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Nach dem Tod ihrer Eltern wächst die junge und eher zurückhaltende Lady Sibyl bei ihren wohlhabenden Großeltern Lord und Lady Henley auf. Zu Sibyls großer Erleichterung verspüren diese keine Eile, ihre Enkelin zu verheiraten. Erst als Lord Henley tödlich erkrankt, möchte er Sibyl noch vor seinem Ableben in einer standesgemäßen Ehe versorgt sehen.
Die zahlreichen Verehrer scheinen aber mehr an dem stattlichen Vermögen als an Sibyls Herz interessiert zu sein. So auch der ältliche Lord Darnstaple, der sogar gewillt ist, sie mit einer gemeinen Intrige zur Heirat zu zwingen. In ihrer Verzweiflung denkt Sibyl sogar an das Undenkbare. Nur ein wahrer Gentleman mit reinem Herzen kann sie noch retten ...
Große Gefühle, schicksalhafte Wendungen, prickelnde Leidenschaft - eine Liebesgeschichte, wie sie schöner nicht sein könnte. Für alle Fans von BRIDGERTON, QUEEN CHARLOTTE und GEORGETTE HEYER.
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Seitenzahl: 250
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Über dieses Buch
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Über die Autorin
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Impressum
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Nach dem Tod ihrer Eltern wächst die junge und eher zurückhaltende Lady Sibyl bei ihren wohlhabenden Großeltern Lord und Lady Henley auf. Zu Sibyls großer Erleichterung verspüren diese keine Eile, ihre Enkelin zu verheiraten. Erst als Lord Henley tödlich erkrankt, möchte er Sibyl noch vor seinem Ableben in einer standesgemäßen Ehe versorgt sehen.
Die zahlreichen Verehrer scheinen aber mehr an dem stattlichen Vermögen als an Sibyls Herz interessiert zu sein. So auch der ältliche Lord Darnstaple, der sogar gewillt ist, sie mit einer gemeinen Intrige zur Heirat zu zwingen. In ihrer Verzweiflung denkt Sibyl sogar an das Undenkbare. Nur ein wahrer Gentleman mit reinem Herzen kann sie noch retten ...
Freda MacBride
Du bist heute wirklich wun-der-schön!« Lady Henley nickte zufrieden beim Anblick ihrer Enkelin.
Auch Sibyl betrachtete ihr Spiegelbild mit Wohlgefallen. Großmamas Zofe hatte sich mit der neuen Frisur selbst übertroffen. Ihre dunkelblonden Haare waren kunstvoll gelockt und hochgesteckt, kleine weiße Blüten zierten den Knoten, und das Abendkleid war ein Traum. Es hatte nur winzige Puffärmel und fiel glatt und schlicht, aber der zarte roséfarbene Musselin war mit Goldfäden durchwirkt, und eine Bordüre aus Goldstickerei schmückte den Saum. Dazu trug Sibyl lange weiße Handschuhe.
»Man sieht dir dein Alter zum Glück nicht an«, fuhr Lady Henley fort. »Ich bin mir sicher, dass du in diesem Jahr einen Ehemann finden wirst.«
Sibyl nickte, aber ein wenig schwand ihr die Freude an ihrem ansprechenden Erscheinungsbild und dem bevorstehenden ersten großen Ereignis der neuen Ballsaison am heutigen Abend.
Ein Ehemann.
Nicht dass sie etwas gegen Männer hatte. Ganz und gar nicht. Sie hätte nur zu gern einen liebenswerten Gatten gefunden, Kinder bekommen und einen eigenen Haushalt geführt. Doch dieses Ziel zu erreichen hatte sich als unerwartet schwierig erwiesen. Nun stand Lady Sibyl Gray, die Enkelin des angesehenen und reichen Earls of Henley, am Beginn ihrer sechsten Season und war von ehelichem Glück genauso weit entfernt wie im hoffnungsvollen Alter von achtzehn Jahren.
Sie schlüpfte in ihre rosa Ballschuhe und drehte sich nach ihrer Großmutter um, um sich ihr ausgehfertig zu zeigen.
»Ach, my darling, ich weiß gar nicht, wie es werden soll, wenn du einmal heiratest und nicht mehr bei uns lebst. Ich werde dich ganz schrecklich vermissen.« Lady Henley seufzte schwer.
»Noch ist es nicht so weit«, antwortete Sibyl trocken und griff nach ihrem bemalten Lieblingsfächer, um ihn in das Retikül zu stecken.
Manchmal kam ihr der leise Verdacht, dass der Mangel an ernsthaften Verehrern nicht nur mit ihr selbst, sondern auch mit der äußerst beschützenden Haltung ihrer Großeltern zu tun hatte.
»Warte! Ich habe etwas für dich!« Mit geheimnisvoller Miene drehte sich Lady Henley zu ihrer Zofe um, die ihr ein kleines Holzkästchen reichte.
