nur eine sehr kurze Nachricht geschickt, dass er gedachte, Lady Attersleys Ball zu besuchen, und hoffte, sie dort zu treffen.

Sie hatte ihn seit Vaters Beerdigung vor fast einem Jahr nicht mehr gesehen, und manchmal schien ihr Herz zu schmerzen vor Sehnsucht und vor Angst, dass er aus dem Krieg gegen Napoleon eines Tages nicht zurückkehren könnte.

Kapitel 4

D as dunkelhäutige Dienstmädchen, das Leandra von ihrem vorigen Arrangement mitgebracht hatte, öffnete Charles die Haustür und knickste, als es ihn hereinließ. Auf seinen fragenden Blick hin deutete es zur geschlossenen Tür des Schlafzimmers im ersten Stock und knickste erneut. Es nahm ihm den Hut ab und verschwand damit in die Richtung, in der er die Dienstbotenräume vermutete.

Charles stieg die geschwungene Treppe hinauf und knöpfte dabei seinen dunkelblauen Frack auf. Er hatte Glück gehabt, dieses Haus so schnell und günstig erstehen zu können. Das Dorf Knightsbridge lag südlich des Hyde Parks und das Hans-Town-Bauprojekt, das die Gegend hier seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschloss, hatte eine Vielzahl von Stallungen, Handwerksbetrieben und bescheidenen Häuschen für ansässige Händler geschaffen.

Doch es gab auch größere Häuser mit Gärten, die Straßen waren gepflastert und gut beleuchtet, und in der Dunkelheit patrouillierten Nachtwächter durch das neu entstehende Viertel. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Knightsbridge ein Teil von London sein würde, da war sich Charles sicher. Dieses Haus war eine wirklich gute Geldanlage.

Zudem hatte es mit seinen beiden Stockwerken und dem Tiefgeschoss für das Personal die richtige Größe, und er hatte Leandra einen großzügigen Betrag zur Verfügung gestellt, mit dem sie die Ausstattung nach ihrem Geschmack ergänzen konnte.

Das Beste aber war, dass das Dörfchen von London aus schnell zu erreichen war. Wenn er nachmittags die Rotten Row im Hyde Park entlangritt, wo die modische Gesellschaft promenierte oder ausfuhr, war es nur ein kurzer Weg von den höflichen, aber meist langweiligen Begegnungen zu körperlichen Wonnen.

Einen winzigen Moment lang zögerte er. Sollte er an der Tür kratzen oder gar anklopfen, bevor er den Raum betrat? Leandra war natürlich nicht seine erste Geliebte, aber sie war seine erste offizielle Mätresse, der er ein Haus und Unterhalt bezahlte. So war sie es gewohnt, seit Lord Bensworth sie im Ballett der Oper entdeckt und erobert hatte. Doch Lord Bensworth war nicht mehr der Jüngste, und Leandra schien sich nur zu gern von ihm getrennt zu haben, um das hübsche Haus zu beziehen, das ihr der attraktive Duke of Elmsley zugedacht hatte.

Charles drehte den Türknopf und öffnete die Tür, trat ein und schloss sie wieder hinter sich.

Leandra erwartete ihn. Sie ruhte auf dem großen Himmelbett, dessen seidene pfirsichfarbene Vorhänge gerade so weit aufgezogen waren, dass er ihren in ein zartes Gewand gehüllten Körper sehen konnte, und las in einem Buch. Ein Hauch von Rosenduft lag in der Luft.

Leandra sah auf und lächelte ihm entgegen. Wie schön sie war! Sie räkelte sich und ließ das Buch achtlos zu Boden fallen.

Charles trat näher an das Bett heran. Unter dem halb transparenten cremefarbenen Stoff zeichnete sich Leandras wohlgeformter Körper ab, schwach waren die rosigen Höfe ihrer Brustwarzen und das dunkle Dreieck ihrer Scham zu erkennen.

Sie streckte ihm ihre Arme entgegen, und als er sich zu ihr beugte, glitten ihre Hände unter seinen Frack, strichen über seine Weste nach oben und schoben die Jacke von seinen Schultern.

»Leandra«, flüsterte Charles und atmete ihren Duft ein. Er wusste, dass ein französischer Parfümeur ihn extra für sie kreiert hatte, einen Wohlgeruch, der ihn an den Rosengarten von Elmsley Castle erinnerte, an warme Sommerabende und die Küsse des Hausmädchens, das ihn vor vielen Jahren in die körperlichen Freuden eingeweiht hatte. Wie war noch ihr Name gewesen?

»Endlich.« Leandra legte ihre Hände um seinen Nacken und zog ihn an sich. Ihre Lippen öffneten sich leicht, und er presste seinen Mund darauf, suchte mit seiner Zunge die ihre, die ihm entgegenkam und spielerisch wieder zurückwich, während sie leise stöhnte.

Sofort spürte er, wie seine Hose zu eng wurde, und dies verstärkte sich noch, als Leandras Hand nach dem Stand der Dinge tastete.

»Mmh«, gurrte sie und ließ ihre Zunge erneut um seine kreisen, während sie mit einem ihrer Finger die Bewegung durch den Stoff an seinem nun steifen Glied nachahmte.

Mit einem Aufstöhnen riss er sich von ihr los, um sich auszuziehen.

Als er sich ihr wieder zuwandte, saß sie auf dem Bett, die Beine malerisch seitlich angewinkelt, und erwartete ihn. Er kniete sich vor sie und schob ungeduldig den zarten Stoff an ihrem Ausschnitt zur Seite. Angesichts der vollen, runden Brüste hielt er kurz inne, bevor er sich schnell vorbeugte und seine Lippen um ihre linke Brustwarze schloss.

»Mmh«, machte sie wieder und streckte ihm den Oberkörper noch weiter entgegen. Dabei löste sie gleichzeitig die Bänder ihres Gewands auf der Schulter. Das zarte Gewebe glitt an ihrem Körper nach unten und gab ihn seiner Liebkosung frei.

