Schattenwelt der Sterne - Jens Fitscher - E-Book

Schattenwelt der Sterne E-Book

Jens Fitscher

0,0

Beschreibung

Aus den Tiefen des Alls kamen sie, die Namenlosen. Kapitän Thor Logan erlebt die Ankunft der Außerirdischen hautnah mit und kann ihnen gerade noch entkommen. Als die Atmosphäre anfing sich in eine Strahlenhölle zu verwandeln, fällt er in eine sieben Tage dauernde Metamorphose Starre, währenddessen sich sein Körper den neuen Lebensbedingungen anpasste. Sein Kampf ums Überleben in einer absolut fremden Umwelt beginnt nach dem neuerlichen Erwachen. Zusammen mit fünf Gleichgesinnten entgeht er dem Untergang seines Planeten. Die neue Spezies Mensch hat den Namenlosen Invasoren den Kampf angesagt. Als die Weltraumstation OUTSET I, die neue Heimat von Thor Logan und seinen Leidensgenossen, angegriffen wird, beginnt der Kampf von Neuem. Die Abenteuer von Thor Logan und Samuel Kricket in einem Buch

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 341

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Schattenwelt der Sterne

Jens Fitscher

© 2025 Jens Fitscher

Illustration: S. Verlag JG

Verlag: S. Verlag JG, 35767 Breitscheid,

Vertrieb: epubli ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

2.Auflage

ISBN:978-3-565115-72-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Am Ende gibt er nur zwei Dinge, die wirklich wichtig sind: Erstens Überleben und zweitens Glauben.

Der Weg zur Vollkommenheit ist endlos. Alleine der Glaube, dass man ihn beschreiten kann, benötigt mehr als nur ein Leben. Aber wenn der Fuß zum ersten Schritt gehoben ist, wird die Welt um dich herum neu entstehen und dein bisheriges Leben wird neu definiert.

Inhalt:

Prolog:

Carla von Staufenberg

Amanda Selinger

Festus Helmstett

Samuel Kricket

Thor Logan

Die Zusammenkunft

Raumtransport

Das Schiff der Namenlosen

Kampf den Aggressoren

Die Raumstation

Die Übernahme

Metamorphose II

Gefechtsalarm

Flucht

Der Höllenplanet

In den Händen der Iffta

Rebellen gegen die Namenlosen

Flucht

Erneute Metamorphose

Der Späher

Die Namenlosen

Bomben über TERSLAR

Die Weltraumstation OUTSET I

Seranee

Ein neues Leben

Der Ruf Ereškigal

Die Ewigen Feinde

Der letzte Flug der RACHLESS

Wieder vereint

Weibchen

Prolog:

Es war ein herrlicher Morgen in diesem Frühsommer des Jahres 2048. Auf dem europäischen Kontinent begann der Tag mit dem Sonnenaufgang um 5.15 Uhr.

Ein hellblauer, nahezu wolkenloser Himmel präsentierte sich in seiner letztmaligen Schönheit.

Die Farben der Natur wirkten satter und die Konturen der von Menschen geschaffenen Infrastruktur hoben sich übermäßig deutlich von dem Blau des Himmels ab.

Merkwürdigerweise war kein einziges Vogelgezwitscher zu hören, wie man es sonst an so einem schönen Morgen gewöhnt war.

Es fiel aber kaum jemanden auf. Die Menschen waren wie eh und je viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als auch noch auf die Natur zu achten.

Kurz bevor das weltgrößte Spiegelteleskop in der chilenischen Atacamawüste die Raumschiffe entdeckte, erreichte die bereits von ihnen ausgeschickte Strahlenfront die oberste Schicht der Erdatmosphäre.

Das im Jahre 2023 auf dem 3060 Meter hohen Berg Cerro Armazones erbaute Teleskop gab im Sekundentakt Live-Streams der herannahenden extraterrestrischen Gebilde wieder, die sich in Schwärmen dem Blauen Planeten näherten. Die Neutronenstrahlung von weit über 1000 Sievert/Stunde verwandelte die gesamte Erdatmosphäre innerhalb einer Stunde in eine Strahlenhölle.

Es gab niemanden mehr, der die einsetzende Invasion noch hätte beobachten können.

Das Leben auf dem Planeten hatte keine wirkliche Chance gehabt. Die von den Namenlosen ausgeschickten Maschinen umringten den Planeten und zogen den Radius immer enger.

Die Aufgabe dieser Transformierungseinheiten war die Umgestaltung der Erde in eine ihrem Lebensraum angemessene Umgebung.

Andere Arbeitsmaschinen landeten bereits und veränderten die Oberfläche. Eine neue Fauna und Flora wurde aufgepfropft.

Man ignorierte zunächst die noch bestehende Infrastruktur und kümmerte sich rührend um das teilweise Überleben der Botanik, indem man einen Mutationsprozess anstrebte, der die alte mit der neuen Flora zu verbinden suchte.

Die Erde wurde innerhalb von nur fünf Tagen in einen außerirdischen Planeten umgewandelt.

Das Leben, wie es noch vor einer Woche bestanden hatte, gab es nicht mehr.

Die Atmosphäre war in eine Strahlenhölle für Menschen verwandelt worden. Dort, wo die hohen Neutronenstrahlen direkt und ohne Abschirmung die Menschen erreicht hatten, waren ihre Körper regelrecht verdampft.

Anderswo war die Erdoberfläche übersät von Leichen.

10,5 Milliarden Menschen waren innerhalb weniger Minuten gestorben, ohne wirklich zu wissen, was geschehen war.

Eine Abwehrmaßnahme gab es nicht. Selbst für die Menschen, die sich unter der Erde in Militärbunkern und sonstigen Schutzräume befanden, gab es keine Rettung.

Die umgeformte Atmosphäre mit den veränderten Druckverhältnissen und die einsetzende, weitergehende Umformung des Erdbodens kontaminierte innerhalb von fünf Tagen jedweden Ort auf dem Planeten. Es gab absolut kein Entrinnen.

Die ersten Namenlosen verließen ihre Siedlungsschiffe und atmeten die für sie saubere, neue Luft ein.

Es war ein guter Tag heute. Eine neue Siedlungswelt war geschaffen worden, neuer Boden war nun vorhanden, um Leben aufzunehmen.

Die Landungsboote der Sternenschiffe landeten zwischen menschlichen Überresten und zerpulverten die übergebliebenen Skelette.

Die ersten Baumpilze mit einer Größe von 10 Metern wurden bereits gepflanzt.

Sie ersetzten die im eingehen befindlichen Wälder der ehemaligen Erde. Jegliche Art von Blattpflanzen und insbesondere die Laubbäume hatten der Strahlenbelastung nicht standgehalten.

Die Baumpilze, die ebenfalls zur Lufterneuerung beitrugen, konnten eine Höhe von bis zu 50 Metern bei einer Breite von 10 Metern erreichen.

Die Transformeinheiten, kleine wendige Drohnen, die mit ihren leistungsstarken Energiemeilern hohe Werte an Gammastrahlung erzeugen und gebündelt versenden konnten, befanden sich bereits auf dem Weg zu den Nachbarplaneten, die ehemals Venus und Mars genannt worden waren.

Den Namenlosen war gerade die Konstellation dieser Planeten zur ehemaligen Erde als besonders interessant erschienen.

Alle drei Planeten sollten eine für sie bewohnbare Atmosphäre bekommen. Ihre Technologie war speziell im Bereich Planetenforming sehr weit fortgeschritten.