»Zu bescheiden sollst du als unsere Enkelin heute nicht aussehen«, fuhr die Lady fort und nahm eine aufwendig gearbeitete Kette aus dem Kästchen. Drei große, oval geschliffene rosa Saphire waren kunstvoll in Gold gefasst, dazu glitzerten kleine Diamanten um die Wette. Sie legte Sibyl das Schmuckstück um und hielt dann die passenden Ohrringe vor ihre Ohrläppchen. »Du bist schließlich unsere Erbin.«
Sibyl wies sie nicht darauf hin, dass sie als Frau weder den Titel noch den Familiensitz Henley Castle erben würde. Das hätte undankbar geklungen. Und einen kleineren Landsitz, der nicht in Fideikommiss stand, würde sie immerhin bekommen, dazu ein äußerst ansehnliches Vermögen und dieses Stadthaus in Mayfair.
Sie nickte also brav, bemühte sich, große Freude zu zeigen, legte die Ohrringe an und sprach ein paar Dankesworte. Sie wusste, wie gut es ihre Großmutter mit ihr meinte, indem sie Sibyl den Schmuck anvertraute. Allerdings mochte sie die eher klobig wirkende Kette nicht, und zudem würde sie sich so herausgeputzt von den anderen heiratsfähigen jungen Damen deutlich abheben. Und jeder würde nur noch das Geld sehen, das hinter ihr stand.
»Es ist so schade, dass Großpapa nicht mit zu Lady Rutherfords Ball kommen kann«, sagte Sibyl. »Geht es ihm heute Abend wenigstens ein bisschen besser? Meinst du, er freut sich, wenn ich mich ihm noch schnell zeige?«
»Ach, Darling, was für eine liebe Idee. Ja, lass ihn sehen, wie schön du bist. Vielleicht muntert ihn das wieder ein bisschen auf.«
Sibyl lächelte und machte sich auf den Weg zum Schlafzimmer ihres Großvaters. Der Arme litt seit einiger Zeit an wiederkehrenden Leibschmerzen, und bisher hatte noch keiner der Ärzte für ihn ein dauerhaft wirkungsvolles Mittel gefunden.
Sibyl öffnete leise die Tür und steckte den Kopf hinein. »Guten Abend, Großpapa. Ich hoffe, es geht dir etwas besser?«
»Wie man's nimmt«, antwortete Lord Henley. »Ich habe inzwischen etwas weniger Schmerzen, aber ich fühle mich heute Abend sehr schwach. Doch jetzt lass dich anschauen, mein Kind.«
Sibyl betrat das Zimmer nun ganz und drehte sich langsam, damit ihr Großvater sie von allen Seiten betrachten konnte.
»Du bist wirklich ansehnlich. Ich verstehe nicht, warum bisher ...« Er schüttelte den Kopf.
Sibyl wusste, was er meinte. Er verstand nicht, was die Herren davon abhielt, ihr den Hof zu machen und um ihre Hand anzuhalten. Die wenigen, die es getan hatten, hatte er allerdings kategorisch abgelehnt, weil sie in seinen Augen keine passende Partie waren. Ein titelloser jüngerer Sohn mit geringem Einkommen, ein Baron mit großem Namen, aber auch jeder Menge Schulden, ein dubioser Deutscher, der kaum die englische Sprache beherrscht hatte.
Sie war zugegebenermaßen froh gewesen, dass diese Bewerber erfolglos geblieben waren, denn keiner der Herren hatte auch nur ein Stück ihres Herzens erobert. Andererseits ...
»Ich hoffe, du langweilst dich nicht zu sehr«, sagte sie. »Soll ich dir noch ein Buch bringen? St. Irvyne habe ich ausgelesen, und ich kann dir den Roman zur Unterhaltung empfehlen.«
»Nein, lass nur. Alfred wird gleich noch ein wenig vorbeikommen.«
Alfred Ecklethorpe war Sibyls Cousin zweiten Grades, der nach dem Tod ihres Großvaters den Titel und Henley Castle erben würde. Eigentlich wäre dies das Geburtsrecht ihres Vaters gewesen. Ach, wenn er und Mama doch noch lebten! Es würde seltsam sein, Alfred eines Tages auf Henley Castle zu wissen, und die Heimat ihrer Kindheit war dann für immer verloren.
»Das ist sehr nett von ihm. Ich bin froh, dass er sich um dich kümmert.«
»Ja, das ist erfreulich. So kann ich ihm doch noch das eine oder andere beibringen, was er für die Verwaltung der Ländereien brauchen wird. Jetzt lass aber deine Großmutter nicht so lange warten. Ich wünsche euch einen schönen Abend und werde an euch denken. Und beim nächsten oder spätestens beim übernächsten Ball tanze ich wieder mit dir«, versprach Lord Henley.