Er küsste sie erneut. Ihre Hände fassten seine Schultern, strichen hinunter über seine nackte Brust. Ihre Nägel kratzten leicht über seine Brustwarzen, und er spürte ein Ziehen in seinem Glied, als gäbe es eine direkte Verbindung dorthin.

»Leandra.« Seine Stimme war heiser, als er den Kuss unterbrach, um ihre Berührungen zu genießen.

Seine Geliebte lehnte sich ein wenig zurück und richtete den Blick auf ihre Hand, die immer noch seine Brust liebkoste. Ihre Lippen öffneten sich leicht, und ihre Zungenspitze benetzte sie. Nur langsam bewegten sich ihre Nägel nun weiter hinunter, umspielten seinen Nabel, glitten zur Seite über seine Hüfte und den Oberschenkel bis zum Knie.

Charles hielt die Luft an, als sie an der Innenseite der Schenkel den Rückweg begannen. Ein Zittern ergriff ihn. Leandra lächelte wissend, ihre Hände stockten in der Bewegung, und Charles konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken.

Dann – endlich – bewegten sich die Finger wieder, allerdings nur, um weiter über seinen Bauch nach oben zu wandern. Er packte ihr Handgelenk.

»Warte«, flüsterte sie. Sie schob ihr Hemd von ihren Oberschenkeln, erhob sich auf die Knie und rückte näher an ihn heran. »Findest du den Weg?« Leandra lächelte provozierend.

Und ob er ihn fand!

Mit einem Stoß drang er tief in sie ein. Sie fasste seine Hüften und zog ihn mit sich, als sie sich nach hinten fallen ließ. Dann begann sie, ihr Becken leicht auf und ab zu bewegen, und passte sich seinem Rhythmus an.

»Ah, Leandra!«, keuchte er und erhöhte das Tempo seiner Stöße.

Sie stöhnte.

Und dann konnte er nicht mehr an sich halten, und mit einem heftigen Zucken ergoss er seinen Samen in sie.

Leandra lachte kehlig und triumphierend.

»Befriedigt, Your Grace?«, fragte sie und zog ihre Muskeln so um sein Glied zusammen, dass er erneut zuckte.

Nun erst löste er sich von ihr und ließ sich rücklings neben sie auf die Matratze fallen.

»Für den Moment ja«, gab er zu.

»Ein Glas Wein?«, bot Leandra an. »Die Nacht ist noch lang, und vielleicht sollten wir uns stärken.«

»Unbedingt!«, stimmte Charles zu.

Kapitel 5

M eine liebe Lady Daventry«, begrüßte Lady Attersley die ankommende blonde Schönheit, die den Earl of Dalby zu ihrem Ball begleitete, und nahm die beiden Hände der Dame. Sie schien sich ehrlich zu freuen, denn sie lächelte Lady Daventry mit leicht geöffnetem Mund herzlich an, obwohl sie das wegen eines fehlenden Eckzahns sonst vermied.

Der Marquess of Bayne trat unauffällig einen Schritt näher, um zu hören, ob er die Ankommende richtig eingeordnet hatte. War dies also die verwitwete Schwiegertochter des Earls? Anzunehmen, denn sie trug noch Halbtrauer, das jedoch mit äußerster Eleganz. Und wenn er sie so ansah, erinnerte er sich überraschenderweise sogar an sie, die er und Charles vor Jahren, als sie debütiert hatte, die schöne Helena getauft hatten.

Er hatte bereits bei White's von Lady Daventrys Rückkehr nach London gehört. Morley hatte hundert Guineas darauf gewettet, dass die Viscountess am Ende der Season verlobt sein würde, und Glichester war eingestiegen.

»Von wegen Verlobung am Ende der Season«, hatte er aufgetrumpft. »Ich wette, dass sie zum Ende der Season bereits verheiratet sein wird!«

»Wollt ihr euch die Dame nicht zuerst einmal anschauen?«, hatte Bensworth eingewandt. »Seit Jahren hat sie keiner mehr gesehen. Ich wäre da etwas vorsichtig.«

»Wozu? Das Geld, das sie mitbringen wird und ihre Stellung sind verführerisch genug, finde ich.« Glichester leckte sich genüsslich die Lippen.

Man hatte diese Wette, wie es sich gehörte, umgehend offiziell ins Wettbuch eingetragen.

John, der Marquess of Bayne, beteiligte sich grundsätzlich nicht an Wetten. Im Gegensatz zu den meisten Mitgliedern bei White's oder auch den anderen Clubs langweilte es ihn, seine Vermutungen öffentlich zu verkünden und Geld darauf zu setzen. War es nicht letztlich gleichgültig, welcher Regentropfen zuerst den Fensterrahmen berührte oder wer das Rennen um die Hand der jungen Lady Catherine machte?

Allerdings war er am Schicksal der Viscountess Daventry durchaus interessiert, denn war sie nicht genau die Frau, die Charles brauchte?

Die Gastgeberin machte sich nun bereit, den Ball mit einem Cotillon zu eröffnen. John wich dem Blick einer jungen Dame aus, deren Augenaufschlag hinter ihrem Fächer wohl verführerisch wirken sollte, ihn aber eher an eine Schlange erinnerte.

Wo war Lady Daventry?

Er entdeckte sie in angeregtem Gespräch mit einer dunkelhaarigen Dame, die in ihrem Alter sein mochte. War das nicht die Schwester von Lord Barlingsley? Die, die unter ihrem Stand geheiratet hatte, auch wenn natürlich ein Richter ein ehrenwerter Mann war.

Leider musste John beim Nähertreten feststellen, dass Lady Daventry ihre Schleppe nicht über dem Arm oder hochgesteckt trug und somit signalisierte, dass sie nicht tanzen würde.

»Lord Bayne, haben Sie unter all diesen hübschen Debütantinnen noch keine Wahl treffen können?«, zwitscherte eine Stimme hinter ihm.

