Der Marquess und die Braut wider Willen - Freda MacBride - E-Book
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Der Marquess und die Braut wider Willen E-Book

Freda MacBride

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Beschreibung

John Broughton, der Marquess of Bayne, führt ein fröhliches Junggesellenleben und das soll auch so bleiben. Doch dann begegnet er Ada, einer intelligenten jungen Frau, die sich der Wissenschaft verschrieben hat und sich ein Leben als Ehefrau nicht vorstellen kann. Die beiden sind voneinander fasziniert und beginnen eine heimliche Romanze. Bis sie in flagranti ertappt - und zur Heirat genötigt werden! Aber vielleicht ist diese Ehe ja gar nicht so schlimm ...

Eine prickelnde Liebesgeschichte, überraschende Wendungen und die bezaubernde Atmosphäre des Regency - für alle Fans von Georgette Heyer und der Bridgerton-Reihe.

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Seitenzahl: 282

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

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Über dieses Buch

Titel

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Über die Autorin

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Impressum

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Über dieses Buch

John Broughton, der Marquess of Bayne, führt ein fröhliches Junggesellenleben und das soll auch so bleiben. Doch dann begegnet er Ada, einer intelligenten jungen Frau, die sich der Wissenschaft verschrieben hat und sich ein Leben als Ehefrau nicht vorstellen kann. Die beiden sind voneinander fasziniert und beginnen eine heimliche Romanze. Bis sie in flagranti ertappt – und zur Heirat genötigt werden! Aber vielleicht ist diese Ehe ja gar nicht so schlimm ...

Freda MacBride

1

Beim Anblick des großen burgähnlichen Gebäudes am Ende der Auffahrt durchströmte John Broughton, den Marquess of Bayne, ein Gefühl der Erleichterung. Nicht, weil Brent Castle ein so herrliches altes Gemäuer war, sondern einfach, weil er nach der langen Reise in dieses wilde Land endlich angekommen war.

Die Burg wirkte, so wie sie da inmitten eines gepflegten Parks stand, irgendwie fehl am Platz. Aber Viscount Brentwood hatte seinen schottischen Landsitz in einer Anwandlung von Romantik vor ein paar Jahren nach mittelalterlichem Vorbild neu errichten lassen und ihn patriotisch und bewusst von jeglicher Ähnlichkeit mit französischer Baukunst abgesetzt.

Immerhin würde das neue Gebäude einige Bequemlichkeiten bieten, auf die man in einer wirklich alten Burg nicht hoffen konnte.

John zügelte sein Pferd und ließ es den Rest der Strecke im Schritt gehen. Es war noch früh am Nachmittag, und sein Gepäck würde ohnehin erst in ein paar Stunden eintreffen, kein Grund also, sich zu beeilen und das erhebende Gefühl der Freiheit, das ihn heute Morgen beim Aufbruch zu Pferde ergriffen hatte, allzu hastig durch den Austausch von Höflichkeiten mit den Gastgebern zu ersetzen.

Andererseits gab das Wetter durchaus Grund, nicht mit seiner Ankunft zu zögern, denn die Wolken hingen dicht und schwer, und der Wind war aufgefrischt.

Kaum hatte John den sandigen Platz vor dem Haupteingang erreicht, eilte ein Diener herbei und nahm ihm das Pferd ab. Das breite Portal öffnete sich, und der Butler ließ den Hausgast in eine prunkvolle Eingangshalle, in der wie ein erweitertes Begrüßungskomitee drei Ritterrüstungen standen. Eine alte, etwas mitgenommen aussehende Fahne mit einem Wildschwein und einem Schwan auf verblasst-rotem Grund ergänzte das kriegerische Bild.

»Mein Gepäck folgt in Kürze«, erklärte John und übergab dem Butler seine Karte für die Gastgeber. »Zusammen mit der Kutsche von Lord und Lady Kendal.«

Der Butler nickte. »Ich lasse Ihnen gleich Ihr Zimmer zeigen und schicke eine kleine Erfrischung hinauf. Haben Sie sonst noch einen Wunsch, Your Lordship?«

»Im Augenblick nicht, danke ...«

»Davis, Your Lordship.«

»Danke, Mr Davis. Ist Lady Taunton bereits eingetroffen? Und Lord Henley?«

Der Butler winkte einen Lakaien herbei. »Lady Taunton und Lady Henley befinden sich mit den anderen Damen im Musikzimmer. Die Herren sind hinausgegangen und noch nicht zurückgekehrt.«

In Wahrheit interessierte John wenig, wo Lord Henley sich aufhielt, aber etwas Diskretion war doch vonnöten, sodass er nicht ausschließlich nach Selina fragen konnte.

Der Lakai führte ihn in den ersten Stock des Westflügels, wo, wie er erfuhr, die Gäste untergebracht waren. John gab noch ein paar Anweisungen bezüglich seines Kammerdieners Walter, der mit dem Gepäck ankommen würde, und atmete erleichtert auf, als sich die Tür hinter ihm schloss.

Was für eine Reise!

Dies war Johns erster Besuch in Schottland, und auch wenn ihm sein Zwischenhalt in Edinburgh überraschenderweise ausgesprochen gut gefallen hatte, lag Brent Castle von dort aus gesehen doch noch unendliche Meilen weiter nördlich. Fast war es, als ende hier in den wenig besiedelten Highlands jegliche gewohnte Zivilisation.

