Der Notarzt 488 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 488 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Notarzt Dr. Peter Kersten lächelt warm, als der vierjährige Laurin Hoffmann ihm stolz seinen neuen, bunten Rucksack präsentiert. Der kleine Junge ist so aufgeregt und voller Vorfreude auf seinen ersten Kindergartentag, dass er kaum bemerkt, wie der Arzt ihm vorsichtig die Fäden an einer verheilten Wunde zieht. Laurin und seine Mutter Mia haben schwere Zeiten hinter sich. Jahrelang wurde der Junge von seinem Vater misshandelt, doch seit Mias Heirat mit dem Polizisten Dario Hoffmann vor drei Monaten scheint das Schlimmste überstanden. Angst gehört nun der Vergangenheit an, und ein neues Leben hat begonnen.
Laurins erster Tag im Kindergarten beginnt verheißungsvoll, nicht zuletzt wegen Mimi, der neuen Hilfskindergärtnerin mit ihren blonden Locken und den strahlend veilchenblauen Augen. Sie wirkt wie ein Engel - doch nur für die, die sie nicht durchschauen. Dr. Lea König, Peter Kerstens Partnerin und erfahrene Kinderpsychologin, spürt sofort, dass hinter Mimis perfekter Fassade etwas Dunkles lauert. Tatsächlich dauert es nicht lange, bis sich das, was als unschuldiger Kindergartentag begann, für den kleinen Laurin zu einem Albtraum entwickelt ...

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Seitenzahl: 120

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Liebe ohne Ende

Vorschau

Impressum

Liebe ohne Ende

Doch plötzlich muss Mia um das Leben ihres kleinen Sohnes bangen

Karin Graf

Notarzt Dr. Peter Kersten lächelt warm, als der vierjährige Laurin Hoffmann ihm stolz seinen neuen, bunten Rucksack präsentiert. Der kleine Junge ist so aufgeregt und voller Vorfreude auf seinen ersten Kindergartentag, dass er kaum bemerkt, wie der Arzt ihm vorsichtig die Fäden an einer verheilten Wunde zieht. Laurin und seine Mutter Mia haben schwere Zeiten hinter sich. Immer wieder wurde der Junge von seinem Vater misshandelt, doch seit Mias Heirat mit dem Polizisten Dario Hoffmann vor drei Monaten scheint das Schlimmste überstanden. Angst gehört nun der Vergangenheit an, und ein neues Leben hat begonnen.

Laurins erster Tag im Kindergarten beginnt verheißungsvoll, nicht zuletzt wegen Mimi, der neuen Hilfskindergärtnerin mit ihren blonden Locken und den strahlend veilchenblauen Augen. Sie wirkt wie ein Engel – doch nur für die, die sie nicht durchschauen. Dr. Lea König, Peter Kerstens Partnerin und erfahrene Kinderpsychologin, spürt sofort, dass hinter Mimis perfekter Fassade etwas Dunkles lauert. Tatsächlich dauert es nicht lange, bis sich das, was als unschuldiger Kindergartentag begann, für den kleinen Laurin zu einem Albtraum entwickelt ...

Mimis Eltern waren heilfroh, dass ihre neunzehnjährige Tochter endlich aus dem Haus war. Liebe hin oder her – Christine und Ralf Sedlacek hatten Mimi wirklich mit viel Liebe großgezogen –, aber das Mädchen hatte ihnen alles abverlangt. Alles!

Mirja-Marie, wie Mimi mit vollem Namen hieß, war von Anfang an ein sehr sonderbares und unglaublich anstrengendes Kind gewesen.

Zum dritten Geburtstag hatten Christine und Ralf ihrem geliebten kleinen Mädchen eine Katze geschenkt. Sie hatten gehofft, dass das fast immer wütende Kind dadurch ruhiger werden und durch die Fürsorge für ein viel kleineres und zarteres Wesen ein bisschen mehr Geduld und Einfühlsamkeit erlernen würde.

Nun, der Plan mit der Katze war gründlich schiefgegangen. Vor allem für die Katze. Nach nur zwei Tagen hatte das noch junge Tierchen eines Morgens tot in Mimis Bett gelegen.

