Der Teufel in der Küche - Felicity Green - E-Book

Der Teufel in der Küche E-Book

Felicity Green

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Beschreibung

Verborgene Kräfte. Ein dunkles Erbe. Und das Rezept für eine magische Katastrophe.

Fionna Simmonds war schon immer die Außenseiterin. Ihre Herkunft ist ihr unheimlich, ihre Kräfte rätselhaft, und mit anderen Hexen hat sie wenig am Hut. Stattdessen pflegt sie die staubige Büchersammlung ihrer Großmutter und bleibt im düsteren Keller ihres Elternhauses für sich. Doch als sie ein altes Familienkochbuch entdeckt, ändert sich alles: Die scheinbar harmlosen Rezepte entfesseln ein magisches Chaos.

Als plötzlich eine hartnäckige Privatdetektivin auftaucht, die das Buch im Auftrag eines unbekannten Kunden beschaffen soll, weigert sich Fionna, es herauszugeben. Während sich die magischen Missgeschicke häufen, sieht sie sich einer dunklen Bedrohung gegenüber – jemand will um jeden Preis die Seiten mit den übernatürlichen Rezepten in seine Gewalt bringen.

Je mehr Wahrheiten aus der Vergangenheit ans Licht kommen, desto größer wird die Gefahr: Wird Fionnas Gabe zur tödlichen Zutat in einem teuflischen Plan?

DER TEUFEL IN DER KÜCHE ist der dritte Band der Highland-Hexen-Krimis, einer paranormalen Cozy-Krimi-Reihe voller Magie, Spannung und schottischen Mythen. Eine köstliche Mischung aus Humor, Hexerei und Heldinnenmut – garantiert nicht zu süß!

Jetzt lesen und das Chaos zum Brodeln bringen!

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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DER TEUFEL IN DER KÜCHE

EIN HIGHLAND-HEXEN-KRIMI

FELICITY GREEN

Felicity Green

Der Teufel in der Küche

Ein Highland-Hexen-Krimi

Band 3

© Felicity Green, 1. Auflage 2017

Neue, überarbeitete Auflage 2025

www.felicitygreen.com

Veröffentlicht durch:

A. Papenburg-Frey

Schlossbergstr. 1

79798 Jestetten

[email protected]

Umschlaggestaltung: Lou Harper / May Dawney

Korrektorat: Wolma Krefting, bueropia.de

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

www.felicitygreen.com

INHALT

Prolog

Kapitel eins

Kapitel zwei

Kapitel drei

Kapitel vier

Kapitel fünf

Kapitel sechs

Kapitel sieben

Kapitel acht

Kapitel neun

Kapitel zehn

Kapitel elf

Kapitel zwölf

Kapitel dreizehn

Kapitel vierzehn

Kapitel fünfzehn

Kapitel sechzehn

Kapitel siebzehn

Kapitel achtzehn

Kapitel neunzehn

Kapitel zwanzig

Kapitel einundzwanzig

Kapitel zweiundzwanzig

Kapitel dreiundzwanzig

Kapitel vierundzwanzig

Kapitel fünfundzwanzig

Kapitel sechsundzwanzig

Kapitel siebenundzwanzig

Kapitel achtundzwanzig

Kapitel neunundzwanzig

Kapitel dreißig

Kapitel einunddreißig

Kapitel zweiunddreißig

Kapitel dreiunddreißig

Kapitel vierunddreißig

Epilog

Der Teufel im Bunde Leseprobe

PROLOG

FIONNA

»Jetzt bin ich eine Frau, sagt meine Mama.« Tara hörte sich sehr erwachsen an. Dann kicherte sie mädchenhaft und hielt sich die Hand vor den Mund. »Und ihr, habt ihr schon eure Regel?«

Andrea, die von allen nur Andie genannt wurde, schüttelte nur den Kopf.

Sie war im gleichen Alter wie Tara, schien sich aber nicht darum zu kümmern, dass sie hinterherhinkte.

Fionna spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg, und wünschte sich, sie könnte ihr Gesicht hinter ihren Haaren verbergen. Aber ihre Mutter hatte darauf bestanden, Fionnas wilde rote Mähne zu einem französischen Zopf zu bändigen. Fionna fand, dass dieser ihre runde Gesichtsform nicht schmeichelte, aber sie wusste, dass es besser war, über solche Dinge nicht zu diskutieren.

Sie nahm das Ende ihres Zopfes in den Mund und kaute darauf herum, dann murmelte sie etwas, das man wohl als »Ja, klar« hätte verstehen können.

Tara beachtete Fionna gar nicht. Sie war schon damit beschäftigt, alle Details ihres prägenden Erlebnisses zu erzählen, ohne zu merken, wie unwohl das Fionna machte.

Es war ein wunder Punkt für sie, dass sie mit siebzehn Jahren immer noch nicht menstruierte. Tara war fünf Jahre jünger als sie, aber heutzutage war es völlig normal, mit zwölf seine erste Periode zu haben. Fionna hatte alles darüber gelesen.

Sie fiel nicht einmal in die Kategorie »Spätzünder«, da sie alle anderen Anzeichen der Pubertät zeigte – ihre rundliche Figur, Akne auf dem Rücken und Schweißflecken unter den Armen an einem heißen Sommertag wie diesem.

Es erschien ihr widersprüchlich, dass sie ihre Periode noch nicht bekommen hatte. Normalerweise wäre sie deswegen zum Arzt gegangen. Aber das hätte bedeutet, dass sie zuerst mit ihrer Mutter darüber sprechen musste.

Ihre Mutter hatte bereits eine lange Liste von Dingen, die an Fionna nicht stimmten, und eine peinliche Krankheit hinzuzufügen, würde alles nur noch schlimmer machen.

Oh, ihre Mutter würde nie etwas direkt sagen. Aber sie hatte eine Art, ihre Enttäuschung über ihre Tochter zu zeigen, die verletzender war als jede Standpauke.

In gewisser Weise begrüßte Fionna sogar die seltenen passiv-aggressiven Bemerkungen, die an sie gerichtet waren. Wenigstens deuteten sie darauf hin, dass ihre Mutter sie noch nicht völlig aufgegeben hatte.

Fionna sah sich um, um zu prüfen, ob die tadelnden Augen ihrer Mutter auf ihr ruhten.

Kleine Grüppchen Frauen und Mädchen saßen an Gartentischen, die auf dem gepflegten Rasen hinter ihrem Haus verteilt worden waren. Der Garten war an zwei Seiten von einer hohen Hecke umgeben und grenzte hinten an den Wald, den Argyll National Forest, sodass Fremde, die nicht zu ihrer eingeschworenen Gemeinschaft gehörten, nicht mitbekamen, was hier auf diesem Mittsommerfest Sonderbares vor sich ging.

Es wurde sich unterhalten, gegessen und getrunken, während man darauf wartete, dass die Sonne unterging und die Zeremonie beginnen konnte.

An dem größten Tisch in der Mitte des Gartens saß Fionnas Mutter, Rosa Simmonds. Zu ihrer Linken, wie immer, Mary MacDonald, das Oberhaupt ihres Zirkels.

Eine hässliche, alte, immer ungepflegt wirkende Frau mit struwweligen schwarzen Haaren, entsprach sie ganz und gar dem Klischee einer Hexe.