Ein zierliches Dienstmädchen, das kaum das Tablett balancieren konnte, brachte ihm ein wenig kaltes Huhn, Käse und Obst und dazu einen ausgezeichneten Rotwein; ein anderes trug einen großen Krug mit warmem Wasser herein und stellte ihn auf den Waschtisch.

John dankte, ging zum Fenster und sah hinaus. Der Blick aus seinem Zimmer zeigte nicht die breite Auffahrt, sondern einen vergleichsweise bescheidenen Garten und dahinter die wilden Berge der Cairngorms. Beeindruckend, das musste er zugeben. Und so eine Moorhuhnjagd war einmal etwas anderes, als Fasane oder Rotwild abzuknallen. Er seufzte. Auf die tatsächliche Jagd hätte er gut verzichten können, doch das gesellschaftliche Drumherum bei Jagdgesellschaften war durchaus eine Vergnügung, die er zu schätzen wusste.

Ein leises Geräusch an der Zimmertür ließ ihn aufhorchen. Er drehte sich um. Die Tür ging auf, und eine in Rosa gehüllte Gestalt schlüpfte herein.

»Selina!«, rief John aus.

Selina, Lady Taunton, eilte in seine Arme. »Endlich, ich habe dich so vermisst!«, flüsterte sie, bevor ihre Lippen die seinen fanden.

»Es waren nur zwei Monate«, stellte John fest, als sie sich wieder von ihm löste.

»Tatsächlich?« Sie presste ihren Körper kurz an seinen, doch bevor er die Situation ausnutzen konnte, lief sie leichtfüßig zurück zur Tür.

»Ich wollte dich nur begrüßen«, sagte sie mit einem koketten Augenaufschlag. »Nun muss ich schnell wieder nach unten und weiter mit den Damen Konversation betreiben.«

Sie ließ ein perlendes Lachen hören.

»Ich bin sehr froh, dass ich keine Kinder habe, die ich eines Tages verheiraten muss. Die arme Lady Brentwood ist nämlich schrecklich in Sorge wegen ihrer Töchter. Bei der älteren hat sie die Hoffnung bereits aufgegeben, die ist trotz mehrerer Seasons in London inzwischen eine alte Jungfer. Aber die Jüngere wird in ein paar Tagen achtzehn, und du glaubst nicht, welch große Erwartungen unsere Gastgeberin an die männlichen Gäste hat.«

John runzelte die Stirn, und Selina lachte wieder.

»Ja, mein Lieber, nimm dich in Acht, ehe du dich versiehst, könntest du dich als Lady Laetitias Bräutigam wiederfinden!«

»An mir hat sich schon manche Mama die Zähne ausgebissen«, gab John zurück. »Ich bin gewiss nicht hier, um mich einfangen zu lassen.«

»Du hast immer noch kein Bedürfnis, einen Erben zu zeugen?«

»Wozu habe ich drei jüngere Brüder, die mir ein Leben in Freiheit ermöglichen?«

Selina nickte. »Wir sehen uns später.«

Sie warf einen unmissverständlichen Blick auf das große Himmelbett aus dunklem Holz mit den grün gemusterten Vorhängen. Dann schlüpfte sie wieder aus dem Zimmer.

Ein Lächeln spielte um Johns Mund, als er sich an den kleinen Tisch setzte, um sich ein wenig mit den kalten Speisen zu stärken und danach auszuruhen. In der nächsten Nacht würde er nicht viel zum Schlafen kommen.

2

In eine Wolke von Lavendelduft gehüllt betrat die Viscountess Brentwood das Zimmer ihrer jüngsten Tochter.

»Bist du fertig, mein Liebling?«, erkundigte sie sich.

»Ja, ich bin fertig«, antwortete Ada ernst.

»Ich meinte Laetitia, nicht dich!«, stellte ihre Mutter klar.

»Ach nein?«

Ada unterdrückte angesichts des irritierten Gesichtsausdrucks ihrer Mutter ein Grinsen. Natürlich wusste sie, dass es um Laetitia ging. Es ging immer um Laetitia. Schließlich hatte ihre kleine Schwester noch die Chance, eine gute Partie zu machen, während sie selbst ein hoffnungsloser Fall und eine Enttäuschung für ihre Eltern war. Das hatte man ihr oft genug vorgeworfen.

Was allerdings niemand zu begreifen schien: Ada war glücklich ohne Ehemann. Dabei hatte sie die drei Seasons, die ihr einen heiratswilligen Mann bescheren sollten, zum Teil durchaus genossen. Sie liebte es, zu tanzen oder in die Oper zu gehen. Doch leider hatte sie feststellen müssen, dass die meisten jungen Frauen, die sie kennenlernte, recht ungebildet waren und sich ihre Gespräche nur um Kleider, Hüte und Vergnügungen drehten – oder um Klagen über das Personal.

Die Herren suchten ebenso wenig einen echten Gedankenaustausch, sondern betrachteten vielmehr die Debütantinnen mit einem ganz ähnlichen Blick wie ihr Vater seine Jagdbeute. Oder sie ignorierten sie völlig. Vor allem wenn sie es auch nur einmal wagten, ein Gesprächsthema zu wählen, das nicht dem entsprach, was man im Allgemeinen für damenhaft hielt.