Er drehte sich um. »Meine liebe Lady Winwick, ich habe selbstverständlich auf Sie gewartet!«

Lady Winwick berührte ihre immer noch blonden Locken, lachte kokett und schlug ihm mit ihrem zusammengefalteten Fächer auf den Oberarm. »Lord Bayne, ich könnte Ihre Mutter sein!«

»Aber Sie sind eine begnadete Tänzerin!«

»Nun stellen Sie sich nicht so an, junger Mann. Dort drüben warten die Damen. Und da die Herren heute hier ein wenig in der Unterzahl sind, müssen Sie unbedingt ihre Pflicht tun.«

Mit einem Lächeln verbeugte sich John vor Lady Winwick und ging dann auf die nächstbeste der jungen Damen zu, an die die Lady ihn verwiesen hatte. Irgendwie kam es ihm heute so vor, als sähen sie alle gleich aus. Ja, sie hatten verschiedene Haarfarben, und wenn man genau hinschaute, unterschieden sich auch ihre weißen Kleider ein wenig voneinander. Dennoch stach ihm keine von ihnen ins Auge. Nicht, nachdem er Lady Daventry in ihrem dunkelvioletten Gewand erblickt hatte.

Immerhin konnte er bei einem privaten Ball wie diesem, bei dem alle Gäste als einander vorgestellt galten, auffordern, wen er wollte. Und solange er mit jeder Dame nur ein- oder höchstens zweimal tanzte, blieb alles herrlich unverbindlich.

Die Gastgeberin nahm nun mit ihrem Partner die Position an der Spitze der Tanzenden ein. Weitere Paare formierten sich, und die Musiker stimmten ihre Instrumente. Männer und Frauen standen sich nun gegenüber, und als die Musik einsetzte und die Paare sich durch einen Knicks oder eine Verbeugung offiziell begrüßt hatten, begannen sie, die vorgegebenen Figuren zu tanzen.

Lady Attersley führte mit ihrem Tanzpartner eine einfache Figurenfolge an, wohl aus Rücksicht auf die zahlreichen recht nervösen Debütantinnen, die heute Abend bei ihr zu Gast waren und durch kompliziertere Schritte möglicherweise überfordert gewesen wären.

Das gab John die Möglichkeit, seine Partnerin höflich anzulächeln und nebenher dennoch Lord Dalby zu beobachten, wie er im Ballsaal zirkulierte und, wenn John die Blicke der angesprochenen Herren richtig einschätzte, seine Schwiegertochter anpries.

Lady Daventry konnte er nicht sehen, sie musste den Raum verlassen haben.

Der Cotillon dauerte gefühlt eine Ewigkeit, und John war nur froh, dass das noch endlosere Menuett aus der Mode gekommen war. Man konnte bei jenem Tanz während eines großen Balls durchaus eine halbe Stunde mehr oder weniger stehend auf der Tanzfläche verbringen, bis alle Paare nacheinander ihre Figuren durchtanzt hatten.

Natürlich war es üblich, diese Zeit zur amüsanten Unterhaltung zu nutzen – wann sonst hatte eine junge, unverheiratete Lady schon die Möglichkeit, allein mit einem Mann zu sprechen, ohne dass jemand zuhörte. Doch konnte sich die Zeit auch ziehen, wenn die Tanzpartner sich nichts zu sagen hatten.

Mit ein paar netten, belanglosen Worten brachte John schließlich seine Dame zurück zu ihrer Mutter und machte sich auf die Suche nach Lady Daventry, während die Musiker einen fröhlichen Scotch Reel anstimmten.

Es war nicht allzu schwer, die Viscountess zu entdecken – ihr dunkles Kleid stach zwischen all den weißen und pastellfarbenen Roben der anderen Damen hervor. Allerdings war es völlig unerwartet, sie in den Armen eines Mannes anzutreffen. Die beiden hatten sich hinter eine der großen Topfpflanzen am Ende des Ganges zurückgezogen und schienen, soweit John sie zwischen den Blättern sehen konnte, nur Augen füreinander zu haben.

»Geh nicht wieder fort, Freddy«, hörte er Lady Daventry sagen.

»Nein, Liebes«, antwortete der Angesprochene. »Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Mehr kann ich dir nicht versprechen, solange Napoleon weiter sein Unwesen treibt.«

Die Lady seufzte tief. »Ich hab dich so vermisst!«

Behutsam zog sich John zurück und ließ die beiden diskret allein.

Schade. Die Witwe hatte also gar nicht erst bis zum Ende der Trauerzeit gewartet, um sich nach einem neuen Mann umzusehen, und hatte sich gefühlsmäßig bereits engagiert. Ein wenig enttäuscht, dass seine Pläne für Charles wohl zum Scheitern verurteilt waren, ging John zurück in den Ballsaal.

Es war inzwischen deutlich wärmer hier drinnen als zuvor. Zum Glück hatte der nächste Country Dance bereits begonnen, und John konnte diesen Tanz aussetzen, ohne seine Pflicht zu vernachlässigen und seine Gastgeberin oder die Gäste zu brüskieren. So hatte er Zeit, sich bei einem kalten Glas Champagner ein wenig umzusehen, was die neue Season an unbekannten Gesichtern zu bieten hatte. Und dann würde er eine Dame nach der anderen zum Tanz bitten und glücklich machen.

Schade nur, dass Lady Taunton heute nicht hier war, die ihn so oft schon glücklich gemacht hatte. Allerdings nicht während eines Balles auf der Tanzfläche, sondern weit weniger offiziell danach in ihrem Zuhause.

Der erste Teil des Balls ging dann doch schnell vorbei, stellte John fest. Seine letzte Tanzpartnerin beim Dinner Dance vor der Pause war Lady Sibyl, die Enkelin von Lord und Lady Henley, und so führte er diese Dame zum Essen.

