2,99 €
Hobbydetektivin Nelle ist mit einem neuen Fall zurück. Gemeinsam mit ihrem Patenkind, Inspektor Angus, und dessen Partner, dem erfolgreichen Modedesigner Vincent, macht sie Urlaub in einem der berühmtesten Züge der Welt.
Nelle ist hellauf begeistert von der luxuriösen Ausstattung und dem gediegenen Ambiente, das der ‚Orient Express‘ verströmt. Nachdem sie Martin, einen äußerst unangenehmen Zeitgenossen kennengelernt hat, der nicht nur dem netten Pärchen Eduard und Eugen, sondern vielen weiteren Passagieren bereits auf die Füße getreten ist, prophezeit die resolute Frau einen bevorstehenden Mord.
Es ist nicht verwunderlich, dass der unsympathische Kerl wenig später das Zeitliche segnet. Die Aufklärung des Falles verlangt Inspektor Angus alles ab, denn immerhin ist fast jeder im Zug verdächtig. Zum Glück stehen ihm Vincent sowie seine Tante mit ihren detektivischen Fähigkeiten zur Seite.
Ganz nebenbei betätigt sich diese dann auch noch als Amor, denn zwei Menschen zur Liebe zu verhelfen, ist für sie fast genauso spannend wie die Aufklärung eines Mordfalles.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2017
Sämtliche Personen und Ereignisse sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten wären rein zufällig.
Alle Rechte vorbehalten.
Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch
auszugsweise, sind ohne Rücksprache mit der
Autorin nicht erlaubt.
eBooks dürfen nicht übertragen oder
weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die
Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie.
Die Helden dieser Geschichte müssen sich nicht schützen,
weil sie meiner Fantasie entsprungen sind. Im realen Leben
gilt immer Safer Sex.
Danke!
Hiermit möchte ich euch darauf hinweisen, dass diese
Geschichte vollständig meiner Fantasie entsprungen ist.
Wer realistische Erzählungen sucht, sollte jetzt bitte
aufhören zu lesen und die Tageszeitung zur Hand nehmen,
wo man mit der manchmal harten Realität konfrontiert
wird. Allen anderen, die dem realen Leben für ein paar
Augenblicke entkommen wollen, wünsche ich viel Spaß
beim Lesen meiner Geschichte. Ich hoffe, dass ich euch in
eine fremde Welt entführen kann.
Viele Grüße Leonie
Vincent
Die Modenschau ist ein voller Erfolg, allerdings kann ich mich nicht so richtig darüber freuen, denn ich bin schon vier Tage überfällig. Ich hatte Angus versprochen, schon letzte Woche nach Hause zu kommen. Aber leider hat sich alles verschoben und ich musste ihn immer wieder vertrösten. Gestern ist er dann gar nicht mehr ans Telefon gegangen, ebenso heute. Inzwischen mache ich mir Sorgen und hoffe, dass er nicht allzu sauer auf mich ist. Verdenken könnte ich es ihm leider nicht. Ich an seiner Stelle wäre es auf alle Fälle.
„Vincent, gleich kommt dein Auftritt. Ist alles in Ordnung?“ Donna meine Assistentin reißt mich aus meinen Gedanken.
„Nein, ich mache mir Sorgen wegen Angus.“
Zuversichtlich lächelt sie mich an. „Er liebt dich und wird dir ganz sicher verzeihen, davon bin ich überzeugt und nun genieße deinen Auftritt.“
Innerlich hoffe ich, dass sie recht hat.
„Danke. Wie konntest du mich nur dazu überreden, diesen absolut spießigen Anzug zu tragen?“
Sie zupft mir einen Fusel von der Schulter. „Du siehst sehr gut darin aus, vertrau mir einfach.“
Muss ich wohl, denn es ist keine Zeit mehr, mich umzuziehen. Doch so richtig wohl fühle ich mich nicht. Eigentlich trage ich nur zu besonderen Anlässen, oder wenn mich meine Mutter dazu zwingt, einen Anzug. Ach ja, und für Angus. Er liebt es, wenn ich einen trage. Er bekommt da immer so ein schmutziges Leuchten in den Augen. Mein Angus, ich vermisse ihn so sehr.
Es ist so weit, mein Lied erklingt. Ich seufze hörbar und gehe hinaus auf den Laufsteg.
Alle Augen sind auf mich gerichtet und die Leute klatschen. Ich bin zufrieden und meine Brust schwillt vor Stolz. Ja, ich liebe es, so im Mittelpunkt zu stehen und ich liebe meinen Job.