Er nahm Sibyls Hand.
»Heute Abend wird mich Lord Darnstaple vertreten, deine Großmutter weiß Bescheid. Er ist wirklich ein sehr ehrenwerter Gentleman. Wenn du irgendwelche Hilfe brauchen solltest, kannst du dich jederzeit an ihn wenden, hat er angeboten.«
Sibyl sog die Luft ein, dann rang sie sich ein Lächeln ab und verließ den Raum.
Lord Darnstaple!
Mit großen Schritten eilte sie den Gang entlang und die geschwungene Treppe hinunter in die Halle.
Sie wusste, dass Lord Darnstaple sich schon seit einiger Zeit für sie interessierte ... und das mehr als nur freundschaftlich. Sie ermutigte ihn nicht. Er mochte durch seinen Titel und seine gesellschaftliche Stellung eine gute Partie sein, aber er war alt, bereits über fünfzig. Und auch wenn solche Unterschiede an Jahren zwischen verheirateten Paaren natürlich häufiger vorkamen, stellte sich Sibyl eine Ehe mit einem so viel älteren Gatten wenig reizvoll vor.
Es war jedoch nicht nur das Alter, das sie störte. Vor allem hatte Lord Darnstaple etwas an sich ... Wenn er sie ansah und sich über seine wulstigen Lippen leckte, bekam sie jedes Mal Gänsehaut.
Nein, Lord Darnstaple war keineswegs derjenige, an den sie sich wenden würde, wenn sie Hilfe brauchte.
Unwillkürlich stieg vor ihr das Bild eines jungen Mannes mit warmen braunen Augen und dichtem dunklem Haar auf. Rasch schüttelte sie den Kopf, trat an die Seite ihrer Großmutter und ließ sich das gefütterte Cape umlegen, das sie vor dem kühlen Nachtwind schützen würde.
Viscountess Asherley runzelte die Stirn und betrachtete ihren jüngsten Sohn. »Ich verstehe nicht, warum du nicht auch hier im Haus wohnen willst, Stephen. Wir haben genug Platz, und William würde sich über deine Gesellschaft freuen.«
Stephen Grierson bezweifelte das. Sein ältester Bruder hatte seine Frau Esther und den kleinen Willy, die ihm Gesellschaft leisten konnten – falls er einmal zu Hause war. Meistens jedoch verbrachte William seine Zeit im Oberhaus, im Club oder auf abendlichen Veranstaltungen der Londoner Oberklasse.
»Ich habe ein sehr hübsches Häuschen in Knightsbridge gefunden, und du weißt, wie gerne ich unabhängig bin, Mama«, erklärte er. »So ist es viel einfacher, mich zurückzuziehen und meine Studien fortzusetzen. Und heute gehe ich ja mit euch zum Ball, egal, wo ich wohne.«
Lady Asherley nickte zufrieden.
»Ich bin sehr froh, dass endlich wieder große Veranstaltungen stattfinden«, sagte sie. »Wenn man im Winter auf dem Land ist, entgehen einem so manche Vorkommnisse.«
»Du meinst Skandale, Mama, sprich es ruhig aus.« Stephen lächelte. Er liebte seine Mutter, doch ihr kaum verborgener Hang zum Tratsch war gelegentlich schwer zu ertragen. Auch deshalb zog er es vor, während der Season nicht mehr im Stadthaus der Familie zu wohnen.
»Ich meine Vorkommnisse«, betonte Lady Asherley mit Würde. »Es ist schließlich kein Skandal, wenn eine Frau bei der Geburt ihres Sohnes stirbt wie Lady Dallingham. Die armen Töchter ... In dieser Season werden sie keine der Zerstreuungen besuchen können, dabei wäre es an der Zeit, dass endlich auch die jüngere einen Mann findet.«
Stephen nickte. Zwar hatte er die zweite Frau von Lord Dallingham kaum gekannt, aber er war seit Jahren mit Frederick, dem Earl of Kendal befreundet, der Lord Dallinghams älteste Tochter Matilda geheiratet hatte. Ja, die junge Charlotte würde sicher nicht glücklich darüber sein, sich nun um ihren Vater und den kleinen Halbbruder kümmern zu müssen, wie es ihr als ledige Tochter zukam.
»Nein, Mama, du hast völlig recht, das ist natürlich kein Skandal.«
»Ein Skandal ist es«, fuhr Lady Asherley fort, »wenn Lord Morley seine neue Maitresse aus der Demimonde in aller Öffentlichkeit in der Kutsche spazieren fährt. Oder wenn dieser schreckliche Lord Bolton erneut ein Duell ausfechten muss, weil er ...«
Sie musste Stephens amüsierten Blick aufgefangen haben, denn sie hielt inne.