Dies war bereits Lady Sibyls zweite Season. Nicht alle Mädchen kamen gleich im ersten Jahr ihres Erwachsenseins unter die Haube, auch wenn die Eltern dies hoffen mochten, um die Kosten für eine weitere Season zu sparen. Wobei ihn das im Falle von Lady Sibyl ein wenig wunderte, denn sie war eine wirklich angenehme junge Frau.

Wie üblich gab es auch bei Lady Attersleys Ball zur Stärkung die sogenannte weiße Suppe aus Hühnerbrühe, Ei, gemahlenen Mandeln und Sahne, die mit heißem Negus serviert wurde. Negus war nicht gerade nach Johns Geschmack; diese Mixtur aus Zucker, Wasser, Portwein und manchmal Gewürzen war ihm deutlich zu süß und erhitzte den Körper nur noch mehr.

Doch Lady Sibyl schien das duftende Gebräu zu schmecken, und nachdem sie ihren Negus recht schnell getrunken hatte, färbten sich ihre Wangen rosig. Sie musste die plötzliche Hitze in ihrem Gesicht gespürt haben, denn sie entschuldigte sich abrupt, um sich in den Raum zu begeben, der den Damen während des Balls als Rückzugsort diente.

Als John ihr nachsah, fiel sein Blick erneut auf Lady Daventry und ihren Beau am anderen Ende des Raumes. Der Mann, der ebenso blond war wie die schöne Witwe und noch sehr jung und ein wenig dandyhaft aussah, kam ihm irgendwie bekannt vor.

Er wandte sich an die alte Dame zu seiner Linken: »Entschuldigen Sie, Lady Henley. Können Sie mir verraten, wer der Mann dort neben Lady Daventry ist? Ich kann ihn nicht ganz einordnen und möchte ja nicht unhöflich sein, wenn ich mit ihm spreche.«

Lady Henley lachte. »Ach ja, der gute Kendal – er ist gerade erst vom Kontinent zurückgekommen. War ein paar Jahre weg. Hat gegen Napoleon gekämpft.«

Kendal? Der Earl of Kendal war im letzten Jahr verstorben, dann musste dies also sein Sohn sein, der den Titel geerbt hatte. Da aber der alte Earl of Kendal der Vater der Viscountess Daventry gewesen war, war der junge Mann, den sie so herzlich umarmt hatte ... ihr Bruder!

Ein Stein fiel John vom Herzen. Sein wunderbarer Plan, Charles zu seinem Glück zu verhelfen und seine Heirat mit der Witwe einzuleiten, war nicht zum Scheitern verurteilt! Er konnte sich nun gleich einmal diskret mit Lady Daventrys Schwiegervater in Verbindung setzen und seinen Freund ins Gespräch bringen. Einen Duke würde der alte Earl sicher freudig willkommen heißen.

Und Charles konnte es wirklich schlechter treffen als mit der schönen Helena.

Kapitel 6

M rs Peters, Helenas Schneiderin, war eine kleine, rundliche Frau, die einen großen heimlichen Pluspunkt hatte, der ihre Kundinnen in ihren feinen Salon in Mayfair zog. Sie war eine geborene Französin! Natürlich waren seit den Auseinandersetzungen mit Napoleon Franzosen nicht mehr allzu hoch angesehen, aber zum Glück hatte Mrs Petersen einen englischen Seemann geheiratet, der ihr zu einem englischen und somit harmlosen Namen verholfen hatte, sodass sie vor Anfeindungen geschützt war.

Mrs Peters' Ankunft aus Frankreich war über dreißig Jahre her, auch hatte sie nach all der Zeit in London eigentlich fast keinen hörbaren französischen Akzent mehr, doch wenn nötig, konnte sie ihre Beratung mit jeder Menge »mon Dieu«, »ma chère« und »c'est si belle« spicken.

Und so vertrauten die Damen ihrer Schneiderkunst und ihrem Geschmack, denn es war ja allgemein bekannt, dass Französinnen die Kunst der Mode bereits mit der Muttermilch aufsogen. Und das war gerade jetzt, wo man nur sehr schlecht an Nachrichten oder gar Modestiche aus Paris kam, äußerst wichtig.

Helena war lange nicht hier gewesen. Während ihrer Trauerzeit auf dem Land hatte sie keine Notwendigkeit gesehen, neue Stoffe auszuwählen und sich am Ende doch nur weitere schwarze Kleider schneidern zu lassen. Mrs Peters hatte ihre Maße, und es hatte ausgereicht, ihr einen schriftlichen Auftrag zu schicken und die Bestellung abholen zu lassen.

Nun aber galt es in Kürze, einen standesgemäßen Eindruck zu machen, wenn sie wieder in der guten Gesellschaft auftauchte. Sie war die Viscountess Daventry, Schwiegertochter des Earls of Dalby und Mutter seines Erben, und entsprechend musste sie auftreten. Tatsächlich freute sie sich auch auf ein paar neue Kleider in zarteren Farben. Vielleicht eines in einem hellen Blauton? Es war schließlich Frühling!

Als Helena, gefolgt von Agnes, Mrs Peters' Laden betrat, eilte ihr die Schneiderin sofort entgegen. Ihr graues Haar war ordentlich von einer blütenweißen Haube bedeckt, und sie trug ein schlichtes beiges Gewand, sodass die Kleider ihrer Kundinnen im Kontrast dazu stets noch eleganter und prachtvoller wirkten.

»Your Ladyship, welche Freude. Kommen Sie, kommen Sie, ma chère. Ich habe schon alles für Sie hergerichtet.«

Ohne Agnes mit mehr als einem kurzen Nicken zu bedenken, führte Mrs Peters Helena in ein Zimmer, dessen zierliche Möbel mit roséfarbenen und hellgrünen Stoffen bezogen waren. Auf einem der beiden Tische an der rückwärtigen Wand lagen Stoffballen bereit, auf dem anderen Spitzen und Bänder und weiteres Putzwerk. Dort standen auch die kleinen Dosen, die, wie Helena wusste, Glassteine enthielten. Diese dienten als Muster für echte Edelsteine, die Abendroben verzieren konnten.