Sobald ich am Ende des Laufsteges angekommen bin, sonne ich mich in meinem Ruhm, bis plötzlich die Musik verstummt und das Licht erlischt. Ein Raunen ist zu hören und eine Stimme sagt: „Bitte bewahren Sie Ruhe, das Licht geht gleich wieder an.“
Verflucht, das darf doch jetzt nicht wahr sein. Wie ich es hasse, wenn bei meiner Show etwas schief geht. Ich bin nun mal Perfektionist, darum geht mir das hier sehr gegen den Strich. Bevor ich mich jedoch nach einem Verantwortlichen umschauen kann, richtet sich ein Scheinwerfer auf mich. Ich schließe kurz die Lider, bis sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt haben. Musik setzt ein und ich bin stinksauer wegen dieser Planänderung. Gerade will ich mich umdrehen, um jemanden zur Rechenschaft zu ziehen, als ich innehalte.
Diese Melodie! Und dann der Gesang! Ich kenne dieses Lied. Angus hat es mir schon öfters vorgespielt, es ist ein schottisches Volkslied. Aber warum spielen sie das hier und jetzt? Ein zweiter Scheinwerfer schaltet sich ein und ist auf etwas hinter mir gerichtet.
Langsam wende ich mich um, wobei mein Herz um einiges schneller schlägt. Mir gehen die Augen über. Kann das wirklich sein? Mitten im Scheinwerferlicht steht mein Angus, lächelnd, im Kilt.
Mit festem Schritt kommt er langsam auf mich zu, wobei der Scheinwerfer ihn verfolgt. Mein Blut rauscht durch meine Adern. Was will er hier? Möchte er mich mit Gewalt nach Hause holen, so wie er es angedroht hat? Gut, ich gebe zu, abgeneigt wäre ich nicht, von ihm nach Hause entführt zu werden. Nichts würde mir besser gefallen, nach der langen Zeit ohne meinen Liebsten.
Doch er sieht nervös aus. Mich beschleicht plötzlich ein Gedanke, warum er hier sein könnte. Aber glauben will ich es nicht. Nein, Vincent, das macht er nicht. Nein, mach dir ja keine falschen Hoffnungen. Angus kommt immer näher und mein Herz schlägt heftig in meiner Brust. Er sieht im Kilt einfach sexy aus, seufzt.
Uns trennen nur noch wenige Zentimeter. Er nimmt meine Hände und schluckt noch einmal, bevor er mir tief in die Augen blickt. „Vincent, du bist der wundervollste Mann, dem ich je begegnet bin und meine große Liebe. Seit du an meiner Seite bist, bin ich der glücklichste Mann auf diesem Planeten.“
Nein, das tut er doch jetzt nicht wirklich? Doch! Er geht auf die Knie und holt eine Schachtel hervor. Oh Gott, oh Gott. Meine Knie werden weich, mein Herz hängt mir im Hals und ich bekomme kaum noch Luft. Sehe ich das richtig? Macht mir Angus wirklich gerade einen Antrag? Muss so sein, denn er kniet vor mir. Ich nehme alles nur noch wie durch einen Schleier wahr.
„Vincent, ich liebe dich über alles. Darum frage ich dich, hier und jetzt, willst du mich heiraten?“
Er hat es getan! Jetzt nicht anfangen zu heulen, nicht anfangen … Reiß dich zusammen! Los, antworte lieber! Aber ich kann es immer noch nicht begreifen, mein Herz ist für den Bruchteil einer Sekunde stehen geblieben. Am liebsten würde ich die ganze Welt umarmen, so glücklich bin ich gerade. Allerdings sollte ich ihm wohl endlich antworten, denn er schaut recht verzweifelt aus und die Hand, in der er das Kästchen mit zwei Ringen hält, zittert enorm. Ich sinke zu ihm auf die Knie, lege die Arme um seinen Hals und sage laut an seinen Lippen „JA“ bevor ich meine auf seine lege.
Jubel ist zu hören, doch es interessiert mich nicht. Ich bin so glücklich wie noch nie in meinem Leben. Sichtlich erleichtert streift mir Angus den Ring über meinen zitternden Finger.
