Der Ruf des Bärenstroms (OUTER-SPACE COMMANDER 1) - Jens Fitscher - E-Book

Der Ruf des Bärenstroms (OUTER-SPACE COMMANDER 1) E-Book

Jens Fitscher

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Beschreibung

Kapitän Tarik Connar ist mit einer Besatzung von 27 Mann unterwegs, um den Mars im Jahre 2023 mit Nachschubgütern zu versorgen. Durch eine Reihe von Fehlschaltungen und Kurzschlüssen wird der Frachter aus der Bahn geworfen. Er fliegt auf die Raumzeitkrümmung eines Schwarzen Lochs zu und wird in Sekundenbruchteilen über 585 Lichtjahre in ein Sonnensystem nahe Beteigeuze transferiert. Die Crew erreicht mit letzter Kraft den Planeten und sie entdecken dort eine uralte, aber immer noch aktive außerirdische Technologie. https://sternen-commander.blogspot.com

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Jens Fitscher

OUTER-SPACE COMMANDER

- Das Vermächtnis der Sterne -

   Der Ruf des Bärenstroms

© 2023 Jens Fitscher

Illustration: S. Verlag JG

Verlag: S. Verlag JG, 35767 Breitscheid,

Alle Rechte vorbehalten

Sammelband ‚Sternen Commander‘

Bände 1 - 4

1.Auflage

ISBN: 978-3-96674-550-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig und wird sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich verfolgt. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

INHALT:

Projekt « ExoMars »

Der Robot-Herrscher

Das Vermächtnis der Ellio’sh

Sternenkreuzer SORROW

Gefahr aus Raum und Zeit

Das TOHIKUM

Raumstation LIGHTNING STAR II

Kampf um die Erde

Die Zeitkorrelation

Der Ruf

Aufbruch zum Bärenstrom

Eine Gefahr erwacht

Der Weg in die Dunkelheit

Aufstand des Schiffes

Wieder gefangen

Überlebenskampf

Sterben

Auferstanden

Die Welt dreht sich nicht um mich. Ich bin weder Mittelpunkt noch Ursache von allem. Ich bin ein kleines Staubkorn in der unendlichen Weiten des Universums. Mein Beitrag zur Schöpfung ist ein Kleiner. Ich tue meins Bestes, ich lebe. Sollte eines Tages die Welt sich besinnen und mich in den Mittelpunkt rücken, ohne mich zu fragen, so werde ich das tun, was ich bisher immer getan habe, ich ergebe mich in das Unausweichliche.

Projekt « ExoMars »

Der Mars Reconnaissance Orbiter erreichte am 10. März 2006 den roten Planeten. Es war der letzte Orbiter, der zum Mars geschickt worden war. 

Die erste Marslandung geschah am 25. Mai 2008 nahe der nördlichen Polarregion mit der Raumsonde Phoenix. 

Die Erforschung des Mars ging mit der NASA-Mission „Mars Science Laboratory“ in eine neue Phase. Ein weitgehend autonom arbeitender Rover mit dem Namen Curiosity wurde abgesetzt.

Am 18. November 2013 startete die Raumsonde MAVEN zur weiteren Erforschung der Marsatmosphäre. 

Im März 2016 startete „In Sight“ um den inneren Kern des Planeten zu untersuchen und herauszufinden, ob es möglich wäre, hier Energien für den Aufbau einer Siedlung abzuschöpfen.

Im Rahmen des europäischen Projektes „ExoMars“, das am 31. März 2018 die ersten Proton-Raketen startete, die mit Exomars Rover bestückt waren, ebenso wie mit speziellen Abstiegsmodulen und Transportmodulen, begann eine neue Ära der Raumfahrt. Missionsziel war die Erprobung der Landung von schweren Nutzlasten auf dem Mars, sowie der Mobilität auf der Marsoberfläche.

Am 22. Juni 2021 erreichten die ersten beiden Proton-Raketen HABITAT und MIRTH mit einer 25 Mann starken Besatzung die Marsoberfläche. Bis heute ist noch immer unklar, welche von beiden Raketen sein

Transportmodul zuerst auf die sandige Oberfläche des roten Planeten abgesetzt hatte.

HABITAT sowie MIRTH behaupteten beide von sich, die Ersten gewesen zu sein.

Nach nunmehr zwei Jahren gab es auf dem Mars bereits eine kleine Siedlung. Sie lag am Fuße eines Vulkans in der Tharsis Provinz.

Man hatte diese Region gewählt, da sie die größten Vulkane innerhalb des Sonnensystems beherbergte und Einblicke in geologische Verhältnisse möglichen waren, die völlig gegensätzlich zu denen der Erde waren.

Es wurde begonnen, einen Stollen zu graben und der Raumfrachter MERLIN sollte weiteres Schürfgerät liefern. Mittlerweile waren 53 Wissenschaftler, Geologen und Bergbauspezialisten vor Ort. Die Siedlung bestand aus immerhin 23 Container Gebäuden und einem Spezialcontainer zur Pflanzenaufzucht. Man hatte in etwa 2000 Meter Tiefe eine Wasserader angemessen. Es gab eine Anzahl von großen Hohlräumen in den ehemaligen Vulkanen und in der gesamten Tharsis Region. Diesbezüglich hatte sich auch schon die Frage gestellt, ob man diese riesigen Kavernen und Felsendome nicht auch als Wohnraum effektiver nutzten könnte. In der Zentrale des großen Raumtransporters MERLIN war ein leises, gleichmäßiges Wispern der Instrumente zu hören. Kapitän Tarik Connar saß entspannt im Cockpitsessel und beobachtete lässig die Instrumente.

Die MERLIN war der erste Raumtransporter der ESA, der mit neuen Modulen und einer besseren Antriebstechnik ausgerüstet worden war. Seine Tragfähigkeit betrug 43.500 tdw, bei einer Größe von 200 Meter Länge und 40 Meter Breite.

Die erstmalig verwendete Technik basierte auf einer Kombination zwischen HDLT und Nuklearantrieb.

Er hatte Nachtwache bis 23.00 Uhr Erdzeit. Dann würde ihn sein Copilot und Freund Wayne-Zeno Uelisch ablösen. Der Rest der Besatzung, die aus insgesamt 14 Männern und 13 Frauen bestand, lag in ihren Kojen und schlief. Die Marssiedlung HELLOSS wurde weiter ausgebaut. Die MERLIN transportierte eine transportable Schürfanlage und weitere Wohn- und Arbeitsmodule. Auch hatte sie fünf neu entwickelte Rover Modelle an Bord.

Diese sollten die stärkere Nachfrage nach Mobilität sicherstellen. Tarik Connar gähnte.

Es war eine langweile Sache, dieser Flug zum Mars. Sie waren jetzt bereits, oder besser gesagt erst, zwei Wochen unterwegs. Seine Gedanken schweiften zurück, zu jenen Tagen, als die ersten Menschen den Mars angeflogen hatten. Mit den alten Triebwerken hatte man sechs Monaten zum Hinflug benötigt. Das wäre nichts für ihn gewesen. Selbst mit der neuen Antriebstechnik würden es zwar noch acht Wochen sein, aber das war eine noch relativ einfach zu überblickende Zeitspanne. Obwohl, auch er hatte es sich zweimal überlegt, diese Mission überhaupt anzunehmen. Schließlich waren es insgesamt doch fast sechszehn Wochen, man musste den Rückflug ebenfalls mit einrechnen. 

Connar schrak aus seiner Gedankenwelt, als das Zentralschott mit einem lauten Zischen geöffnet wurde.

„Entschuldigung, habe ich den Kapitän geweckt“, kam die ironische Bemerkung von Copilot Wayne-Zeno Uelisch, der jetzt die Brücke betrat. 

„Du hast gut reden, Zwerg. Seit meinem Unfall habe ich manchmal den Eindruck, meine Gedanken machen sich selbstständig. Dann schotte ich mich irgendwie von meiner Umwelt kurz ab. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich dann auch schlafe.“ 

Wayne-Zeno Uelisch war im Gegensatz zu Tarik Connar nur 1,61 groß und wurde deshalb von ihm ab und zu scherzhaft als Zwerg tituliert, natürlich war es nur freundschaftlich gemeint.

 Der Strahlenunfall lag jetzt schon gut zwei Jahre zurück. Connar versuchte das Geschehen so gut es ging zu verdrängen. Lediglich die lange Zeit in der Klinik, die verschiedenen Operationen und die Reha danach, waren in seinem Gedächtnis noch hängen geblieben. Diese Zeit fing aber auch an, mehr und mehr zu verblassen. Was zurückblieb, war ab und an dieses merkwürdige Druckgefühl in seinem Kopf und der gedankliche Zwang, scheinbar in eine andere Welt abtauchen zu müssen.