Helena trat näher und betrachtete die Seiden, die Samtstoffe und die so modischen zarten Baumwollgewebe. Ihr Blick fiel auf einen blassblauen Musselin, in den kleine weiße Punkte eingestickt waren. Sie strich mit den Fingerspitzen darüber, obwohl sie das Material durch die Handschuhe natürlich nicht fühlen konnte. Aber schon die Vorstellung, ein Kleid aus diesem Stoff zu tragen, war erquicklich, und sie lächelte.

»Diesen hier möchte ich auf jeden Fall – vielleicht für ein Nachmittagskleid?«

»Eine sehr gute Wahl. Die Ärmel leicht bauschig und so lang, dass sie den Oberarm bedecken?«

»Ja, gerne.«

»Sie könnten sie aber auch, solange es noch so kühl ist, à la Mamelouk tragen«, schlug Mrs Peters vor.

Helena sah sie fragend an.

»Das sind extra lange Ärmel, die sogar die Hände bedecken, das Allerneueste in diesem Jahr.«

Nun zögerte Helena. »Nein, ich denke nicht, dass das besonders praktisch ist«, sagte sie schließlich. »Haben Sie noch einen weiteren Vorschlag?«

»Selbstverständlich können wir die Ärmel auch anders gestalten. Für einen so zarten Stoff würde ich empfehlen, wir legen ihn in drei Stufen. Gestufte Ärmel sind in dieser Season ein absolutes Muss, und wir könnten die Stufung am Rocksaum wiederholen, sehen Sie, so ...«

Sie legte den Stoff blitzschnell in drei Falten, sodass Helena sich eine Vorstellung von der Wirkung machen konnte.

»Ja, das gefällt mir.« Sie sah Agnes kurz an.

Die Zofe nickte. »Des Weiteren sollten Sie unbedingt ein Kleid oder besser noch eine Pelisse haben, die einen leicht militärischen Stil widerspiegelt. Hier, dieser dunkelblaue Samt würde sich mit goldenen Kordeln und Borten ausgezeichnet für eine solche Pelisse eignen. Die Nähte mit Paspeln. Und mit ihrem goldblonden Haar würden Sie darin bezaubernd aussehen!«, versicherte die Schneiderin und legte eine dicke goldene Kordel auf den Samt.

»Was halten Sie davon, wenn wir die Pelisse etwas länger machen als üblich, Mylady, vielleicht bis zum Knie? Ich glaube ja, dass früher oder später solche Mäntel genau so lang sein werden wie die Kleider. Die diesjährige Mode deutet das bereits an. Das wäre natürlich nicht nur viel praktischer und wärmer, sondern auch deutlich eleganter.«

Ein bisschen fühlte sich Helena in diesem kleinen Raum wie in einem Wunderland aus schönen und kostbaren Dingen, die Mrs Peters ihr offerierte und mit ihren Händen und Worten zu Kunstwerken formte. Es ging eine belebende Wirkung von der energischen kleinen Frau aus, und Helena spürte, wie sich deren positive Ausstrahlung auf sie übertrug.

Zwei Stunden später hatte sie nicht nur Vormittags- und Nachmittagskleider in Auftrag gegeben, sondern auch ein Spazierkleid, ein Reitkleid und drei wunderschöne Abendroben. Dazu die entsprechenden Chemisen und Unterkleider, ein neues Kurzkorsett, Strümpfe und Handschuhe.

Mrs Peters sah bei der Verabschiedung ebenso zufrieden aus, wie Helena sich fühlte, und versprach, die Kleider baldmöglichst zu liefern, damit Lady Daventry sie sofort zur Verfügung hatte, wenn sie die Trauergewänder ablegte.

»Nun noch kurz zur Putzmacherin.«

Helena stieg, gefolgt von ihrer Zofe, in die Kutsche und gab dem Kutscher den entsprechenden Befehl.

»Was hältst du davon, wenn ich mir einen zur Pelisse passenden Hut aus dem blauen Samt machen lasse? Mrs Peters kann den Stoff herüberschicken, sobald ich mich für eine Form entschieden habe.«

»Eine ausgezeichnete Idee.« Auch Agnes' Augen leuchteten, obwohl sie mit den schwarzen Kleidern, die Helena ihr bald überlassen würde, selbst nicht viel anfangen konnte.

Ob sie sie verkaufen würde? Das Vorrecht der Zofen, die abgelegten Kleider der Ladys zu erhalten, war sicher dieses Mal ein besonders gutes Zubrot für Agnes. Helena würde ihre komplette schwarze Garderobe austauschen und höchstens noch ihre beiden Lieblingsstücke aus der Halbtrauerzeit behalten. Es war Zeit für ein neues, bunteres Leben.

Kapitel 7

E ine knappe Woche nach dem Ball bei Lady Attersley und nur zwei Tage nach dem Besuch bei ihrer Schneiderin rief der Earl of Dalby seine Schwiegertochter zu sich.

Mit laut klopfendem Herzen machte sich Helena aus ihrem Schlafzimmer auf den Weg hinunter in die Bibliothek. In dieses Zimmer im Stadthaus des Earls zitiert zu werden, hatte nichts Gutes zu bedeuten. So sehr, wie sie die Bibliothek ihres Vaters geliebt hatte, so sehr fürchtete sie den Raum hier, den ihr Schwiegervater als eine Art Thronsaal zu betrachten schien, von dem aus er seine Macht ausübte.

Nach Alfreds Tod hatte sie gehofft, sich dem alten Earl entziehen zu können, möglicherweise allein mit Gussie zu leben oder nach Hause zu ihren Eltern zurückzukehren. Doch noch bevor ihre Wünsche zu einem Plan werden konnten, war ihre Mutter gestorben, im Jahr darauf ihr Vater. Ihr einziger Bruder kämpfte auf dem Kontinent. Sie war allein.