„Ich liebe dich, Angus.“
„Ich dich auch, Geliebter.“
Nelle
Mein Blick fällt auf die Armbanduhr an meinem Handgelenk. Noch eine Viertelstunde, dann setzt sich der Orient Express, der ganz altmodisch von einer Dampflok gezogen wird, in Bewegung. Auf eine einwöchige Reise durch England. Ich habe mir diesen Urlaub wirklich verdient. Deshalb sitze ich in einem der separaten Abteile und warte darauf, dass es losgeht. Hier ist es sehr gemütlich, die Sitze sind mit dunkelblauem Stoff bezogen, der mit aufwendigen Ornamenten geschmückt ist. Es ist einfach ein Traum, meine Hand gleitet über den wundervollen Stoff. Hier wurde an nichts gespart.
Ich schaue auf den leeren Platz mir gegenüber und mein Herz zieht sich zusammen.
Es fühlt sich so an wie damals. Nein, Nelle, nicht darüber nachdenken. Es hat dich schon die letzten Nächte gekostet. Du wirst dir nicht auch noch den Urlaub verderben lassen, du wirst dich amüsieren und dein Leben genießen.
Die Tür des Abteils wird aufgeschoben und ein lecker aussehender Schaffner, mit einem charismatischen Lächeln, kommt auf mich zu.
Seine Stimme ist rau und sexy und seine Augen gleiten über meinen Körper, während er sich vorstellt. „Guten Tag, Madam. Mein Name ist Philip und ich werde Ihnen auf dieser Fahrt alle Wünsche erfüllen.“
Dieser Mann ist mir schon beim Einsteigen aufgefallen und ich ihm anscheinend auch. Seine Worte gehen mir durch und durch. Natürlich sind mir die Doppeldeutigkeit seiner Worte und der lüsterne Unterton in seiner Stimme nicht entgangen. Er sieht aber auch zum Niederknien aus, in seiner Schaffneruniform. Mit diesen schwarzen Locken, die unter der Mütze hervorgucken, dem gut gepflegten Vollbart, der an gewissen Körperstellen bestimmt kitzelt und seinen braunen Augen, die mich immer noch taxieren.
„Ich werde Ihr Angebot sehr gerne in einsamen Nächten in Anspruch nehmen.“
Er tippt gegen seine Mütze und erklärt mit funkelnden Augen. „Zögern Sie nicht, Madam. Ich bin zu allem bereit.“
Ein Mann, wie er mir gefällt. Ich seufze leise auf, aber nicht leise genug, dass er es nicht mitbekommt. Er grinst mich wissend an und erklärt noch, bevor er das Abteil verlässt:
„Wir fahren in 10 Minuten ab.“
Bevor er verschwunden ist, erhasche ich noch einen Blick auf seinen hinreißenden Hintern. Mhm lecker, der Urlaub gefällt mir jetzt schon. Ich richte meine Aufmerksamkeit nach draußen auf den Bahnsteig, von dem Stimmen zu hören sind. Dieser Kilt kommt mir doch bekannt vor? Genauso die wohlgeformten Beine, die darunter hervorlugen. Neugierig schaue ich dem Mann ins Angesicht.
Aha, habe ich mich also nicht getäuscht, es ist Angus. An seinem Arm hängt ein strahlender Vincent. Die beiden haben sich gestern erst verlobt und ich habe mich ja so für die beiden gefreut.
Angus hatte mich gestern Abend noch aufgeregt angerufen und zur Hochzeit eingeladen, obwohl er noch nicht einmal weiß, wann der große Tag ist. Er hat auch erwähnt, dass sie heute in den Urlaub fahren wollen, doch ich hätte nie damit gerechnet, dass sie auch mit diesem Zug reisen werden. Denn sie steigen gerade ein. Wenn ich genauer darüber nachdenke, passt es zu Angus. Ich kann ihn mir nicht an einem Strand vorstellen. Er liebt nun mal seine Heimat.
Ich werde mich bemühen, die beiden nicht zu sehr zu belästigen, denn ich nehme mal an, dass sie ihre Ruhe haben wollen. Vor allem bin ich gespannt, wer noch alles auf dieser Reise dabei sein wird. Soweit ich informiert bin, ist die Reise auf zehn Personen beschränkt. Gut, von einer Person weiß ich, dass sie nicht kommt. Nelle, nein, denk' an etwas anderes, ermahne ich mich.
Kaum daran gedacht wird meine Abteiltür erneut geöffnet.