 Auch wenn es nur für kurze Zeit war. Natürlich hatte er niemanden davon etwas erzählt. Lediglich sein bester Freund Zeno, so nannte er Wayne-Zeno Uelisch, war darüber informiert worden.

Durch die enge Zusammenarbeit mit ihm war er natürlich der Erste gewesen, dem das von Zeit zu Zeit merkwürdige Verhalten seines Freundes aufgefallen war. Es hatte damals, als Connar wieder gesundgeschrieben worden war, zwischen ihnen den ersten und einzigen wirklichen Streit in ihrer nun fünfzehn Jahre anhaltenden Freundschaft gegeben.

Zeno hatte ihn für nicht diensttauglich eingestuft und als eine Gefahr für seine unmittelbaren Arbeitskollegen angesehen. Schließlich arbeiteten sie für die ESA und waren meist in gefährlichen Situationen unterwegs, in denen man sich vollkommen auf seinen Partner verlassen können musste.

Erst nachdem Connar alle vorgeschriebenen Tests mit Bravour bestanden hatte und nachdem sie sich diesbezüglich ausgesprochen hatten, ließ Zeno seine Bedenken fallen.

Nur ab und an stichelte er gerne und dass meist so, dass es nur sein Freund bemerken konnte, da alle anderen die Hintergründe natürlich nicht kannten.

Die Zentrale lag in einem düsteren Licht, als Wayne-Zeno Uelisch jetzt hereinkam. Connar gähnte wieder und stand auf, um ihm Platz zu machen. 

Er betätigte den Schalter zur Sprachaufnahme: „Wachablösung, 23.00 Uhr, 12.11.2023. Keine besonderen Vorkommnisse, Connar Ende.“ 

Er blickte seinem Freund entgegen. „Ich wünsche dir ebenfalls einen schönen Wachdienst.“

„Was würde ich dafür geben, wenn dieser Raum wenigstens ein Fenster oder einen Bildschirm nach draußen hätte. Dann käme man sich nicht so verloren und einsam vor.“

Zeno setzte sich in den Pilotensitz. Connar drehte sich nochmals kurz zu ihm um: „Glaube mir, wenn du nach draußen in den Weltraum schauen könntest, würdest du dich noch verlorenen fühlen, als jetzt.“ Dann verließ er die Zentrale. Die Unterkünfte waren links und rechts eines geraden Ganges angebracht.

Um Raum zu sparen, Ziel und Zweck des Raumschiffes war ja der Transport von Gütern, waren die Kabinen gerade mal drei mal vier Meter groß und vier Besatzungsmitglieder mussten sich jeweils einen Raum teilen. Auch der Kapitän war davon nicht ausgenommen. Lediglich Tanja Rubin, das dreizehnte weibliche Besatzungsmitglied hatte eine ganze Kabine für sich allein.

Connar teilte sich die Kabine mit Zeno. Als er endlich in seiner Koje lag, konnte Tarik Connar nicht einschlafen, obwohl er Hundemüde war.

Eine innere Unruhe ließ ihn sich wieder und wieder herumdrehen. Er fand seine Schlafstellung einfach nicht. Auf dem Rücken liegend, versuchte Tarik sein selbst entwickeltes autogenes Training anzuwenden. Er konzentrierte sich auf eine bestimmte Sache. Dann ging er im Geiste nochmals die letzten Tage durch. Es war irgendwie wie Schäfchenzählen. Die Gedanken wurden träge und langsamer.

Das gleichmäßige Hintergrundrauschen des Schiffsantriebs tat das seine und er schlief ein.

„Ingenieur Mehlem aus Sektor Delta. Wir haben hier eine Fehlfunktion im Steuerungsmodul der Backbordseite entdeckt“, kam die Meldung.

Tarik schaute auf den kleinen Bildschirm der Zentralsteuerkonsole in das schweißüberströmte Gesicht des Mannes.

„Sind Sie in Bedrängnis. Soll ich Verstärkung schicken?“

„Nein, nein, das bekommen wir schon hin. Frommer ist mit mir am Objekt. Wir tauschen das gesamte Modul aus. Was ich nur wissen will, ist, ob Sie eine Fehlermeldung auf ihrem Display angezeigt bekommen.“

„Negativ. Alle Funktionen laufen fehlerlos. Es wird nichts angezeigt.“

„Das dachte ich mir schon. Wir hatten heute bereits zwei weitere Fehlschaltungen untergeordneter Systeme. Diese waren ebenfalls nicht gemeldet worden und wurden zufällig entdeckt. Mehlem Ende.“

Das Gesicht verblasste und ließ einen sehr nachdenklichen Kapitän zurück. „Tanja, würden Sie bitte einen General-Check initiieren.“

Außer Tarik Connar hielten sich noch Tanja Rubin, Sören Bistrahl und Svenja Möhring in der Zentrale auf. Ihre Aufgabe war die Überwachung verschiedener interner Funktionsabläufe und Maschinentätigkeiten. Der Vierte in der Gruppe, Albert Scheuning, zuständig für die Außenfunktionen, war abwesend.

„Ai, ai, Kapitän. Sie wissen, dass der Vorgang sehr aufwendig ist und geschätzte sechs Stunden dauern wird. Außerdem benötige ich dazu noch eine zweite Person.“

 „Rufen Sie Abigot Temmson dazu. Er hat zwar Freischicht, aber er ist der Einzige, der die MERLIN sehr genau kennt.  Wir müssen herausfinden, wieso es zu den Fehlfunktionen kommt und warum sie nicht angezeigt werden!“

 Gerade als Tanja und Abigot mit der Überprüfung angefangen hatten, leuchtete auf der Konsole vor Tarik Connar ein rotes Alarmzeichen auf. Zeno, der neben Tarik stand, zuckte nur kurz zusammen und befand sich bereits auf dem Weg zum Stromerzeugerkraftwerk II, das sich im Heck des Frachters befand.

„Ich kümmere mich schon darum. Bleib du hier und beobachte weiter die Instrumente. Ich hab da so ein verdammt komisches Gefühl.“ Dann schloss sich bereits hinter ihm das Schott. Jetzt erklang auch noch diese Nerven zerreibende Sirene. Zeno hechtete um mehrere Ecken. Nur gut, dass die Flure einigermaßen gerade verliefen und immer frei von Hindernissen bleiben mussten. So erreichte er bereits in einer Minute und fünfundzwanzig Sekunden den Heckbereich.

Qualm trieb ihm entgegen. Mit geübten Griffen öffnete Zeno ein Staufach in der Flurwand und entnahm ihm eine Atemmaske mit eingebauter Sauerstoffpatrone. Er hatte den Feuerlöscher schon in Betrieb, als jetzt weitere Besatzungsmitglieder erschienen. Auch sie waren mit Feuerlöschern bewaffnet. Der Kabelbrand, ausgelöst durch mehrere Kurzschlüsse, war schnell gelöscht. Die Frage nach dem Warum und Wodurch blieb jedoch. Tarik hatte noch das Ergebnis der angeordneten Überprüfung abgewartet, bevor er sich mit Zeno in dem kleinen Besprechungszimmer traf. Ebenfalls anwesend war Tanja Rubin. Der sogenannte General-Check hatte zu überhaupt keinen Ergebnissen geführt. Ganz im Gegenteil sollten danach alle Maschinen und alles technische Inventar störungsfrei arbeiten.

Tarik Connar brachte es auf den Punkt: „Wir haben zwar keine bewertbaren Daten über die eingetretenen Fehlfunktionen, aber gerade der Mangel an Warnmeldungen ist besorgniserregend.“

Er schaute in zwei betretene Gesichter.

„Was schlagt ihr also vor, was wir machen können?“

Das eingetretene Schweigen sagte ihm bereits alles. Sie wussten sich nicht mehr zu helfen.

„Der Transporter hat eine neuartige Verteilung der Maschinenanbindungen an das Energienetz. Trotzdem müsste natürlich die Überwachung funktionieren.“ Tanja zuckte mit der Schulter.

„Zeno, hast du die ESOC angefunkt?“ Tarik schaute seinen Freund an.