Die Information ging hinaus in die Weiten des Alls, dass wieder einmal ein geeignetes Sonnensystem gefunden wurde, das neuen Lebensraum versprach.

Diesmal würden sogar drei Wohnplaneten auf die Flotte der Auswanderer warten. Mächtige autonom agierende Maschinen fingen an, den Planetenboden umzugraben.

Neu Formen von Wohnanlagen entstanden dort, wo es bisher noch keine Infrastruktur gab. Andere Maschinen begannen, die verrotteten, minderwertigen Behausungen der vergangenen Existenzen des Planeten abzutragen und in einem speziell dafür entwickelten Recyclingverfahren dem Planeten wieder zurückzuführen.

Tausende von kleinen Flitzern waren auf und unter der Erde auf der Flucht. Mit bis zu 29 cm/Sekunde rannten sie um ihr Leben.

Die letzten Lebewesen einer Ökologie, die es nicht mehr gab, die Schaben.

Sie alleine hatten dem ersten Strahleneinfall widerstanden. Jetzt befanden sie sich auf der Flucht vor den Maschinen der Außerirdischen, die den letzten Akt des Planetenformings vorantrieben.

Einige sehr widerstandsfähige Arten fielen kurzfristig in eine Art Todesstarre, um dann nach wenigen Stunden erstarkt ihre Flucht fortzusetzen, ohne wirklich zu wissen, dass es keine endgültige Flucht mehr gab.

Sie waren aber nicht die Einzigen, die einen bereits verlorenen Überlebenskampf fochten. Dies sind die Aufzeichnungen der letzten Überlebenden einer einst stolzen Menschheit.

Carla von Staufenberg

Sie erwachte und fühlte sich gleichzeitig noch in einem Traum gefangen. Ein unangenehmes Druckgefühl hatte ihren gesamten Körper im Griff.

Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an das Halbdunkel der Umgebung. Sie erinnerte sich nicht. Jedenfalls lag sie auf dem Boden, zusammengerollt in der Fötusstellung.

Ein merkwürdiges Flimmern lag in der Luft.

Sie versuchte langsam und vorsichtig zu atmen, denn der Geruch, den sie sofort wahrnahm, hatte einen metallischen Beigeschmack, es roch stark nach Ozon und nach noch etwas, was sie momentan nicht zuordnen konnte. Das machte ihr Angst.

Beim vorsichtigen Aufstehen bemerkte sie, dass sich ihre Kleidung fast vollständig aufgelöst hatte.

Es hingen nur noch kleine Fetzen an ihrem Körper herunter, die jetzt von ihr abfielen, als sie sich bewegte.

Sie befühlte spontan ihren Bauch und ließ die Hände über den nackten Oberkörper wandern.

War sie verletzt worden? Vielleicht ein Einbruch, Vergewaltigung?

Nein, sie fühlte sich zumindest nicht unwohl noch konnte sie in diesem makaberen Halbdunkel irgendeine Verletzung an sich feststellen.

Als sie stand, griff Carla von Staufenberg automatisch an den Lichtschalter, der sich neben der Küchentür befand.

Langsam kamen die Erinnerungen zurück. Sie hatte sich in Ihrer Küche befunden und zusammen mit dem Küchenmädchen das Abendessen gerichtet. Anna hieß sie.

Was war nur geschehen?

Es gab kein Licht. Stromausfall. Jetzt bemerkte sie den starken Widerstand, der ihr Körper dem Druck ihrer Finger gegen die Bauchdecke entgegensetzte.

„Also doch eine Verletzung“, dachte sie erschrocken und fing an wie wild mehrere Stellen ihres Körpers abzutasten.

Überall das gleiche Gefühl.

„Ich benötige einen Spiegel, sofort.“

In der aufkommenden Panik vergaß sie zunächst ihr Umfeld und rannte aus der Küche auf die Treppe zu, die ins Obergeschoss führte.

Dort, im Ankleidezimmer wusste sie einen sehr großen Spiegel zu finden.

Der Schmerz raubte ihr fast den Atem. Sie war auf etwas Spitzes getreten, und als sie das Gewicht auf das andere Bein verlagerte, stolperte sie über einen länglichen Gegenstand und fiel zu Boden.

Sie konnte sich gerade noch abstützen, dann hatte sie eine Staubwolke eingehüllt und sie musste mehrmals niesen.

Ihre Finger ergriffen einen länglichen Gegenstand, der aber sofort nach der Berührung zu Staub zerfiel.

Dann sah sie den Schädel. Die leeren Augenhöhlen dieses menschlichen Überrestes zogen sie magisch an.

Mit einem schrillen Aufschrei erhob sie sich und stürzte die Treppe hinauf ins Obergeschoss.

Ihre Gedanken hatten sich zurückgezogen und warteten, wie der Befund der Körpermusterung im Spiegel ausfallen würde. In ihrem Geist war momentan jedenfalls nichts anderes als eine große Leere.

Das Ankleidezimmer hatte kein Fenster und es war dort stockdunkel, das angrenzende Schlafzimmer hingegen wurde durch die beiden Sprossenfenster von außen in einen gespenstigen weißen Schein getaucht.

Mit rohen Kräften, ohne auf irgendwelche Beschädigungen zu achten, zog Carlo von Staufenberg den schweren Spiegel über den marmorierten Boden durch die Zimmertür hindurch in das Schlafzimmer.

Die Metallfüße des Spiegels erzeugten ein grelles, nervenzerreißendes Geräusch, als sie über den Marmorboden geschoben wurden.

Als der Spiegel endlich direkt vor einem der beiden Fenster stand und sie sich in ihrer vollen Größe im Spiegel erblickte, stieß Carla einen tiefen Seufzer aus und fiel in Ohnmacht.

Was sie gesehen hatte, waren nicht mehr ihr Ebenbild noch ihr Körper gewesen.

Was sie nicht wissen konnte, war der Umstand, dass ihr Metabolismus auf die einsetzende hohe Strahlenintensität spontan reagiert hatte und ihren gesamten Körper umformte.

Genau so, wie vier andere Menschen auf diesem Planeten in eine Metamorphose Starre gefallen waren, war es ihr ergangen.

Als die Strahlendosis sie erreichte, fielen sie auf der Stelle genauso zu Boden, wie all die anderen 10,5 Milliarden Menschen, nur dass ihr Herz weiter schlug, wenn auch nur mit einem Schlag/Minute.

Ihre inneren Organe begannen sich abzubauen und gleichzeitig umzuformen.

Auf der Haut um ihren gesamten Körper herum bildete sich eine Art Kokon und hüllte ihn vollständig ein.

Der Körper der fünf Menschen wurde durch einen nun glasharten Kokon eingehüllt.

Die Umformung und Anpassung an die neuen Lebensbedingungen dauerte genau 7 Tage.

Am Endstadium der Entwicklung war die Haut der einzigen Überlebenden der Menschheit deutlich dunkler gefärbt und stark lederartig geworden.

Ansonsten war kein großer Unterschied zu dem vorhergehenden Aussehen zu erkennen, außer natürlich, dass die gesamte Körperbehaarung verschwunden war.

Alleine diese dunkle Lederhaut und das fehlende Kopfhaar waren es gewesen, das Carla von Staufenberg in Ohnmacht fallen ließ. Der stechende Blick ihrer rötlich funkelnden Pupillen, die aufgrund des weißen Scheins des Vollmondes, der gespenstisch scharf in das Schlafzimmer leuchtete, erzeugten einen so starken Kontrast, dass sie dachte, direkt in eine Dämonenfratze zu blicken.