Rosa war das genaue Gegenteil. Sie sah durchschnittlich aus. Die grauen Haare waren zu einem ordentlichen Dutt frisiert, die Apfelbäckchen glänzten unter dem Rand der altmodisch runden Brille, und sie hatte immer ein gütiges Lächeln auf den Lippen. Sie wirkte wie eine typische schottische Großmutter von der Sorte rüstige Rentnerin.

Der Eindruck täuschte.

Ja, Rosa Simmonds war sehr aktiv in der Gemeinde von Tarbet, dem malerischen Örtchen am Loch Lomond, in dem Fionna zu Hause war. Und sie war sicherlich um einiges älter als die meisten Mütter der Mädchen in Fionnas Alter. Aber im Ruhestand war sie noch lange nicht. Rosa war Rezeptionistin im Polizeirevier in Helensburgh.

Und was die gütige, warmherzige Art anging … vielleicht war sie nicht gerade aufgesetzt, aber zu ihrer Tochter konnte sie eiskalt sein.

Rosa begegnete Fionnas Blick, runzelte die Stirn und machte eine Handbewegung, um ihrer Tochter anzudeuten, dass sie das Zopfende aus dem Mund nehmen sollte.

Erst jetzt merkte Fionna, dass sie immer noch gedankenverloren darauf herumkaute. Sie spuckte es aus und ein Sabberfaden blieb ihr am Kinn hängen. Schnell wischte sie ihn weg, aber es entging ihr nicht, dass ihre Mutter immer noch herübersah, die Kuchengabel hinlegte und sich zu Mrs MacDonald beugte, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern.

Sofort stand Fionna auf und flüchtete ins Haus.

Natürlich konnte sie ihrer Mutter nichts von ihrem Problem erzählen. Wahrscheinlich würde sie als Erstes Mrs MacDonald davon berichten. Statt zu einem Arzt würde Fionna dann zu Mrs MacDonald für eine magische Diagnose gehen müssen, in das Haus, das ihr vor Ekel und Angst richtig Gänsehaut bereitete.

Nein, wirklich, lieber wartete sie noch ein bisschen. Bestimmt würde sie ihre Regel bald bekommen und wenn sie erst achtzehn war, dann musste sie doch auch ihrer Mutter nichts davon erzählen, oder? Dann würde sie sowieso von zu Hause ausziehen und ein aufregendes Leben anfangen, allen zeigen, was in ihr steckte …

Im Haus hatte man die Vorhänge zugezogen und es war einige Grad kühler als draußen. Trotzdem machte Fionna das Gefrierfach im Kühlschrank auf, um sich ein Eis herauszunehmen. Sie hatte zwar gerade zwei Stücke Himbeer-Sahne-Torte verdrückt, aber irgendwie war da doch noch ein Loch in ihrem Magen.

Leider lag ihre Lieblingssorte nicht mehr im Fach: Vanille mit Überzug aus Zartbitterschokolade.

Fionna machte den Kühlschrank wieder zu und beschloss, in der großen Gefriertruhe im Keller nachzusehen, ob sie dort fündig werden würde.

Sie stieg die Treppe in den großen, unterirdischen Raum hinab und fühlte sich gleich noch wohler. Es war schon sonderbar, dass ein dunkler Keller ihr Lieblingsraum im Haus war, aber schon als Kind hatte sie sich gerne hier aufgehalten.

In den seltenen Fällen, in denen andere Kinder mit ihr gespielt hatten, waren diese nicht gern mit ihr hier runtergekommen. Sie fanden den Raum unheimlich. Etwas, das Fionna überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

Gut, vielleicht lag es an der altmodischen Feuerstelle in der Mitte mit dem großen Kessel darüber, dachte sie, als ihr Blick beim Betreten des Kellers darauf fiel. Oder daran, dass der dunkle Raum, mit der gar nicht kellerartigen trockenen Luft, nur von einer einzelnen Glühbirne erhellt wurde, deren Licht nicht bis in alle Ecken reichte.

Fionna zuckte mit den Schultern. Sie musste sich keine Sorgen darüber machen, was andere Leute dachten, weil sie ohnehin nur noch selten jemanden zu Besuch hatte.

Das war ihr nur recht. So musste sie ihre offenbar seltsamen Vorlieben nicht rechtfertigen.

»Fionna«, kam jetzt eine kratzige Stimme aus einem der Schatten.

Fionna war schon auf der Seite des großen quadratischen Raumes, wo die Gefriertruhe und Regale mit Eingemachtem und Vorräten standen, und drehte sich um.

»Hallo, Großmutter«, sagte sie, als die alte Frau hinter einem der hohen Bücherregale auf der gegenüberliegenden Seite hervorkam. »Was machst du denn hier?«

»Na, was wohl.« Matilda Simmonds hielt ein altes Buch hoch. Es war in Leder eingebunden und zählte wohl zu ihrer Sammlung antiquarischer Bücher.

»Ich meine, wieso bist du nicht oben, bei den anderen?«

»Noch gibt es nichts zu feiern. Ich bereite mich lieber hier auf die Zeremonie vor, als viel unnützes Zeug zu schwätzen.«

Fionna nickte, drehte sich um, öffnete den Deckel der Kühltruhe und wühlte darin herum. Als sie mit einem Eis in der Hand wieder auftauchte, merkte sie, dass ihre Großmutter sie die ganze Zeit kritisch beäugt hatte. Verlegen senkte sie den Blick und nestelte an der Plastikverpackung herum.

»Und was machst du hier unten, Mädchen?«

Fionna legte das kalte Eis von einer Hand in die andere. Ohne aufzuschauen stammelte sie: »Ich hab … Tara hat was gesagt und …« Schließlich seufzte sie und sah ihre Großmutter an. »Ich will dir gerne etwas erzählen, aber bitte sag Mama nichts davon.«

Matilda nickte kurz. »Spuck’s aus.«

Fionna legte das Eis auf dem Deckel der Kühltruhe ab und ging zu ihrer Großmutter. Die setzte sich in den alten, abgewetzten Ohrensessel, in dem sie hier unten immer las, und Fionna nahm auf dem Fußschemel davor Platz. Sie zupfte an ihren Fingernägeln herum, während sie erzählte:

»Tara hat gesagt, dass sie ihre Regel bekommen hat. Und dann hat sie gefragt, ob wir sie auch schon haben. Ich hab nichts gesagt, aber, Oma … Ich habe meine Periode noch nicht. Und ich bin schon siebzehn. Ist das nicht komisch?«

Sie sah zu Matilda auf, die sie mit undurchdringlichem Blick musterte. »Weißt du noch, als du immer zu mir gekommen bist, um mich nach deinem Vater zu fragen?«

Überrascht nickte Fionna. Sie wusste zwar nicht, was genau das hiermit zu tun haben sollte, aber es war eine ähnliche Situation gewesen.

Als kleines Kind war Fionna aufgefallen, dass alle anderen Kinder scheinbar Väter hatten. Ein Mann war nie Teil des Simmonds-Haushalts gewesen. Soweit Fionna wusste, hatten weder ihre Mutter noch ihre Großmutter jemals auch nur eine Beziehung geführt.

Fionna hatte immer gewusst, dass sie anders war. Es war nicht so schlimm gewesen, weil sie einer Gemeinschaft angehörte, in der jeder ein wenig außergewöhnlich war. Trotzdem hatten selbst die Mädchen in ihrem Zirkel Väter. Oder Großväter. Und offenbar auch ihre Periode.

Schon damals hatte Fionna sich nicht getraut, Rosa darauf anzusprechen. Aber sie hatte mit jemandem reden müssen – also hatte sie sich an ihre Großmutter gewandt.