„Ja natürlich. Sie haben auch keine Ahnung, was die Ausfälle zu bedeuten haben. Ich bekam lediglich nochmals eine Risszeichnung von MERLIN übermittelt. Sie sagten, sie könnten die Situation von der Erde aus schlecht einschätzen und wir sollten versuchen, die wichtigsten Stellen im Schiff weiterhin besonders zu beobachten. Die haben gut reden!“

 „Dann bleibt uns tatsächlich nichts weiter übrig, als jeden verfügbaren Mann und Frau an die neuralgischen Stellen innerhalb des Schiffes zu verteilen. Zeno, würdest du das bitte veranlassen!“ 

„Tanja, wie sieht es mit unserem Kurs aus. Haben die verschiedenen Ausfälle der letzten Zeit irgendeinen Einfluss auf unsere Flugbahn?“

„Nein, Kapitän.“ Sie versuchte ein Lächeln zustande zu bringen.

„Definitiv nicht. Die Flugzeit beträgt noch genau fünf Wochen und zwölfeinhalb Stunden. Wir liegen genau in dem berechneten Kurs und in den Zielkoordinaten des Mars.“

„Das beruhigt mich zumindest etwas.“ Gerade wollten sie den Raum verlassen, als das Bildcom, das in der Mitte des Besprechungstisches platziert war, aufleuchtete.

„Kapitän, im unteren Triebwerksbereich gibt es Probleme, das heißt, ich weiß auch nicht genau, was geschieht. Jedenfalls sprühen hier Funken und es riecht verbrannt nach Kunststoff. Ich kann aber visuell nichts erkennen.“

Albert Scheuning wirkte leicht angespannt.

„Beobachten Sie weiter, ich komme sofort zu Ihnen.“

Tarik Connar rannte bereits in Richtung Ausgang. Tanja Rubin blickte ihm hinterher. Sie fragte sich jetzt schon zum wiederholten Mal, wieso sie sich für ein solches Himmelfahrtskommando überhaupt freiwillig gemeldet hatte. Auf dem Weg zur Zentrale grübelte sie weiter vor sich hin und kam immer wieder nur zu einem einzigen Ergebnis.

Man hatte sie damit geködert, dass das neue Wundertriebwerk den Flug auf maximal acht Wochen verkürzen würde und solch ein Angebot, jemals wieder den Marsboden betretene zu können, nicht so schnell wieder kommen würde.

Sechs Monate Flugzeit hin und weitere sechs Monate zurück, wie es im Jahre 2021 noch der Fall gewesen war, hätte sie auf gar keinen Fall akzeptiert. Sie schreckte zusammen, als ein lauter, knirschender Ton zu hören war. Sie kam sich jetzt vor, wie in einem fliegenden Sarg. Tanja Rubin beschleunigte ihre Schritte unbemerkt und blickte sich mehrmals gehetzt um.

Als sie die Zentrale erreichte, gellten die Alarmsirenen der Navigationskontrolle lautstark auf. Eine Automatenstimme verkündete: „Abweichung der Flugbahn um 22 Grad Sinus. Automatische Anpassung fehlgeschlagen. Dringender Handlungsbedarf erforderlich.“ Die Ansage wurde ständig wiederholt. Die Zentrale wurde in ein warnendes Rotlicht getaucht, das bei schwerwiegenden Problemen automatisch das ständig brennende Weißlicht ersetzte.

Sören Bistrahl und Svenja Möhring empfingen sie sichtlich aufgeregt und wollten wissen, was geschehen war. Nur leider konnte sie ihnen auch nichts Näheres berichten.

Als Tarik Connar den unteren Triebwerksbereich erreichte, kam ihm Albert Scheuning bereits entgegen gelaufen. „Wo wollen Sie denn hin. Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass sie auf mich warten sollten.“ „Kapitän, ich konnte einfach nicht mehr. Die Umformer sind dermaßen hochgefahren, dass ich dachte, mein Trommelfell würde platzen.“

Gemeinsam gingen sie jetzt weiter. Als das letzte Schott zwischen ihnen und dem Maschinenraum sich öffnete, glaubte Connar direkt in die Hölle zu blicken. Die Lautstärke war wirklich nicht zum Aushalten. Dichter Funkenflug und starke Rauchbildung verhinderten ebenfalls die Sicht auf die Maschinen. Scheuning war stehen geblieben, während Connar noch zwei Schritte weiter gegangen war.  Was sollte er hier ausrichten. Die Energieerzeugung musste sofort gestoppt werden. Er hechtete aus dem Raum und kam am nächstgelegen Bildcom an, als sich das Schott bereits wieder geschlossen hatte.

„Brücke, unverzüglich die Maschinen in Bereich Gamma 3 stilllegen, bevor sie uns um die Ohren fliegen. Ich bin sofort in der Zentrale. Connar Ende.“

Nur am Rande hatte er bemerkt, dass sich kein Bild aufgebaut hatte. Das Gerät hatte aber klare Grünwerte geliefert, also auch übertragen.

Zusammen mit Scheuning rannte er bereits den langen Verbindungsgang entlang, der direkt zur Zentrale führte. Unterwegs schloss sich Zeno ihnen an.

„Alle verfügbaren Mitglieder der Crew sind an den wichtigsten Stellen postiert. Und wo kommt ihr gerade her? Was ist überhaupt los?“

Bevor Connar ihm antworten konnte, erreichten sie bereits die Zentrale. Connar war noch nicht richtig auf der Brücke angekommen, als er fragte: „Ist Bereich Gamma 3 stillgelegt?“ Sören Bistrahl, Svenja Möhring und Tanja schauten ihn lediglich fragend an. „Verflucht, hat mich den niemand am Bildcom gehört. Muss man alles selber machen.“

Mit einem Hechtsprung erreichte er den Pilotensessel und schlug auf den zuständigen Notschalter. 

Die Messinstrumente und Kontrollanzeigen auf dem Kommandopult zeigten weiterhin normale Werte an. Reaktor vier und fünf im Sektor Gamma 3 sollte auf null heruntergefahren sein.

„Scheuning, würden Sie sich bitte persönlich davon überzeugen, dass die Maschinen im unteren Triebwerksbereich auslaufen. Bitte geben Sie mir umgehend ein Bildcom Ruf oder noch besser, kommen Sie sofort wieder zurück.“ Scheuning verstand und verließ hektisch die Brücke. Die Automatenstimme verkündete immer noch: „Abweichung der Flugbahn um 22 Grad Sinus. Automatische Anpassung fehlgeschlagen. Dringender Handlungsbedarf erforderlich.“

Gerade als Scheuning wieder durch das Schott zurückgestürzt kam, veränderte sich die Durchsage: „Unkontrollierte Beschleunigung. Das Schiff wird mit 50 Kilometer/Sekundenquadrat beschleunigt. Automatische Abbremsung fehlgeschlagen. Handlungsbedarf.“

„Da hören Sie es selbst. Alle Maschinen laufen auf Hochtouren. Ich würde sogar sagen, sie liegen weit über einhundert Prozent ihrer Leistungskraft.“ 

Tarik Connar schaute etwas hilflos seinen Freund Zeno an, der wieder neben ihm stand.

Was beide nicht wussten, was sie aber in diesen Minuten zumindest erahnten, das Transportschiff hatte den Kurs zum Planeten Mars verlassen und beschleunigte unkontrolliert.

Die jetzt eingeschlagene Bahn würde es mit der ständig zunehmenden Geschwindigkeit aus dem Sonnensystem hinauskatapultieren.

Was sie aber nicht wussten war, dass genau in ihrer Flugrichtung eine Raumzeitkrümmung lag, die das Vorhandensein eines schwarzen Lochs vermuten ließ.

 „Wir müssen doch irgendetwas tun können. Tarik, sag schon, was sollen wir machen?“

Zeno war am Ende seiner nervlichen Kraft angekommen.

Kapitän Tarik Connar schien nachzudenken.

Gerade jetzt fingen seine Gedanken wieder an zu kreisen und sein Geist wollte sich in sich zurückziehen. Mit einer übermenschlichen Kraftanstrengung zwang er sich dagegen anzugehen.

Mit einem leicht verschwommenen Blick erhob er sich aus dem Sessel.

 „Wir müssen zuerst erreichen, dass der Antrieb zum Erliegen kommt, bevor wir das Sonnensystem ganz verlassen haben. Zeno geh bitte mit Scheuning und Rubin zu dem Waffenschrank und hole für jeden ein Lasergewehr. Wir werden, wenn notwendig, mit Gewalt die Energieleitungen kappen. Beeilt euch, wir treffen uns vor Sektor Gamma 3!“

Das brauchte er nicht extra zu betonen, sie waren bereits im Laufschritt unterwegs.

Connar aktivierte den manuellen Notruf und gab kurz und bündig ihre jetzige Situation durch. Der automatische Sender lief bereits seit mehreren Minuten und hatte sich selbstständig aktiviert, nachdem keine Maßnahmen der Crew unternommen worden waren, um die Notsituation zu beheben.