Von ihrem einst so gepflegten langen Haar, das ihr normalerweise bis über die Schulter hing, war nichts mehr übrig geblieben, als ebenfalls nur eine ledrige Kopfhaut.

Die Sonne war bereits vollends aufgegangen. Lediglich merkwürdig schlierenartige, wolkenähnliche Gebilde schirmten ihre hellen Lichtstrahlen ab.

Als Carla zu sich kam, wusste sie sofort, was geschehen war.

Sie benötigte lediglich eine Sekunde, dann hatte sie sich wieder im Griff.

Sie akzeptierte zunächst ihr Aussehen, da ihr Unterbewusstsein in ihrer Ohnmachtsphase einen Abgleich des bis dahin Erlebten gemacht hatte, wusste sie intuitiv, dass etwas weitaus schrecklicheres vorgefallen sein musste.

Sie erhob sich langsam vom Boden und blickte aus dem Fenster.

Clara von Staufenberg bewohnte eine stark in die Jahre gekommene Burg in der Region Flandern.

Sie hatte das Anwesen vor mehr als zwanzig Jahren geerbt und hatte sich entschlossen, es zu ihrem ständigen Wohnsitz zu machen.

Sie war verheiratet und hatte zwei erwachsene Kinder.

Jetzt blickte sie von dem zweiten Stock der Burg hinaus auf die parkähnliche Anlage, die Antoine vander Beer, ihr Gärtner in rührender Art und Weise Tag täglich pflegte.

Jetzt erblickte sie keine Bäume mehr, überhaupt keine Pflanzen nur noch graue, eingegangene und in Verwesung befindliche Flora.

Über alles wallte eine Art Nebelgebilde, das von innen heraus bläulich leuchtete.

„Wie in einem schlechten schwarz-weiß Film“, dachte sie bei sich und es schauderte sie.

Was war mit der Welt dort draußen geschehen? Langsam schlich sie sich zurück in das Ankleidezimmer.

Dort hingen noch ihre Kleider. Bevor sie etwas unternehmen konnte, musste sie sich erst einmal salonfähig machen. Einfache Bein- und Oberbekleidung sollten genügen.

Sie versuchte zu telefonieren, aber es kam keine Verbindung zustande. Genauso, wie Internet, Isonet oder Satellitenempfang unmöglich geworden waren, gab es keine Verbindung mehr nach außerhalb.

Ihr Anwesen lag etwa sechs Kilometer von der Stadt entfernt.

Es gab keine Alternative, sie musste wissen, was geschehen war.

Mit ihren 72 Jahren war Carla noch sehr fit, lediglich der Umgang mit anderen Menschen wurde seit Jahren von ihr gemieden, außer Anna natürlich und ihr Mann Jules.

Jules war Kunsthistoriker, vier Jahre jünger als sie und befand sich gerade auf einer Vernissage in Paris.

Er würde erst nächste Woche wieder zurück sein. Sie war schon seit Jahren kein Auto mehr gefahren.

Der alte Mercedes GLA Baujahr 1998, zobelbraunmetallic stand wie eh und je in der Garage. Antoine, der Gärtner, hatte ihn immer wieder aufpoliert.

Er liebt den Wagen wie eine Frau, hatte Jules einmal gesagt. Jetzt stand sie vor dem Ungetüm.

Das automatische Garagentor funktionierte nicht. Carla musste zunächst das Tor von der Steuerung entriegeln und auf manuelle Bedienung umstellen. Gut, dass sie Antoine mehrmals bei dieser Tätigkeit zugeschaut hatte.

So wusste sie sofort, welche Griffe notwendig waren. Bei ihm hatte es immer sehr kraftaufwendig ausgesehen, aber jetzt, nachdem sie das Tor hochgeschoben hatte, schien es ihr überhaupt nicht anstrengend gewesen zu sein.

Der Wagen sprang ohne Murren sofort an, nachdem sie den alten Zündschlüssel umgedreht hatte.

Ihr Mann hatte ihr einmal gesagt, dass in diesem alten Monstrum überhaupt keine elektronischen Bauteile verbaut waren.

Die wenigen ab Werk eingebauten Teile waren im Laufe der Jahrzenten von den damaligen Besitzern durch mechanische Teile ersetzt worden.

Warum man das getan hatte, entzog sich jedoch ihrer Kenntnis.

Der einfache Vergasermotor rasselte wie ein alter Zigeunerwagen, der über holprige Wege fuhr und in dem das wenige Geschirr am Rahmen aufgehängt war, als sie die Burg hinter sich ließ und den mehr oder weniger gut befestigten Weg zu ihrem Anwesen entlang fuhr.

Sie hatte merkwürdige Weise überhaupt keine Schwierigkeiten, dieses Monstrum mit dem Lenkrad zu bewegen.

Früher hatte sie sich dabei immer wieder Mal die Schulter gezerrt, da der Wagen über keine elektronischen Lenkhilfen verfügte.

Jetzt konnte sie ihn sogar mit nur einer Hand steuern.

Alle Pflanzen und Bäume am Wegesrand waren entweder zu einer trockenen Masse zusammengesunken oder ganz verschwunden.

„Es sieht aus, wie eine Kraterlandschaft auf dem Mond“, dachte sie noch, als eine merkwürdige Erscheinung direkt auf dem Weg saß oder stand, das konnte sie so genau nicht erkennen, und sie musste den Wagen stark abbremsen.

Bevor er jedoch gänzlich zum Stillstand gekommen war, erhob sich dieses Ding  in die Luft. Seine gespreizten Flügel hatten eine Länge von über einem Meter.

Mit einem schrillen Schrei flog das Tier fast gegen die Windschutzscheibe des Mercedes, bevor es sich über den Wagen hinweg in die Lüfte schwang.

Carla von Staufenberg erschrak und gab wieder Gas. Der Wagen machte einen Sprung nach vorne.

„Was waren das nur für seltsame Kreaturen, wie aus einem alten Horrorfilm“, dachte sie.

Die Straße führte jetzt mehrere Kilometer gerade aus. Das Land hatte sich verwandelt. Keine Bäume, noch Sträucher zierten den Fahrbahnrand.

Selbst die Felder lagen kahl und grau in der düsteren Sonne. Einmal glaubte sie während der Fahrt sehr weit im Westen eine riesige Maschine zu sehen, so groß wie ein Mammut Schaufelbagger in den USA, oder sogar noch größer.

Seltsame lange, röhrenförmige Schläuche peitschten ständig an der Maschine entlang durch die Luft.

Dann machte die Straße eine kleine Biegung, und sie musste sich wieder auf die Fahrbahn konzentrieren.

„Hier stand früher ein kleines Wäldchen“, erinnerte sie sich und ging automatisch vom Gas.

Jetzt lag die gesamte ehemalige Waldfläche in einem beängstigend wirkenden Grau, von den Bäumen keine Spur mehr.

Vereinzelt standen pilzartige Strukturen, die sich 10 bis 15 Meter in die Höhe zogen.

Der Boden schien nicht mehr nur aus Erde zu bestehen, er wogte in kleinen Wellen hin und her und ab und an konnte sie Blasen aus der schlammartigen Masse herausplatzen sehen. Mittlerweile fuhr Carla von Staufenberg nur noch im Schritttempo.

Mit offenem Mund blickte sie staunend von einer Straßenseite zur anderen. Sie verstand nicht wirklich, was hier vorging.