»Aber lass uns nun aufbrechen. Dein Vater wird schon unten bereitstehen. Lady Rutherford mag es nicht, dass man allzu spät zu ihren Bällen kommt. Und es ist auch viel einfacher, sich die Roben der Damen anzuschauen, wenn man sie bei der Ankunft sieht.«
Und man bekommt mehr Gerüchte mit, dachte Stephen schmunzelnd.
Eines der Gerüchte, das in den letzten Tagen die Runde gemacht hatte, besagte, dass es Lord Henley gesundheitlich sehr schlecht ging. Ob etwas Wahres daran war, würde der heutige Abend zeigen, denn Lord und Lady Henley erschienen bei allen großen Bällen und Konzerten als Gäste. Wenn der alte Earl mit seiner Countess über das Parkett tanzte, gaben die beiden immer noch einen sehr ansehnlichen Anblick ab.
Und Lady Sibyl würde sie begleiten.
Das Drängen von Stephens Mutter hatte dazu geführt, dass die Familie zu den ersten Gästen gehörte, die eintrafen. Die Gastgeberin begrüßte sie herzlich, erkundigte sich bei William nach seinem kleinen Sohn und musterte Esther sehr aufmerksam. Sie blickte von ihrem Gesicht kurz auf ihren Bauch und hob die Brauen. Esther errötete.
William würde also in absehbarer Zeit wieder Vater werden. Interessant. Nicht einmal seine Mutter hatte sich bisher bemüßigt gefühlt, Stephen darüber zu informieren. Und da wunderte sie sich, dass er sein eigenes Leben führte?
»Und was haben Sie von Walter gehört, ist er immer noch bei der Armee?«, erkundigte sich Lord Rutherford bei Stephens Vater.
»Unsere Jungs werden diesem Napoleon schon noch den Garaus machen«, verkündete der stolz. »Walter hat erst kürzlich eine Auszeichnung bekommen.«
»Ich habe gehört, man spricht von einem Feldzug der Franzosen nach Russland?«
»Das wird sich zeigen. Ich würde es nicht ausschließen. Aber da werden sie sich umgucken!«
»Mister Grierson, wie schön, dass auch Sie hier sind. Gute Tänzer sind immer willkommen.«
Lady Rutherford lächelte charmant und deutete auf eine Gruppe sehr junger Damen in weißen Kleidern, die verlegen kicherten, als sie dies bemerkten. Die neuen Debütantinnen.
»Ich werde mein Bestes tun.« Stephen verneigte sich, und Lord und Lady Rutherford wandten sich den nächsten ankommenden Gästen zu.
Ein Diener bot Stephen ein Glas Champagner an, das er gerne nahm. Dann stieg er die Treppe zum Ballsaal empor und sah sich um. Er begrüßte den Marquess of Bayne und seine Frau und gesellte sich zu Oliver Hillington, der sich gerade auf der Tanzkarte einer dunkelhaarigen Schönheit eingetragen hatte und nun Ausschau nach weiteren möglichen Tanzpartnerinnen hielt.
»Ich sehe, Sie werden heute Abend sehr beschäftigt sein, Hillington«, scherzte er.
»Wozu sind wir sonst hier?«
»Nun, die einen oder anderen sind auf Brautschau, habe ich mir sagen lassen.«
Oliver Hillington zuckte mit den Achseln. »Ich amüsiere mich lieber vielseitig«, sagte er. »Und noch bin ich lediglich der jüngere Sohn, da interessieren sich die Eltern der jungen Damen nicht ernsthaft für mich. Das kennen Sie sicher.«
Stephen nickte. »Wie geht es Ihrem Bruder?«
Oliver Hillington seufzte. »Ich fürchte, ich werde nur zu bald in den Rang des Erben aufsteigen«, sagte er leise. »Diese verteufelte Franzosenkrankheit! Aber was soll ich sagen? Selbst schuld, und letztlich wird sich meine eigene Situation deutlich verbessern. Und wie sieht es bei Ihnen aus, Grierson?«
»Ich habe zwei kerngesunde ältere Brüder und demnächst wahrscheinlich einen zweiten Neffen.«
»Das ist bitter.«
Stephen schüttelte den Kopf. »Es gibt mir aber auch viele Freiheiten, meinen eigenen Interessen nachzugehen.«
»Ah, schauen Sie, da kommt Lady Fountainbridge. Ich habe gehört, ihre Zwillingsschwester, die Countess de Garbonne, wird in Kürze ...« Er senkte die Stimme noch weiter, »die Familie vergrößern. So werden wir in diesem Jahr keine Gefahr laufen, die beiden zu verwechseln.«
Stephen trank sein Glas leer und nahm das zum Anlass, sich von Oliver Hillington zu entfernen. Das ständige Gerede über andere Leute war einer der großen Nachteile bei den Veranstaltungen der besseren Gesellschaft.