Ein attraktiver Mann in einem ziemlich teuren Designer Anzug, der leicht abgehetzt wirkt, steckt den Kopf herein und fragt: „Ist hier noch ein Platz frei?“
Mit einem Nicken erwidere ich: „Ja, bitte nehmen Sie doch Platz.“
Sichtlich erleichtert setzt er sich mir gegenüber hin. Irgendetwas an ihm kommt mir bekannt vor, ich habe diesen Mann schon einmal gesehen. Aber wo nur, das will mir partout nicht einfallen.
Er atmet einige Mal kräftig ein und aus und streicht sich über die Hosen. Es ist seltsam, dass er hier in einem Anzug sitzt. Immerhin geht es ja in den Urlaub. Er scheint meine Blicke richtig zu deuten, denn er erklärt plötzlich:
„Das war alles anders geplant. Ein Freund hat den Urlaub organisiert und mir erst heute Bescheid gegeben. Er hat mich hier vor dem Bahnhof abgesetzt und mich damit regelrecht dazu gezwungen, diese Reise zu machen. Damit ich mal abschalten kann und auf andere Gedanken komme.“ Bei den letzten Worten schaut er traurig aus dem Fenster. Diesem Mann scheint etwas schwer auf dem Herzen zu liegen. Was natürlich meine Neugier weckt und so versuche ich, ein Gespräch in Gang zu bringen.
„Es ist schön, sich mal eine Auszeit zu nehmen, und ein Urlaub ist perfekt dafür.“
Er wendet sich mir zu und erwidert mein Lächeln. „Ja, da haben Sie recht. Ich bin mal gespannt, wer noch bei dieser Reise dabei sein wird. Ob schon alle da sind?“
Ich überlege kurz und dann fällt es mir ein: “Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, nein. Es gibt noch drei Stationen, wo Fahrgäste zusteigen, bevor der Zug nur noch an ausgewählten Orten hält, die wir besichtigen werden.“
„Ach so, das wird bestimmt spannend und lenkt mich von meinen Problemen ab.“ Die letzten Worte hat er leise ausgesprochen und sie waren sicherlich nur für ihn gedacht.
Bei dem Ersten kann ich ihm nur zustimmen, bei dem Zweiten hoffe ich, dass es ihm gelingt. Ich freue mich sehr auf die Reise in diesem komfortablen Zug.
„Ich werde mich wohl nachher erst einmal umziehen. Ich hoffe, meine Haushälterin hat das Passende eingepackt“, werde ich von meinen Gegenüber aus den Gedanken gerissen. Noch etwas gedankenverloren begutachte ich ihn. Er sieht sehr charmant aus, hat dunkelgrüne Augen, blonde kurze Haare und eine etwas größere Nase, die allerdings sehr gut zu ihm passt. Leider ist er ein klein wenig zu jung für mich, denn älter als Ende Dreißig würde ich ihn nicht schätzen.
Schade, aber ich habe da ja noch ein Ass im Ärmel, auf das ich zurückgreifen kann. Dieses geht gerade am Fenster vorbei und schenkt mir ein Lächeln. Ich wende mich wieder meinem Reisebegleiter zu und möchte natürlich mehr über diesen charismatischen Mann erfahren.
„Da wir ja die nächste Woche zusammen verbringen werden, wäre es wohl höflich mich vorzustellen. Ich bin Lady Eleonore Abigail Hartfort. Aber nennen Sie mich bitte einfach nur Nelle.“ Lächelnd reiche ich ihm meine Hand, die er mit einem Strahlen ergreift und sich ebenfalls vorstellt. „Gut, wie Sie wünschen, Nelle. Ich bin Eduard Lester und sehr erfreut, Sie kennenzulernen.“
„Ich hoffe auf einen ruhigen Urlaub“, entgegne ich. Aber ich sollte mir demnächst besser überlegen, was ich sage, denn kaum ausgesprochen, wird die Tür plötzlich aufgerissen, sodass Eduard und ich zusammenzucken.
Ein Mann kommt herein, dessen bunte Kleidung an einen Papagei erinnert. Ein gelbes Hemd, rosa Röhrenjeans und ein rotes Tuch um den Hals wecken meine Neugierde. Doch seine Aufmerksamkeit ist auf die unscheinbare Frau im schwarzen Rock und weißer Bluse hinter ihm gerichtet. Unfreundlich schnauzt er sie an: „Ich hoffe, du hast alles eingepackt. Wehe dir, du hast etwas vergessen. Los, setz‘ dich in das nächste Abteil. Ich rufe nach dir, wenn ich etwas brauche.“
„Wie Sie wünschen“, kommt es leise zurück und die Frau verschwindet. Eduard und ich tauschen einen kurzen Blick, der mir verrät, dass dieser genauso wenig von dem Neuankömmling begeistert ist, wie ich.