Mit einem lauten Seufzer drückte sie spontan das Gaspedal wieder voll durch und ließ den alten Wagen mit maximaler Leistung beschleunigen.

Nach einer weiteren halben Stunde, in der sie durch diese trostlose und fremd gewordene Landschaft gefahren war, sah sie am Horizont die Stadt, oder besser gesagt, es sollte die Stadt sein.

Was überhaupt nicht dorthin passte, waren die vielen Fluggeräte, die über ihr kreisten und die immer wieder vereinzelt auf die Häuser herunterstießen.

Dann ertönte jedes Mal ein ohrenbetäubender Geräuschorkan, Staub wallte auf und ein Teil der Stadt verschwand hinter einem riesigen Staubmantel.

Carla hielt den Wagen an und blickte eine ganze Weile auf dieses Szenario.

Immer mehr Häuser verschwanden aus ihrer Sicht, je länger sie wie versteinert hinter dem Lenkrad saß und beobachtete.

Die alte Dame bekam es nun erst recht mit der Angst zu tun.

Sie konnte zunächst nicht begreifen, was sie sah. Ihr Ziel war die nahegelegene Stadt gewesen, um dort in Erfahrung zu bringen, was um alles in der Welt geschehen war.

Nun steckte sie auf offener Straße in einer für sie unbegreiflichen Welt fest, ohne zu wissen, wie sie hier jemals wieder herauskommen sollte.

Nun erlosch auch noch der blasse, milchige Schein der Sonne und es wurde dämmrig.

Carla schaltete die Scheinwerfer ein und ihr Herz setzte für mehrere Schläge kurz aus. Direkt vor dem Wagen saß oder stand ein Drache und blickte sie mit rot glühenden Augen tückisch an.

Dass es sich tatsächlich um einen Drachen handelte, nahm sie an, als das riesige Untier jetzt mit den Flügeln ausholte und sie immer schneller auf und niederschlug, während aus dem mit großen spitzen Zähnen besetzten Maul ein greller Schrei ertönte.

Das Tier war breiter als die Straße, aber nicht unbedingt größer als ihr Wagen.

Als Carla sich von dem ersten Schrecken etwas erholt hatte, kam ihr tatsächlich nichts anderes in den Sinne, als die Autohupe zu betätigen.

Doch anstatt sich das Untier von dannen machte, wurde es dadurch nur noch angriffslustiger und es kreischte immer greller und in immer höheren Tönen.

Dann machte es einen Satz nach vorne, direkt auf die Motorhaube zu.

Carla zuckte auf dem Fahrersitz zurück, als sich das fürchterliche zähnefletschende Maul auf einem langen, dürren Hals nach vorne schob und gegen die Windschutzscheibe schlug.

Das Tier begann wie wild mit seinen Flügeln zu schlagen und krallte sich mit seinen stahlharten Zehen in das Blech des Wagens.

Immer wieder stieß es jetzt sehr hohe Töne im Ultraschallbereich aus, die in Carlas Kopf stechende Schmerzen verursachten.

Carla war minutenlang unfähig sich zu bewegen. Der Wagen begann immer stärker von einer Seite auf die andere zu wippen.

Das Ungeheuer schlug mit den mächtigen Flügeln immer schneller und versuchte anscheinend den Wagen mit in die Höhe zu reißen. Mit einer Flügelspannweide von fünf Metern nahm es die ganze Sicht ein. Mit einem fürchterlichen Schlag, der aus dem Motorraum kam, ging der Motor des Wagens aus und heißer Wasserdampf zischte explosionsartig aus dem Motorblock auf das Tier zu und hüllte es ein.

Der Drache zog tatsächlich vor Schreck die mit scharfen Krallen besetzten Zehen aus der Motorhaube zurück und vollzog eine halb gerissene Rolle, das heißt, er zog mit dem Körper nach oben, wobei er gleichzeitig einen einseitigen Strömungsabriss an dem rechten Flügel bewirkte. Der Auftrieb an diesem Flügel brach zusammen und führte zu einer schnellen Autorotation um seine Körperlängsachse.

Carla sah noch, wie das Monstrum nach links wegkippte, dann bekam sie ihre Bewegungsfreiheit wieder.

Mit einem unterdrückten Aufschrei stürzte sie aus dem Wagen und rannte in die düstere Nacht hinaus.

Zunächst blieb sie noch auf der asphaltierten Straße. Mit ihren 72 Lebensjahren war sie keine gute Läuferin mehr, jedenfalls als Mensch. Jetzt jedoch, nach der Metamorphose, erreichte sie ohne weiteres eine Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometer.

Hätte sie sich selbst so gesehen, wie sie auf der Landstraße entlang rannte, wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, dass hier ein Mensch, unabhängig von seinem Alter, um sein Leben rannte.

Aber sie war kein Mensch mehr, auch wenn dies mit all seinen Konsequenzen noch nicht bei ihr angekommen war.

Ein in den grellsten Tönen ausgestoßener Schrei ließ sie mitten im Lauf einen fünfundvierzig Grad Haken schlagen.

Mit unverminderter Geschwindigkeit verließ sie die Landstraße, und bevor sie die neue Umgebung richtig wahrnehmen konnte, steckte sie bereits bis zum Unterkörper in einem Schlammgeysir.

Der Geruch der schleimischen Brühe war angenehm und löste ein gutes Gefühl in ihr aus, wenn da nicht die Angst vor diesem monströsen, aus der Hölle entflohenen Untier gewesen wäre.

Carla blickte zum wolkenbehangenen, dunklen Himmel hinauf. Kein Stern war zu erkennen.

Einige Meter weiter vor ihr erschienen, wie aus einem schlechten Albtraum heraus, dunkle Umrisse.

Angst schob sich zwischen ihren Schulterblättern hoch und ließ sie kurz den Atem anhalten.

Ultrahohes Wutgebrüll und ein lautes Dröhnen und Scheppern erschallten von dort her, wo ihr Mercedes stand.

Der Drache hatte sich mit seinen spitzen Krallen in der Motorhaube des Wagens verhakt und versuchte sich nun mit zornigen Flügelschlägen gegen die Fahrgastzelle zu befreien.

Carla zog sich aus dem Geysir und blickte sich gehetzt um.

In diesem Moment wurde es in einem Umkreis von zehn Metern um sie herum heller. Ihre Augäpfel fingen an, dunkelrot zu glühen.

Ihre durch die Transformation veränderten Sinne wurden aktiv und ihre Augen schalteten auf Infrarotsicht um.

Die sowieso schon sehr wenigen Farben, die tagsüber zu sehen waren, verschwanden jetzt gänzlich. Eine mehr oder weniger schwarz-weiße Umgebung erschien vor ihr und zeigte die eben noch beängstigenden Schatten als abgestorbene Baumstümpfe, die in einer langen Reihe standen.

Carla schnellte sich zwischen ihnen hindurch und verbarg sich hinter dem Größten von ihnen. Ihr Atem ging immer noch schnell, als sie um den Baumstumpf herum zurück in Richtung ihres Wagens blickte.

Dort war es sehr mittlerweile ruhig geworden. Kein Geräusch war mehr zu hören.

Carla hielt nochmals kurz die Luft an, um etwas besser hören zu können, jedoch ohne Erfolg. Sie versuchte weiterhin sehr leise zu atmen und ihre Blicke wanderten ständig von einer Seite zur anderen.

War das Untier etwa verschwunden?