Hinterher hatte sie sich gewünscht, sie hätte nie gefragt, und weder Matilda noch Fionna hatten seitdem ein Wort darüber verloren.

Bis jetzt.

»Natürlich. Natürlich erinnere ich mich daran.« Ein kalter Schauder lief ihr den Rücken herunter.

»Nun, das hier hat damit zu tun. Du wirst deine Periode wahrscheinlich nie bekommen.«

»Wieso?«, fragte Fionna verwirrt.

Matilda schwieg einen Moment und drehte das Buch in ihrer Hand. »Wie gut kennst du dich mit der Bibel aus, Mädchen? Mit dem Sündenfall?«

»Du meinst …« Fionna räusperte sich. »Also, weil sie Adam dazu überredet hatte, den Apfel vom Baum der Erkenntnis zu essen, wurde Eva mit dem Fluch belegt, Kinder unter Schmerzen gebären zu müssen …« Sie dachte nach. »So gesehen war die Monatsblutung wohl auch Teil des Fluches.«

»Nun ja, es steht nicht direkt in der Bibel, dass Gott Eva mit der Menstruation gestraft hat«, meinte Matilda mit leicht sarkastischem Unterton. Sie hatte die Augen verengt, sodass sie im schummerigen Licht des Kellers wie dunkle Schlitze aussahen. »Adam und Eva waren die ersten Menschen. Nach Eva musste jede Frau da durch. Mehret euch, hat Gott seinen Menschen aufgetragen und damit die Frauen zu monatlichen Blutungen verdammt. Jede gewöhnliche Menschen-Frau. Du, mein Kind, bist anders.«

Jetzt lächelte Matilda, sodass die Lücken, wo der alten Frau schon die Zähne ausgefallen waren, zu sehen waren.

Fionna schluckte. »Ich bin keine normale Frau … kein Kind Gottes … und deshalb … deshalb bekomme ich meine Regel nicht?«

Matilda nickte nur stumm.

Fionna wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war es gewohnt, eine Außenseiterin zu sein, aber noch nie hatte sie sich so allein gefühlt.

»Du glaubst an die Schöpfungsgeschichte?«, fragte sie ihre Großmutter. »Daran, dass wir alle Sünder sind? Besonders Frauen? Also ihr … ihr, die von Eva abstammt, meine ich …«, stammelte sie schließlich.

Matilda lachte heiser. »Nein, natürlich nicht. Es ist eine schöne Geschichte. Richtig dramatisch, findest du nicht? Frauen haben einen Zyklus und Blutungen, weil sie Säugetiere sind, mein Mädchen. Nicht mehr und nicht weniger. Wir sind Teil der Natur. Aber es läuft auf dasselbe heraus, was deine Frage angeht. Du bist kein Mensch, kein Tier, kein Teil der Natur, zumindest nicht ganz. Du bist anders.«

Fionna nickte traurig und stellte keine weiteren Fragen.

Sie stand auf, holte sich ihr mittlerweile angeschmolzenes Eis und ging wieder die Treppe hoch.

Im Garten hatte sich nichts verändert.

Die Frauen saßen immer noch in Gruppen zusammen und unterhielten sich.

Tara und Andie schwätzten und kicherten.

Fionna setzte sich zu ihnen. Aber sie hörte ihnen gar nicht zu. Immer wieder gingen ihr Matildas Worte durch den Kopf.

Ich bin wider die Natur. Ich bin anders. Ich bin ein Freak.

KAPITEL EINS

ABBEY

»Where is my mind« von den Pixies ertönte laut im Frühstücksraum von Dessie’s B&B. Ohne auf das Display zu schauen, drückte Abbey den Anruf weg. Sie hatte den Klingelton extra für ihren Chef Ken Sly gewählt. Und es war nicht das erste Mal an diesem Morgen, dass er versuchte, sie zu erreichen.

Abbey musste es nicht unangenehm sein, dass ihr Handy dauernd klingelte, während sie versuchte, ihr Porridge mit frischen Früchten zu genießen. Zwar gab es noch andere Gäste im Raum, aber der Baulärm von draußen übertönte sowieso alles.

»Alles in Ordnung bei Ihnen? Kann ich Ihnen noch einen Kaffee bringen?«

Abbey sah auf. Neben ihrem Tisch stand die Besitzerin des B&Bs, Dessie McKendrick. Die Frau war gebürtige Engländerin, weshalb Abbey sie ohne Probleme verstehen konnte. Das war nicht bei allen Einheimischen hier der Fall, wie sie bei ihrer Ankunft gestern schon hatte feststellen müssen.

»Ähm, ja, einen Kaffee würde ich noch nehmen.«

»Kommt sofort. Und bitte entschuldigen Sie den Lärm von draußen.« Dessie schenkte ihr ein zerknirschtes Lächeln. »Mein Freund und ich bauen ein Haus nebenan. Momentan wohne ich eigentlich noch hier im B&B und mein Freund hat nur eine Wohnung. Das ist natürlich kein Dauerzustand, besonders da wir bald Zuwachs bekommen.« Sie legte eine Hand auf den merklich gerundeten Bauch.

»Oh, wann ist es denn so weit?«, fragte Abbey höflichkeitshalber.

»In drei Monaten. Ich hoffe nur, dass das Haus bis dahin bezugsfertig ist, sonst haben wir ein Problem«, lachte Dessie fröhlich.

»Der Lärm macht mir nichts aus«, versicherte Abbey ihr. Sie war ja schließlich nicht im Urlaub. Das verriet sie Dessie nicht.

»Das beruhigt mich. Also, ich bringe Ihnen gleich noch einen Kaffee.« Dessie nahm die leere Tasse in die Hand und ging wieder zur Küchenzeile, wo sie mit ihrer Kollegin weiter das Frühstück für die Gäste zubereitete.

»… with your feet on the air and your head on the ground …«

Abbey seufzte, schluckte den letzten Bissen Porridge hinunter, holte tief Luft und nahm den Anruf an. »Hallo, Boss.«

»Fine, ich versuche, Sie schon den ganzen Morgen zu erreichen«, knurrte Sly am anderen Ende der Leitung. »Was haben Sie gemacht, ausgeschlafen? Sie sind nicht dort, um sich zu erholen, verdammt!«

»Tut mir leid, ich hab hier kaum Empfang«, log Abbey ungerührt. Ihr Chef schluckte das. Von seinem Londoner Büro der Detektei Sly Investigations aus gesehen war der verschlafene Ort Tarbet am Loch Lomond in den schottischen Highlands tiefste Provinz.

»Schießen Sie los, geben Sie mir ein Update.«

»Äh, ich würde mich schon melden, wenn es etwas Neues zu berichten gibt. Ich bin erst spät gestern Abend hier angekommen, wie Sie wissen, da kam ich mit meinen Nachforschungen noch nicht weit.« Abbey versuchte, den spitzen Ton, der sich unweigerlich in ihre Stimme schlich, zu unterdrücken. Sly ging gar nicht darauf ein.