Der Mann tritt näher und nimmt die viel zu große Sonnenbrille ab. Er mustert erst mich, dann Eduard, wobei sich ein zufriedenes Grinsen auf seine Lippen legt. Mit einem erotischen Unterton in der Stimme setzt er sich mit den Worten: „Eduard, was für eine schöne Überraschung, dich hier zu sehen“, sehr dicht neben diesen.
Die Freude scheint nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen, wenn ich Eduards Mimik richtig deute. Angewidert hat er das Gesicht verzogen und versucht von dem Mann abzurücken. Was ihm nicht wirklich gelingt, da er ja am Fenster sitzt.
Säuselnd fragt der Neuankömmling. „Freust du dich, mich zu sehen?“
Hörbar atmet Eduard durch die Nase ein und aus, sagt aber kein einziges Wort.
Der andere schmiegt sich unverfrorenerweise an Eduards Schulter und henkelt sich bei diesem ein. Mit einem Schulterzucken schubst Eduard den Kopf des anderen von sich. Dieser zuckt nur mit den Schultern, belässt aber seinen Arm da, wo er ist. Der Papagei wendet sich mir zu und hält mir lächelnd die Hand hin: „Hallo, ich bin Martin Lex, aber meine Freunde nennen mich Schnucki und du bist?“
Ach so, wir sind gleich beim Du. Na gut, damit habe ich nun wirklich kein Problem, obwohl Martin um einiges jünger ist als ich.
Ich nehme also seine Hand und erwidere. „Ich bin Nelle, und ihr beide kennt euch?“
„Ja, leider“, kommt es zähneknirschend von Eduard, wobei er versucht, sich erneut von seinem Sitzpartner zu lösen. Das scheint ein sehr interessanter Urlaub zu werden. Ein lauter Pfiff ertönt, die Türen schlagen zu und der Zug setzt sich wenige Augenblicke später in Bewegung.
„Oh, es geht los. Wie schön“, kommt es euphorisch von Martin. Auch in mir steigt die Aufregung. Kaum haben wir den Bahnhof verlassen, betritt Philip das Abteil.
„So die Herrschaften, der Großteil der Reisegesellschaft ist anwesend, es fehlen nur noch drei. Danach werde ich Ihnen Ihre Schlafabteile zeigen und Sie können dann Ihren Tee im Salonwagen einnehmen, wenn Sie es wünschen.“
Das klingt zauberhaft, doch bevor ich antworten kann, erkundigt sich Eduard. „Wann halten wir das nächste Mal?“
Überrascht blicken Philip und auch ich zu Eduard, der richtig wütend aussieht. Aus diesem Grund antwortet Philip wohl auch prompt. „In circa einer halben Stunde.“
„Gut.“ Mehr hat Eduard nicht zu sagen. Auch die nächste halbe Stunde nicht, die wir schweigend verbringen. Diese Zeit nutze ich, um mir Martin alias Schnucki genauer anzuschauen. Ich muss zugeben, dass er sehr attraktiv ist mit seinem femininen Gesicht, den schön geschwungenen Lippen und dem schmalen Kinn. Er scheint mir ein Mann zu sein, der weiß, was er will und wie er es bekommt, denn er strahlt Selbstsicherheit und Arroganz aus.
Kaum das der Zug gehalten hat, erhebt sich Eduard ruckartig, entzieht sich Martins Arme und reicht mir die Hand.
„Nelle, es war schön, dich kennenzulernen, aber ich werde dich hier gleich wieder verlassen.“ „Das ist aber schade“, erwidere ich ehrlich, denn ich hätte gern mehr über ihn und seine Probleme erfahren, wobei ich das Gefühl habe, das Schnucki eins davon ist. Milde lächelt er mich an und wendet sich dann der Tür zu, die gerade geöffnet wird.