Ada war daher in London schon in jener ersten Season einsam geblieben. Und in den beiden folgenden Jahren hatte sich daran nichts geändert. Seitdem siedelte sie zwar mit ihrer Familie jedes Frühjahr in die Hauptstadt um, nahm aber kaum noch an den üblichen Vergnügungen teil, sondern widmete sich ihren Studien und pflegte seit Kurzem auch den Austausch mit der alten Countess of Cork and Orrery.

»Wunderhübsch siehst du aus, mein Liebling«, sagte die Viscountess nun zu ihrer Jüngsten. »Ich denke, der Marquess of Bayne wird gar nicht anders können, als dich zu bewundern.«

Ada verdrehte ihre Augen. Es war so offensichtlich, dass Mama aus Laetitia eine Marchioness machen wollte! Und das möglichst noch vor Beginn der Season im nächsten Jahr. Zwar hatten ihre Eltern, um den Schein zu wahren, auch zwei andere noble Junggesellen zur Jagd eingeladen, aber außer Lady Sibyl, der Enkelin von Lord und Lady Henley, war keine junge Frau dabei, die von Laetitia hätte ablenken können. Und Lady Sibyl war zwar eine reiche Erbin, doch eher unscheinbar und mit ihren dreiundzwanzig Jahren auch nicht mehr ganz taufrisch.

»Du kennst deine Aufgaben?« Die Viscountess drehte sich nun zu Ada um und sah sie forschend an.

»Ich werde mich selbst zurückhalten und Laetitia strahlen lassen und sie dennoch nicht eine Minute aus den Augen verlieren!«, leierte Ada herunter. »Ich werde die perfekte Anstandsdame sein.«

»Gut. Dann lasst uns nun zum Abendessen hinuntergehen.«

Die Viscountess streckte ihre Hand nach ihrer jüngsten Tochter aus und geleitete sie aus dem Zimmer.

Ada folgte amüsiert. Sie war sehr gespannt auf Laetitias Zukünftigen.

Der Marquess hatte natürlich den Ehrenplatz bei ihrer Mutter inne, doch diese hatte sich nicht ohne Grund für einen service à la française entschieden. So standen für jeden Gang immer mehrere sehr unterschiedliche herzhafte und süße Gerichte gleichzeitig in symmetrischer Anordnung auf dem Tisch. Und obwohl die Gäste zwar vornehmlich von den Speisen aßen, die in ihrer Nähe standen, wurde doch erwartet, dass sie wahrnahmen, was ihren Nachbarn fehlte und was diese nicht selbst erreichen oder schneiden konnten. Auch konnte einer der Diener gebeten werden, einem weiter entfernt sitzenden Gast eine Portion einer besonders hochgeschätzten Speise zu bringen.

Und genau das nutzte ihre Mutter aus. Zwar konnte Ada ihre Worte nicht verstehen – dazu saß sie nicht nahe genug –, doch die Geste und das Lächeln, mit der Mama Lord Bayne bat, Laetitia ein wenig von dem in Sahne gratinierten Lachs zukommen zu lassen, waren eindeutig.

Und natürlich blickte der Lord zu Laetitia hinüber. Allerdings nur kurz, dann wandte er sich wieder seiner Tischdame zu.

Er würde es ihrer Mutter offenbar nicht einfach machen, stellte Ada mit einer gewissen Befriedigung fest. Bei Laetitias Anblick in ihrem zarten, weißen Musselinkleid mit Seidenröschen am Ausschnitt war er nämlich nicht wie erhofft in Verzückung ausgebrochen. Seine Augenbrauen hatten sich nicht einmal das geringste bisschen gehoben, als sie ihm vorgestellt wurde, und sein Lächeln war ebenso höflich geblieben wie gegenüber Ada.

Stattdessen hatte Lord Bayne die verwitwete Lady Taunton mit einem überraschend warmen Blick bedacht; die beiden kannten sich offensichtlich. Auch mit Lady Sibyl hatte er ein paar freundliche Worte gewechselt, bevor er sich Lord und Lady Kendal zuwandte, die mit ihrer Kutsche erst kurz vor dem Dinner eingetroffen waren.

Ada seufzte innerlich. Das Essen zog sich hin, und ihr Tischherr, der alte Lord Henley, berichtete von seiner letzten Kur in Bath, die sie kein bisschen interessierte. Zum Glück war er zufrieden, wenn sie gelegentlich »Ach ja?« oder »Wie interessant« sagte.

Das einzige Vergnügen bei diesem Dinner waren die köstlichen Speisen. Ihre Eltern hatten extra Monsieur Bertrand, den französischen Koch, aus London mit hierhergenommen, um ihre Gäste während der Jagd entsprechend kulinarisch zu verwöhnen. Und Mama saß weit genug entfernt, um nicht zu sehen, dass Ada keineswegs nur kleine Höflichkeitsportionen zu sich nahm.

Endlich war es Zeit für die Damen, die Herren ihrem Wein und ihren Zigarren zu überlassen und sich in den Salon zurückzuziehen.

»Wie findest du ihn?«, fragte Laetitia ihre Schwester leise, als sie gemeinsam durch die Tür traten.

»Er ist nicht hässlich.«

Tatsächlich sah der Marquess sogar ausgesprochen gut aus mit seinen dunklen Locken und dem markanten Gesicht, musste Ada zugeben. Und er hatte ein sehr ansprechendes Lächeln. Aber sie konnte ihn sich trotzdem nicht als Ehemann ihrer kleinen Schwester vorstellen. War diese nicht viel zu jung für ihn? Er wirkte durchaus, als ob er eine ganze Menge Lebens- und Liebeserfahrung hatte.