Er stellte das Glas auf einen schmalen Ablagetisch an der Seite des Ganges und blickte die Treppe hinunter. Sein Herz hüpfte, und er lächelte unwillkürlich. Lady Henley war eingetroffen und mit ihr ihre Enkelin! Die beiden waren allerdings allein, also war an den Gerüchten über Lord Henleys Gesundheitszustand wohl doch etwas Wahres dran.
Lady Sibyl sah bezaubernd aus. Sie neigte anmutig ihren Kopf, als Lady Rutherford sie begrüßte und dann längere Zeit mit ihrer Großmutter sprach.
Mit dem weich fallenden hellen Kleid glich sie einer lebendig gewordenen griechischen Statue. Das Dekolleté zeigte die runden Brüste aufs Anmutigste, und als sie nun an der Seite ihrer Großmutter auf die Treppe zuschritt, schmiegte sich der zarte Stoff an ihre Beine und ließ bei jedem Schritt andeutungsweise die Konturen der Schenkel sehen.
Und dann hob sie auf einmal das Gesicht, und ihre Blicke trafen sich. Hitze schoss in Stephens Lenden und gleich darauf in seinen Kopf. Er trat hastig einen Schritt zurück, stieß gegen Lord Bensworth, entschuldigte sich und suchte das Weite, um sich und seinen unerwartet aktiven Körperteil wieder zu beruhigen.
Er wusste genau, was er tun würde, wenn er nur könnte. Er würde sich Lady Sibyl zu Füßen werfen und sie anflehen, seine Frau zu werden.
Sibyl musste sich zusammenreißen, um nicht auf der Stelle stehen zu bleiben und in Tränen auszubrechen. Sie hatte sich so gefreut, Mr Grierson wiederzusehen, der nicht nur ein guter Tänzer, sondern auch ein aufmerksamer Gesprächspartner war. Mit ihm würde sie sich keine Minute langweilen. Und als er sie ansah, hatte sie einen Augenblick lang gedacht, er würde sich ebenso freuen. Doch dann hatte er sich abgewandt und war weggegangen.
Sie war nicht einmal imstande, eine lockere Bekanntschaft aufrechtzuerhalten!
Zum Glück hatte sie bereits vor Jahren gelernt, nach außen hin ruhig und gelassen zu bleiben, egal, wie sie sich fühlte. Männer mochten keine hysterischen Frauen, pflegte Großmama zu sagen, keine Frauen, die zu sehr von ihren Gefühlen beherrscht wurden. Sie wollten Damen, die repräsentierten und ihre Pflicht taten.
Doch es musste noch etwas anderes in einer Ehe geben als Pflicht. Zuneigung. Geteilte Freude. Zärtlichkeit ...
Sie konnte es sehen: Lady Kendal hatte es gefunden, Lady Bayne ebenso und selbst die Duchess of Elmsley. Andererseits waren diese jungen Frauen auch jede etwas Besonderes. Sie wirkten stets so lebendig, konnten amüsant plaudern und einen Mann unterhalten und an sich binden.
Sibyl selbst dagegen vermochte nicht viel mehr, als dekorativ und still dem zu lauschen, was ein Herr erzählte, zu lächeln und zu nicken. Angesichts der zahlreichen hübschen und munteren jungen Damen der Gesellschaft war dies nicht genug, um einen Ehemann zu finden. Und schon gar nicht einen, der ihr Herz höherschlagen ließ, wie es Mr Grierson unpassenderweise tat.
Im letzten Jahr war der jüngste Sohn von Lord Asherley in Sibyls Leben getreten. Bei einem Abendessen im Haus des Earls of Kendal war er ihr Tischherr gewesen, und sie hatten sich angeregt unterhalten. Mr Grierson hatte sie tatsächlich zu ein paar Dingen nach ihrer Meinung gefragt. Und da sie nicht gezwungen war, einen guten Eindruck auf ihn zu machen, um ihn als Bewerber um ihre Hand zu gewinnen, hatte sie Freude daran gehabt, ihm ehrlich zu antworten.
Einmal hatte er danach auf einem Ball einen herrlichen Walzer mit ihr getanzt, erinnerte sie sich. Das war gar nicht so einfach gewesen, weil seine Berührungen heiße Schauer in ihr ausgelöst und sie völlig von den Schritten abgelenkt hatten. Und sie hatten heimlich miteinander gelacht, als das Mieder von Lady Falliston geplatzt war. Die vollbusige Lady pflegte ihre Attribute stets in äußerst engen Kleidern zur Schau zu stellen, und so war das Malheur nicht ganz überraschend gekommen.
Sie hatte seit Tagen gehofft, ihn wiederzusehen, mit ihm zu sprechen, vielleicht sogar mit ihm zu tanzen. Doch er schien nicht interessiert, ihre Bekanntschaft aufzufrischen.