Voller Sorge, das Kätzchen könnte an einer womöglich ansteckenden Krankheit verstorben sein, hatte Ralf es post mortem vom Tierarzt untersuchen lassen. Als er dann ohne Kätzchen wieder nach Hause kam ...

»Und? Was war es, Schatz? Die Staupe? Oder gibt es die nur bei Hunden? Hast du gefragt, was es war und ob das für unser kleines Mädchen gefährlich sein könnte?«

Christine hatte gewartet, jedoch keine Antwort erhalten. Ralf, der so gut wie nie Alkohol trank, war zu dem Küchenschrank gegangen, in dem immer ein paar Flaschen Wein für Überraschungsgäste aufbewahrt wurden, hatte eine Flasche Rotwein entkorkt und gleich einmal die Hälfte des Inhalts in einem Zug hinuntergekippt.

»Schatz? Was war es? Ist es denn so schlimm? Doch hoffentlich nicht die Tollwut?«

»Schlimmer! Viel schlimmer!« Ralf war aufgesprungen und ins Bad gerannt. Christine konnte hören, wie er sich übergab.

»Sag es mir bitte endlich!«, hatte sie ihn angefleht, als er, kalkweiß im Gesicht, in die Küche zurückgekehrt war. »Wenn es für Mimi gefährlich werden kann, müssen wir doch sofort handeln.«

»Das Kätzchen ist erwürgt worden!«

»Was?«

»Du hast schon richtig gehört. Erwürgt, erdrosselt, stranguliert, abgemurkst, ermordet!«

»Aber Ralf! Das kann nicht sein! Wer könnte das denn getan haben? Es war doch gestern Abend niemand bei uns zu Besuch, und das Kätzchen ist um halb acht mit Mimi zu Bett ge...«

Und da hatte es ihr endlich gedämmert, und auch sie war ins Bad gerannt, um sich zu übergeben, obwohl sie gar nichts getrunken hatte.

Es hatte schon davor Vorfälle gegeben. Nicht so dramatisch. Nicht so eindeutig. Es war immer noch die Option da gewesen, sich alles schönzureden.

Da war der kleine Vogel gewesen, der einem auf die Hand geflattert kam, wenn man ihm irgendwelche Leckereien hinhielt. Eines Tages hatte er komplett zermatscht in dem Sandkasten gelegen, den Ralf für Mimi gezimmert und dessen Rahmen er so wundervoll bunt lackiert hatte.

Sie hatten damals die Nachbarskatze oder die Krähen dafür verantwortlich gemacht. Obwohl ... Damals hatten sie damit angefangen, ihre kleine Tochter mit sehr gemischten Gefühlen zu beobachten, wenn sie draußen im Garten gespielt hatte. Und sie waren sich einig gewesen, dass Mimi nie mehr wieder ein Haustier bekommen würde. Keine Katze, keinen Hund, keinen Hamster, noch nicht mal ein Aquarium mit Fischen.

Wenn ein paar ihrer kleinen Freunde aus dem Kindergarten zu Besuch kamen, hatten sie Mimi keine Sekunde lang mit ihnen allein gelassen.

Und wenn Christines jüngere Schwester Sabrina mit ihrem Säugling vorbeikam, hatten sie unzählige Ausreden vorgebracht, warum Mimi das Baby nicht halten durfte. Schmutzige Hände, eine Erkältung, die auf das Baby übergehen könnte, Tollpatschigkeit – im Moment fällt ihr einfach alles runter! –, ein komischer Ausschlag auf dem Bauch – womöglich die Röteln oder gar Masern! – und so weiter und so fort.

Sie hatten nie verstanden, warum ihr Baby, das sie sich so sehr gewünscht und über dessen Ankunft sie so glücklich gewesen waren und das sie mit unendlicher Liebe überschüttet hatten, so werden konnte. Sie waren doch beide sehr ruhige, geduldige und liebevolle Menschen, die nicht einmal einer Fliege ein Härchen krümmen könnten.

Ein paar Monate nach der Sache mit der Katze hatte Mimi im Kindergarten einen kleinen Jungen mit der Bastelschere verletzt. Christine war am Vormittag in den Kindergarten zitiert und darum gebeten worden, mit Mimi einen Psychologen aufzusuchen.

