Der Notarzt 502 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 502 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Dr. Alva Pohl ist Ärztin aus Leidenschaft - klug, mutig, kompromisslos. Als sie über dubiose Vorgänge an der renommierten Privatklinik, in der sie arbeitet, stolpert, gerät sie unversehens ins Zentrum eines tödlichen Komplotts. Ihr Gewissen verlangt, einzugreifen. Ihr Herz sagt: Schweig - um der Liebe willen. Doch Alva schweigt nicht. Inmitten eines medizinisch-ethischen Minenfelds trifft sie eine Entscheidung, die alles verändert. Während sie an der Seite von Dr. Peter Kersten nach Wahrheit und Gerechtigkeit sucht, ahnt sie nicht, dass der größte Schicksalsschlag ihr noch bevorsteht ...

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Seitenzahl: 113

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Der Schmerz der Chirurgin

Vorschau

Impressum

Der Schmerz der Chirurgin

Wenn das Herz, das sie retten will, ihr eigenes in Gefahr bringt

Von Karin Graf

Dr. Alva Pohl ist Ärztin aus Leidenschaft – klug, mutig, kompromisslos. Als sie über dubiose Vorgänge an der renommierten Privatklinik, in der sie arbeitet, stolpert, gerät sie unversehens ins Zentrum eines tödlichen Komplotts. Ihr Gewissen verlangt, einzugreifen. Ihr Herz sagt: Schweig – um der Liebe willen.

Doch Alva schweigt nicht. Inmitten eines medizinisch-ethischen Minenfelds trifft sie eine Entscheidung, die alles verändert. Während sie an der Seite von Dr. Peter Kersten nach Wahrheit und Gerechtigkeit sucht, ahnt sie nicht, dass der größte Schicksalsschlag ihr noch bevorsteht ...

»Ich bin erwachsen, ich bin Ärztin, ich stehe mit beiden Beinen im Leben, ich bin gebildet und intelligent, ich verdiene mein eigenes Geld, bin gesund und sehe gut aus!«

Mit diesem Mantra, das sie immer wieder laut vor sich hin sagte, versuchte Alva Pohl, die neunundzwanzigjährige Fachärztin für Chirurgie und Kardiologie, sich selbst zu beruhigen.

Doch es klappte nicht. Sie war nervöser als je zuvor. Dabei hatte sie noch nie unter Prüfungsangst gelitten, und auch vor größeren Menschenansammlungen zu sprechen, bescherte ihr keine Bauchschmerzen.

Die Prüfung, die ihr an diesem wundervollen warmen Sonntagabend bevorstand, hatte es allerdings in sich. Schon vor Tagen war ihr immer ein bisschen übel geworden, wenn sie an den heutigen Abend dachte. Heute sollte sie nämlich Victors Eltern kennenlernen.

Schon vor rund einem halben Jahr hatte sie sich unsterblich in den einunddreißigjährigen Unternehmer verliebt. Victor von Wildenthal.

Als sie damals seinen Namen erfahren hatte, hatte sie wirklich alles versucht, ihn sich aus dem Kopf zu schlagen, denn die Wildenthals waren eine der reichsten Familien des Landes und galten als extrem hochnäsig, berechnend, menschenverachtend und mitunter – was man so hörte – sogar grausam.

Doch es war zu spät gewesen. Sie hatten beide schon nach wenigen Minuten gewusst, dass sie zusammengehörten. Ihn nie mehr wiederzusehen, das wäre mindestens so schmerzhaft gewesen, wie ein Bein zu verlieren. Nein, schlimmer. Viel schlimmer, denn er hatte ihr Herz im Sturm erobert, und ohne ihn hätte sie auch ohne Herz weiterleben müssen.

Kennengelernt hatte sie ihn in horizontaler Lage. Das hörte sich jetzt vielleicht ein bisschen schlüpfrig an, so war es aber nicht gewesen.

Sie war wie fast jeden Morgen auf einem schmalen Trampelpfad durch den Stadtwald gelaufen. Normalerweise hatte sie den ganzen Wald für sich alleine, denn sie musste schon kurz nach fünf starten. Für die etwa sechs Kilometer lange Runde brauchte sie ungefähr vierzig Minuten. Danach musste sie noch duschen und sich umziehen. Ihr Dienst in der Oppenheimer-Klinik begann um sieben.

Oft kostete es sie ziemlich viel Überwindung, sich im Morgengrauen die Laufsachen anzuziehen und auch bei Regen, Schnee, Nebel oder Sturm das Haus zu verlassen.