»Lady Sibyl, ich bin hocherfreut.«
Sibyl zuckte zusammen. Völlig in ihre Gedanken versunken hatte sie Lord Darnstaple nicht kommen sehen.
»My Lord.« Sie knickste mit festgefrorenem Lächeln.
»Ihr Großvater hat mich wissen lassen, dass Sie heute ohne seinen Schutz hier sind. Darf ich mich statt seiner anbieten?«
Nein, hätte Sibyl am liebsten geschrien.
»Vielen Dank«, sagte sie stattdessen. »Aber ich glaube nicht, dass ich im Hause von Lord Rutherford eines Schutzes bedarf.«
»Wer weiß, wer weiß.« Lord Darnstaple leckte sich über seine Lippen und bot ihr den Arm. »Lassen Sie uns in den Ballsaal gehen und nachsehen. Der erste Tanz wird gleich beginnen.«
Es blieb Sibyl nichts anderes übrig, als ihre Hand auf seinen Unterarm zu legen und ihm zu folgen. Zum Glück trug sie Handschuhe und er einen Frack aus silberdurchwirktem, taubenblauen Stoff – eine Berührung seiner Haut hätte sie nicht ertragen.
Sie wusste selbst nicht, warum sie den Mann, der mit ihrem Vater befreundet gewesen war, so abstoßend fand. Es war nicht das schüttere Haar oder das etwas teigige Gesicht. Vielleicht war es seine Körperhaltung mit dem leicht eingezogenen Kopf oder sein schleichender Gang. Oder einfach der Blick aus seinen fahlblauen Augen, unter dem sie sich irgendwie schmutzig fühlte.
Zum Glück standen sich bei dem Country Dance die vier Paare nur zwei und zwei im Quadrat gegenüber und tanzten verschiedene Figuren, bei denen sich allenfalls die Hände berührten. Bis alle Paare sämtliche Passagen durchgetanzt hatten, verging fast eine halbe Stunde, die Sibyl mit Würde hinter sich brachte.
»Ich muss mich einen Moment zurückziehen«, entschuldigte sie sich, kaum dass die Musik verklungen war, und Lord Darnstaple ließ sie widerwillig gehen.
Sibyl verließ den Saal und stieg die Treppe hinunter. Sie kannte Lord Rutherfords Haus von vielen Besuchen mit ihrer Großmutter gut und wusste daher, wo Lady Rutherfords Morgensalon war. Von dort aus führte eine Tür hinaus in den Garten. Ein wenig frische Luft würde ihr guttun.
Doch noch bevor sie die Halle durchqueren konnte, rief eine wohlbekannte Stimme nach ihr.
»Cousine Sibyl!«
Mit breitem Lächeln trat Alfred Ecklethorpe auf sie zu. Sibyl seufzte innerlich.
»Cousin Alfred. Ich dachte, du leistest Großpapa heute Abend Gesellschaft.«
»Der alte Herr war müde. Also habe ich mir gedacht, Alfred, habe ich mir gedacht, deine liebe Cousine Sibyl ist ganz allein auf dem Ball, und so bin ich hergeeilt und gerade angekommen. Und gleich habe ich dich gefunden. Das ist Schicksal.«
»Allein würde ich das hier nicht nennen«, sagte Sibyl trocken und deutete auf die zahlreichen Gäste. Auch zum Thema Schicksal hätte sie etwas zu sagen gewusst, das sie jedoch lieber höflich herunterschluckte.
»Ist deine Tanzkarte schon voll?«, fragte Alfred begierig. »Oder darf ich gleich um den nächsten Tanz bitten?«
»Ich bin ein wenig erschöpft«, behauptete Sibyl, »und wollte gerade etwas pausieren.«
»Ach, wunderbar.« Alfred strahlte sie an. »Ich hole dir ein Glas Champagner, und dann setzen wir uns irgendwo hin und plaudern.«
Im Nu drückte er Sibyl ein Glas in die Hand, machte ihr langatmige Komplimente zu ihrem Kleid und dem Schmuck mit den außergewöhnlichen rosa Saphiren, und begann schließlich, laut über die Schönheit und die Vorzüge von Henley Castle zu sinnieren.
Sibyl nippte an ihrem Glas und nickte gelegentlich. Dabei beobachtete sie die anderen Gäste, bewunderte das Kleid von Lady Kitty Fountainbridge, die heute ohne ihre Zwillingsschwester ein wenig verloren wirkte. Vielleicht konnte sie, wenn sie Alfred lange genug zugehört hatte, zu ihr hinübergehen und sie begrüßen, sie hatten im letzten Herbst während der Jagdsaison auf Brent Castle einige Zeit miteinander verbracht und sich recht gut kennengelernt.
»... wäre das nicht eine wundervolle Lösung?«, fragte Alfred und sah sie erwartungsvoll an.