Und als ihr Schwiegervater ihr hier in ebendieser Bibliothek deutlich erklärte, dass sie und Gussie selbstverständlich Teil seiner Familie seien und als solche naturgemäß seiner väterlichen und großväterlichen Gewalt unterstanden, hatte sie ihm nichts entgegensetzen können.

Einer der livrierten Diener stand mit bewegungsloser Miene vor der Bibliothek bereit – ein weiterer Hinweis, dass dies ein offizielles Gespräch werden sollte.

Helena atmete einmal tief durch und blieb stehen, bis der Diener die Tür geöffnet und sie angekündigt hatte. Dann trat sie in den dunklen, immer leicht muffig riechenden Raum.

»Setz dich«, befahl Lord Dalby. Er saß auf seinem ledergepolsterten Armstuhl hinter einem Schreibtisch, auf dem sich neben Feder, Tintengefäß und Löschsanddose heute nicht der übliche Stapel Papiere auftürmte, mit dem er sonst seine Wichtigkeit betonte. Nur zwei aufgefaltete Briefe lagen darauf, beschwert mit dem bronzenen Siegelstempel der Earls of Dalby.

Gehorsam nahm Helena gegenüber von ihm auf dem einfachen Stuhl Platz. Sie faltete ihre Hände im Schoß und hoffte, dass der Earl nicht bemerkte, wie sie zitterten.

»Du wirst dir sicher schon denken, worum es geht«, setzte er an und griff nach dem Siegelstempel. Er begann, ihn in seiner rechten Hand zu drehen, und wartete.

Helena schwieg.

Der Earl runzelte die Stirn und fuhr fort: »Nach dem Ball bei Lady Attersley ist von zwei Herren diskret angefragt worden, wann genau deine Trauerzeit beendet ist und ob du dann einer Werbung wohlwollend gegenüberstehst«, erklärte der Earl.

Helenas Herz sank. »Ich möchte lieber unverheiratet bleiben«, sagte sie leise.

Sie hatte bisher gehofft, bei dem Ball, bei dem sie zwar ein wenig umhergegangen war und einige Gespräche geführt, aber natürlich nicht getanzt hatte, keinen Eindruck hinterlassen zu haben. Doch ihr war nicht verborgen geblieben, dass manche der Herren, mit denen der Earl gesprochen hatte, ihr begehrliche Blicke zugeworfen hatten.

Der Earl schüttelte missbilligend den Kopf. »Du weißt ja noch nicht einmal, um wen es sich handelt. Vor allem mit einer dieser Partien wirst du nicht nur selbst eine vornehmere Position in der Gesellschaft erreichen, sondern auch deinem Sohn und unserer gesamten Familie eine exzellente Verbindung schaffen.«

»Ich möchte lieber unverheiratet bleiben«, wiederholte Helena ein wenig lauter, »und mich um die Erziehung meines Sohnes kümmern.«

Ihr Herz klopfte nun noch heftiger als zuvor, und ihr Magen schien das Frühstück wieder loswerden zu wollen. Es kostete sie ihre ganze Kraft, nicht einfach weinend davonzulaufen.

»So ein Unfug! Augustus ist nun fünf Jahre alt, da wird es ohnehin Zeit, einen Erzieher für ihn zu finden. Da er mein Erbe ist, werde ich mich selbstverständlich darum kümmern, und er wird weiter in Daventry Hall leben. Für eine ewig trauernde Witwe habe ich dort jedoch keinen Platz.«

Er stellte den Siegelstempel vor sich auf dem Tisch ab und sah sie unter halb geschlossenen Lidern an. »Ich denke, als Witwensitz wäre Ashton das Richtige.«

Helena zuckte zusammen. Ashton? Der kleine Landsitz im Norden, unendliche Meilen von Daventry Hall entfernt?

Der Earl musste ihr Entsetzen erkannt haben, denn ein zufriedenes Lächeln zog über sein Gesicht.

»Es liegt natürlich ganz bei dir«, sagte er und nahm sein Spiel mit dem Stempel wieder auf. »Aber ich stelle mir das Leben so allein in Ashton sehr einsam vor. Dagegen eine Ehe mit einer einflussreichen Persönlichkeit und häufige Besuche auf Daventry Hall ...«

»Wer?«, fragte Helena abrupt. »Wer will mich so plötzlich heiraten? Und warum?«

Der Earl lehnte sich zurück. »Aha, wir kommen der Sache also näher. Natürlich bist du eine interessante Partie aus guter Familie, noch recht jung und ansehnlich, und du hast gelernt zu repräsentieren. Dazu bringst du als Alfreds Witwe und Mutter des zukünftigen Earls of Dalby ein nicht unwesentliches Einkommen und familiäre Verbindungen mit. Und du hast natürlich schon deine Fruchtbarkeit bewiesen und wirst sicher auch einem Earl oder gar einem Duke schnell einen Erben schenken können.«

Helena hielt die Luft an. Ein bitterer Geschmack schien sich in ihrem Mund auszubreiten, und sie musste langsam und bewusst weiteratmen, um der aufsteigenden Übelkeit keinen Raum zu geben.

Eine Zuchtstute, die man zu seinem eigenen Vorteil verkaufte, mehr war sie nicht. Wie hatte sie auch nur einen Moment lang glauben können, dass es anders sein würde? Dass sie über ihr Leben, über ihren Körper würde bestimmen können?

»Ja«, fuhr der Earl mit äußerst zufriedener Miene fort, »du bist tatsächlich zwei Herren aufgefallen. Zum einen interessiert sich der Earl of Glichester für eine Verbindung mit dir, und zum anderen handelt sich um den Duke of Elmsley, der dich mit seiner Aufmerksamkeit bedenkt.«

Er deutete mit dem Siegelstempel auf die beiden Briefe auf seinem Schreibtisch.