Übertreiben Sie da nicht ein bisschen? Es kommt doch ständig vor, dass kleine Kinder einander unabsichtlich verletzen.«

»Es war mit Absicht, Frau Sedlacek .«

»Woher wollen Sie das wissen?«

»Nun, sie hat versucht, Adrian das Ohrläppchen abzuschneiden. Bis zur Hälfte hat sie es geschafft. Adrian ist jetzt im Krankenhaus und muss genäht werden. Möglicherweise verliert er das halbe Ohrläppchen.«

Der Psychologe hatte eine Menge Tests mit Mimi durchgeführt und abschließend festgestellt, dass das Kind völlig normal war.

»Kein Grund zur Sorge!«

»Nicht? Und die Sache mit dem Ohrläppchen?«

»Mimi hat mir sehr glaubhaft erklärt, sie hätte dem kleinen Jungen bloß die viel zu langen Haare ein bisschen kürzen wollen, weil sie ihm beim Basteln ständig über die Augen gefallen waren. Er hat ihr deswegen so schrecklich leidgetan.«

Ach, was hatten sie damals trotz all der unschönen Vorgeschichten erleichtert aufgeseufzt! Der Junge hatte tatsächlich sehr lange und dichte Haare gehabt, die ihm ständig ins Gesicht hingen.

Christine hatte selbst schon das Bedürfnis gespürt, ein Haargummi zu nehmen und ihm die Mähne, die ihm wie einem haarigen Hund fast immer über die Augen hing, hinten zusammenzubinden.

Wenn also stimmte, was Mimi behauptete und der Psychologe bestätigte, dann war sie ja sogar sehr hilfsbereit.

Damit hatten Christine und Ralf sich damals eine kleine Ruhepause ihren ständigen Sorgen gegönnt und sich eingeredet ...

Es war alles nur ein Missverständnis. Das Kätzchen – ein dummer Unfall. Das Vögelchen – muss doch Nachbars Katze gewesen sein. Die ausgerissenen und zertrampelten Blumen im Garten – der Sturm! Der Psychologe hat gesagt, dass Mimi völlig normal ist und ein Psychologe muss es ja schließlich wissen.

Das hatte auch ganz gut geklappt. Bis zum nächsten Vorfall zumindest.

Was das gewesen war, das wussten sie heute nicht mehr, denn es waren im Laufe der Jahre zu viele Vorfälle gewesen.

In den darauffolgenden Jahren war Mimi noch mehrfach von Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen zum Psychologen geschickt worden.

Das Problem war, dass Mimi die Gabe hatte, selbst die ausgefuchstesten Experten zu narren. Wenn sie mit ihren großen veilchenblauen Augen zu den Männern aufschaute, die Hände sittsam auf dem Schoß gefaltet, und sich hin und wieder mit einer anmutigen Bewegung die strohblonden Locken zurückstrich, dann sah sie wie ein eben vom Himmel herabgeschwebter Engel aus, der kein Wässerchen trüben konnte.

Sie spielte das völlig unschuldige kleine Mädchen so virtuos, dass die Expertisen immer gleich lauteten.

Demnach war Mimi die personifizierte Unschuld, der ständig Unrecht getan wurde. Ein Psychologe ging sogar so weit zu behaupten, dass Mimi in ihrer übergroßen Hilfsbereitschaft, Güte und altruistischen Selbstlosigkeit die Schuld für die Vergehen anderer auf sich nähme.

Mit dreizehn bekam sie ihre erste Jugendstrafe aufgebrummt. Sie hatte einem blinden älteren Mann angeboten, ihn über die Straße zu führen, hatte ihn geradewegs in eine Baugrube gelotst und sich halb tot gelacht, als er hineinfiel und sich beide Beine brach.

Bei diesem Vorfall kam sie mit der Darstellung der Unschuld vom Lande nicht weit, denn etliche Zeugen hatten sie mit ihren Smartphones gefilmt (anstatt dem armen alten Mann zu helfen!).