»Ach, du mal wieder.« Laetitia schüttelte den Kopf. »Du verstehst einfach nichts von Männern.«

Nur mit Mühe gelang es Ada, ernst zu bleiben. Natürlich verstand sie nicht wirklich viel von Männern, woher auch? Doch ein wenig mehr als Laetitia wusste sie allemal, schließlich hatte sie ein paar Seasons in London verbracht und zudem eine Menge Bücher gelesen, sogar welche, die nicht für Damen gedacht waren.

Ada wandte sich nun an Lady Kendal. »Ich habe gehört, Sie haben kürzlich erst geheiratet? Dann darf ich gewiss noch gratulieren?«

»Ja, das dürfen Sie gerne.« Lady Kendals Augen strahlten. »Tatsächlich sind mein Gatte und ich gerade auf dem Weg, meine Großmutter zu besuchen, die leider nicht zur Vermählung nach London kommen konnte. Sie lebt auf Carragh Castle.«

»Ach ja?« Ada hatte keine Ahnung, wo dieses Anwesen liegen sollte; außer hierher zu ihrem eigenen Landsitz waren ihre Eltern noch nie nach Schottland gefahren.

»Wir haben zunächst ein paar Tage in Edinburgh verbracht, damit Freddy – mein Mann – die Familie meiner Tante und einige alte Freunde kennenlernen konnte.«

»Wie interessant.«

»Ja, und ich bin sehr froh, dass den Herren meine Heimat so gut gefällt.«

»Den Herren?«, fragte Ada verwundert.

»Lord Bayne ist mit uns gereist. So war es für ihn nicht ganz so langweilig auf der langen Strecke von London. Nur heute Morgen hatte er wieder einmal die Nase voll von der Kutsche und hat ein Pferd gemietet, um vorauszureiten.« Lady Kendal lachte.

Überrascht sah Ada sie an. Dies war eine völlig neue Information. Eine sehr nützliche, denn wenn Lord Kendal mit Lord Bayne befreundet war, würde Lady Kendal gewiss in der Lage sein, über seine Vorlieben und Abneigungen zu berichten. Mit solchem Wissen ausgestattet konnte Laetitia vielleicht die eine oder andere entsprechende Bemerkung machen, die den Lord freuen würde.

»Er ist ein ausgezeichneter und begeisterter Reiter«, fuhr Lady Kendal fort, »und hat uns auf der Strecke so immer wieder einmal allein gelassen ...« Sie errötete leicht, schien jedoch nicht wirklich verlegen.

Ein guter Reiter. Hm, das würde Laetitia nicht viel helfen, die Arme war im Umgang mit Pferden ein wenig ängstlich. Aber halt ... Warum machte sie sich Gedanken darüber? Hatte sie nicht beschlossen, ihre Mutter in ihrem ehrgeizigen Plan keineswegs zu unterstützen?

Wenn der Marquess of Bayne nicht von allein auf die Idee kam, Laetitia heiraten zu wollen, war sie gewiss nicht diejenige, die Schlingen auslegen würde, um ihrer Schwester einen Mann zu fangen.

3

Wie schade, dass Sie nur so kurz bleiben wollen, Kendal«, sagte Lord Brentwood und ließ Wein nachschenken.

»Meine Gattin möchte mich endlich ihrer Großmutter präsentieren«, erklärte Frederick. »Doch ich lasse Ihnen ja meinen guten Freund Bayne hier.«

»Das will ich schwer hoffen. Aber bleiben Sie wenigstens bis zu Laetitias Geburtstagsball«, bat Lord Brentwood. »Je mehr Gäste wir hier haben, umso fröhlicher wird die Gesellschaft. Der Laird of Lochdeen wird mit Gemahlin und Sohn an diesem Abend auch kommen – und noch ein paar andere Damen und Herren aus der Nachbarschaft.«

»Ich kann Ihnen nichts zusagen, doch ich werde es meiner Frau nahelegen«, versprach Frederick diplomatisch.

John konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Matilda, die frischgebackene Lady Kendal, schmiedete, wie er aus den Gesprächen in der Kutsche leicht hatte entnehmen können, für ihren Schottlandaufenthalt ganz eigene Pläne, die viel einsame Zweisamkeit beinhalteten. Zwar war es kurzweilig gewesen, mit Frederick und Matilda zu reisen, doch oft hatte er sich angesichts ihrer verstohlenen Liebkosungen in der Kutsche lieber diskret zurückgezogen und ein Pferd gemietet, mit dem er ein wenig schneller war und nebenbei die Landschaft erkunden konnte.

Nun wandte sich der Gastgeber an John. »Sie sind zum ersten Mal in Schottland, habe ich gehört?«

»Ja, ich bin bisher nicht weiter in den Norden gekommen als in die Yorkshire Dales, wo meine Mutter ihren Witwensitz hat. Aber das, was ich aus dem Fenster gesehen habe, sieht sehr verlockend aus.«

»Diese Region hat wirklich ihre eigenen Reize. Und Sie werden sehen, die Jagd auf das schottische Moorschneehuhn ist besonders anspruchsvoll und befriedigend. Wussten Sie, dass die Tiere bis zu achtzig Meilen in der Stunde zurücklegen können? Sie sind nicht einfach zu treffen. Aber es gibt genug davon. Man muss nur ein bisschen durch die Heide gehen, und sie fliegen auf, und dann ...«

John bemühte sich, Interesse zu zeigen. Ein wenig verwundert war er immer noch, dass der Viscount gerade ihn zur Jagd eingeladen hatte, im Grunde kannten sie sich kaum. Aber natürlich war John ein Marquess und ein Junggeselle und als solcher bei allen gesellschaftlichen Ereignissen stets gern gesehen. Sicher war dies die Erklärung für die plötzliche Gunst. Schließlich hatten Lord und Lady Brentwood zwei unverheiratete Töchter.