Aber sie brauchte die Bewegung, die Morgensonne und die frische Luft, denn sie kam nur selten nach dem vereinbarten Zwölfstundendienst aus dem Krankenhaus heraus, und wenn das Laufen nicht wäre, würde sie oft wochenlang kein Tageslicht sehen.

Auch an jenem Morgen war der Wald noch menschenleer gewesen. Nicht einmal im Traum hätte sie damit gerechnet, dass ihr auf dem schmalen Weg jemand entgegenkommen könnte.

Den Blick auf den Boden gerichtet, um nicht über einen Stein oder eine Wurzel zu stolpern, war sie auf der dünnen Schneedecke, die unter ihren Füßen leise knirschte, dahingelaufen und hatte versucht, an nichts zu denken.

Wenn sie heute darüber nachdachte, ob es Zufall oder Schicksal gewesen war, dass sie einander trafen, konnte es eigentlich nur eine Antwort geben. Sie war am Ende ihrer Runde angelangt, während er seine gerade erst begonnen hatte.

Wäre er nur eine Minute später aus dem Haus gegangen, dann wären sie einander nie begegnet, denn sie verkehrten in völlig unterschiedlichen Kreisen.

Wie zwei Hälften, die zusammengehörten, waren sie, von irgendeiner magischen Kraft angezogen, direkt aufeinander zu gelaufen und dann so heftig zusammengestoßen, dass sie beide auf dem Boden gelandet waren. Sie unten, er obenauf.

Sie lächelte versonnen, als sie sich zurückerinnerte, und vergaß für einen Augenblick ihre Angst vor der Begegnung mit den noblen Wildenthals.

Es war alles so schnell gegangen, dass sie gar nicht gesehen hatte, wer sie umgerannt hatte und jetzt schwer auf ihr lag. Sie war auch nicht sicher gewesen, ob es sich um einen Unfall oder eine Attacke handelte. Natürlich war sie mächtig erschrocken.

»Autsch!«

»Selber autsch!« Sein Lachen hatte sie augenblicklich beruhigt. Es hatte sich fast wie die vertraute Stimme ihres Vaters angehört, wenn sie als kleines Mädchen nachts aus einem Albtraum aufgeschreckt war und fürchterliche Angst gehabt hatte.

»Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, ob ich Sie umgerannt habe oder Sie mich und wer von uns beiden sich jetzt entschuldigen muss.«

Er hatte sich stöhnend aufgerappelt und auch ihr auf die Füße geholfen. Sein linker Knöchel war übel verstaucht gewesen und hatte bereits anzuschwellen begonnen. Obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal seinen Namen kannte, hatte sie ihn mit zu sich nach Hause genommen, seinen Fuß gekühlt und ihn fachgerecht bandagiert.

So hatte ihre Liebe angefangen und war von Tag zu Tag immer noch größer geworden. Sie waren seither unzertrennlich.

»Ich bin erwachsen, ich bin Ärztin, stehe mit beiden Beinen im Leben, bin gebildet und intelligent, verdiene mein eigenes Geld, bin gesund und sehe gut aus!«, sagte sie sich rasch erneut vor, als sie jetzt in die Zeppelinallee, eine der vornehmsten Straßen Frankfurts, einbog.

Die Zeppelinallee war das Herzstück des noblen Diplomatenviertels, das in den Frankfurter Stadtteilen Westend-Nord und Bockenheim-Süd lag.

Hier reihte sich ein Prunkpalast an den anderen, und sogar die Bürgersteige sahen wie frisch poliert aus. Hier waren die feinen Leute ganz unter sich und wollten es auch bleiben.

Sogar die Blumen in den Vorgärten wirkten vornehmer als jene im Rest der Stadt. Hier suchte man vergeblich nach Primeln, Geranien oder Petunien, hier blühten Orchideen, Kamelien und Strelitzien.

Alles war darauf ausgelegt, dass jeder Normalbürger, der sich hierher verirrte, sich wie ein Fremdkörper fühlte und so rasch wie möglich wieder das Weite suchte.

Alva brauchte nicht einmal auf die Hausnummern zu gucken, denn natürlich war die Villa der Wildenthals die größte und schönste des gesamten Viertels. Die Bezeichnung Villa war vielleicht nicht ganz korrekt. Dieses Gebäude war ein kleines Schloss mit zwei Türmchen und einem von acht schneeweißen Säulen getragenen Balkon über dem Eingangsbereich.