Mimi kam zwangsweise für ein halbes Jahr in ein Kinderheim, in dem sie intensiv getestet und behandelt wurde. Besserungsanstalt oder Korrekturanstalt hatten solche speziellen Heime früher geheißen.

Ein Psychiater, der sich dort intensiv mit ihr auseinandersetzte und der offensichtlich immun gegen den Liebreiz und den Charme gewesen war, den sie versprühte, hatte ihr soziopathische Züge bescheinigt.

Obwohl Ralf und Christine es längst geahnt hatten, hatten sie sich dennoch wie erschlagen gefühlt, als man ihnen die bittere Wahrheit vor den Latz knallte. Sie hatten eine brandgefährliche Soziopathin in die Welt gesetzt und großgezogen. Und der Witz war: Sie liebten sie immer noch wie verrückt.

Ein halbes Jahr später war Mimi als geheilt nach Hause entlassen worden. Von da an hatten Christine und Ralf – Liebe hin oder her – immer ihre Schlafzimmertür abgeschlossen, ehe sie abends zu Bett gingen.

Sie hatten nicht so ganz an die Heilung geglaubt, obwohl der Psychiater ihnen versichert hatte, dass von Mimi keinerlei Gefahr mehr ausgehe.

Mit fünfzehn klaute sie ein Moped und fuhr damit eine alte Frau tot. Diesmal kam sie für sechs Monate in ein Jugendgefängnis. Abermals wurde sie von einem anderen Psychiater als geheilt entlassen.

»Sind Sie sicher? Man hat sie schon einmal ...«

»Wollen Sie vielleicht meine Kompetenz als Psychiater infrage stellen? Natürlich bin ich sicher! Lesen Sie meinen internationalen Bestseller, in dem ich genau und auch für einfache Leute verständlich beschreibe, dass psychotische Episoden während der Pubertät ziemlich häufig vorkommen und von selbst wieder verschwinden.«

»Aber sie hat schon mit drei Jahren ...«

»Erziehungsfehler! Fassen Sie sich diesbezüglich ruhig an die eigene Nase.«

Mit dem Lernen hatte Mimi nie Probleme gehabt. Sie schrieb lauter Einsen. Sie galt sogar als hochbegabt.

Trotzdem musste sie das Gymnasium nur ein Jahr vor dem Abitur verlassen. Wegen mehrerer Vorfälle.

Dass sie einer Mitschülerin beim Sportunterricht absichtlich den Ball mit solcher Wucht mitten ins Gesicht gepfeffert hatte, dass deren Nase hinterher nur noch Brei gewesen war, war lediglich der eine Vorfall gewesen, der dem Fass die Krone aufsetzte.

Christine und Ralf hatten wirklich alles Menschenmögliche versucht, um zu verhindern, dass ihre Tochter danach eine Ausbildung zur Tierpflegerin begann. Sie waren deswegen von Psychiatern, Psychologen. Pädagogen und dem Jugendamt als Rabeneltern abgestempelt worden.

»Kein Wunder, dass das arme Mädchen ein bisschen durcheinander ist – bei solchen Eltern!«

Das hatte zumindest so lange gegolten, bis die ersten Zoobesucher eines Morgens schreiend aus dem Koalahaus gerannt waren, weil das entzückende Bärli ähnlich dem Gekreuzigten an seinen eigenen Kletterbaum genagelt worden war.

Diesmal war Mimi zu Sozialstunden und Psychotherapie verdonnert und in einem Jugendheim untergebracht worden.

Und wiederum hatten die Psychologen, die Pädagogen, die Psychiater und das Jugendamt es besser als die Eltern gewusst, als sie ein Jahr später für ihre Tochter einen schönen Platz als Hilfskindergärtnerin in Frankfurt am Main aufgetan hatten.