Connar überlegte noch, ob er auf einen Rückruf von der Erde warten sollte, entschied sich aber dagegen.

Es zählte jede Minute. Als er Sektor Gamma 3 erreichte, warteten die anderen bereits auf ihn.

„Warum steht ihr noch hier vor dem Schott. Jede Minute zählt.“ Er nahm eines der Lasergewehre entgegen und wollte das Schott öffnen, als er von Zeno am Arm zurückgezogen wurde.

Verärgert hatte er bereits einen Rüffel auf der Zunge, als er auf das Handgerät blickte, das ihm Zeno entgegenhielt. 

Es war ein Geigerzähler in Handformat. Er zeigte einen Strahlenwert von 18000 Millisievert. Zeno schüttelt langsam den Kopf.

„Da kannst du nicht mehr reingehen. Das überlebst du keine Minute.“

Connar blickte immer noch auf das Strahlenmessgerät. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht.

Dass der Reaktor leck sein könnte. „Dieser verdammte neumodischer Antrieb!“

Er hatte laut gesprochen. Sie blickten ihn jetzt ebenfalls ratlos an.

„Kann man den ganzen Raum hier nicht irgendwie absprengen?“

Die Frage kam von Scheuning.

„Das geht nicht. Ich habe mir die Risszeichnung genau angeschaut. Die ganze Konstruktion des Frachtschiffs ist so aufgebaut, dass das Innenskelett so ineinander verflochten wurde, dass bei einer gewaltsamen Demontage der ganze Körper zerstört werden würde. Im umgekehrten Fall hilft diese Art von Konstruktion natürlich der Gesamtstabilität ungemein.“

Als an dem Schott zur Maschinenkammer ein lautes Zischen ertönte, sprangen Rubin und Scheuning mit einem Aufschrei zur Seite. Sie hatten direkt davor gestanden. Die Schottränder waren automatisch mit einem Dichtungsmittel ausgespritzt worden.

Zeno brauchte nicht die Hand an das Schott zu legen, um zu erkennen, dass sich das Material bereits stark aufgeheizt hatte.

„Hier geht jetzt überhaupt nichts mehr. Die Verbunddichtmasse hat das Schott mit der Wandung dermaßen verschweißt, dass es jetzt, wie eine einzige Fläche wirkt. Da wäre jetzt niemand mehr herausgekommen.“ 

„Wir gehen zurück in die Zentrale“, entschied Connar. Sören Bistrahl erwartete sie bereits.

„Ich bekam gerade eben die automatische Anzeige, dass der Maschinenraum im Sektor Gamma 3 aufgrund Überhitzung des Meilers sowie starker Radioaktivität hermetisch abgeriegelt und versiegelt wurde.“

Connar nickte nur.  „Das wissen wir bereits, Sören. Wir kommen gerade von dort.“ Tanja Rubin stellte das Lasergewehr zur Seite und setzte sich in ihren Sitz.

 „Bistrahl, Scheuning, versuchen Sie bitte weiter, den Antrieb per Knopfdruck stillzulegen. Vielleicht gelingt es ja bei ständiger Betätigung.“

 Connar glaubte zwar nicht daran, aber es hätte ja sein können.

Die astronomische Abteilung, oder besser gesagt, Dr. Markus Weidenreich, der einzige wissenschaftliche Mitarbeiter mit dem Spezialgebiet Astronomie, schaute etwas betreten drein. 

Kapitän Tarik Connar hatte ihm zwar eine einfache Frage gestellte, jedoch bedurfte es zu ihrer Beantwortung einer sehr genauen Betrachtung und Messung der Sternenkonstellationen. Hierzu fehlten ihm aber die Instrumente. Die, welche in der MERLIN vorhanden waren, taugten gerade Mal dazu, um in etwa ihre Position zu berechnen. 

„Melani kannst du mir bitte die Aufnahmen vom gestrigen Tag aus dem Archiv holen.“

Melani Klein war sozusagen der Springer im Schiff. Sie wurde immer dort eingesetzt, wo eine zweite Kraft von Nöten war. Zurzeit war sie von Dr. Weidenreich angefordert worden. 

Sie übergab ihm zuerst die mit einem Spezialteleskop angefertigten Bildaufnahmen in Form eines Sticks und damit in Digitalform und reichte aber auch die gleichen Aufnahmen in Papierform nach.

Markus Weidenreich bevorzugte die Aufnahmen greifbar vor die Augen zu halten, als sich diese am Bildschirm zu betrachten. „Schau dir das an. Überhaupt keine Übereinstimmung mit den jetzigen Aufnahmen. Überhaupt gibt das Sternengewimmel auf den neuen Bildern keinen Sinn. Keine einzige bekannte Sternenkonstellation. Wie soll ich da unseren Standort ermitteln?“

„Gib das doch einfach in den Computer ein und fahre einen Abgleich mit allen Alternativlösungen“, sagte Melani lapidar.

„Genau das werde ich auch machen. Das hätte auch mir einfallen können.“ 

Dr. Markus Weidenreich stürzte sich regelrecht auf den Eingabebereich des Schiffcomputers und fing an wie ein Wilder auf das Display zu hacken. 

Er schien sichtlich genervt zu sein.

Melani fragte sich, ob es womöglich daran hing, dass er keine Sterne mehr erkannte oder ob es daran lag, dass er es sich nicht erklären konnte. Jedenfalls hatte sie jetzt Hunger bekommen und verließ die astronomische Abteilung und begab sich in den kleinen, gemeinsamen Aufenthaltsraum, der direkt an die Kombüse angrenzte. 

Als sie eintrat, herrschte reger Andrang, was Melani erstaunt zur Kenntnis nahm.  Sie kämpfte sich durch die Herumstehende hindurch und erreichte nach zwei Minuten endlich die Essensausgabe.

„Wow, normalerweise war der Weg in zehn Sekunden zu machen.“

„Hallo Frana, gibst du mir bitte eine doppelte Portion?“ Frana nickte nur.

„Sag mal, was ist denn heute hier los. So einen Andrang habe ich ja noch nie miterlebt.“ 

„Scheint wirklich so, als wäre die gesamte Besatzung anwesend. Für so viele Leute ist der Raum nicht ausgelegt. Es fehlen Tische und Stühle.“

Frana übergab Melani das Tagesmenü. „Wir haben hier gerade mal Mobiliar für die Leute von zwei Schichten. Dass sich nahezu alle einfinden könnten, das war den Raumplanern wohl nicht in den Sinn gekommen.“ Melani bedankte sich. „Wenn die Gefahr am größten ist, fangen die Menschen an zu essen. So war das schon immer.“ 

Weidenreich hatte sämtliche ihm zu Verfügung stehenden Mess,- und Beobachtungsinstrumente auf ihre Flugbahn ausgerichtet. Es wäre doch gelacht, wenn er nicht etwas finden würde, das ihm genug Daten lieferte, um ihren jetzigen Aufenthaltsort und die Flugrichtung bestimmen zu können.

Schnell hatte er bereits herausbekommen, dass in den abweichenden Bildern und Daten eine gewisse Systematik steckte. Der Schiffscomputer hatte anhand der alten im Vergleich zu den neuen Bildaufnahmen errechnet, dass in ihrer Flugrichtung eine Art Kraftfeld oder etwas Ähnliches existieren müsse, das sämtliche einfallende Daten und Messergebnisse verzehrte.

Jetzt war es an ihm, herauszufinden, um was es sich wirklich handelte.

Kapitän Connar lag ausgestreckt in der Kabine auf seiner Koje und hatte sich schon zum wiederholten Mal gefragt, wieso der Energieerzeuger im unteren Triebwerksbereich nicht schon längst in die Luft geflogen war, als das Schott sich öffnete und Wayne-Zeno Uelisch hereinkam.

„Mensch, hier bist du. Ich suche dich schon im ganzen Schiff. Du bist ja ein Gemütsmensch. Wir schießen auf einer wandelten Bombe in den unbekannten Weltraum hinaus und der Herr Kapitän macht es sich auf seiner Koje gemütlich.“ 

„Was soll ich deiner Meinung denn sonst tun? Ich habe Dr. Weidenreich beauftragt unseren jetzigen Kurs zu berechnen. Der Triebwerksbereich ist hermetisch abgeriegelt, da kommt niemand mehr dran. Also, Zwerg, wenn du eine Idee hast, nur raus damit!“

„Hast du dir einmal überlegt, wieso der Reaktor nicht schon längst in die Luft geflogen ist? Ich schon!“ Zeno setzte sich auf die zweite Koje und blickte jetzt in seiner überlegenen Art auf Connar.