»Vermasseln Sie das nicht, Fine«, polterte er. »Sie wissen, wie wichtig dieser Klient für mich ist.« Abbey verkniff sich ihren Kommentar, dass er ihr das schon zehnmal gesagt hatte, rollte nur mit den Augen und sagte: »Natürlich, Boss.« Sie bemühte sich um ein Lächeln für Dessie, die ihr eine frisch gebrühte Tasse Kaffee hinstellte, während Sly weiterredete:

»Die harte Arbeit habe ich ja schon für Sie erledigt.« Ja, Sly hatte die Recherchen für diesen Fall übernommen, weil er ihr nichts zutraute. Dabei hatte der Klient selber angegeben, dass er seinen Angestellten im Verdacht hatte, das wertvolle antiquarische Kochbuch aus der Bibliothek geklaut zu haben. Alles, dessen es bedurfte, war, den Angestellten zu vernehmen und ihn unter Druck zu setzen, indem man damit drohte, die Polizei einzuschalten. Ganz schnell hatte der Bedienstete zugegeben, das Buch an einen Online-Händler verkauft zu haben und war mit der Adresse herausgerückt, an die er es geschickt hatte. F. Simmonds in Tarbet, Schottland. Abbey war lediglich für fähig befunden worden, nach Schottland zu fahren und das Buch wiederzuholen. Etwas, das auch ein besserer Kurier hätte erledigen können.

»Und seien Sie nicht so verkrampft wie sonst«, drang Slys kratzige Stimme immer noch in Abbeys Ohr. »Flirten Sie ruhig ein bisschen, wenn Simmonds ein Kerl ist.«

Abbey war mittlerweile recht gut darin, ihre Emotionen zu unterdrücken, wenn ihr Chef mit ihr redete. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass es für sie nicht einfach sein würde, als junge Frau in diesem Beruf, der immer noch von Männern dominiert war, zu bestehen. Sie war mit offenen Augen in ihr Angestelltenverhältnis bei Sly Investigations gegangen, wohl wissend, dass die Detektei den Ruf hatte, besonders rücksichtlos bei den Ermittlungen vorzugehen. Es war ihr von Anfang an klar gewesen, dass sie sich erst beweisen musste, aber Sly gab ihr keine Chance. Er setzte sie fast ausschließlich als Honigfalle ein, wenn fremdgehende Männer auf frischer Tat ertappt werden sollten. Ansonsten benutzte er sie als Sekretärin. Oder eben als Laufbursche, um das zu erledigen, für das er zu bequem war.

Slys »Vorschlag«, ihre weiblichen Vorzüge einzusetzen, ließ jedoch unweigerlich Ärger in ihr hochsteigen, der sich nur schwer wieder runterschlucken ließ. Er ging also davon aus, dass der Händler, der illegal mit antiquarischen Büchern handelte, ein Mann war. Nur deshalb hatte er sie nach Schottland geschickt. Es war immer dasselbe. Gerade, wenn sie dachte, dass sie endlich die Chance bekam, zu beweisen, was in ihr steckte, auch wenn es in einer noch so niederen Tätigkeit war, lief es darauf hinaus, dass Sly ihr den Job nur deshalb übertragen hatte, weil sie eine attraktive junge Frau war.

»Ich werde mein Bestes geben«, presste Abbey zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Nach ein paar weiteren »Ratschlägen« konnte sie Sly endlich wieder abwimmeln.

Abbey warf das Handy in die Handtasche, die auf dem Stuhl neben ihrem stand, atmete tief durch und trank langsam ihren Kaffee.

»Schlechte Neuigkeiten?«, fragte Dessie, die einen Schokoladenmuffin auf ihren Tisch stellte. Abbey winkte ab. »Wir haben für alle Gäste Muffins gebacken, quasi als kleine Wiedergutmachung für die Lärmbelästigung. Sie können ihn gerne mitnehmen, wenn Sie gerade keinen Hunger mehr haben.«

»Danke«, antwortete Abbey gedankenverloren. Sly wollte, dass sie diesen Job schnell erledigte, und er stellte sich vor, dass sie einfach bei Simmonds klingelte und sich an ihn ranmachte, um das Buch zurückzubekommen. Aber wenn sie das tat und die Verführungstaktik – oder sonstige Taktik – nicht gelang, dann hatte sie damit ihren Vorteil verloren. Sie wollte unbedingt beweisen, dass sie in der Lage war, einen solchen Fall erfolgreich zu Ende zu bringen. Lieber ließ sie es langsam angehen und kundschaftete erst einmal aus, womit sie es zu tun haben würde.

»Ms McKendrick«, rief sie die B&B-Besitzerin zurück, die sich gerade wieder von ihrem Tisch entfernt hatte.

»Oh, ich bin Dessie«, sagte die lächelnd, als sie zurückgekommen war.

»Kannst du mir vielleicht mit etwas helfen?« Abbey strahlte sie an. »Ich sammele alte Kochbücher und ich habe gehört, dass es hier in Tarbet einen Händler geben soll, der sich darauf spezialisiert hat.«

»Ein Buchantiquariat?« Dessie legte die Stirn in Falten. »Nein, das gibt es in Tarbet nicht.«

»Ich glaube auch nicht, dass es ein Geschäft ist, sondern ein Online-Handel.«

»Hmmm. Ich kenne jemanden, der mit alten Büchern handelt, aber ich dachte, sie betreibt das eher hobbymäßig …«

»So viele Leute wird es in diesem kleinen Ort wohl nicht geben, die das machen …«, ermutigte Abbey Dessie lächelnd.

»Stimmt.« Wieder tönte das kreischende Geräusch einer Säge von der Baustelle nebenan durch die geschlossenen Fenster des B&B und Abbey warf einen dezenten, aber unmissverständlichen Blick in Richtung der Lärmquelle.

Dessie presste die Lippen zusammen. »Tja, also … wenn du Interesse daran hast, vielleicht ein Buch von Fionna zu kaufen, kann es wohl nichts schaden, wenn ich dir ihre Adresse gebe.«

Fionna … F! Jackpot! »Das wäre ganz toll«, meinte Abbey und zog sofort Stift und Notizbuch aus ihrer Handtasche. Abbey jubilierte innerlich, als Dessie ihr die Adresse diktierte, die sie schon kannte. »Und du meinst, ich kann dort einfach klingeln?«, fragte Abbey nach.

»Vielleicht rufst du doch lieber erst an.« Dessie klang jetzt wieder skeptisch. »Warte, ich frage meine Kollegin nach der Telefonnummer.«

Dessie eilte zu der zierlichen jungen Frau mit den glatten, dunklen Haaren, die in der Küche beschäftigt war. Abbey bekam nicht mit, was genau die B&B-Besitzerin zu ihr sagte, aber die Augen des Mädchens weiteten sich und sie schüttelte den Kopf. Dessie verzog das Gesicht, sagte wieder etwas und zeigte auf das Fenster in Richtung Baustelle.

Dann kamen die beiden Frauen zu Abbeys Tisch. Die junge Privatdetektivin setzte eine arglose Miene auf.

Die Brünette stellte sich als Andie vor und riet ihr davon ab, bei Fionna vorbeizuschauen. »Fionna empfängt ganz bestimmt keine Laufkundschaft«, endete sie resolut.