»Aber wir wollen unsere Damen nicht allzu lange allein lassen.« Lord Brentwood leerte sein Glas. »Folgen Sie mir nun in den Salon, meine Herren, wo wir gewiss ein wenig Musik zu hören bekommen.«

John und Frederick wechselten einen Blick. Normalerweise blieb man deutlich länger getrennt, ja, oft weitete sich das Untersichbleiben des männlichen Teils der Gesellschaft in ausgiebige Saufgelage aus. Aber hier und heute schien Lady Brentwood ihrem Gatten entsprechende Anweisungen gegeben zu haben.

Immerhin klang die Aussicht auf Musik ganz annehmbar. Zum Glück würde man sie an diesem Abend nicht dazu zwingen, Scharaden darzubieten wie bei ihrer Zwischenstation im Hause von Baron Osterley.

»Ah, da kommen ja die Herren bereits«, zwitscherte Lady Brentwood. »Wie schön, dass sie unsere Gesellschaft suchen – und finden.«

Die jüngere der Töchter des Hauses errötete anmutig, während ihre Schwester, die neben ihr am marmorumfassten Kamin stand, die Augen verdrehte.

Lady Laetitia und Lady Ada, rief John sich die Namen ins Gedächtnis. Laetitia war ein hübsches Ding mit goldblondem Haar, das kunstvoll aufgesteckt und mit einer weißen Blume geschmückt war. Zu ihrem achtzehnten Geburtstag würde der Ball stattfinden, sie stand also wohl im Mittelpunkt der elterlichen Bemühungen.

Die andere, Ada, wirkte deutlich älter und mit ihrer gerunzelten Stirn und der ernsten Miene nicht gerade anmutig. Zu ihrem blonden Haar, das einen eindeutigen Rotstich aufwies, trug sie ein roséfarbenes Kleid, das ihr überhaupt nicht stand. Dennoch musste John angesichts ihres ungekünstelten Gesichtsausdrucks unwillkürlich lächeln.

Lady Ada zuckte zusammen, als sie seinen Blick spürte, und wandte sich ab. Dafür kam Lady Taunton über den dicken Teppich auf ihn zugeschritten.

»Mein lieber Lord Bayne, wir hatten noch gar nicht das Vergnügen, miteinander zu plaudern, kommen Sie, lassen Sie uns die alte Bekanntschaft auffrischen.«

John ließ sich von ihr nur zu gern zu einer der kleinen Sitzgruppen führen.

»Ich war überrascht, als ich in London deine Nachricht erhielt«, sagte er leise.

Selina lächelte. »Nun, ich dachte, es wäre eine schöne Gelegenheit ... Wärst du der Einladung meines guten Freundes, Lord Brentwood, gefolgt, wenn du nicht gewusst hättest, dass ich zu den Gästen gehöre?«

»Ich bin nicht sicher.«

Ein leiser Klavierakkord unterbrach das Gespräch, und alle Blicke richteten sich auf den Flügel, wo Lady Laetitia Platz genommen hatte. Sie begann ein hübsches, leichtes Menuett von Mozart zu spielen, das John kannte, danach folgte ein fremdes Stück. Nett und recht virtuos, aber nicht sehr ausdrucksvoll. Dennoch applaudierte er natürlich und unterstrich das Lob mit einem anerkennenden Nicken.

»Vielleicht möchte eine der anderen Damen mich nun ablösen?«, fragte Lady Laetitia und stand auf. Sie sah ihre Schwester an, die jedoch hastig ihre Hände hinter ihrem Rücken verbarg.

»Darling, wie wäre es? Eine deiner schottischen Balladen?«, schlug Frederick seiner Frau vor.

Matilda erhob sich sofort. »Warum nicht? Aber ich muss Sie warnen: Ich hatte während der ganzen Season keine Gelegenheit zu spielen und bin ein wenig eingerostet.«

Sie lachte, zog die Handschuhe aus, bewegte ihre Finger und setzte sich an den Flügel.

Amüsiert lauschte John den schwungvollen Tönen. Und dann begann Matilda zu singen: »I hae been at Crookieden, bonnie laddie, Hieland laddie ...«

John beobachtete die Gäste mit Interesse. Frederick sah aus, als würde er angesichts der verblüfften Gesichter um ihn herum gleich laut loslachen. Doch trotz der ungewohnten und eher ordinären Musik bemühten sich alle anderen, höflich zu lauschen, und applaudierten, als Matilda das Lied beendete.

»Nun noch etwas Ruhigeres, ebenfalls von dem schottischen Dichter Robert Burns«, sagte sie und hob erneut an zu singen. »Ae fond kiss, and then we sever; Ae fareweel, and then forever! ...«

Dieses Liebeslied gefiel deutlich besser als das draufgängerische zuvor. Doch als Matilda die Hände schließlich sinken ließ, eilte Lady Brentwood herbei, bedankte sich äußerst herzlich und verhinderte damit ein drittes Lied.