„Ich komme gerade von unseren beiden Ingenieuren. Die behaupten tatsächlich, dass aufgrund der starken radioaktiven Strahlung der Reaktor auf ein anderes Energieniveau gehoben worden ist und er deshalb auch nicht mehr abzuschalten war.

Gleichzeitig fließt die erzeugte Mehrenergie aber auch weiter zu den Abnehmern im Schiffsantrieb und es wird somit zu keiner Überladung kommen können. Also zumindest für das Erste Entwarnung. Das Problem ist aber, dass die einmal in Gang gesetzte Maschinerie nicht mehr zu stoppen ist.“

Connar grinste. „Dann wären wir ja wieder am Ausgangspunkt unseres Dilemmas angelangt.“

Zeno blickte ihn zuerst erstaunt dann mehr und mehr zornig an.

„Ich habe mich jedenfalls nicht in meine Kabine verkrochen und so getan, als wäre alles in bester Ordnung.“ 

„Nun mach mal einen Punkt. Ich benötige etwas Zeit zum Nachdenken. Das ist alles. Außerdem habe ich jetzt Hunger. Kommst du mit in die Kantine?“

„Davon würde ich abraten. Ich komme nämlich gerade von dort. Es scheint, dass sich alle Crewmitglieder zur gleichen Zeit dort verabredet haben. Der Raum ist total überfüllt und du verstehst dein eigenes Wort nicht mehr.“

Zeno war ebenfalls wieder aufgestanden. „Du kannst ja Frana anrufen, dass sie dir etwas Essbares vorbeibringt. Am besten auf die Brücke. Mein Magen benötigt auch dringend etwas Arbeit.“

Sie wollten gerade gemeinsam die Schiffskabine verlassen, als das Bildcom sich meldete.

„Hier Markus Weidenreich. Kapitän, ich bin zu einem Ergebnis gekommen. Das wird ihnen überhaupt nicht gefallen. Aber wenn sie es trotzdem hören wollen, kommen sie in die astronomische Abteilung.“

Connar schaute Zeno an und zog die Augenbrauen hoch. Schnell drückte er die Antworttaste: „Bleiben Sie, wo sie sind, ich komme sofort zu Ihnen.“

Unterwegs begegneten sie Melani. Sie war ebenfalls auf dem Weg zurück zu Dr. Weidenreich.

Sie hatte gerade noch den letzten Bissen in den Mund gesteckt und war am Kauen.

„Langsam bekomme ich auch Kohldampf. Jeder hier ist am Essen, und wenn man sich selbst etwas gönnen möchte, ist der Laden total überfüllt.“ Zeno grinste Melani an. „Das heißt wohl, dass ich Ihnen beiden etwas Essbares organisieren soll? Oder?“

Sie standen vor dem sich öffnenden Schott der astronomischen Abteilung.

„Das ist ein prima Einfall. Danke Melani“, sagte jetzt auch noch Kapitän Connar und ging in den abgedunkelten Raum hinein.

„Ein Salamisandwich mit Käse überbacken, das wäre nicht schlecht.“

Auch Zeno verschwand im Raum und ließ eine etwas sprachlose Melani zurück. Das Schott hatte sich bereits wieder geschlossen, als sie sich umdrehte und zurück zur Kantine ging.

„Mit mir kann man es ja machen!“ 

Dr. Markus Weidenreich zeigte auf die dreidimensionale Aufnahme, welche er in Papierform in der linken Hand hielt.

„Schauen Sie sich das an. Die Aufnahme zeigt ein Objekt, das genau in unserer Flugrichtung liegt. Meine Messungen ergeben ebenfalls eine unwahrscheinlich hohe Gravitation in genau diesem Bereich“, er deutete mit dem Zeigefinger der anderen Hand auf das Bild.

„Die Ergebnisse sind eindeutig. Ich habe die Messungen mehrmals wiederholt.“ Connar hatte ihm das Bild abgenommen und reichte es weiter an Zeno.

„Des Weiteren beschleunigt unser Schiff immer noch.“ Connar wurde ungeduldig. „Das wissen wir ja. Wir können nicht mehr an den Reaktor gelangen, um das Triebwerk stillzulegen.“

„Nein meine Herren, das meine ich nicht. Wir werden zusätzlich zu unserem eigenen Antriebsschub beschleunigt oder sollte ich sagen, gezogen!“

Er schaute sie beide an. „Was soll das bedeuten?“ Connars Frage lag auch Zeno auf der Zunge, nur war er ihm zuvor gekommen.

„Ich habe den Bordcomputer in die Analyse mit eingebunden. Es gibt keinen Zweifel, wir rasen auf eine Raumanomalie zu. Und um es wissenschaftlich noch besser zu formulieren, vor uns liegt ein Schwarzes Loch. Zwar nur ein kleines, aber nichtsdestotrotz hat es uns bereits eingefangen und beschleunigt das Schiff zusätzlich in seine Richtung auf den Ereignishorizont zu.“

„Auf was?“ Zenos Blick war immer noch auf Weidenreichs Lippen fixiert, als erwarte er noch eine zusätzliche Erklärung.

„Das Schwarze Loch rotiert und seine Gravitation ist dermaßen stark, dass wir jetzt bereits mit doppelter Geschwindigkeit angezogen werden, als wir selbst erzeugen. Es wird uns verschlingen, wie alle Materie, die ihm zu nahe kommt.“

„Jetzt mal langsam. Machen Sie mir nicht die Pferde scheu. Wie kommt solch ein Schwarzes Loch überhaupt in unser Sonnensystem? Wir sind doch noch in unserem System, oder?“

„Ja, natürlich sind wir noch im Sonnensystem. Obwohl der Kurs, den wir jetzt eingeschlagen haben, die Koordinaten sind: Rektaszension 88,793°, Deklination 7,407°, uns genau zum Schulterstern des Orion bringen würde. Wäre da nicht dieser Moloch.“

„Was ist ein Moloch?“ Melani stand vor ihnen und hatte ein Tablett voll mit allerlei Essbaren in der Hand. Zeno half ihr beim absetzten.

Ihre Frage blieb unbeantwortet. „Wie lange noch, bis wir das Ding erreicht haben?“

„Das kann ich ihnen nicht sagen. Sämtliche Instrumente spielen bereits verrückt. Ich habe nicht mehr die Möglichkeit, genaue Daten zu ermitteln.“

Ein lauter Ton ließ alle gelichzeitig zusammenfahren. Der Boden fing an zu wackeln, wie bei einem Erdbeben. Zeno blieb vor Schreck das käseüberbackene Sandwich beinahe im Hals stecken, dass er sich gerade genommen hatte.

„Weidenreich, was passiert, wenn wir in das Schwarze Loch hineinfliegen?“

„Es handelt sich um eine Krümmungssingularität der Raumzeit. Sobald wir den Ereignishorizont erreicht haben, werden wir unaufhaltsam hineingesogen. Da gibt es kein Entkommen mehr. Wir werden zerrieben, zerpulvert, aufgelöst und für alle Zeiten im All verstreut!“

Seine Stimme klang zuletzt fast schon hysterisch. Melani schaute ihn mit offenem Mund an. Ein zweites Beben warf sie alle fast gleichzeitig zu Boden.

„Zeno, wir müssen auf die Brücke!“ Connar raffte sich auf und trotz des stark schlingenden Bodens hatte er bereits das Schott erreicht. Es knirschte merklich, als es langsam auffuhr. Dann blieb es einfach stehen, es war lediglich ein Drittel geöffnet.

Connar zwang sich hindurch und rannte den Gang entlang. Er stolperte mehrmals, fing sich aber immer wieder. Zeno hatte nicht so viel Glück, was Connar an den lauten Flüchen hinter seinem Rücken mehrmals mitbekam. Was Kapitän Tarik Connar in der Schiffzentrale wollte, das wusste er selbst nicht so genau. Die Schiffssteuerung war blockiert und die restlichen Schiffsfunktionen, die er von dem Cockpit aus, wie die ovale Steuerkonsole auf der Brücke genannt wurde, betätigen konnte, nützten ihm in dieser Situation wenig.

Er rannte sich fast den Schädel ein, als er vor dem Zentralschott nicht anhielt, sondern mehr unbewusst auf das automatische Öffnen vertraute.

Das Schott öffnete sich zwar, aber so langsam, dass es fast genau drei Minuten benötigte, um ganz aufzufahren. Connar saß bereits im Pilotensessel und hatte die Dauerruftaste mit Verbindung zu allen Schiffabteilungen niedergedrückt.