Ein junger Mann in einem schwarzen Mantel und einer Kapuze auf dem Kopf tritt ein und kommt direkt vor Eduard zum Stehen. Die Blicke der beiden treffen sich. Sehe ich da etwa Funken sprühen? Die beiden haben sich noch nicht abgewandt, wie es eigentlich üblich wäre. Oh ja, da knistert es gewaltig. Schüchtern schaut der junge Mann Eduard an. „Sorry, stehe ich Ihnen im Weg? Wollten Sie gerade gehen?“
Kopfschüttelnd kommt von Eduard: „Äh nein, ich wollte nur mein Jackett ausziehen. Es ist ein wenig heiß hier drin.“
Na, das ist aber mal eine faustdicke Lüge! Und ob er gehen wollte! Ich frage mich nur, was, oder besser gesagt, wer seine Meinung geändert hat. Leicht schmunzle ich in mich hinein.
Eine leichte Röte erscheint auf dem Gesicht des Neuankömmlings und er streift sich eine Strähne seines langen, braunen Haares aus dem Gesicht. Immer noch schauen sich die beiden in die Augen.
Ein Ruck geht durch den Zug, als der langsam anfährt und der junge Mann kommt ins Straucheln. Sofort wird er von Eduard festgehalten, der die Arme um die Hüfte des anderen legt und damit verhindert, dass dieser unsanft zu Boden fällt. Dabei sind sich die beiden nähergekommen.
„Danke, Herr ...“
„Mein Name ist Eduard.“
Ein schüchternes Lächeln erscheint auf den Lippen des anderen. „Eduard, ich bin Eugine.“ „Seid ihr beide endlich fertig?“, kommt es schnippisch von Schnucki.
Die beiden setzen sich, Eduard nimmt wieder neben Martin Platz, und Eugine neben mir, wobei sie sich schmachtende Blicke zuwerfen.
Wie nicht anderes zu erwarten, henkelt sich Martin wieder bei Eduard ein, doch dieser schiebt den Störenfried bestimmend von sich, was Eugine lächeln lässt. Immer wieder treffen sich die Blicke der beiden. Eugine hat einen Reader herausgeholt und liest, oder besser gesagt, versucht es. Denn mir fällt nach geraumer Zeit auf, dass er immer noch auf derselben Seite ist. Kein Wunder, wenn er immer wieder zu Eduard schaut und dabei ein verführerisches Schmunzeln auf den Lippen hat, welches diesen zu hypnotisieren scheint, denn er wendet sich nicht einmal ab. Ich bin nicht die Einzige, die das Flirten der beiden mitbekommt. Missmutig beobachtet Martin die beiden, bis es ihm langsam reicht. „Es wundert mich, dass du dir diese Reise leisten kannst, Eugine, nach dem Flop deiner letzten Kollektion. Oder hast du das Geld anderweitig verdient?“ Die Doppeldeutigkeit ist nicht zu überhören und seine Worte scheinen zu treffen, denn Eugine senkt beschämt den Kopf.
„Ihr kennt euch?“, fragt Eduard schneller als ich.
„Ja, leider“, kommt es nicht gerade begeistert von Eugine.
Oh, oh, das scheint wirklich eine sehr interessante Reise zu werden.
Schnippisch erwidert Martin. „Ja, wir kennen uns. Er ist einer dieser zweitklassigen Designer.“ Fest presst Eugine die Lippen aufeinander, sagt aber kein Wort und senkt abermals den Blick.
Zufrieden lehnt sich Martin zurück und nimmt sein Smartphone zur Hand. Er tippt darauf herum und scheint dann auf etwas zu warten. Doch es geschieht nichts, auch nachdem er eine weitere Nachricht getippt hat. Ungehalten erhebt er sich kurz darauf und muffelt: „Wo ist diese Frau nur? Ich habe Durst.“ Dann öffnet er die Tür und ist auch schon verschwunden. Meine Chance, Amor zu spielen. Ich wende mich Eugine zu und bitte ihn höflich.
„Wären Sie so lieb, mir meine Tasche aus dem Gepäcknetz zu holen?“
Er richtet seinen Blick augenblicklich auf mich und erklärt peinlich berührt.
„Tut mir leid, wie unhöflich von mir. Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Eugine Hausend.“
Freundlich erwidere ich: „Sehr erfreut, ich bin Nelle. Wären Sie nun so lieb, mir zu helfen?“
„Natürlich, sehr gerne. Wo ist sie?“
„Da oben.“ Dabei zeige ich über Eduard. Daraufhin erhebt Eugine sich, um mir die Tasche zu holen, doch ein kleiner Schubser von mir und er landet sicher auf Eduards Schoß, der die Arme erneut um ihn legt. Wieder blicken sie sich tief in die Augen. „Ich hoffe, du hast dir nicht wehgetan“, fragt Eduard nach.