Matilda neigte anmutig den Kopf, ein amüsiertes Funkeln in den Augen.

»Mit diesem Abschiedslied ziehe ich mich zurück. Wir hatten heute eine sehr anstrengende Reise, nicht wahr?«, wandte sie sich an ihren Gatten.

»O ja«, sagte Frederick hastig und stand auf. »Die Herrschaften entschuldigen?«

John hob die Brauen. Manchmal war es schon ein wenig lästig, mit Frischvermählten zusammen zu sein.

»Was für eine heidnische Sprache war denn das?«, fragte Lord Brentwood, als Matilda und Frederick den Raum verlassen hatten. »Ich habe kein einziges Wort verstanden.«

»Ich denke, es war das sogenannte Scots«, gab Lady Henley Auskunft. »Man spricht es hier in einfachen Kreisen wohl recht häufig. Ich habe einige Wörter wiedererkannt. Bonnie heißt hübsch, wenn ich mich richtig erinnere. Und sagt man nicht Hielands zu den Highlands?«

Lord Brentwood schüttelte den Kopf, doch bevor er das Thema vertiefen konnte, gab auch Lady Henley vor, erschöpft zu sein. Innerhalb von wenigen Minuten beteuerten alle, wie müde die Luft hier mache, und die Gesellschaft löste sich auf.

John verließ den Raum durch die Flügeltür gleichzeitig mit Lady Ada.

»Und beim nächsten Mal hören wir dann Sie spielen?«, fragte er höflich.

»Ich denke, das wollen Sie nicht wirklich.«

Überrascht sah er die junge Frau an.

»Ich hatte noch nie viel fürs Klavierspiel übrig«, gestand sie, »und habe es gänzlich aufgegeben, als sich zeigte, dass ich keinen Ehemann damit würde quälen müssen.«

»Aber ich bin mir sicher –«

Lady Ada schüttelte den Kopf. »Man sollte sich nie zu sicher sein, Lord Bayne. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«

Ohne auf seine Antwort zu warten, drehte sie sich um und schlug den Weg zum Ostflügel ein.

John, der eine nette kleine Höflichkeitsfloskel auf den Lippen gehabt hatte, blieb verblüfft zurück. Was war denn dies für eine spröde junge Dame?

4

Betsy Morgan hatte das Schlimmste befürchtet, als sie aus dem Kutschenfenster Brent Castle mit seinen Befestigungstürmen erblickt hatte. Eine bejahrte Burg würde es den Bediensteten sicher noch schwerer machen, ihrer Arbeit nachzugehen, als ein modernes Stadthaus wie das ihres Herrn, des Earls of Kendal.

Zum Glück war dies jedoch nicht wirklich ein altes Gebäude, durfte sie feststellen, sondern nur im entsprechenden Stil erbaut. Innen wirkten all die Räume, die sie bisher gesehen hatte, sogar ausgesprochen modern. Das Dienstbotenzimmer im obersten Stockwerk, das sie mit einer anderen Frau teilen würde, war nicht allzu klein, dabei zweckdienlich und bequem eingerichtet, und recht hübsch mit der Aussicht aus dem Fenster in die Natur.

Dennoch entwich Betsy beim Anblick der Berge ein tiefer Seufzer. Sie war einfach kein Landkind, sondern durch und durch eine Londonerin. Und sosehr sie ihre Herrin auch verehrte, die Reise hierher ans Ende der Welt verlangte ihr einiges ab.

»Du bist also die Zofe von Lady Kendal«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr.

Betsy drehte sich um. »Ja, ich bin Betsy Morgan«, stellte sie sich vor.

»Ich bin Gooding«, sagte die Frau, die gerade hereingekommen war und auf das zweite Bett zusteuerte. »Lady Brentwoods Zofe.«

Gooding hatte sicher schon die Mitte vierzig überschritten, stellte Betsy fest. Und wahrscheinlich arbeitete sie bereits ewig für ihre Herrin und hatte unendlich viel Erfahrung. Sie setzte sich nun auf ihr Bett und legte das rechte Bein hoch, das sie zu schmerzen schien.

»Hast du schon alles ausgepackt und aufgeräumt?«, erkundigte sie sich. »Dann haben wir jetzt eine kleine Pause, während die Herrschaften noch essen und im Salon plaudern.«

Betsy nickte. Allzu viel hatte sie für die wenigen Tage, die Lady Kendal hierbleiben wollte, nicht auszupacken gehabt.

»Ich hoffe, du schnarchst nicht«, fuhr Gooding fort. »Normalerweise habe ich diese Kammer für mich allein, aber mit den zahlreichen Hausgästen wurde es für uns alle nötig zu teilen.«

»Nein, ich schnarche nicht«, versicherte Betsy. »Haben denn so viele Gäste ihr eigenes Personal mitgebracht?«

»Ich bin nicht sicher, wer noch mit den weiteren Gästen kommt, die morgen und übermorgen eintreffen sollen. Aber bisher sind da die Zofen der Ladys Henley, Taunton und Kendal«, zählte Jane an den Fingern ab. »Die Kammerdiener der Lords Henley, Bayne und Kendal ...«

»Lord Kendal ist ohne Diener hier«, korrigierte Betsy.