„Jedermann begibt sich auf die Notstationen. Raumanzüge anziehen und schließen. Interne Sauerstoffversorgung herstellen. Mit dem Ausfall aller Systeme einschließlich der Lebenserhaltungssysteme ist unmittelbar zu rechnen.“

Die Notstationen waren drei gleichmäßig im Schiff verteilte Räume, in denen spezielle Liegen fest mit dem Schiffskörper verbunden waren und dazu dienten, die Besatzung im Notfall aufzunehmen und zu schützen. „Was ist mit dir?“ Neben Connar stand Zeno und hielt ihm seinen Raumanzug entgegen, den er gerade eben aus dem Schrankfach herausgeholt hatte. Während Zeno selbst jetzt erst seine Montur überzog, meinte er lapidar: „Du meinst doch wohl nicht, dass uns diese klobigen Dinger noch nützen werden, wenn dieser Moloch uns frisst?“

Connar wollte gerade nach dem Anzug greifen, als ein fürchterlicher Schlag das Schiff erbeben ließ. Zeno wurde von ihm fortgerissen.

Connar selbst überschlug sich mehrfach und flog über die Steuerkonsole Richtung Schott, dass sich gerade wieder langsam zu schließen begann.

Er knallte dagegen und sein Körper verkeilte sich mit einer Schotthälfte. Es knirschte nochmals kurz, als wäre Sand im Antriebsmotor, dann bewegte sie sich keinen Millimeter mehr. Dafür schien nunmehr das Schiff selbst immer schneller zu rotieren. Connar war immer noch bei Bewusstsein.

Er schätzte zwar nicht mehr lange, aber dafür bekam er den Anfang des beginnenden Chaos noch relativ gut mit. Er hing zwischen Wand und Schotthälfte eingeklemmt und seine Umgebung drehte sich immer schneller. Die ersten Geräte und Maschinen begannen sich vom Boden oder von der Wand zu lösen und flogen durch die Luft. Sie mähten alles nieder, was ihnen im Weg stand. Ein spitzes Metallteil bohrte sich mit einem schrillen Ton neben Connars Arm in die Wand.

Dann traf ihn etwas am Kopf und er verlor augenblicklich das Bewusstsein. Sein letzter Gedanke, der dem einsetzenden Untergang galt, brach unvermittelt ab. Der einstige Nachschubtransporter MERLIN wurde von dem Schwarzen Loch verschlungen. Er durchflog in Sekundenschnelle den Ereignishorizont der Raumzeitkrümmung. Seine Geschwindigkeit hatte sich auf ein Unendlich Faches erhöht, dann löste er sich auf, um in der nächsten Sekunde genau 585 Lichtjahre weiter aus einem identischen Schwarzen Loch wieder ausgespien zu werden.

Sämtliche Maschinen standen auf Leerlauf oder hatten sich ausgeschaltet, nachdem sie einer starken Neutronenstrahlung ausgesetzt worden waren.

Die Geschwindigkeit des Schiffes nach erfolgter Transferierung lag bei nicht mehr als 10 Kilometer pro Sekunde. Mehrere Energieerzeuger waren nur noch ein zusammengeschmolzener Haufen von Metall. Jetzt sprangen die Notstromaggregate an. Der Heckbereich war nicht mehr begehbar.

Das Sicherheitsschott direkt hinter der Kühlkammer für Lebensmittel hatte sich ordnungsgemäß verriegelt und verschweißt, als die Heckpartie des Schiffes auf zehn Prozent ihrer einstigen Größe zusammengedrückt worden war. Die neuartigen Energiezellen waren bereits schon wieder zur Hälfte aufgeladen. Die Beleuchtung in der Zentrale schaltete sich wieder ein. Von zwölf Leuchtkörpern blinkten fünf kurz auf und erloschen. Connar hing immer noch eingeklemmt im Schott, als er wieder zu sich kam. Sein Schädel brummte wie nach einer durchzechten Nacht. Über dem rechten Auge war eine Ausbeulung zu fühlen, und als er leicht dagegen drückte, vermeinte er Blitze zu sehen und eine weitere Schmerzenswelle überrollte ihn.

„Au, verflucht!“ Mit der ganzen Kraft, die er noch aufbringen konnte, versuchte er sich zu befreien und stemmte sich gegen das Schott. „Tarik, alles klar bei dir?“ Zenos Stimme kam aus der hintersten Ecke des Raums.

Connar konnte ihn zwar nicht sehen, aber überhaupt eine menschliche Stimme zu hören, gab ihm etwas Hoffnung, dass die Situation doch nicht so verfahren sein konnte, wie er es im Stillen doch befürchtet hatte. „Hier, im Eingangsschott. Das Ding hat mich eingeklemmt. Ich komme nicht mehr los.“

Er vernahm zuerst ein Gepolter, dann ebenfalls einen Fluch. „Wie sieht das überhaupt hier aus?“

Sein Freund kämpfte sich durch Elektroschrott und allerlei herumliegenden Gegenständen bis hin zu deformierten Konsolen und Bildschirmen.

Als er endlich vor ihm stand, und versuchte mit bloßen Händen das Schott zurückzuschieben, erschrak Connar. Vor ihm stand Zeno mit blutverschmiertem Gesicht. „Wie siehst du denn aus. Hast du starke Schmerzen? Wo ist Doktor Degenhardt?“

Connar versuchte sich durch Drehen und Wenden seines Körpers verzweifelt aus der misslichen Lage zu befreien. Zeno faste sich ins Gesicht und blickte etwas erstaunt auf die jetzt blutige Hand.

„Ich fühle überhaupt nichts. Ist wahrscheinlich nur eine Platzwunde.“ Er rüttelte mit beiden Händen an dem Schott, jedoch ohne Erfolg. „Moment, ich schließe das Bedienungselement kurz. Das müsste dann eigentlich den Widerstand der Schotthälfte brechen.“ Scheuning stand auf der anderen Seite des Eingangs und hatte bereits die Blende der elektrischen Schottverrieglung entfernt. Es gab einen kurzen Funkenregen, als er mehrere Kabel kurzschloss und Connar rutschte, bevor er sich noch halten konnte, zu Boden. Zeno streckte ihm die Hand entgegen und zog ihn wieder hoch.

„Du solltest dich umgehend verarzten lassen, bevor noch jemand bei deinem Anblick in Ohnmacht fällt.“ Connar hielt sich an Zenos Schulter fest, als ihm kurz schwindlig wurde.

„Scheuning, sie scheinen noch der Unversehrteste von uns zu sein. Würden Sie bitte die einzelnen Abteilungen und Räume abgehen und eine Bestandsaufnahme anfertigen. Ich denke, auf die Bildcom Kommunikation können wir uns momentan nicht verlassen.

„ Ai, ai Sir. Wird sofort erledigt.“ Connar wollte ihn zwar noch im Nachsatz bitten, dass er Dr. Weidenreich, wenn er ihm begegnen sollte, in die Zentrale zu schicken, aber da war er bereits im dunklen Gang verschwunden.

Die Beleuchtung funktionierte anscheinend auch nicht mehr überall.

„Das Bildcom ist tatsächlich tot. Wieso konntest du das wissen?“

Zeno wischte sich zum wiederholten Mal mit der Hand über das Gesicht. „Was nur so eine Vermutung.“

Das Cockpit stand noch. Nur suchte Connar vergeblich nach seinem Sessel. Andere Arbeitskonsolen waren teilweise aus der Bodenverankerung gerissen worden.

„Du gehst jetzt zuerst in die Erste-Hilfe Station. Das ist ein Befehl!“

„Ai, ai Kapitän. Ich geh ja schon.“ Und wenn du danach Dr. Weidenreich suchen könntest…!“

„Ich weiß schon. Er möchte in der Zentrale erscheinen. Bin schon weg!“

Connar stand jetzt etwas einsam in einem Trümmerfeld, das einmal die Brücke gewesen war. Wenn es im ganzen Schiff so aussah, dann hatten sie ein weiteres, noch größeres Problem dazubekommen. Was war überhaupt mit dem Reaktor? Ein Leck schien das Schiff nicht zu haben. Er blickte auf die einzige intakte Konsole vor sich. Einige Leuchtdioden und Flüssigkeitsdisplays schienen wieder ihre Tätigkeit aufgenommen zu haben. Jedenfalls blinkte es an mehreren Stellen gleichzeitig hektisch und auf dem einzigen, noch ganz gebliebenen Kleinstbildschirm zogen Zahlenkolonnen über Zahlenkolonen durch einen hellblauen Hintergrund. An dem gegenüberliegenden Wandsegment, das die computergesteuerte Matrix des vorgesehenen Marslandemanövers haargenau visualisieren sollte und dass ebenfalls das Hauptrechensystem beherbergte, stand in roten Lettern auf dem speziell dafür vorgesehenen Infofeld die Aufforderung: „Transportmodule 1 bis 5 bereit machen zur Ausschleusung. Countdown läuft mit x minus 119 Minuten. Die Stratosphäre wird in 100 Minuten erreicht.“

Mehr als verwirrt schaute Connar jetzt schon über einer Minute lang auf den leuchtenden Schriftzug, der als Laufband abgespielt wurde.