»Das wird nicht gut gehen! Damit ist die nächste Katastrophe doch schon vorprogrammiert.«

»Rabeneltern! Wie können Sie dem eigenen Kind nur die Zukunft verbauen wollen? Mimi liebt Kinder, und Kindergärtnerin ist ihr Traumberuf! Mimis einziges Problem ist, dass sie bei unfähigen Eltern aufgewachsen ist. Lassen Sie sie zukünftig in Ruhe und sie wird sich zu einer wunderbaren jungen Frau entwickeln.«

Da Christine und Ralf trotz aller Liebe einfach nicht mehr konnten, da Mimi nun volljährig war, da Frankfurt rund vierhundert Kilometer weit von ihrer Heimatstadt Leipzig entfernt war, da die Psychologen, die Psychiater, die Pädagogen und das Jugendamt ohnehin alles besser wussten und sie nach dem neunzehn Jahre lang dauernden Wahnsinn endlich wieder ein halbwegs normales Leben führen wollten, hatten sie ihrer Tochter in Frankfurt ein hübsches Appartement gekauft und sich für immer von ihr verabschiedet.

Hin und wieder dachten sie noch an Mimi. Viel öfter dachten sie jedoch voller Mitgefühl an die Eltern, die ihre kostbaren kleinen Goldschätze dem Kindergarten Zitronenfalter in Frankfurt anvertrauten. Die höchstwahrscheinlich Gefallen an der liebreizenden Kindergartenhelferin fanden und nicht ahnten, dass direkt hinter deren wunderschönen veilchenblauen Augen die Pforte zur Hölle lag.

***

»Nein! Sag bloß, Laurin ...! Ist es etwa am Montag schon so weit?«

In der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik riss Dr. Peter Kersten die Augen in gespieltem Erstaunen weit auf, als der kleine Junge ihm stolz den nagelneuen Kindergartenrucksack zeigte, den er gerade vorhin zusammen mit seiner Mutter gekauft hatte.

Der vierjährige Laurin Hoffmann hatte sich vor zwei Wochen auf dem Spielplatz eine sechs Zentimeter lange Risswunde am linken Unterarm zugezogen, die Peter mit fünf Stichen genäht hatte. Damals hatte Laurin ihm erzählt, dass er bald in den Kindergarten gehen dürfe.

Die Aufregung darüber, die brennende Neugierde darauf und die grenzenlose Vorfreude hatten den kleinen Jungen so sehr abgelenkt, dass er während der Behandlung völlig das Jammern vergessen hatte.

Heute sollten die Fäden gezogen werden, und abermals stand der kleine Junge in einem der Behandlungsräume vor dem Leiter der Notaufnahme, vergaß völlig, darüber nachzudenken, ob Fädenziehen vielleicht wehtun könnte, und erzählte Peter und Schwester Annette aufgeregt von seiner glorreichen Zukunft.

»Schon übermorgen!«, krähte Laurin, und seine Stimme überschlug sich vor Freude auf den großen Tag.

»Am Sonntag?«, fragte Peter erstaunt.

Laurin nickte. »Übermorgen ist das große Erster-Tag-Fest. Das wird sehr, sehr lustig werden. Da lerne ich einen ganzen Haufen neuer Kinder kennen und die Kindergärtnerinnen und alles.«

»Wie heißt dein Kindergarten denn?«, erkundigte sich die einundzwanzigjährige Pflegerin, während sie alles, was der Notarzt benötigen würde, auf einem Materialwagen bereitlegte. »Meiner hieß Larifari.«

»Lustig! Meiner heißt Zitronenfalter. Das sind so gelbe Schmetterlinge. Gelb wie Zitronen. Im Sommer habe ich oft welche in unserem neuen Garten gesehen. Ich darf jeden Tag um neun hin und bis zwei bleiben. Um zwei holt Mama mich wieder ab. Und wir haben eine ganz lange Liste mit Sachen, die wir alle noch einkaufen müssen, Mama und ich.«

Laurin ließ sich von Peter auf die Untersuchungsliege heben und stellte seinen Rucksack dicht neben sich.

»Der Rucksack ist bloß das Erste, was wir gekauft haben, damit wir die vielen anderen Sachen dann gleich hineinpacken können«, erzählte er weiter. »Regenjacke und Gummistiefel, Malsachen und Bastelschere, Hausschuhe und eine wasserdichte Hose, damit wir auch bei Matschwetter im Garten spielen können und ... und ... den Rest hab ich vergessen. Aber Mama hat sich alles aufgeschrieben.«