Dabei war Balkon eigentlich die falsche Bezeichnung. Balkon nannte man das, was zu Alvas bescheidener Zweizimmerwohnung gehörte. Ein Balkon war etwas für den Pöbel. Dieses schneeweiße Halbrund, das von einer kunstvoll gestalteten steinernen Balustrade umgeben und größer als Alvas gesamte Wohnung war, war ein Altan.

Victor liebte seine Eltern nicht gerade wie verrückt. Seine gesamte Familie, so hatte er ihr anvertraut, war stark gefühlsgebremst, und er hatte während seiner gesamten Kindheit kein einziges Mal gesagt bekommen, dass man ihn liebte.

Er konnte auch die maßlose Überheblichkeit seiner Eltern und ihren Glauben, besser zu sein als fast alle anderen Menschen der Welt, überhaupt nicht nachvollziehen.

Er hatte sie vorgewarnt, dass besonders seine Mutter sie unter dem Mikroskop betrachten, intensiv nach Makeln und Fehlern suchen und ihr den Besuch so schwer wie nur möglich machen würde.

Bei dem heutigen Abendessen wollte er seinen Eltern sagen, dass er sich mit Alva verloben würde. Sie hatte ihm deutlich angesehen, dass er nicht gerade mit Jubel und Glückwünschen rechnete.

Das große schmiedeeiserne Tor stand offen. Sie überlegte kurz, ob sie die weiß gepflasterte, gewundene Auffahrt hinauffahren und auf dem Platz vor der Garage parken sollte. Doch als sie durch das ebenso offene Garagentor die vier auf Hochglanz polierten Luxuskarossen sah, entschied sie sich dagegen.

Ihr klappriger alter Kleinwagen, mit dem sie sich schon lange nicht mehr durch die Waschstraße zu fahren traute, weil sie fürchtete, die automatischen Bürsten könnten mitsamt dem Schmutz gleich die rostigen Blechteile entfernen, hätte sich nahe des noblen Fuhrparks wie ein Haar in der Suppe oder eine Nacktschnecke im Salat ausgenommen.

»Die Blumen!«

Sie war schon auf halbem Weg die Auffahrt hinauf, da musste sie noch einmal umkehren, denn sie hatte den prächtigen Strauß für die Frau des Hauses auf der Rückbank vergessen.

Verschiedenfarbige Lilien, umgeben von einer Wolke aus weißem Pampasgras. Der Strauß hatte über hundert Euro gekostet, und die Frau im Blumenladen hatte ihr versichert, dass dieses wunderschöne Gebinde selbst einer Königin angemessen wäre.

Allerdings hatte sie die Augen verdreht, als Alva ihr sagte, dass die Blumen für Frau von Wildenthal gedacht seien.

»In diesem Fall bin ich nicht so sicher. Haben Sie ein halbe Million dabei? Dann könnten wir vielleicht noch ein paar Diamanten und Smaragde und all so was dazu tun und das ganze Gebinde dann in flüssiges Gold tauchen«, hatte sie gescherzt.

»Ich bin erwachsen, ich bin Ärztin, stehe mit beiden Beinen im Leben, bin ge...«

»Liebling!« Das wuchtige Eingangsportal flog auf, Victor kam die marmorne Freitreppe herunterrannt und nahm sie stürmisch in die Arme. »Ich freue mich so sehr, dass du hier bist«, lachte er. »Ich hatte schon ein bisschen Angst, dass du es dir aufgrund meiner zweifelhaften Abstammung im letzten Moment noch anders überlegen könntest.«

»Ach, ich bin doch schon ein großes Mädchen und habe vor nichts Angst«, behauptete sie schmunzelnd und schmiegte sich an seine Brust. »Oder vor fast nichts«, korrigierte sie sich lachend selbst. »Bloß vor deinen Eltern ... aber nur ein bisschen ... ein bisschen sehr. Werden sie mich auseinandernehmen und mich bloßstellen und demütigen und abkanzeln und ...?«

»Ja, auf alle deine Fragen«, antwortete er lächelnd. »Aber mach dir nichts draus. Das hier ist ein reiner Höflichkeitsbesuch. Die Tradition will es so, dass ich meine Eltern um ihren Segen bitte. Wenn sie ihn mir verweigern, ist mir das von ganzem Herzen egal.« Er küsste sie noch einmal. »Denk dran, Liebes. Wir werden höflich sein. Wenn sie nicht dazu fähig sind, können sie uns den Buckel runterrutschen.«

»Victor!« Patrizia von Wildenthal tauchte im offenen Portal auf.

Alva kannte sie natürlich aus den Medien. Sie nickte ihrer zukünftigen Schwiegermutter lächelnd zu, doch die feine Dame ignorierte sie völlig.