»Der Duke of Elmsley?« Helena biss sich auf die Unterlippe. »Aber der ist doch uralt! Noch älter als Glichester!«

Der Earl lachte. »Und wenn das der Fall wäre? Ein älterer Ehemann dürfte umso leichter zufriedenzustellen sein.«

Helena atmete noch einmal ganz bewusst ein und wieder aus. Nein, sie würde sich von ihrer Übelkeit nicht die Möglichkeit nehmen lassen, einen letzten Versuch zu machen, ihren Schwiegervater umzustimmen.

Doch tief im Herzen wusste sie, dass sie keine Macht hatte, sich seinen Wünschen zu widersetzen. Sie konnte es nicht riskieren, dass er ihr Gussie wegnahm und sie nach Ashton schickte. Sie durfte ihren Sohn nicht auch noch verlieren.

»Aber der Duke hat doch bereits einen Erben: seinen Enkel, Charles Stanton.«

Der Earl kicherte in sich hinein. Ihr Entsetzen, das sie mühsam zu verbergen suchte, schien ihn sehr zu amüsieren.

»Ah, ich sehe, du hast noch nicht alles vergessen in deiner jahrelangen Abgeschiedenheit.«

Charles Stanton. Sie erinnerte sich klar und deutlich an ihn. Bei ihrer ersten und einzigen Season vor acht Jahren waren sie sich natürlich vorgestellt worden, sie, Charles Stanton und sein Freund John, der frisch gebackene Marquess of Bayne. Beide Herren waren schrecklich amüsant gewesen und hatten bei den folgenden Bällen nicht nur mit ihr getanzt, sondern auch mit ihr geflirtet. Doch als Alfred Illiston, Viscount Daventry und der Erbe des achten Earls of Dalby, begonnen hatte, ihr ernsthaft den Hof zu machen, waren sie wie Schmetterlinge beschwingt zur nächsten Blume weitergezogen.

»Charles Stanton ist tot?«

Die Vorstellung, dass der fröhliche junge Mann nicht mehr lebte, gab ihr einen Stich in die Brust. War er im Krieg gegen Napoleon gefallen? Ach, wie froh war sie doch, dass ihr Bruder Freddy nicht an die Front zurückkehren, sondern sich endlich um sein Erbe kümmern würde.

»Nein. Wie kommst du darauf?«, fragte der Earl überrascht.

»Wenn der Duke of Elmsley einen Erben braucht ...«

Der Earl beugte sich über seinem Schreibtisch nach vorn und sah sie herablassend an. »Ich sehe, es wird allerhöchste Zeit, dass du in die Gesellschaft zurückkehrst und deine Kenntnisse derselben auffrischt. Charles Stanton ist der Duke of Elmsley, und zwar bereits seit zwei Jahren. Und er hat natürlich noch keinen Erben.«

»Ah.« Tatsächlich hatte sie das nicht gewusst. Die Londoner Gesellschaft und der Klatsch waren ihr so fern gewesen.

»Du siehst, was für eine Partie dir durch meine Verhandlungen in den Schoß fallen kann!« Zufrieden lehnte der Earl sich wieder zurück. »Und das schon in Kürze, denn der Duke möchte die Verlobung sofort nach Ablauf deiner Trauerzeit verkünden, und die Heirat soll vier Wochen später folgen, sobald das Aufgebot verkündet ist. Natürlich ziehe ich ihn angesichts seines Titels vor, und wenn ich dich vorhin richtig verstanden habe, ist Glichester für dich auch nicht die erste Wahl.«

Er wartete Helenas Reaktion auf seine Worte nicht ab, sondern fuhr fort: »Der Duke und ich werden uns also übermorgen mit den Anwälten zusammensetzen und die finanziellen Regelungen besprechen.«

Der alte Earl verschränkte zufrieden die Arme. Er würde sich nicht umstimmen lassen.

»Aber ich kenne ihn doch überhaupt nicht«, warf Helena dennoch ein und ließ ihre Finger zwischen den Falten ihres hochgeschlossenen Vormittagskleides verschwinden, um ihr Zittern zu verstecken.

»Du wirst ihn kennenlernen, wenn er übermorgen mit seinem Anwalt hierherkommt. Zieh dir was Hübsches an, und zeig dich von deiner besten Seite, dann wird er schon nicht wieder abspringen.«

»Aber ... habe ich gar nichts dazu zu sagen?«, fragte Helena leise, obwohl sie die Antwort kannte.

»Nein. Natürlich nicht. Außer dein Ja.« Der Earl stand auf. »Du bist die Viscountess Daventry und unterstehst mir als Familienoberhaupt, und zwar so lange, bis du zur Duchess of Elmsley wirst.«

Ohne weitere Worte verließ er die Bibliothek und ließ sie allein zurück.

Helena schluckte. Ihre Übelkeit war plötzlich vergangen. Zurückgeblieben war nichts als Leere.

Oh, warum nur konnte sie nicht einfach als Witwe mit ihrem Sohn allein irgendwo in Frieden leben? Ohne einen Ehemann. Und wenn es in Ashton wäre!

Kapitel 8

W hisky oder Portwein?«, fragte Charles. Es hatte ihn überrascht, dass sein Freund John, der Marquess of Bayne, so unverhofft bei ihm erschienen war. Doch da er keine festen Pläne für den Abend hatte, hatte er sich mit ihm ins Herrenzimmer begeben, wo sie sich in Ruhe unterhalten und vielleicht noch eine Partie Schach spielen konnten.

»Hast du keinen Brandy?«

»Leider nein, den hast du bei deinem letzten Besuch geleert. Und mit dem Nachschub aus Frankreich scheint es gerade schwierig. Aber der schottische Whisky ist auch sehr gut trinkbar.«

Lord Bayne rümpfte ein wenig die Nase. »Dieser Meinung kann ich mich nicht ganz anschließen«, sagte er. »Ich nehme den Portwein. Doch nun erzähl! Du hast mit Dalby gesprochen?«

Charles holte zwei Gläser und eine Karaffe vom Sideboard und stellte sie auf das Tischchen zwischen ihren Sesseln.