»Das ist aber schade. Ich sammele alte Kochbücher, weißt du, und ich habe gehört, dass der Online-Händler in Tarbet, der laut deinen Angaben, ja nur diese … äh … Fionna Simmonds sein kann, sich auf wertvolle antiquarische Kochbücher spezialisiert hat. Und wenn ich schon mal in Tarbet bin, solle ich sie unbedingt aufsuchen, sagte mir mein Kontakt.«

Andie runzelte die Stirn. »Kochbücher? Das ist mir neu.« Jetzt wirkte sie unsicher. »Aber möglich ist es. Noch bis vor einem Jahr konnte Fionna weder Toast zubereiten noch Wasser kochen, aber jetzt hat sie das als Leidenschaft für sich entdeckt. Sie arbeitet seit Kurzem sogar in einem Restaurant. Also, da ist es schon möglich, dass sie jetzt Kochbücher …«

»Tatsächlich!«, rief Abbey erfreut. »Dann teilen wir ja eine Leidenschaft. Oh bitte, gib mir ihre Nummer. Ich würde zu gerne ihre Sammlung sehen und bestimmt das eine oder andere Buch erwerben.«

»Weißt du was, ich rufe sie an«, entschied Andie. »Fionna ist … nicht besonders … kontaktfreudig. Ich versuche, für dich einen Termin mit ihr auszumachen. Was hältst du davon?«

»Das wäre einfach wundervoll!«

KAPITEL ZWEI

FIONNA

Fionna konzentrierte sich darauf, die Schlagsahne gleichmäßig aus der Spritztüte zu quetschen. Die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, flach durch die Nase atmend, versuchte sie, die Torte mit ganz ruhiger Hand zu verzieren und jeden Sahnekringel gleich aussehen zu lassen.

Sie war heute für die Desserts zuständig, und sie wollte Drew auf keinen Fall enttäuschen.

Sie arbeitete erst seit vier Monaten in Drews Restaurant The Kirk, einer umgebauten alten Kirche. Obwohl sie anfangs so unsicher gewesen war, dass sie sich fast nichts anderes getraut hatte, als die Salatteller zu richten und den Abwasch zu erledigen, hatte der Job angefangen, ihr so viel Spaß zu machen, dass sie um größere Herausforderungen bat.

Drew, der sie trotz ihres Mangels an Erfahrung als Küchenhilfe angestellt hatte, gab ihr eine riesengroße Chance. Es erstaunte sie andauernd, wie viel er ihr zutraute. Diese Woche hatte er ihr die Verantwortung für die Desserts übergeben und sie heute sogar ein eigenes Rezept ausprobieren lassen.

Drew war der wundervollste Mann, der Fionna je über den Weg gelaufen war. Sie besaß einen Heidenrespekt vor ihm – schließlich hatte er in einem angesagten Restaurant in Glasgow gearbeitet, bevor er The Kirk eröffnete, und war so etwas wie eine Berühmtheit in der Gegend. Aber obwohl er sich auf seinen Erfolg etwas hätte einbilden können, war er stattdessen furchtbar nett und freundlich. Fionna liebte es, wie sich tausende kleine Lachfältchen um seine Augenwinkel bildeten, wenn er lächelte. Und diese vollen, dunklen Locken, die ihm immer so verwegen ins Gesicht hingen – traumhaft.

Fast hätte Fionna schmachtend geseufzt, wenn sie sich nicht auf ihre Sahnekringel besonnen hätte. Noch einen letzten und dann ist …

»Fionna!«

Fionna zuckte zusammen und drückte damit zu fest auf die Spritztüte, sodass statt einer schlanken Spirale eine dicke, wulstige Wurst auf der Torte landete. Toll!

Verärgert drehte sich Fionna um.

»Danke auch, Sally! Jetzt ist meine Torte ruiniert.«

Sally, eine unscheinbare Frau Mitte vierzig mit mausbraunen schulterlangen Haaren, die im Restaurant als Kellnerin arbeitete, zog die Schultern ein. »Sorry.«

Fionna wischte sich mit dem Handrücken ein paar Schweißtropfen von der Stirn. Vielleicht konnte sie den Sahnewulst vorsichtig mit dem Teelöffel entfernen und …

»Äh, Fionna …«, hörte sie Sallys piepsige Stimme hinter sich.

Fionna schürzte die Lippen und drehte langsam den Kopf in Sallys Richtung. »Ja, bitte?!«

»Äh, da fragt jemand nach dir. Magst du vielleicht kurz ins Restaurant kommen?«

Fionna kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum. Sie sollte sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Außerdem war sie gerne auf dieser Seite der Schwingtür, weg von den Gästen. Andererseits, vielleicht wollte ihr jemand ein Kompliment für ihr Dessert aussprechen.

Vorhin hatten die ersten Gäste ihre »Fruitful Pockets« bestellt, das Rezept, das Drew sie hatte ausprobieren lassen. Feine Mürbeteigtaschen mit einer Rhabarber-Apfel-Brombeer-Füllung. Eigentlich war sie schüchtern, aber es passierte auch äußerst selten, dass sie einen Grund hatte, sich geschmeichelt zu fühlen. Also wieso nicht.

»Ich mache nur eben die Torte fertig und dann komme ich, okay?«, sagte sie in einem versöhnlichen Ton.

Fionna reparierte den Verzierungsfehler auf der Torte, wusch sich die Hände und ging ins Restaurant. Sally, die gerade an einem Tisch bediente, zeigte mit dem Kopf in Richtung »Hauptschiff«.

Im ehemaligen Querschiff der Kirche befanden sich der Eingangsbereich, die Bar und der Durchgang zur Küche, die alte Orgel sowie zwei kleinere Tische. Drei Stufen führten hoch zum längeren Hauptschiff, wo die meisten Tische standen. Säulen und Pfeiler, die das Hauptschiff abtrennten, versperrten teilweise die Sicht. Das machte es manchmal schwierig für die Gäste, Blickkontakt mit der Bedienung herzustellen, erlaubte aber ein intimes Dining-Erlebnis und gehörte zur besonderen Atmosphäre des Restaurants.

Als Fionna die kleine Treppe hinaufgegangen war, sah sie sofort, wer nach ihr gefragt hatte. Eine große, hübsche Blondine winkte ihr fröhlich zu.

Fionna rollte mit den Augen. Es war Penny Reid, die, so musste Fionna ungern zugeben, mittlerweile so etwas wie eine Freundin geworden war.

Eigentlich hatte sie keine Freunde. Außer Andie, mit deren ruhiger und besonnener Art sie schon immer gut klargekommen war. Penny war das genaue Gegenteil. Eine Drama-Queen, die sie anfänglich gar nicht hatte ausstehen können.

Aber seit Penny im vorigen Sommer das schwangere Mädchen Pari bei sich aufgenommen und ihr geholfen hatte, hatte sie sich geändert. Sie war weniger egoistisch und überheblich, fand Fionna. Außerdem hatte Penny sie nahezu dazu genötigt, kochen zu lernen. Nie hätte Fionna es für möglich gehalten, dass es einmal ihr liebstes Hobby und jetzt vielleicht sogar bald ihr Beruf werden würde. Sie hatte durch das Selberkochen gut zehn Kilo abgenommen und aufgrund ihres neuen Interesses sogar Drew kennengelernt. Das hatte sie auf gewisse Weise Penny zu verdanken.

Deshalb ging Fionna jetzt mit einem Lächeln zu Penny hinüber, die mit ihrem Freund Chris an einem kleinen, rustikalen Holztisch für zwei Personen saß. Obwohl Fionna Penny und alle Frauen ihres Zirkels hier lieber nicht gesehen hätte. Sehr gerne würde sie diese beiden Lebensbereiche trennen.

»Wir wollten schon lange mal herkommen und deine Kochkünste genießen«, sagte Penny aufgeregt. »Ich finde es so super, dass du jetzt hier arbeitest. Wer hätte das gedacht?«, fügte sie unverblümt hinzu.