»Und wer war der Mann, der nach dir aus der Kutsche gestiegen ist?«

Aha, hier wurde man sehr genau beobachtet. »Das war Walter, er arbeitet für Lord Bayne. Die Herrschaften sind gemeinsam gereist.«

Gooding hob missbilligend die Brauen. »Walter? Hier im Hause sprechen wir nur die niedrige Dienerschaft mit Vornamen an.«

»Selbstverständlich«, bestätigte Betsy schnell. »Walter ist der Nachname. Der Mann heißt John Walter.«

Gooding nickte, musterte Betsy aber weiterhin skeptisch.

»Du bist noch sehr jung für deinen Posten«, stellte sie fest.

»Ich bin älter, als ich aussehe«, behauptete Betsy. Hoffentlich wusste hier niemand, dass sie tatsächlich erst vor wenigen Wochen Lady Kendals Zofe geworden und vorher ein einfaches Hausmädchen gewesen war.

»Kann ich dir irgendwie helfen? Hast du Probleme mit deinem Bein?«, fragte sie daher schnell, bevor Gooding ihr Kreuzverhör fortsetzen konnte.

»Das Knie macht mir derzeit ein wenig zu schaffen, besonders an Tagen, an denen ich nicht nur meine Herrin, sondern auch ihre beiden Töchter fürs Dinner ankleiden und frisieren muss.«

»Diese zusätzliche Aufgabe stelle ich mir sehr anstrengend vor.« Hoffentlich stimmten ihr Mitgefühl und ihre Anerkennung die ältere Zofe milde. Es wäre sonst unerträglich, mit ihr die Kammer zu teilen.

Gooding nickte. »Das ist nur zu wahr. Lady Laetitia ist ein Engel, aber allein schon Lady Ada dazu zu bringen stillzusitzen, während ich ihr Haar aufstecke, ist eine schwere Aufgabe. Dabei könnte sie ebenso so hübsch aussehen wie Lady Caroline, ihre älteste, verheiratete Schwester, wenn sie sich ein bisschen bemühen würde.«

Das Wort verheiratet wurde besonders betont. Betsy schmunzelte innerlich. Die eben so strenge Gooding war sich für ein wenig Tratsch wohl nicht zu schade.

»Wenn die Damen noch sehr jung sind, wissen sie nicht immer, was gut für sie ist«, behauptete Betsy altklug.

Gooding schnalzte mit der Zunge. »So jung ist Lady Ada nicht mehr. Sie hat bereits das siebenundzwanzigste Jahr vollendet!«

»Ach wirklich? Das wusste ich nicht.«

»Und sie hatte in ihrer ersten Season durchaus einige Bewunderer. Doch sie hat sie alle vor den Kopf gestoßen mit ihren wirren Ideen und unangebrachten Gesprächsthemen.« Gooding schüttelte den Kopf. »Ich muss sagen, ich wundere mich nicht, dass sie eine alte Jungfer geworden ist. Aber Lady Laetitia wird gewiss bald unter die Haube kommen. Dafür wird ihre Mutter schon sorgen. Nicht umsonst wurden auch einige unverheiratete Herren zu dieser Jagdgesellschaft eingeladen.«

Der arme Lord Bayne, dachte Betsy. So stand also der Freund ihres Herrn offenbar auf Lady Brentwoods persönlicher Beuteliste.

Bevor sie jedoch weiterfragen konnte, erhob sich Gooding mit einem leisen Stöhnen.

»Wir sollten jetzt doch besser hinuntergehen, damit wir bereit sind, wenn die Ladys unsere Hilfe beim Auskleiden brauchen.«

Sie öffnete die Tür und wartete darauf, dass Betsy ihr folgte.

»Und was ich noch betonen will«, sagte sie mit nun wieder strenger Miene, »in diesem Haus wird Diskretion großgeschrieben. Von uns allen wird erwartet, dass nichts, was hier geschieht, weitergetragen wird.«

»Selbstverständlich«, beteuerte Betsy.

Sie folgte Gooding die gewundene Dienstbotentreppe hinunter und bog dann in den Westflügel ab, während die ältere Zofe sich in den Ostflügel zu den Räumen der Familie begab.

Betsy hatte kaum das Schlafzimmer ihrer Herrin betreten, als diese auch schon hereinkam. Natürlich dicht gefolgt von Lord Kendal. Die beiden zogen sich wieder einmal überaus früh zurück.

»Betsy, ich brauche dich heute nicht mehr«, sagte Lady Kendal mit einem vorfreudigen Lächeln, und Betsy beeilte sich, das Zimmer so rasch wie möglich zu verlassen. Natürlich würde ihr Gatte ihre Herrin ausziehen, wie immer.

Betsy seufzte. Zu Hause in London pflegte sie, wenn ihre Herrschaften sie für den Abend entlassen hatten, in die Küche zu gehen und mit der Köchin Mrs Cowper eine Tasse Tee zu trinken. Und in den Herbergen unterwegs hatten sich auch oft Gäste gefunden, mit denen sie noch ein wenig plaudern konnte. Doch hier war sie fremd und hatte keine Ahnung, wie das Personal von Brent Castle und die Dienstboten der Gäste miteinander umgingen. Sie fühlte sich auf einmal sehr einsam und der Begegnung mit lauter unbekannten Menschen nicht gewachsen.