»Du hattest recht. Ich hatte wirklich nicht geglaubt, dass du so schnell eine Witwe für mich findest! Wenn wir gewettet hätten, hätte ich dieses Mal glatt verloren.«

Er goss seinem Freund ein Glas Portwein ein. Lord Bayne dankte ihm und zündete seine Zigarre an.

»Siehst du, wie gut, dass ich Lady Attersleys Einladung gefolgt bin und dort auf ihrem Ball dem Earl of Dalby begegnet bin! Er hat mir sofort seine Schwiegertochter vorgestellt, die zum ersten Mal wieder in London ist, und dabei nicht vergessen zu erwähnen, dass sie in Kürze nach ihrer Trauerzeit erneut in der Gesellschaft zu finden sein wird.« Er lachte. »Wahrscheinlich hat der gute Earl das an dem Abend jedem erzählt und gewiss einiges Interesse gefunden. Da du dich auf meinen Rat hin so schnell entschlossen hast, bei ihm anzufragen, hast du Glück gehabt.«

»Glück? Ich denke eher, ich habe einen erstrebenswerten Titel mit dem passenden Vermögen«, stellte Charles trocken fest.

»Das natürlich auch.« Lord Bayne grinste.

»In dieser Sache muss ich völlig auf dein Wort vertrauen.«

»Das kannst du beruhigt tun. Was willst du mehr? Eine gute Partie, noch nicht zu alt, frisch in der Gesellschaft nach langer Trauerzeit und somit formbar, fruchtbar und ansehnlich obendrein.« Lord Bayne hob sein Glas, um Charles zuzuprosten.

»Ich kann mich beim besten Willen nicht an sie erinnern. Die Gattin von Lord Daventry. Mit Daventry konnte ich nie etwas anfangen, und verheiratete Frauen habe ich ohnehin nicht unbedingt im Blick gehabt, außer damals, als Lady ...« Er räusperte sich.

»Und obwohl du dich nicht an Lady Daventry erinnerst, hast du meinem Urteil doch so vertraut, dass du ihren Schwiegervater sofort um ihre Hand gebeten hast?« Lord Bayne schmunzelte.

Charles zuckte mit den Achseln. »Ach, was du gesagt hast, klingt schon alles gut überlegt. Es soll ja schließlich eine Vernunftehe sein. Und wenn du sie gesehen hast und mir versicherst, dass sie nicht hässlich ist ...«

Lord Bayne lächelte anzüglich und hob die Brauen. »Also, ich könnte mir schon vorstellen, mit ihr ...«

»John! Diese Bemerkung ist nun wirklich nicht passend. Die Dame ist so gut wie verlobt mit mir.«

»Ach, irgendwie ist das Leben nicht gerecht.« Lord Bayne seufzte theatralisch. »Du hast jetzt eine schöne Braut und eine noch schönere Mätresse, und ich?«

»Du hast bei jedem Ball einen Schwarm Debütantinnen um dich. Sag bloß, du denkst nun ebenfalls ans Heiraten?«

»Nicht wirklich«, gab Lord Bayne zu. »Aber ich muss ja auch nicht für Erben sorgen, weil ich drei jüngere Brüder habe, die zu mir aufsehen.«

»Du Glücklicher!«

Lord Bayne schüttelte den Kopf. »Jetzt sei einfach mal zufrieden. Bald hörst du das Trippeltrappel kleiner Kinderfüße in Elmsley Castle, und alles ist gut. Wie geht es Leandra?«, wechselte er abrupt das Thema.

»Sehr gut.«

»So, wie du grinst, scheint sie deine Erwartungen voll zu erfüllen.«

Charles lächelte geheimnisvoll und schwieg.

»Du kannst mir ruhig mehr erzählen«, stachelte John ihn an. »Früher haben wir uns auch immer ausgetauscht, wenn wir auf einem Ball einer Debütantin einen Kuss stehlen konnten.«

»Das ist Jahre her!«

»Leider. Erinnerst du dich an die Zwillinge? Die Töchter von Lord Calton?«

»Oh ja – das war ein Spaß!« Charles lachte. »Wie die beiden immer wieder ihre Anstandsdame ausgetrickst haben, war schon bewundernswert.«

»Und man wusste nie, ob man nun Lydia oder Kitty im Arm hatte! Ob sie ihre Ehemänner nun auch gelegentlich tauschen?« Lord Bayne hob amüsiert die Brauen.

»Wie lange ist das her? Sechs, sieben Jahre?«

»Sieben, denke ich, aber die beiden hatten ja nicht nur eine Season, vielleicht irre ich mich auch. Lord Calton hat auf jeden Fall kürzlich davon gesprochen, dass Kitty und Lydia anlässlich ihres sechsundzwanzigsten Geburtstags eine gemeinsame Soirée gegeben haben«, erzählte John. »Zu der ich allerdings nicht eingeladen war. Ich frage mich, warum ...«

»Lady Daventry ist schon siebenundzwanzig Jahre alt. Sie muss ihr Debüt also früher gehabt haben«, überlegte Charles laut.

Lord Bayne hielt seinem Freund das leere Glas hin. »Stimmt! Und dabei fällt mir ein: Wenn du dich nicht an sie erinnerst, als sie mit Daventry verheiratet war, denk tatsächlich mal weiter zurück.« Er strahlte. »Natürlich haben wir auch sie bereits als Debütantin gekannt. Sie ist doch die Tochter des verstorbenen Earls of Kendal! Du hast sie damals immer ›die schöne Helena‹ genannt!«

»Die schöne Helena ...«

Charles schloss einen Moment lang konzentriert die Augen, um das Bild jenes Mädchens aus seiner Erinnerung hervorzurufen.

Lord Bayne seufzte, und Charles hörte, wie er sich nun selbst Portwein in sein Glas nachschenkte.