Fionna nahm es ihr nicht übel. Schließlich hatte sie mit ihren fünfundzwanzig Jahren tatsächlich noch nie einen richtigen Job gehabt. Sie hatte sich noch nicht einmal auf einen Studienplatz beworben, sondern war nach der Schule einfach … daheim bei ihrer Mutter Rosa geblieben. Ihre Liebe zu alten Büchern, deren Ursprung in der Büchersammlung ihrer vor Jahren verstorbenen Großmutter zu suchen war, hatte sie einfach zu ihrem »Beruf« gemacht. Sie betrieb eine Website für Bibliophile und handelte »unter dem Tisch« mit antiquarischen Büchern. Sie führte keine Buchhaltung und hatte auch noch nie im Leben eine Steuererklärung ausgefüllt, verdiente aber gutes Geld damit.

Und ihre Mutter … na ja, die sagte wie üblich überhaupt nichts dazu. Weder ermutigte sie Fionna zu irgendetwas, noch stellte sie ihr ein Ultimatum, dass sie sie endlich aus dem Haus haben wollte.

Irgendwann hatte Fionna einfach wissen wollen, wie weit sie gehen konnte, wie weit sie diese gleichgültige Einstellung ausreizen konnte – vielleicht auch, um es ihrer Mutter auf gewisse Weise heimzuzahlen.

Bis vor etwa einem Jahr, als Fionna ein paar Dinge in ihrem Leben geändert hatte. Dafür waren sicherlich ihre Freundschaften mit Andie, Penny und Pari verantwortlich. Kochen zu lernen gehörte zu diesen Veränderungen. Daheim auszuziehen hatte sie noch nicht geschafft – so weit war sie dann doch noch nicht.

»Es macht mir wirklich sehr viel Spaß«, sagte Fionna nur.

»Was kannst du mir denn heute Schönes zaubern«, fragte Penny augenzwinkernd.

Fionna wurde rot und sie ärgerte sich ein bisschen über Pennys Wortwahl. »Also, ich koche eigentlich nicht wirklich. Das macht Drew.«

»Schade. Dabei könntest du doch dafür sorgen, dass es richtig gut schmeckt.« Penny zwinkerte noch einmal übertrieben.

»Wie meinst du das?«, fragte Fionna entrüstet, weil sie sehr wohl wusste, was Penny damit meinte.

»Na, du könntest doch zum Beispiel deine Speisen mit einem Spezialsalz würzen.«

»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst!«

Chris rollte mit den Augen. »Es gibt auch überhaupt keinen Grund für solche vagen Andeutungen. Penny macht das bloß, weil es sie amüsiert. Der einzige andere besetzte Tisch so früh am Abend ist dort, am anderen Ende des Raumes, und die hören uns ganz bestimmt nicht, wenn wir uns normal unterhalten.«

»Spaßverderber.« Penny machte einen Schmollmund, aber ihre Augen funkelten. »Ja, ich will damit sagen, wieso verzauberst du nicht einen Salzstreuer oder so, damit alle Gerichte, die du damit würzt, gut schmecken? Das könntest du doch, oder nicht? Du kannst doch Objekte verhexen?«

Penny hatte recht. Objekte zu verzaubern war Fionnas besondere Gabe, so wie es die von Penny war, Kräuter und Pflanzen mit besonderer Wirkung wachsen zu lassen und zu verarbeiten. Beide waren sie Hexen, denen ihr magisches Talent in die Wiege gelegt wurde – vererbt mütterlicherseits. Sie gehörten beide dem Zirkel der Hexen aus Tarbet und Umgebung an, hatten sich aber tatsächlich erst richtig kennengelernt, als Fionna ein Objekt für Penny verzaubert hatte. Ein Buch, mit dem sie Paris Erinnerungen hatte lesen können, um herauszufinden, was für Probleme das mysteriöse Mädchen aus Hunza hatte.

»Das würde ich auf keinen Fall tun«, sagte Fionna ernst.

»Das interessiert doch keinen, wenn du ein bisschen mit Magie nachhilfst«, winkte Penny ab. »Hauptsache, es schmeckt.«

»Mich interessiert es aber.« Fionnas Stimme zitterte. »Diese Sache mit dem Kochen … die hat mit Magie nichts zu tun. Ich bin hier nicht als Hexe, sondern als … normaler Mensch angestellt. Und wenn ich beruflich etwas erreichen will, dann auf … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll … ehrliche Art. Ohne magische Hilfe.« Fionna merkte, wie ihr Gesicht immer heißer wurde.

Chris nickte. »Das kann ich verstehen.«

Auch Penny wirkte jetzt ernst. »Ich auch, ehrlich gesagt. Respekt.« Dann lachte sie wieder. »Trotzdem, was soll ich bestellen? Du hast gesagt, du machst die Desserts?«

Fionna konnte sich ein stolzes Lächeln nicht verkneifen. »Ja. Drew hat mir sogar erlaubt, heute ein Rezept auszuprobieren. Es heißt »Fruitful Pockets« und ist ein altes, traditionell schottisches Rezept. Mit Rhabarber, Äpfeln und Brombeeren. Es wurde schon einmal bestellt, von den Gästen da drüben, aber ich habe noch keine Rückmeldung …«

Fionna zeigte auf den einzigen anderen besetzten Tisch am anderen Ende des Hauptschiffes, wo ein älteres Paar gerade bei Sally zahlen wollte – und wo es anscheinend ein Problem gab. Fionna brach ab und die drei lauschten interessiert, als Sallys Stimme laut wurde.

»Nein, Sie verstehen wohl nicht, ich sagte neunundvierzig Pfund, nicht vierundneunzig.« Sie versuchte, dem Mann am Tisch den Geldschein wieder zurückzugeben.

»Doch, wie ich schon sagte, der Rest ist für die Köchin«, erwiderte der Senior ebenfalls laut.

Sally starrte ihn entgeistert an. »Aber … einundfünfzig Pfund Trinkgeld? Das kann ich doch nicht …«

»Warten Sie, ich habe hier noch etwas.« Der Mann schüttelte sein Portemonnaie aus, sodass alle Münzen auf den Tisch purzelten.

Sally war sprachlos.

»Komm, meine Liebe.« Der Mann half seiner Partnerin in den Mantel, bevor er seinen anzog. Die Frau zog etwas aus der Manteltasche, das wie ein Geldschein aussah.

»Hier hab ich auch noch was«, meinte sie und legte es auf den Tisch.

Erst als die beiden das Restaurant verlassen hatten, löste sich Sally aus ihrer Schockstarre und sammelte kopfschüttelnd das Geld vom Tisch.

»Wow!«, sagte Penny. »Deine Obst-Taschen müssen ja echt gut sein, wenn die so viel Trinkgeld geben. Ich will auf jeden Fall das haben, was die auch hatten.«

* * *

»Dein Dessert war wirklich lecker«, sagte Penny später, als sie und Chris sich anschickten zu gehen.

»Danke! Hast du es auch probiert?« Fionna schaute Chris an.

Der hob abwehrend die Hände. »Sorry, Süßes ist nicht so meins. Ich habe die Käseplatte bestellt.«

»Auf jeden Fall scheinen die meisten Gäste es zu mögen«, sagte Fionna stolz. »Sally meint, sie hat heute enorm viel Trinkgeld bekommen und das immer von den Gästen, die meine Pockets bestellt hatten.«

»Na also, dann geht es wohl auch ohne Zauber«, meinte Penny vergnügt und verabschiedete sich. Sie hätte Fionna kein schöneres Kompliment machen können – die freute sich wie eine Schneekönigin. Sie dachte schon, der Abend könnte nicht besser werden, bis sie nach Schließen des Restaurants von Drew angesprochen wurde.