Sie lächelte vage. »Entschuldige, ich habe ein wenig Kopfschmerzen. Und es ist so laut hier. Würdest du deine Frage bitte noch einmal wiederholen?«
»Aber gerne, mein Engel.«
Sibyl biss die Zähne zusammen. Alfred war nicht der Mann, von dem sie solche Koseworte hören mochte.
»Da ich weiß, dass du Henley Castle liebst und natürlich nicht gern für immer von da weggehst, was unweigerlich der Fall sein müsste, wenn ich mit meiner Gemahlin dort einziehe ...« Er holte tief Luft.
»Du willst heiraten, Cousin Alfred?«, fragte Sibyl überrascht.
Bisher hatte er nie von Heiratsabsichten gesprochen. Aber er war, wie sie wusste, bereits fünfunddreißig Jahre alt, und das war für viele Junggesellen der Zeitpunkt, endlich sesshaft zu werden. Den zukünftigen Lord Henley würde man als Schwiegersohn überall gern willkommen heißen. So üppig waren heiratsfähige Herren mit Titeln schließlich nicht gesät.
»Ja, natürlich. Das habe ich dir doch eben erklärt. Ich muss ja für den Fortbestand der Familie sorgen. Und da ich nun endgültig aus Indien zurückgekehrt bin, habe ich mir gedacht ...« Er machte eine künstliche Pause, dann fuhr er mit strahlendem Lächeln fort: »Ich frage einfach dich.«
Sibyl schaute ihn irritiert an. Warum sollte sie ihm helfen, eine Braut zu finden? Wie stellte er sich das vor?
»Du könntest dann für immer auf Henley Castle bleiben, in deinem alten Zuhause glücklich und zufrieden leben. Man kennt dich dort, und du weißt über alles Bescheid. Ich war ja viele Jahre nicht in England, und manches hat sich hier verändert. Also, was denkst du? Das wäre doch eine wunderbare Lösung für uns beide.«
Eine dunkle Befürchtung kroch Sibyl den Nacken herauf. Meinte er etwa ...
Alfred strahlte. »Sag, Cousine Sibyl. Willst du mich heiraten?«
Stephen tanzte den ersten Tanz mit einer der Debütantinnen, einer quirligen kleinen Rothaarigen, deren Namen er gleich wieder vergaß und die vor lauter Nervosität mehrmals die Figuren verwechselte. Dann errötete sie jedes Mal und sah ihn dankbar an, wenn er ihr behilflich war, in den Ablauf des Tanzes zurückzufinden.
Er selbst war auch nicht unbedingt viel konzentrierter. Bei bestimmten Figuren konnte er, wenn er zur Seite schaute, in einem anderen Set Lady Sibyl sehen, wie sie mit Lord Darnstaple tanzte. Sie sah nicht glücklich aus. Was angesichts ihres Tanzpartners kein Wunder war.
Der alte Lord hatte, obwohl er durchaus geachtet war, einen etwas zweifelhaften Ruf. Vor allem sagte man ihm nach, dass er eine Schwäche für sehr junge Mädchen hatte. Es war also ein wenig verwunderlich, dass er sich für Lady Sibyl interessierte, die die zwanzig schon um einige Jahre überschritten hatte. Andererseits war da das Vermögen ihres Großvaters ...
War Lord Darnstaple also ein Mitgiftjäger? Sollte er Lady Sibyl vor ihm warnen?
Mit einer Verbeugung bedankte sich Stephen bei seiner Partnerin für den Tanz und geleitete sie zu ihrer Mutter zurück. Nach einem kurzen Austausch von Höflichkeiten begab er sich zum Marquess of Bayne, der am Rand der Tanzfläche stand und seine Frau beobachtete, die mit dem Dirigenten des kleinen Orchesters sprach.
»Bayne.«
»Grierson.«
Die Begrüßung war männlich kurz, schließlich hatte man sich erst am Morgen beim Ausritt im Hyde Park gesehen.
»Ada hat sich in den Kopf gesetzt, Violoncello spielen zu wollen«, verriet Lord Bayne grinsend. »Mir scheint jedoch, dass die Musiker das nicht gutheißen und sie wohl keinen Lehrer finden wird.«
»Vielleicht sollte sie lieber die Violine wählen?«
»Sie liebt aber die tiefen Töne. Meinst du, man lässt sie in einer Art Damensattel spielen?«
Stephen lachte. Lady Bayne war immer für eine Überraschung gut, und sie wirkte herrlich fröhlich und frei. Ein kleines bisschen von ihrer Vitalität würde Lady Sibyl guttun, fuhr es ihm durch den Kopf. Sie war so zurückhaltend und still, dass sie ihm gelegentlich schon vorgekommen war, als stelle sie sich tot wie ein exotisches Tier, das wusste, es gab kein Entkommen aus seinem Käfig. Nur manchmal waren in ihren wenigen Gesprächen kleine Blitzlichter aufgetaucht, die eine ganz andere Sibyl zeigten, eine, die Geist und Humor hatte und ein ansteckendes Lächeln.