Sie konnte jedenfalls nichts erkennen. Der Wagen stand leider bereits viel zu weit von ihrem jetzigen Aufenthaltsort entfernt, um dort Bewegungen wahrnehmen zu können.

War das Tier vielleicht über sie hinweg geflogen und erwartete sie bereits im Rücken? Sie drehte sich blitzartig um und war auf das Schlimmste gefasst.

Das Einzige, was sie am Rande ihres erweiterten Blickfeldes erkennen konnte, waren riesige, pilzartige Bäume, die bis weit in den Himmel hineinzuwachsen schienen.

Carla setzte sich mit dem Rücken an den Baumstumpf und überlegte, was sie nun tun sollte.

Aufmerksam betrachtete die 72 Jahre alte Frau ihren neuen Körper. Etwas fing an, sie daran zu stören.

Die Hose war durch den Schlamm des Geysirs, in den sie hineingefallen war, total verschlammt und nass.

Aber sie zog, wie unter einem inneren Zwang, zuerst die Oberbekleidung aus und warf sie achtlos davon. Sie atmete tief durch und befreite sich danach von ihrer restlichen Kleidung.

„So fühle ich mich schon viel besser!“

Der eigene Körper, der sie noch vor wenigen Stunden angeekelt hatte, dass sie daraufhin in Ohnmacht gefallen war, war mit einem Mal nicht mehr so abstoßend. Sie strich sich zuerst sanft über den Bauch, dann etwas härter über die Oberschenkel.

Solch eine stramme und glatte Haut hatte sie schon seit Jahrzenten nicht mehr gefühlt. Auch ihre Brüste waren hart und wieder gut geformt.

Lediglich die dunkle Hautfarbe und die lederartige Oberfläche war etwas, das sie immer noch nicht wirklich verstand. Plötzlich krampfte sich ihr Magen zusammen und ein stechender Schmerz schoss von ihm ausgehend durch ihren ganzen Körper.

Gleichzeitig bekam sie starken Durst. Sie musste unbedingt etwas trinken. Vorsichtig stand sie vom Boden auf und blickte sich um.

Konnte sie es wagen, zurück zu ihrem Wagen zu gehen?

Aber sie hatte in der Aufregung nicht daran gedacht, etwas Trinkbares mitzunehmen. Warum auch, die Stadt schien ja nicht so weit entfernt gewesen zu sein.

Jetzt erinnerte sie sich, dass sie an einer Tankstelle vorbei gekommen war.

Wie ein Raubtier auf Beutefang schlich Carla zunächst in Richtung ihres Wagens, blieb kurz stehen, als sie ihn erblicken konnte, und ging dann parallel zur Straße weiter südwärts.

Deckung bekam sie durch eine Reihe von sehr merkwürdig aussehenden Gewächsen, die sich wie Krakenarme, wer weiß woran, in den Himmel zogen.

So ging sie eine ganze Weile mehr geduckt als aufrecht und folgte dem Straßenverlauf. Sie hatte kein Zeitgefühl mehr und erschrak sichtlich, als in etwa 200 Metern Entfernung sich ein schwarzer und sehr großer Schatten erhob.

Sie blieb sofort stehen und kniete nieder. Mit einer Hand teilte sie die Schlingpflanzen vor ihrem Kopf, um eine bessere Sicht zu bekommen, als ein kleiner Lichtschein aus dem Schwarz heraus zu ihr durchdrang.

Völlig auf dieses helle Licht fixiert, das die Infrarotfähigkeit ihrer Augen sofort deaktiviert hatte, schlich sie weiter darauf zu.

Nun war ihre unmittelbare Umgebung richtig in Dunkelheit getaucht, aber das störte sie nicht weiter.

Ganz leise hörte sie jetzt menschliche Stimmen. Langsam schälten sich aus der Finsternis die Umrisse eines Hauses. Es schien aber kein richtiges Wohnhaus zu sein, zumindest hatte es ein Flachdach und die Wände bestanden mehr oder weniger aus Glas.

Aus zwei nebeneinanderliegenden Fensterflächen, die bis zum Boden gingen, drang Licht.

Sie schlich weiter darauf zu. „Natürlich, das musste die Tankstelle sein“, schoss es ihr durch den Kopf.

Und dort waren Menschen. „Endlich! Jetzt wird alles gut.“ Mit einem lauten Schrei sprang sie auf und rannte auf die Fensterfront zu, wild mit den Armen gestikulierend.

Amanda Selinger

Der Krach war mörderisch. Ihr hätten die Haare zu Berge gestanden, wenn sie noch welche gehabt hätte.

So starrte Amanda Seliger zunächst nur unverständlich auf diese riesige Maschine, die sich durch ihren Garten auf das Haus zubewegte.

Sie musste wohl in ihrem Liegestuhl eingenickt sein. Vielleicht träumte sie ja auch, denn dieses Ungetüm war doppelt so groß, wie ein Einfamilienhaus und so etwas konnte es in der Wirklichkeit überhaupt nicht geben.

Sie war aufgesprungen und stand jetzt neben dem Liegestuhl auf der Terrasse und musste bereits den Kopf in den Nacken legen, um die volle Größe der Maschinen zu überblicken.

„Steffen, wo bist du. Komm schnell auf die Terrasse!“

Sie rief nach ihrem Mann, aber es kam keine Antwort.

Wie auch, der Krach, der von diesem Ding ausging, übertönte alles andere. Amanda schätzte die Entfernung dieses Ungetüms zu ihrem Haus jetzt  nur noch auf wenige Hundert Meter.

Erschüttert beobachtete sie, wie die Gartenanlage der Schillings unter dem Monstrum verschwand.

Dann griffen auch noch riesiger Saugrohre, die aus dem Kopf des Ungetüms kamen, nach rechts hinüber und zerstörten das Haus ihrer Nachbarn mit einem einzigen Schlag.

Die Einzelteile lösten sich sehr schnell auf und wurden als feines Pulver von den Saugrohren aufgesogen.

Das nächste Anwesen war das Hausgrundstück von Ellen und Sven Jackob. Es waren Freunde von Ihnen. Amanda hatte bereits ihr Handy in der Hand und versuchte sie verzweifelt anzurufen.

Jedoch vergebens. Es ließ sich nicht einmal mehr einschalten.

Ein nuklearer elektromagnetischer Puls als Folge der enormen ionisierenden Strahlung hatte dazu geführt, dass kein elektronisches Gerät mehr funktionierte.

Auch das Nachbarhaus verging in einer Staubwolke.

Erst jetzt konnte sich Amanda aus der schockähnlichen Starre befreien, in die sie nach dem Anblick der Maschine gefallen war.

Sie rannte schreiend zurück ins Haus, in den oberen Stock. Aber sie konnte Steffen, ihren Mann einfach nirgends finden.

Als die dreifachverglaste Fensterscheibe im Schlafzimmer implodierte, rannte sie bereits zur Haustür hinunter und auf die Straße.

Das Chaos schien sich hier weiter fortentwickelt zu haben.

Sie sah mehrere Autos, die zusammengestoßen waren. Nirgendwo war auch nur eine Menschenseele zu erkennen.

Sie hatte eigentlich vor, mit ihrem Auto zu fliehen, aber dazu war es jetzt bereits zu spät.

Die Garage verging in einer ohrenbetäubenden Geräuschkulisse mit allem, was sich in ihr befand und löste sich in Staub auf, der sofort durch vorschnellende Saugrohre, die wie Krakenarme aussahen und durch die Luft wirbelten, aufgesaugt wurde.