„Was soll das jetzt bedeuten?“

Die MERLIN schien ein halbes Wrack zu sein und der Hauptrechner für die geplante Marslandung hatte nichts Besseres zu tun, als die Landung auf dem Mars vorzubereiten.

Noch dazu, da sie in ein Schwarzes Loch gezogen worden waren und tot sein müssten.

Aber das waren sie nicht. Er lauschte kurz und hörte nichts. Kein Geräusch oder Ton, der ihm etwas mehr von der aktuellen Lage hätte berichten können.

„Ich muss schnellstens herausfinden, wo wir uns befinden und in welchem Zustand sich das Schiff befindet. Ob es Verletzte gegeben hat. Verdammt, wo war Weidenreich nur?“

Er hatte zuletzt laut gesprochen und erschrak, als er die Antwort vernahm.

„Dr. Weidenreich, so viel Zeit muss sein, Kapitän. Im Übrigen hat mich ihr Copilot gerade eben erst in Kenntnis gesetzt, dass sie mich sprechen wollten. Und es sollte Ihnen auch nicht entgangen sein, dass wir haarscharf an einem schrecklichen Ende vorbeigeschlittert sind. Jedenfalls sind wir noch nicht tot.“ Er blickte Connar in die Augen und sein Blick blieb auf der sehr großen Beule haften. „Obwohl wir es hätten sein müssen. Fragen Sie mich nur nicht, warum wir noch leben.“ 

Connar zeigte auf die gegenüberliegende Wand und auf die Landungsmatrix.

„Sagen Sie mir bitte, was das bedeuten soll. Versuchen Sie, schnellstmöglich unseren jetzigen Standort und unsere Geschwindigkeit zu ermitteln. Geben Sie die Informationen über Computer auf mein Display, soweit noch möglich.“

Das Bildcom aktivierte sich, ein Bild erschien jedoch nicht, dafür erschallte die Stimme von Melani Klein sehr laut über Lautsprecher: „Kapitän, die Kombüse sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Ich tue, was ich kann, aber es wird noch etwas dauern.“

„Was meinen Sie damit?“ Connar versuchte die Lautstärke herunter zu regeln, was anscheinend nicht mehr funktionierte. „Jetzt geben Sie mir nur nicht die Schuld. Sie können ja selbst hier vorbeikommen, wenn sie unbedingt etwas essen müssen.“ Eine zweite, noch lautere Stimme sagte: „Melani, das hat jetzt wirklich keine Bedeutung mehr. Tarik, es sieht nicht gut aus. Wir haben zwar keine Toten zu beklagen und auch die Verletzungen sind im Rahmen des erträglichen geblieben, aber der Karren hat nur noch Schrottwert. So wie es aussieht, fehlt uns das ganze hintere Teil. Hinter der Kältekammer für Lebensmittel gibt es nichts mehr. Da fehlen nicht nur zwei Triebwerksektoren, sondern ein Schiffsteil von mindestens 50 Meter Länge.“ Er holte Luft. „Die einzig positive Nachricht des Tages, der Reaktor in Sektor Gamma 3 ist zum Erliegen gekommen, genauso wie alle anderen Aggregate. Bis auf die Notstromgeräte natürlich. Aber die werden in etwa acht Stunden auch ihren Geist aufgeben, wenn nämlich ihre Kapazitäten restlos erschöpft sind. Was sagst du nun?“

„Zeno, danke für die lautstarken Informationen. Und jetzt kommst du einfach in die Zentrale, ja!“

Connar schaltete das Bildcom aus.

„Bin schon unterwegs.“ Dr. Weidenreich hatte noch mitgehört, und als Connar ihm jetzt einen bösen Blick zuwarf, verschwand er schleunigst, um dem Befehl des Kapitäns nachzukommen.

Als Albert Scheuning wieder in der Zentrale erschienen war, waren seine Nachrichten bereits überholt. Mehrere Abteilungen hatten ihren Statusbericht online übermittelt und Connar hatte sich einen Überblick verschafft. Die Außenbeobachtung war nur noch über die astronomische Abteilung möglich und Dr. Weidenreichs Bericht war mittlerweile überfällig. Natürlich funktionierte gerade das Bildcom zu ihm nicht, sodass Connar sich entschlossen hatte, direkt in der astronomischen Abteilung vorbeizusehen. Unterwegs begegnete ihm doch tatsächlich Melani Klein. Als er sie sah, begann sein Magen laut zu knurren. Sein Körper hatte anscheinend ein besseres Gedächtnis als er. Er konnte sich an die letzte Mahlzeit auch nur sehr vage zurückerinnern. Sie strahlte über das ganze Gesicht, als sie ihn erkannte. Sie trug doch tatsächlich ein Tablett mit belegten Baguettes und hielt es ihm nun entgegen. „Bitte bedienen Sie sich, Kapitän Connars. Bevor Sie uns noch an Unterernährung eingehen!“

„Sieht man mir das schon an?“ Er nahm sich hastig ein Brötchen. Dann griff er nochmals zu.

„Danke Melani, dass sie doch noch an mich gedacht haben.“ Sie lächelte verlegen und schaute auf die restlichen zwölf Baguettes auf dem Tablett. „Kommen Sie mit zu Dr. Weidenreich. Wir müssen uns über die aktuelle Situation schnellstens klar werden.“

Connar war noch am Kauen, als sie das Schott zur astronomischen Abteilung erreichten. Es stand zur Hälfte offen.

„Ah, da sind sie ja, Connar. Ich habe ihnen gerade eben alle Daten auf ihre Konsole überspielt. Die Außenbeobachtung ist zwar ebenfalls ausgefallen, jedoch konnte ich eine alte Bildcom Verbindung wieder aktivieren. Hier sehen Sie selbst“, er zeigte auf den Bildschirm neben sich.

Deutlich war die Spitze von Merlins Bug zu erkennen und in direkter Linie, etwas weiter rechts, kam ein Planet in Sicht. Er leuchtete in einem düsteren Grau-grünem Schimmer mit einem Stich ins Grau-rot. „Der Planet hat uns bereits in seinem Schwerefeld erfasst. Da wir keinen Antrieb mehr haben, werden wir unwiderruflich auf ihm abstürzen. Die Entfernung beträgt 2230 Kilometer. Unsere Geschwindigkeit habe ich mit etwa 800 Kilometern pro Stunde errechnet. Wir werden die Atmosphäre in etwas mehr als zwei Stunden erreicht haben.“

Dr. Weidenreich wirkte abwesend oder zumindest machte er den Eindruck eines in sich gekehrten Wissenschaftlers.

„Die Sonne dieses Sonnensystems scheint sehr alt zu sein. Jedenfalls ist ihre Leuchtkraft fast erschöpft. Die Wärme, die der einzige Planet dieses Systems erhält, kommt von viel weiter entfernt. Sie werden es nicht glauben, aber meine Messinstrumente lügen diesbezüglich nicht. In einer Entfernung von über zweieinhalb Lichtjahren steht ein Stern, der die zehntausendfache Leuchtkraft unserer heimischen Sonne hat. Nach den letzten Messwerten, die ich vor dem Sturz in das Schwarze Loch gemacht habe und nach den jetzigen Werten gibt es kein Zweifel mehr. Wir befinden uns nahe dem Riesenstern Beteigeuze und dieser ist etwa 642 Lichtjahre von der Erde entfernt.“ Connar und Melani schauten wie gebannt auf den Bildschirm.

„Das gibt es doch alles nicht!“ Melani hatte immer noch das Tablett mit den belegten Brötchen in Händen, und als Dr. Weidenreich sich bediente, stellte sie es auf die Arbeitskonsole ab.

„Vorsicht, nicht dass uns jetzt die Verbindung wieder wegrutscht. Ich habe lange genug gebraucht, um überhaupt nach draußen zu kommen.“

Melani schaute ihn böse an. „Haben Sie weitere Daten über den Planeten?“ Connar hatte bereits weiter gedacht. „Es scheint eine gewisse Ähnlichkeit zu unserem Mars zu bestehen. Die Atmosphäre ist ziemlich staubig. Der Druck beträgt etwa 10,56 Hektopascal. Das sind lediglich etwa ein Prozent des Erddrucks. Der Sauerstoffgehalt ist minimal, dafür sind es 91,3 Prozent Kohlenstoffdioxid. Also ein sehr lebensfeindlicher Genosse, würde ich sagen.“ Er griff sich noch ein Brötchen.