Langsam stieg sie die Dienstbotentreppe wieder hinauf und ging zurück zu ihrer Kammer. Gooding würde wohl längere Zeit mit ihrer Herrin und deren Töchtern zu tun haben, und Betsy beneidete sie nicht darum. Im Gegenteil, wenn sie es recht überlegte, war sie froh, nun allein zu sein. So konnte sie sich auch wirklich von der Kutschfahrt mit dem arroganten Walter erholen, der sich die meiste Zeit zu schade gewesen war, mit ihr zu sprechen, und ein wenig von der Rückkehr nach London träumen.

Wie sie die Stadt vermisste! Das Rattern der Kutschenräder, das Trappeln von Pferdehufen, die Rufe des Muffin Mans und ja, sogar den Gestank nach Pferdeäpfeln, faulem Obst und sonstigem Unrat, der die Straßen durchzog.

London war ihre Heimat. Und wenn sie eines Tages genug gespart hatte, um ihren Dienst aufzukündigen, würde sie ihr kleines Hutgeschäft genau dort eröffnen.

5

Ganz so schnell, wie er gehofft hatte, konnte John sich nicht aus der Gesellschaft von Lord Brentwood verabschieden, denn dieser wollte mit ihm unbedingt noch eine Abschiedszigarre genießen. Die beiden Herren zogen sich daher ins Rauchzimmer zurück, das sich im hinteren Teil des Westflügels befand. Es war klein und holzgetäfelt und schlecht gelüftet, aber es schien ein Raum zu sein, in dem der Hausherr sich wohlfühlte. Und in den er nicht jeden einlud. John sollte sich wahrscheinlich glücklich schätzen.

»Ich freue mich, Sie nun endlich einmal etwas näher kennenzulernen, Bayne«, sagte Lord Brentwood. »Mich würde Ihre Meinung zu der Situation auf dem Kontinent sehr interessieren.«

Er bot John eine Zigarre an und reichte ihm die Schere.

»Was, denken Sie, wird Napoleon als Nächstes tun?«

John schnitt seine Zigarre an und zog einmal kalt daran. Ja, das war erste Qualität, selbst wenn er nie allzu viel Geschmack am Rauchen gefunden hatte. Während er nun langsam den Tabak entzündete, gab er einige Theorien zum Besten, die er in der letzten Zeit gehört hatte.

Lord Brentwood nickte und stimmte ihm zu, dass eine Einschätzung der Lage äußerst schwierig sei. Bei dem korsischen Ungeheuer müsse man eben mit allem rechnen.

Schon bald täuschte John ein unterdrücktes Gähnen vor.

»Aber Sie sind gewiss müde nach der langen Anreise«, sagte Lord Brentwood sofort, »was für ein schlechter Gastgeber ich bin. Lassen Sie sich nicht aufhalten. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«

John verabschiedete sich höflich und ging dann schnurstracks zu seinem Zimmer. Er hatte sich vorhin diskret erkundigen können, dass Lady Tauntons Gästeraum am Ende des Flurs rechts lag. Er musste nur noch schnell das kleine Geschenk holen, das er ihr zugedacht hatte, dann würde er sie aufsuchen.

Doch als er sein Schlafzimmer betrat, brannten die Kerzen in den Wandhaltern und auf den Tischchen am Fenster, und die grün gemusterten Vorhänge des Himmelbetts waren halb geschlossen. Ein wissendes Lächeln zog über Johns Gesicht. Das Parfüm, das das Zimmer erfüllte, war unverkennbar.

»Du konntest es wohl gar nicht erwarten?«, fragte er herausfordernd.

»Wo warst du so lange?« Lady Tauntons Stimme klang schmollend.

»Lord Brentwood wollte meine Meinung zu seinen Zigarren und zu Napoleons Plänen hören.«

»Der alte Langweiler. Er hört sich immer alle Meinungen über die ödesten Themen an und hat doch selbst keine eigene. Ich habe übrigens deinen Diener ins Bett geschickt.«

»Und wer hilft mir jetzt beim Auskleiden?«, fragte John scheinheilig.

Selina schob den Bettvorhang zur Seite und stand auf. Sie trug ein weißes, halb transparentes Spitzenhemd und die vollen, runden Brüste, die sich darunter abzeichneten, als sie nun auf ihn zukam, waren ein äußerst erfreulicher Anblick. Ein Anblick, der ihm die Hose so eng werden ließ, dass er hoffte, sie würde mit jenem Kleidungsstück beginnen.

Doch Lady Taunton nahm sich Zeit. Zunächst löste sie sorgfältig den komplizierten Krawattenknoten, den Walter für seinen Herrn gebunden hatte. John stand völlig still, als sie ihm den langen weißen Stoffschal vom Hals zog und ordentlich zusammengefaltet auf einen Stuhl legte. Dann erst befreite sie ihn von seinem Frack, platzierte den auf der Krawatte, knöpfte danach die Weste auf und ließ sie über seine Arme langsam, sehr langsam nach unten gleiten. Auch dieses Kleidungsstück wurde sorgsam auf den Stapel gelegt.

Selinas geschickte Finger öffneten die beiden Hemdknöpfe am Hals und glitten unter den Stoff. Sie strichen über Johns Haut, spielten mit seinen Brusthaaren und neckten ihn, bevor sie ihm das Hemd über den Kopf zogen.

»Selina«, flüsterte er ein wenig atemlos.

»Pst!«