»Victooor! Komm ins Haus und schließe die Tür! Loretta klagt darüber, dass ihr Soufflee zusammenfällt, wenn es zieht! Ich habe ihr gesagt, dass sie sich die Mühe hätte sparen können, denn eine Bürgerliche weiß ein Soufflee ohnehin nicht zu schätzen. Würstchen mit Senf und zum Dessert ein paar Kekse aus dem Supermarkt hätten es auch getan.«

Victor legte seinen Arm um Alvas Mitte.

»Auf in den Kampf!«, flüsterte er ihr ins Ohr und zog sie mit sich die Treppe hinauf. »Mutter, darf ich dir Alva vorstellen. Dr. Alva Pohl. Sie ist die Frau, die ich über alles liebe.«

Patrizia von Wildenthal runzelte Stirn und Nase.

»Pohl wie Polen? Stammt Sie aus Polen? Einwanderer? Kann sie wenigstens richtig Deutsch?«

Das fing ja schon mal gut an. Das konnte man nun wirklich nicht als einen herzlichen Empfang bezeichnen. Die Frau schaute über Alva hinweg, als ob sie irgendein Insekt wäre, das man sich lieber nicht zu genau ansah, weil man sich dann womöglich ekelte.

»Mutter!«, seufzte Victor. »Alva kommt nicht aus Polen. Und wenn, dann wäre es mir auch egal. Sie wurde in Wiesbaden geboren und hat hier in Frankfurt an der Goethe-Universität Medizin studiert. Natürlich kann sie Deutsch.«

»Ach, heutzutage studiert ja schon fast jeder irgendetwas. Das heißt noch gar nichts.«

Alva kam sich ähnlich willkommen vor wie eine Bettwanze oder eine Kleiderlaus. Aber für Victor würde sie das schon irgendwie ertragen und trotzdem höflich bleiben. Sehr viel schlimmer konnte es ja wohl nicht mehr kommen.

Doch diesbezüglich hatte sie sich geirrt, denn dann kam es erst richtig dicke.

In dem Augenblick, in dem Alva die Dame des Hauses mit einem freundlichen »Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Frau von Wildenthal«, begrüßte und ihr den Blumenstrauß präsentierte, öffnete sich die Pforte zur Hölle und drohte Alva zu verschlingen.

* * *

»Sie wissen wohl nicht, wer ich bin, oder?«

Sie wissen wohl nicht, wie oft mich in den letzten Stunden jemand gefragt hat, ob ich wohl nicht weiß, wer er oder sie ist!

Diese Antwort hätte Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, der ziemlich blasierten älteren Dame gerne gegeben, die vor ihm auf der Untersuchungsliege lag, doch er ließ es sein. Er verkniff sich auch den genervten Seufzer, der über seine Lippen drängen wollte, und antwortete mit einem schlichten »Wohl nicht.«

Seit gegen Mittag trafen nach und nach etliche Patienten der nahe gelegenen Oppenheimer-Privatklinik hier ein, die morgen früh zwangsversteigert werden sollte.

Peter und sein Team sollten alle Patienten möglichst gründlich untersuchen, den bisherigen Behandlungserfolg und den Heilungsprozess dokumentieren und sie dann den einzelnen Stationen zuweisen.

Da es sich bei der Oppenheimer-Klinik um eine sehr luxuriöse und dementsprechend teure Privatklinik handelte oder besser gesagt, gehandelt hatte, waren auch die Patienten, die nun eine andere Bleibe finden mussten und auf Frankfurts Krankenhäuser aufgeteilt wurden, demgemäß vornehm und kapriziös veranlagt.

Die sechzigjährige Charlene von Katzeloh, die seit Wochen mit einem angeblich inoperablen Hüftbruch in der Oppenheimer-Klinik behandelt worden war, hatte gerade ein Gläschen französischen Champagner von Schwester Annette verlangt, weil ihre Lippen und ihre Kehle sich so schrecklich trocken anfühlten.

Ihre empörte Nachfrage, ob man denn hier nicht wisse, wer sie sei, war die Reaktion auf das amüsierte Auflachen, das Schwester Annette entschlüpft war. Die junge Pflegerin hatte diese Bitte für einen Scherz gehalten.

Die noble Dame war gleich von Anfang an ein bisschen vergrätzt gewesen, weil Schwester Angelika, die Pflegerin, die an diesem Wochenende Dienst am Anmeldeschalter hatte, sie als Frau von Katzenklo angekündigt hatte.