Amanda Seliger musste sich schnellstens in Sicherheit bringen. Sie rannte über die Straße auf das gegenüberliegende Haus zu.

Nur weg von dem Ungetüm, das in ihrem Rücken jetzt ihr Heim zu Asche verwandelte.

Sie lief zunächst die Straße hinunter, vorbei an den Autowracks, die teilweise ineinander gekeilt am Straßenrand standen.

Von Menschen oder zumindest menschlichen Überresten war nichts zu sehen. Das Ganze kam ihr immer merkwürdiger vor. Sie stolperte auf dem Gehweg die Straße entlang.

Ihr Kopf ruckte wie selbstständig nach einer anderen Seite, als ob es dort etwas Normales zu sehen gäbe, aber das war nicht so.

Überall erblickte sie das Gleiche, aber in all dem Chaos gab es keinen einzigen anderen Menschen.

Selbst Hunde und Katzen, die man sonst am Tage hörte oder sah, gab es nicht mehr.

Der Himmel blickte düster auf die zerstörte Umwelt. Amanda drehte sich mehrmals um sich selbst und blieb dann stehen.

Ihre Augen begannen zu flimmern und eine unnatürliche Angst kroch langsam den Rücken hinauf.

Zehn Meter vor ihr fiel ein Haus in sich zusammen. Eine gewaltige Staubwolke stieg in den verschmiert wirkenden Himmel. Sie wollte weiter rennen, nur weg aus dieser Albtraumwelt, aber ihre Füße gehorchten nicht mehr.

Gleichzeit bekam sie panische Angst ohnmächtig zu werden. Die Geräusche rings um sie herum wurden immer verworrener. Die zwei Autowracks, die sie die ganze Zeit angestarrt hatte, begannen sich langsam in Luft aufzulösen, das Summen im Kopf wurde lauter und die Arme und Beine begannen nun ebenfalls zu zittern.

Sie zuckte sichtlich zusammen, als ein weiteres Haus in sich zusammenbrach.

Eine zweite monströse Maschine kam von der anderen Seite und die langen Saugrohre schossen wie riesige Kragenarme in den übrig gebliebenen Schutt hinein. Es rauschte stark in ihren Ohren, aber sie hatte nur ein Gefühl, als wäre ihr ganzer Kopf in Watte gepackt.

Sie musste hier weg, nur weg von diesem Ort.

„Steffen, verdammt wo war nur Steffen?“ Mit einem Aufschrei, der all ihre Ängste nach außen brachte, rannte sie weiter.

Sie stieß immer wieder laute Schreie aus, während sie ihre Laufgeschwindigkeit verdoppelte.

Ihre Beine brachten ihren Körper mittlerweile auf eine Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometer und sie bemerkte es noch nicht einmal.

Sie konnte nicht wissen, dass durch die Metamorphose ihres Körpers in den letzten Tagen ihre Körperstärke sich verzehnfacht hatte.

Nach etwa 20 Minuten erreichte sie tatsächlich den Stadtrand. Neben einem Baumstumpf, der sich wie Gummi anfühlte, ließ sie sich nieder.

Merkwürdigerweise war sie überhaupt nicht müde, nur sehr hungrig. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie keine Kleidung mehr trug. Verwirrt betastete sie ihre Brust.

Die Haut war dunkel und lederartig, aber sonst fühlte sie keinen Unterschied zu früher.

Sie erschrak fürchterlich, als wenige Meter neben ihr ein kleiner Geysir eine dunkle Schlammmasse eruptionsartig aus der Erde herausschleuderte.

Die beginnende Furcht über die Verwandlung ihres Körpers wurde zunächst durch die fremde Umgebung verdrängt.

Es dauerte nur Sekunden, dann folgten immer mehr dieser Eruptionen und die Temperatur stieg an. Es zischte und blubberte immer lauter. Amanda wollte sich gerade erheben, als sie ein eigenartiges Gefühl in sich spürte.

Die bis zu zwei Meter hohen Fontänen der Geysir bestanden unter anderem aus im heißen Wasser gelösten Mineralien, die einen sehr angenehmen Geruch verströmten, der sie fast magisch anzog.

Amanda ignorierte ihren Fluchtinstinkt und ging vorsichtig näher heran.

Die ersten Wasserspritzer erreichten ihren Körper und lösten ein noch angenehmeres Prickeln aus. Sie streckt die Hand aus und wollte gerade in einen zusammengesackten Geysir hineingreifen, als unter ihren Füßen der Boden nachgab und sie mit einem erstickenden Schrei in die warme Brühe hinein rutsche.

Gleichzeit gab es weitere Eruptionen um sie herum und überschütteten sie mit 120 Grad Celsius heißen Schlamm und Mineraliengemisch.

Ihr Körper rutsche in eine etwa einen halben Meter tiefe Bodenwanne aus Mineralschlamm und sie fühlte sich dabei pudelwohl.

Sie genoss es richtig, wie jede kleinste Körperpore ihres Körpers sich öffnete und ihr ein wohliges Gefühl der Entspannung vermittelte.

In ihrem alten Körper hätte sie bereits Verbrennungen dritten Grades erlitten und ihre inneren Organe wären langsam gesotten worden.

Ihr neuer Körper hingegen schien aufzublühen und neue Lebensgeister kamen zu ihr zurück.

Mit einem Mal schien die Welt doch nicht mehr so trist zu sein, wie sie bisher dachte.

Sie schloss kurz die Augen und entspannte. Ein lauer, miauender Ton ließ sie wieder schnell die Augen öffnen.

Ihre Arme lagen seitlich am Boden und stützen den Körper. Jetzt stieß sie sich kräftig ab und schnellte in die Höhe. Lauernd blickte sie um sich, als der Ton sich wiederholte.

Es kam aus ihrem Bauch und ein kurzer, stechender Schmerz folgte. Amanda hatte Hunger.

Jetzt, nach dem kurzen aber erfrischenden Mineralmoorbad verspürte sie doppelten Hunger, der schnell zu einem wahren Heißhunger wurde.

Ihre Augen begannen intensiv rot zu glühen und sofort verwandelte sich ihre Umwelt. Aus dem grau in grau wurden farbiger Schatten, die sich bewegten.

Sowohl in der Luft wie auch am Boden konnte sie mit einem Mal eine reichhaltige Fauna entdecken.

Es waren keine bekannten Tiere dabei, das bemerkte sie jedoch nur am Rande ihres Geistes. Ihr Instinkt übernahm kurzfristig das Sagen und analysierte, was sie sah. Besonders interessierte er sich für eine kleine, etwa 50 Zentimeter große Spezies, die den Boden unter den letzten Baumstümpfen als ihren Lebensraum auserkoren hatte.

Die Tiere hatten acht Beine, eine längliche Körperform, die ansatzlos in einen rundlichen Kopf überging.

Dort dominierten die beiden sehr dicken und langen Fühler. Augen konnte sie nicht erkennen.

Die Tiere bewegten sich einzeln, aber auch in Gruppen durch den abgestorbenen Wald, der einst hier gestanden hatte. Amanda ging langsam auf eine Gruppe von fünf Tieren zu.

Es schien sie überhaupt nicht zu stören, oder die Tiere nahmen sie tatsächlich nicht war.

Schließlich gehörte Amanda nicht in ihre Biosphäre und war damit kein Teil ihrer Nahrungskette.