»Mensch, Fionna, deine Früchte-Taschen scheinen ja ganz toll angekommen zu sein«, meinte er, als sie gemeinsam die Küche aufräumten. »Sally sagt, die Gäste haben so viel Trinkgeld gegeben wie noch nie.«

Fionna wurde rot. »Das lag bestimmt eher an deinen Kochkünsten und an Sallys tollem Service«, murmelte sie.

»Trotzdem, sind noch welche da? Ich würde sie wahnsinnig gerne probieren. Sally auch.«

Fionna musste sich zwingen, nicht auf und ab zu hüpfen vor Freude. »Na klar! Ich backe euch welche auf.«

Drew und Sally aßen ihr Dessert im Restaurant, während Fionna nervös die Küche sauber machte. Bislang schien es allen geschmeckt zu haben, aber die Gäste waren ja keine professionellen Köche. Ein Kompliment von Drew würde ihr mehr als alles andere bedeuten. Ihr Herz raste und sie schrubbte denselben Edelstahltresen schon zum dritten Mal, als Drew endlich wieder in die Küche kam.

Fionna drehte sich um und drückte den Schwamm in ihrer Hand so fest, dass die schaumige Flüssigkeit herausquoll. »Und?«, flüsterte sie heiser.

Drews dunkle Augen leuchteten. »Fionna, das war sensationell.«

»W-wirklich?«

Er nickte. »Ja. Ich wusste, als du damals bei mir das Einstellungsgespräch hattest und etwas vorgekocht hast, dass da verborgene Talente schlummern.« Drew zog sich seine Kochjacke aus. »Es war ein Risiko, jemanden einzustellen, der überhaupt keine Berufserfahrung hat, aber ich dachte mir: Das Mädchen hat etwas. Gut, dass ich auf meinen Instinkt gehört habe.«

Drew verschwand mit dem zusammengebauschten Kittel in der Hand im Lagerraum nebenan, wo auch der Wäschekorb stand und die Angestellten Jacken und Taschen aufbewahrten. Fionna stand stockstill und mit geweiteten Augen da. Sie konnte es kaum glauben. Endlich hielt jemand das, was sie tat, für sensationell. Nicht nur jemand, sondern Drew!

Als Drew, der sich im Lagerraum seine schwarze Lederjacke angezogen hatte, mit einem Lächeln im Gesicht zurück in die Küche kam, konnte Fionna nicht anders, als ihn ebenfalls anzustrahlen. So offen ihre Zuneigung zu zeigen hatte sie sich noch nie getraut. Aber Drew machte es einfach.

»Ich wollte dir noch etwas geben, warte mal.« Drew zog einen Geldbeutel aus der Tasche seiner Lederjacke.

Fionnas Lächeln wurde unsicherer, als er einen Batzen Geldscheine aus dem Portemonnaie nahm und ihn ihr in die Hand drückte.

»Du machst so einen tollen Job hier. Nennen wir es einen Bonus. Einen Weihnachtsbonus.«

»Aber …« Fionna schaute die Geldscheine an. Das waren gut dreihundert Pfund. »Das ist doch gar nicht nötig und … ich war doch Weihnachten erst einen Monat hier. Und jetzt haben wir März.«

Drew legte ihr eine Hand auf die Schulter, was Fionna nur noch mehr durcheinander brachte. »Du hast es dir verdient.«

»O…kay.«

»Also, ich bin dann mal weg. Kannst du bitte abschließen? Sally hat morgen frei.«

Fionna nickte gedankenverloren, den Blick immer noch auf das Geld in ihrer Hand gerichtet. Eine dunkle Ahnung machte sich in ihr breit. Sie legte die Scheine auf den Tresen und ging durch die Schwingtür ins Restaurant.

»Hat dir mein Dessert auch geschmeckt?«, fragte sie Sally tonlos.

Sally, die am Tisch neben der Bar saß und die Einnahmen des Tages zählte, nickte heftig. »Unglaublich lecker.«

Fionna hielt die Luft an und wartete angespannt.

»Ich bin hier fertig«, meinte Sally und schrieb ein paar Zahlen in das Formblatt vor ihr. Dann raffte sie die Stapel Geldscheine vor ihr zusammen. »Hier, ich möchte, dass du das bekommst.«

Fionna kniff die Augen zusammen. »Die gesamten Einnahmen?«, flüsterte sie.

»Ja, und mein Trinkgeld auch. Das hast du dir heute verdient«, meinte Sally arglos.

Fionna nickte nur stumm und machte ein Auge wieder auf. Sally hatte den Stapel Geld zu ihr rübergeschoben.

»Du kannst gerne gehen. Ich schließe ab«, brachte Fionna nur mit Mühe hervor. Sie stand immer noch am Tisch und versuchte, ganz ruhig zu atmen, als Sally mit Mantel und Tasche über dem Arm zurückkam, sich fröhlich verabschiedete und das Restaurant durch die Vordertür verließ.

Fionna setzte sich an den Tisch, zählte das Wechselgeld ab und sortierte die Einnahmen wieder auseinander. Sie füllte einen Einzahlungsschein aus, steckte ihn mit dem Geld in ein kleines dafür vorgesehenes Täschchen. Dann tat sie das Wechselgeld und einen Umschlag mit Sallys Trinkgeld in die Kasse und steckte das Täschchen und das Einnahmenblatt in den Safe im Lagerraum.

Erst dann erlaubte sie es sich, wieder in die Küche zu gehen, in die Ecke, wo das Klemmbrett mit dem Menüplan für den Abend sowie anderer Papierkram lag. Und das Blatt Papier mit dem Rezept für die »Fruitful Pockets«, das sie aus einem alten Kochbuch kopiert hatte.

Das Sammeln von alten Büchern war immer ein bisschen so wie eine Schatzsuche. Fionna liebte das aufregende Kribbeln in der Magengegend, wenn sie in einem Forum oder einer E-Mail ein Buch zum Verkauf oder Tausch gelistet sah, von dem sie wusste, dass sie es unbedingt haben musste. Es fing an als Hobby, aber ihr guter Instinkt führte dazu, dass sie aus dieser Leidenschaft ein rentables Geschäft gemacht hatte.

Bei diesem Buch aber – nun, natürlich war es mehr als ein Bauchgefühl gewesen. Sobald sie den Namen der Autorin gelesen hatte, war ihr klar gewesen, dass es ihr Buch werden musste.

Sie war ja so was von naiv. Sie hätte es wissen sollen.

Fionna las noch einmal das Rezept durch. Die Zutaten waren nicht ungewöhnlich, aber die Formulierungen. Sie hatte sie nur für eine amüsante Marotte der Autorin gehalten – und das passte schließlich auch. »Der allererste Rhabarber«, stand dort beispielsweise. Das hatte sie dazu verleitet, das Rezept überhaupt auszuprobieren, denn vorige Woche auf dem Markt hatte sie »den ersten Rhabarber« angepriesen gesehen. »Freie Brombeeren vom letzten Jahr« war auch eine einfache Vorgabe gewesen, da sie letzten Herbst wilde Brombeeren gepflückt und eingefroren hatte. Es hatte ihr Vergnügen bereitet, das Rezept ganz genau zu befolgen. In einem Regionalladen hatte sie Holunderbeersirup gekauft für »die versüßten Tropfen einheimischer Holunderbeeren«. Sie hatte sich sogar das Salz wie beschrieben über die Schulter geworfen, bevor sie es zur Mürbeteigmischung gegeben hatte.