»Was weißt du eigentlich über Lord Darnstaple?«, fragte Stephen.
Lord Bayne sah ihn überrascht an. »Das, was alle wissen. Näheres interessiert mich nicht. Warum fragst du?«
»Er hat mit Lady Sibyl getanzt und sie angesehen ... Nun, ich weiß nicht, ob ich sie warnen sollte.«
»Vor Darnstaple sollte man jede anständige Frau warnen. Aber ich glaube nicht, dass er eine Vorliebe für sie entwickelt, außer ...«
»Außer?«, drängte Stephen.
»Außer es stimmt, dass seine Schulden ihm über den Kopf wachsen. Dann wäre die einfachste Möglichkeit, an Geld zu kommen, natürlich eine reiche Heirat.«
»Das fürchte ich auch«, sagte Stephen. »Du meinst also, er ist verschuldet?«
»Wundert dich das? Seine besonderen Vorlieben, sein Pech mit den Karten ... Wie ich gehört habe, sind seine Ländereien schlecht verwaltet, was auch nicht hilft. Aber ich weiß wirklich nichts Genaues.«
»Danke, das reicht mir eigentlich schon.«
»Ich glaube allerdings nicht, dass Lady Sibyl deiner Warnung bedarf. Auch wenn sie auf den ersten Blick wie ein scheues Mäuschen wirken mag ... Hast du mal ihre Augen gesehen?«
»Sie sind grün!«, entfuhr es Stephen.
Lord Bayne lachte. »Das habe ich eigentlich nicht gemeint, sondern ihren intelligenten Blick. Dem dürfte nicht viel entgehen. Mach dir keine Sorgen, sie wird sich sicher zu wehren wissen. Frauen sollte man nicht unterschätzen.«
Er schaute erneut hinüber zu seiner Gattin, die nun ihre Diskussion mit unzufriedener Miene beendete.
Stephen machte sich dennoch auf die Suche nach Lady Sibyl. Er fand sie mit einem Unbekannten ins Gespräch vertieft und blieb daher so hinter einer großen Topfpflanze stehen, dass er ihren Rücken unauffällig im Blick hatte. Wenn sie wieder aufstand, um in den Ballsaal zurückzukehren, würde er ihr ganz zufällig über den Weg laufen können.
Der Fremde – er mochte Mitte dreißig sein – war gut gekleidet, doch sein Frack saß nicht gerade exquisit, so als ob er nicht den richtigen Schneider aufgesucht hatte. Oder lag das an seiner Körperhaltung? Sein Gesicht war sonnengebräunt, und um die Augen hatten sich hellere Falten gebildet. Ein Mann aus den Kolonien, dachte Stephen. Indien oder Karibik, irgendwo, wo es heiß war und man die Augen zusammenkniff, um sie zu schützen.
Der Fremde sprach fast ununterbrochen auf Lady Sibyl ein, doch sie wirkte überraschend gelassen, so als wäre der Mann ihr vertraut. Ihr Cousin! Das musste er sein. Erst vor ein paar Tagen hatte Stephens Mutter erzählt, dass Lord Henleys Erbe – irgendein weitläufiger Neffe – aus Indien in London eingetroffen war.
Beruhigt wollte sich Stephen abwenden, als Lady Sibyls Rücken sich versteifte und sie plötzlich aufstand. Er trat hinter der Pflanze hervor, um langsam an den beiden vorbeizugehen und vielleicht eingreifen zu können, falls der Mann Lady Sibyl beleidigt oder belästigt hatte.
»Das kannst du nicht ernst meinen!«, hörte er sie ausrufen.
»Aber natürlich meine ich das ernst, Cousine Sibyl«, antwortete der Mann. »Mit unserer Heirat lösen sich sämtliche Probleme in Wohlgefallen auf. Du hast endlich einen Gatten und –«
»Das kommt alles sehr plötzlich für mich«, sagte Lady Sibyl jetzt in ihrem gewohnten höflich-distanzierten Ton. »Du wirst verstehen, dass ich Bedenkzeit brauche.«
»Aber natürlich verstehe ich das.« Der Mann lächelte. »Nimm dir ruhig etwas Zeit. Nur nicht zu viel. Falls dein Großvater bald stirbt, müssen wir eine lange Trauerzeit überbrücken, ehe wir das Bett teilen können, wobei ...« Er grinste anzüglich.
Stephen blieb neben Lady Sibyl stehen und wandte sich ihr zu. »Lady Sibyl, wie gut, dass ich Sie endlich gefunden habe. Lady Henley hat Sie soeben gesucht. Ich begleite Sie gerne zu ihr, sobald Sie Ihr Gespräch beendet haben.«