Das agonistische Verhalten der Tiere ihr gegenüber war damit mehr als passiv, es war reine Ignoranz. Amanda hatte es leicht, sehr leicht an diese dummen Viecher heranzukommen, wie sie sie nannte.

Sie hatte sich bis auf einen halben Meter einer Gruppe genähert, die anscheinend gerade dabei war, kleine, grün leuchtende Käfer zu fressen.

Ihr rechter Arm schnellte vor, um sich einen von ihnen zu greifen, als sich in Sekundenbruchteilen ihre Fingerkuppen zu messerscharfen Dolchspitzen verwandelten und ein Tier regelrecht aufspießten.

Es hatte noch nicht einmal mehr die Möglichkeit, einen einzigen Laut von sich zugeben, da war es bereits tot.

Amanda biss genussvoll in die dicken Fühler und riss sie aus dem Kopf. Laut schmatzend machte sie sich über den in ihrer Hand aufgespießten Körper her, während sich die übrig gebliebenen Tiere ebenfalls weiter mit den Käfern beschäftigen, so, als wäre überhaupt nichts geschehen.

Sie ignorierten Amanda immer noch und das Schicksal ihres Artgenossen schien ihr weiteres Verhalten in keinem Maße zu beeinflussen.

Amanda hatte sich kauend von den Tieren zurückgezogen und lag wieder zufrieden mit sich und der Welt in einem Geysir Pool.

Nachdem sie das ganze Tier verspeist hatte, besonders gut hatte ihr das hellgelbe Blut geschmeckt, es hatte sehr angenehm beim Aussaugen der Körpergefäße in ihrem Rachen geprickelt, schlief sie auch schon ein. Die Metamorphose war nunmehr vollständig abgeschlossen und hatte den Mensch Amanda Selinger vollkommen in die neue Umwelt integriert.

Als sie in der Nacht erwachte, wusste sie zunächst nicht, wo sie war. Etwas verängstigt stieg sie aus dem immer noch angenehm warmen Schlamm und blickte sich um.

Ein sanftes Glühen tausender Leuchtpunkte lag in der dunkelgrauen Nacht. Sie wischte mit der Hand durch die Luft und die leuchtenden Punkte zogen einen feinen Strich.

Er hielt lediglich weniger Sekunden und löste sich dann wieder auf. Kein Laut war zu vernehmen.

Sie erinnerte sich nur noch wage, wie sie hierher gekommen war. Als sie die Überreste des Tieres am Boden neben dem Geysir erblickte, wurde ihr schlagartig klar, was sie getan hatte.

„Aber irgendwie war es doch das natürlichste der Welt gewesen“, dachte sie.

Schließlich musste sie sich doch ernähren und außerdem hatte sie auch keine schlechte Erinnerung an das, was geschehen war. Sie fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.

Die Umgebungstemperatur fühlte sich sehr angenehm an. Unternehmungslustig schaute sie hinauf zu den wenigen Sternen, die sich durch die sonst verschleierte Wolkendecke schoben.

Tatsächlich begann bereits ein neuer Tag und milchig drüber Lichtschein versuchte die Düsternis zu verdrängen.

Amanda besann sich nicht länger, sondern schritt zwischen den Baumstümpfen des ehemaligen Waldes hindurch.

Von ihrer jetzigen Stelle sah es so aus, als gäbe es wirklich noch Waldgebiete.

Je näher sie jedoch der besagten Gebiete kam, umso mehr bemerke sie den doch gewaltigen Unterschied.

Sie konnte schon von weitem die riesigen Pilzbäume erkennen, die in kleinen und großen Gruppen zusammenstanden und die alten Laub- und Nadelbäume abgelöst hatten.

Der Boden verwandelte sich immer mehr in einen modrig weichen Untergrund. Die jungen Pilzbäume ragten 10 bis 15 Meter in den Himmel.

Ihre braun-graue Farbe vermischte sich mit der verwaschenen grauen Silhouette einer Sonne, die nicht mehr als solche zu erkennen war. Am Boden entlang krochen die vegetativen Hyphen der mächtigen Pilzbäume und warfen ganze Netzwerke von Schlingfallen aus.

Amanda wäre fast gestolpert, als sie mitten in ein solches Bündel von gigantischen Hyphen trat.

Sie zogen sich mit einer unvorstellbaren Kraft ruckartig zusammen und umwickelten ihren rechten Knöchel.

Sie konnte die Fäden durch Schütteln des Beines nicht mehr abstreifen. Je mehr sie sich jetzt bewegte, umso mehr Netze der Pilzbäume in ihrer unmittelbaren Umgebung wurden aktiv und bewegten sich auf sie zu.

Die Bodenoberfläche um sie herum kam in Wallung und sie sank mit einem kurzen Ruck bis zu den Kniegelenken ein.

Mit einem erschrockenen Aufschrei warf sie sich nach hinten und versuchte auf allen Vieren zurück auf den festen Boden zu gelangen.

Erst als sie sich mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft gegen den Zug der Hyphen stellte, rissen mit einem kreischenden Ton die Netze auseinander und gaben sie frei.

Aufatmend kroch sie weiter zurück, bis sie einen der letzten Baumstümpfe erreichte.

Den Pilzwald würde sie jedenfalls zukünftig meiden. Sie massierte vorsichtig den Knöchel, aber das Gelenk schien nicht verletzt worden zu sein. Amanda blieb noch eine Weile neben dem Baumstumpf sitzen. Langsam fanden ihre Gedanken wieder zusammen.

Ihr Ego hatte sich in den letzten Stunden in die Tiefen ihres Geistes zurückgezogen und kam nun langsam wieder zum Vorschein.

Sie blickte zunächst noch verwirrt an ihrem nackten Körper herunter.

All das, was sie nun sah, wurde jetzt zum ersten Mal auch von ihrem Geist aufgenommen. Die dunkle Lederhaut, die zum erheblichen Teil von Erde und Schlamm bedeckt war, erschreckte sie nicht mehr.

Im Gegenteil genoss sie diese neue Körperfreiheit. Keine lästigen Konventionen mehr, immer auf das Äußere bedacht und ja nicht die Etikette verletzen.

Überhaupt schien dieser neue Körper, wie sie es nun sich selbst eingestand, auch seine Vorteile zu haben.

Amanda begann ihre Umwelt mit anderen Augen zu sehen und ihr menschliches Verhalten passte sich langsam den neuen Bedingungen an.

Mit einem Schwung voller Elan sprang sie auf die Beine, dabei entleerte sich ihre Blase, aber das kümmerte sie nicht wirklich.

Vor über einer Woche, in der alten, menschlichen Welt, wäre sie über ihr jetziges Benehmen nicht nur erschrocken gewesen, sondern hätte sich wahrscheinlich sogar vor sich selbst geekelt.

Aber die Erinnerung daran war bereits sehr stark in ihr Unterbewusstsein verdrängt worden.

Ein neuer Selbsterhaltungstrieb übernahm mit der bereits abgeschlossenen Metamorphose ihren neuen Lebensrhythmus und ebenfalls ihr Denken.

Ein lauter, im Ultraschallbereich ausgestoßener Schrei ließ sie kurz innehalten. Der Schrei kam nicht vom Boden, das wusste sie instinktiv.

Sie fühlte sich beobachtet. Das Gefühl einer drohenden Gefahr breitete sich in sekundenschnelle aus.

Sie blickte sich gehetzt um. Sie benötigte eine Deckung, sofort, und zwar eine Deckung, die sie vor den Augen eines Flugtieres verbergen konnte.