Ja, sie hätte es wissen sollen, aber sie hätte nicht gedacht, dass man mit nichts außer der Kopie eines etwas ungewöhnlich formulierten Rezeptes …

Enttäuscht knüllte Fionna das Blatt Papier zusammen und warf es in den Mülleimer.

»Dann geht es wohl auch ohne Zauber«, hatte Penny gesagt.

Nein, in ihrem Fall anscheinend nicht.

KAPITEL DREI

ABBEY

Abbey hatte Schwierigkeiten, ihre Überraschung zu verbergen, als Fionna Simmonds ihr die Tür aufmachte und sie hineinbat.

Sie wusste nicht, wen genau sie erwartet hatte, aber sicherlich nicht dieses schüchtern bis unhöflich wirkende pummelige, rothaarige Mädchen, das kaum älter sein konnte als sie selbst. So hatte sie sich eine Hehlerin nicht vorgestellt. Aber sie hätte sich auch nicht ausgemalt, dass eine Frau, die mit wertvollen, gestohlenen Büchern handelt, in einem schmucken Häuschen in einem verschlafenen Ort in den Highlands lebte.

Noch surrealer wurde das Ganze, als Fionna Abbey die Kellertreppe hinunterführte. Das ungute Gefühl, das Abbey sofort beschlichen hatte, wurde zu einem richtig erdrückenden Unbehagen, als sie in dem geräumigen Keller stand.

Abbey hätte nicht sagen können, was genau die Ursache dafür war, dass ihr die Nackenhaare zu Berge standen, aber sie musste ihren Körper förmlich dazu zwingen, sich von der Tür wegzubewegen und Fionna zu den Bücherregalen zu folgen. Die modernen, solide wirkenden Metallregale mit den vielen Büchern bildeten einen Gegensatz zu der altertümlichen Feuerstelle und dem Kessel in der Mitte des Raumes.

Es war außergewöhnlich trocken hier unten, nicht klamm und feucht, wie man es in einem Keller mit altem Gemäuer wie diesem erwartete. Die Wände bestanden aus bröseligen alten Backsteinen und die Decke konnte man in dem schummerigen Licht der einzelnen Glühbirne kaum erkennen. Es ergab Sinn, hier das Klima zu regulieren, um die alten Bücher zu erhalten, versuchte sich Abbey einzureden. Aber das, was eine erstklassige Klimaanlage sein musste, war gut versteckt. Andererseits: Wer wusste schon, was sich in den dunklen Ecken befand, die das Licht der Lampe nicht erreichte?

Abbey lief ein kalter Schauer über den Rücken und insgeheim schalt sie sich selbst. Reiß dich zusammen, Fine. Sei kein albernes kleines Mädchen, das sich bei der kleinsten Sache in die Hose macht. Sie hatte einen Job zu erledigen. Zielstrebig ging sie zu Fionna hinüber, die seit dem »Hallo« kein einziges Wort mehr zu ihr gesagt hatte.

»Ich bin besonders interessiert an alten Kochbüchern.« Selbst für ihre eigenen Ohren hörte sich Abbeys Stimme übertrieben fröhlich an. Ein paar Oktaven zu hoch. Sie räusperte sich. »Haben Sie zufällig welche, die ich mir anschauen könnte?«

»Ja, ich habe ein paar. Mal sehen …« Fionna verschwand hinter einem Regal. Einen Moment später ging in der hinteren Ecke ein Licht an. »Kommen Sie doch mal her.«

Abbey folgte Fionnas Stimme mit mulmigem Gefühl. Aber das Licht kam nur von einer Schreibtischlampe, die auf einem großen Schreibtisch stand. Damit war das Geheimnis, was sich in einer der dunklen Ecken befand, schon mal gelöst. Der Massivholz-Schreibtisch bog sich fast unter dem Gewicht der Bücher, die darauf gestapelt waren, und Fionna legte noch zwei mehr darauf. »Schauen Sie sich die schon mal an. Ich suche weiter.«

Abbey tat so, als ob sie ein Kochbuch mit schottischen Rezepten aus den fünfziger Jahren durchblätterte, während sie sich unauffällig umsah. Auf dem Schreibtisch lagen völlig verschiedene Bücher, von Ratgebern bis zu Romanen, und manche kamen ihr nicht besonders wertvoll vor. Aber sie kannte sich mit antiquarischen Büchern auch nicht aus. Sie konnte nur hoffen, dass Fionna ihr das Buch brachte, das Slys Klienten gestohlen worden war.

»Suchen Sie denn etwas Bestimmtes?«, fragte Fionna, als sie mit einem weiteren Buch unter dem Arm zurückkam. »Eine bestimmte Zeit, eine bestimmte Landesküche?« Sie pustete eine Strähne ihres welligen, karottenroten Haares aus dem Gesicht, als sie das schwere, große Buch auf den Schreibtisch wuchtete und der Stapel Bücher gefährlich zu schwanken anfing. »Tut mir leid, ich bin es wirklich nicht gewöhnt, dass jemand hier vorbeikommt, um ein Buch zu kaufen. Normalerweise wickle ich meine Geschäfte online ab.«

Abbey lächelte. »Kein Problem. Die junge Frau aus dem B&B … Andie? … hat so etwas schon erwähnt. Ja, ich suche schon nach schottischer Küche.« Sie schaute auf das überdimensionale, wuchtige Buch mit französischen Rezepten, das Fionna gerade gebracht hatte.

»Okay, dann tu ich das mal wieder …« Fionna nahm das Buch erneut hoch und Abbey tat so, als wolle sie ihr helfen, wobei sie dem Bücherstapel einen kleinen Schubs gab. Etwa ein Dutzend Bücher purzelte auf den Boden.

»Ups, einen Moment …«,, murmelte Fionna, noch mehr aus dem Konzept gebracht, und ging in die Hocke, um die Bücher aufzuheben. Abbey nutzte die Gelegenheit, um sich schnell einen Überblick über die restlichen Bücher auf dem Schreibtisch zu verschaffen. Es sah nicht so aus, als ob sich weitere Kochbücher darunter befanden.

»Hier, ich helfe Ihnen.« Sie nahm Fionna Bücher aus der Hand, um sie wieder auf den Schreibtisch zu legen. Das dritte, das sie annahm, war Magische Highlandküche. Das Buch, hinter dem sie her war.

»Oh, das sieht interessant aus«, sagte sie wie beiläufig, obwohl ihr Herz sofort angefangen hatte, ganz schnell zu schlagen. Sie ließ sich auf den Schreibtischstuhl nieder und blätterte das Buch durch.

»Was?« Fionna hob den Kopf und stieß ihn sich an der Schreibtischkante an. »Au.« Das rothaarige Mädchen zog eine Grimasse und rieb sich die schmerzhafte Stelle, als sie sich aufrichtete. »Äh, also das … nein, geben Sie wieder her.« Sie streckte die Hand aus, aber Abbey zog das Buch schnell außer Reichweite.

»Genau das interessiert mich. Was hätten Sie denn gerne dafür?«, sagte sie ganz ruhig.

Fionna hingegen gelang es nicht, die Ruhe zu bewahren. »Nein, das steht nicht zum Verkauf. Das gehört mir. B-b-bitte …«

Abbey klappte das Buch zu, bevor Fionna es zu fassen bekam, drückte es sich an die Brust und stand schnell auf.

---ENDE DER LESEPROBE---