„Aber was machen wir uns überhaupt Sorgen. Bevor wir auf den Boden aufschlagen, werden wir bereits in der Atmosphäre verglüht oder zumindest auseinandergebrochen sein. MERLIN ist für eine Planetenlandung nicht konzipiert worden. Das Schiff wurde im Weltraum zusammengebaut und ist solchen Belastungen nicht gewachsen. Aber was rede ich viel. Connar, das wissen Sie doch alles viel besser als ich.“ „Sind Sie noch zu retten?“ Melani schaute Dr. Weidenreich an, wie ein Wesen aus einer anderen Welt. „Können Sie nur von Sterben reden, von Verglühen, Zerreiben, Zerpulvern und auflösen sprechen? Machen Sie endlich mal zur Abwechslung einen Vorschlag, wie wir aus diesem Schlamassel herauskommen könnten.“

Weidenreich hätte sich fast an dem Brötchen verschluckt. Melani war richtig in Rage gekommen.

„Alle Achtung, Frau Klein. So kenne ich Sie ja gar nicht.“ Connars Blick verschleierte sich etwas, als wieder Mal der Druck in seinem Kopf stärker wurde und seine Gedanken sich selbstständig machen wollten. „Immer zur falschen Zeit am falschen Ort“, dachte er. Und zu Dr. Weidenreich gewandt sagte er: „Sie hat aber recht. Wir dürfen nicht einfach die Hände in den Schoß lagen und warten. Dann haben wir bereits verloren.“ Er schnellte sich von dem umgefallenen Regal auf, an das er sich gelehnt hatte, dass Melani kurz erschrak.

„Mir fällt gerade etwas Wichtiges ein. Kommen Sie bitte beide mit in die Zentrale.“ Countdown läuft mit x minus 45 Minuten. Die Stratosphäre wird in 30 Minuten erreicht.“ Dringender Handlungsbedarf“, strahlte ihnen das Leuchtband des Infofeldes an der gegenüberliegenden Wand des Pilotencockpits entgegen, als Connar, Dr. Weidenreich und Melani Klein sich durch das lediglich zu einem Drittel geöffneten Schott in die Zentrale hinein zwängten. „Das ist möglicherweise unsere Rettung.“ Connar deutete auf das Leuchtband. Tanja Rubin, Sören Bistrahl, Svenja Möhring und Albert Scheuning waren ebenfalls in der Zentrale anwesend und versuchten etwas Ordnung zu machen. „Ich wollte das Ding schon vom Netz trennen, da wir sowieso keine Marslandung mehr vornehmen werden können und um Energie zu sparen“, sagte Tanja.

„Gut, dass Sie es nicht getan haben. Überlegen Sie doch, das Hauptrechensystem hält fälschlicherweise diesen Planeten, auf den wir unkontrolliert zusteuern, für den Mars. Sämtliche noch intakte Systeme sind auf das Ausschleusen der Landungsmodule 1 bis 5 programmiert und der automatische Countdown läuft bereits.“ Er blickte in die Runde der Anwesenden, die sich jetzt kreisförmig um ihn versammelt hatten. „Jetzt ist alles klar!“ Melani nickte.

„Was ist klar? Überhaupt nichts ist klar. Wir nähern uns nicht dem Mars. Und außerdem macht es keinen Sinn, jetzt noch mehr Energie mit dem Abwerfen der Transportmodule zu verbrauchen. Ich gebe Tanja recht, wenn sie alle unwichtigen Systeme abschalten möchte, um Energie zu sparen.“ Dr. Weidenreich war anscheinend etwas verärgert wegen Melanis letzter Bemerkung von vorhin.

„Unsinn“, erwiderte sie jetzt. „Das Schiff wird abstürzten, aber wir können kontrolliert auf die Oberfläche hinab kommen, richtig Herr Kapitän?“ 

„Absolut richtig, Frau Klein.“

Connar grinste sie an. „Wir sollten jetzt aber keine Zeit mehr verlieren. Wir stellen fünf Gruppen zusammen. Jede Gruppe besteht aus fünf Crewmitgliedern. Tanja, Sören, Svenja und Sie, Scheuning, werden je eine Gruppe führen. Räumen Sie Landungsmodul 1 und 2 sofort leer. In den beiden Modulen sind so viel ich mich erinnern kann, nur Schürfgeräte und Ersatzteile. Lassen Sie sofort jeden Mann und jede Frau einen leichten Schutzanzug anlegen. Scheuning, ihre Gruppe holt alle verfügbaren Laserwaffen aus den Schränken und verstaut sie in die Transportbehälter.“ Connar schaute zum Schott, wo sich gerade Wayne-Zeno Uelisch hindurchquetschte und auf ihn zukam.

„Zeno, du koordinierst die Entladung der beiden Behälter. Der Countdown des Zentralrechners wird nicht unterbrochen. Wer weiß, ob es noch ein zweites Mal geben wird.“ Erblickte hinüber zum Infofeld, wo der rote Schriftzug jetzt bei x minus 30 Minuten angekommen war. „Wir haben noch eine halbe Stunde!“ Connar selbst kümmerte sich um die Sauerstoffpatronen. In dem dafür vorgesehenen Lager befanden sich noch für jeden der 25 Besatzungsmitglieder genau zwei Patronen. Jede der Patronen würde für etwa zehn Stunden Sauerstoff liefern. Dann war Schluss. Bis dahin mussten Sie eine Lösung gefunden haben. Er füllte eine variable Stapelbox auf Rollen mit allen Patronen aus dem Wandschrank und machte sich auf den Weg zum Hangar. Unterwegs kam ihm Scheuning entgegen und hatte mehrere Lasergewehre umhängen. „Das sind die Letzten. Sagen Sie Connar, es ist wohl nicht ganz ungefährlich, wenn wir uns den Transportmodulen anvertrauen? Dr. Weidenreich meinte, es hätte bereits in der Vergangenheit mehrmals Unfälle damit gegeben.“

„Dr. Weidenreich ist ein Schwarzseher. Außerdem haben Sie eine bessere Idee?“ Connar wurde langsam etwas sauer. Sollte Weidenreich denken, was er wollte, solange er es für sich behielt. Aber die Leute scheu zu machen und selbst dabei keine konstruktiven Lösungsvorschläge zu bringen, fand er mehr als deplatziert. „Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte uns das Schwarze Loch bereits umgebracht!“

Connar wusste natürlich, dass dieser Vergleich unpassend war und dass sie wahrscheinlich nur Glück gehabt hatten. Im Hangar war fast kein Durchkommen mehr. Die Mannschaft hatte die zwei Landungsmodule leer geräumt und deren Inhalt im Raum dermaßen wahllos verteilt und abgestellt, als hätten sie es wirklich eilig. Zeno kam ihm bereits entgegen. „Die gesamte Mannschaft ist jetzt hier. Der Hauptrechner hat bereits grünes Licht zur Ausschleusung gegeben. Du brauchst nur noch auf den Knopf zu drücken und die Landungsmodule 1 – 5 werden nacheinander auf dem Förderband zur Schleuse bewegt. Dort erfolgt dann die Zündung der kleinen Steuerdüsen, um einen stabilen Flug innerhalb der Atmosphäre zu gewährleisten.“

Scheuning war weitergegangen und verstaute bereits die restlichen Gewehre. Connar schaute sich nochmals im Hangar um. Irgendwie hatte er so ein merkwürdiges Gefühl, als wäre ihm etwas entgangen. „Was ist, Herr Kapitän.“ Zeno wurde ungeduldig. Das Modul 2 schloss gerade seine Laderampe. Melani winkte ihm vom Modul 1 herüber.

„Also, dann.“ Er zog die Stapelbox mit einem Ruck herum und ging mit jetzt doch schnellen Schritten auf Modul 1 zu. Im Innern der fünf Transport- und Landungsmodule war je ein kleiner Bildschirm an der Frontseite angebracht. Dieser war mit einer Kamera im Außenbereich verbunden. Was sich die Konstrukteure dabei gedacht hatten, blieb wohl für immer verborgen. Jedenfalls waren diese containerartigen Transportbehälter niemals zum Transport von Menschen konzipiert worden.

„X minus 5 Minuten“, stand in großen, roten Lettern auf einem sich langsam bewegenden Band, das sich über den Bildschirm zog. Im Hintergrund war das geschlossene Hangarschott zu erkennen.

Connars Blick war wie eingefroren darauf gerichtet, als er mit einem Schrei hochfuhr. Alle Anwesenden schauten erschrocken in seine Richtung.