Leider gab es keine normalen Bäume mehr und zurück in den Pilzwald wollte sie auch nicht.

Ein riesenhafter Schatten näherte sich aus der Luft. Sie konnte die Umrisse auf dem Boden erkennen. Und wieder erschallte der Schrei.

Er war für viele Tiere am Boden nicht zu hören und somit erkannten sie auch die Gefahr nicht, die dort auf sie zukam.

Es war ein Monstrum, über zehn Meter groß und mit Dutzenden von Fangarmen ausgestattet.

Das Tier war nicht dicker als eine Flunder und schien mit seinem mächtigen Körper eher zu segeln als zu fliegen.

Der Kopf hing in der Körpermitte an einer aufgepfropften, halsähnlichen Verdickung. Drei rot glühende Knopfaugen schauten bösartig auf den Boden herab, während sich das zahnbesetzte Maul des Tieres, einem Piranha nicht unähnlich, nur zehnmal größer, rhythmisch öffnete und wieder schloss.

Amanda stieß einen leisen Fluch aus und hechtete in geduckter Stellung über den morastischen Boden.

Ihr war spontan die einzige Möglichkeit eingefallen, wie sie dem Jäger entkommen konnte.

Sie erreichte bereits nach wenigen Minuten den ersten Geysir und warf sich mit einem kräftigen Sprung hinein. Sie hatte Glück und das Schlammloch, in dem sie landete, war groß genug um ihren Körper vollständig mit der warmen Brühe zu bedecken.

Sie holte nochmals tief Luft und tauchte unter.

Die fliegende Piranhaflunder hatte sie sofort aus der Ortung verloren. Die Ultraschallsignale brachen sich auf der Schlammoberfläche des Geysirs, ohne dass eine Rückmeldung zu dem fliegenden Jäger erfolgte.

Amanda hatte noch zweimal ihre Nasenflügel kurz aus der Schlammbrühe gesteckt und frischen Sauerstoff getankt.

Beim dritten Mal wagte sie es wieder den Kopf ganz herauszustrecken und die Augen zu öffnen.

Es war sehr still geworden. Kein Tierlaut war zu hören, aber auch kein Schrei im Ultraschallbereich.

Ihr Blick wendete sich in den grauen Himmel, der langsam begann wieder dunkler zu werden. Vorsichtig richtete sie nun auch ihren Oberkörper weiter auf. Dicker, warmer Moorschlamm tropfte von ihrer Stirn.

Sie wischte sich durch das Gesicht und pulte sich die Ohren frei. Sie hatte sich tatsächlich gerade überlegt, noch etwas länger in diesem Schlammbad zu bleiben, als ein Motorengeräusch sie erneut aufschreckte.

Mit einem Satz sprang sie aus dem Geysir und blieb in geduckter Haltung neben dem Schlammloch hocken.

Das Motorengeräusch kam ihr merkwürdig fremd und doch vertraut vor. Langsam sickerte ihre menschliche Seite durch und längst Vergessenes kam an die Oberfläche ihres Verstandes.

„Steffen, wo bist du nur?“ Sie erinnerte sich an ihren Ehemann, aber es kam ihr so vor, als wären bereits Jahrzehnte vergangen, seitdem sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.

„Wo bin ich hier eigentlich und was mache ich hier? Wie sehe ich überhaupt aus?“

Das Motorengeräusch kam hörbar näher und gleichzeitig vermischten sich nun die Erlebnisse der letzten Stunden mit ihrer Vergangenheit.

Es wurde Zusehens dunkler und ihre rötlich glühenden Augen schalteten auf Infrarot um. Sofort wurde es wieder heller, jedoch verschwanden die ohnehin sehr spärlich vorhandenen Farben jetzt gänzlich.

Nur ein grau in grau Schleier blieb erhalten. Etwa 200 Meter in Richtung Pilzwald konnte sie jetzt ein Fahrzeug erkennen, das anhielt.

Es war kein normales Auto, so wie sie es von früher her kannte. Mehrmals blitzten Bilder durch ihr Unterbewusstsein.

Sie erblickte eine stark frequentierte Straße mit Fahrzeugen aller Art, die sich fast kerzengerade durch einen Vorort der Kreisstadt zog. Überall standen saubere, kleine Einfamilienhäuser und bunt bekleidete Menschen waren mit allerlei Tätigkeiten in ihren Vorgärten beschäftigt.

So schnell, wie die Erinnerung gekommen war, so schnell war sie wieder verschwunden.

Die Fahrertür des Militärfahrzeugs öffnete sich. Dass es sich um ein Militärfahrzeug handelte, war ihr sofort klar, als sie jetzt auch noch die Vorrichtung auf dem Dach bemerkte.

Es musste sich um ein Geschütz oder Ähnliches handeln, das auf dem Dach montiert war. Sie lief bereits freudig erregt auf den jetzt sichtbar werdenden Soldaten zu, als sie mitten im Lauf auch schon wieder anhielt und sich zu Boden warf.

Das dort vorne war kein Mensch, so wie Amanda es aus ihren Erinnerungen kannte.

Sie hielt kurz die Luft an, als der Blick des Mannes in ihre Richtung ging. Er hatte sie offenbar nicht bemerkt.

Es war eindeutig ein männliches Wesen, das konnte sie an seinen äußeren Geschlechtsmerkmalen erkennen. Überhaupt bemerkte sie erst jetzt, dass das Wesen dort nackt war.

Irgendwie kam er ihr bekannt vor, bis auf den doch sehr großen Phallus, der zwischen seinen Oberschenkeln irgendwie fehl am Platz wirkte.

„Er sieht tatsächlich aus wie ich!“

Der Gedanke war noch nicht richtig zu Ende gedacht, als sie seitlich ein Geräusch hörte.

Da ihr Instinkt keine Gefahr signalisierte, drehte Amanda ihren Kopf nur langsam herum und erschrak dann umso mehr.

Direkt vor ihrer Nase hing ein ebenso großer Phallus, wie sie ihn gerade eben noch bei dem Mann am Militärfahrzeug gesehen hatte. Ein fast gleiches Ebenbild von ihm stand einen halben Meter neben ihr und grinste sie von einem haarlosen Schädel herunter an.

„Ich bin Festus Helmstett, hallo. Man, bin ich froh endlich eine lebende Seele zu finden. Was ist hier eigentlich los? Können Sie mir helfen?“

Amanda war in eine Art Schreckstarre gefallen, und als sie endlich wieder fähig war, erste Worte zu formulieren, erreichte sie der Ruf des Soldaten: „Stehen bleiben und Hände hoch! Bleiben Sie, wo Sie sind und rühren Sie sich nicht vom Fleck, sonst schieße ich!“

Festus Helmstett

Er erwachte mit Schmerzen. Verwirrt blickte er sich um. Es dauerte jedoch noch mehrere Minuten, bis er realisierte, dass er sich in seinem Auto befand und dass er anscheinend einen Unfall gebaut hatte.

Sein linkes Bein schien eingeklemmt zu sein.

Von ihm ging auch der stechende Schmerz aus, der sich immer wieder genau nach fünf Sekunden zu einer Schmerzenswelle aufbaute, um dann nach einer Sekunde wieder zu verebben. Sein Wagen lag definitiv auf der Seite.

Jedenfalls hing er schief im Gurt und sein Kopf lag auf einem Grasbüschel, das durch die zertrümmerte Seitenscheibe ungehindert in das Wageninnere ragte.