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FELICITY GREENS HALLOWEEN-STORYS: Drei Geschichten zum Gruseln – perfekt für die Nacht, in der der Schleier zwischen den Welten am dünnsten ist.
TEUFLISCH DUNKEL und TEUFLISCH KALT: Zwei düster-spannende Highland-Hexen-Krimis, die tiefere Einblicke in die Welt der beliebten Serie geben – ein Muss für alle Fans.
In TEUFLISCH DUNKEL erzählt Ma Winchester Gruselgeschichten aus ihrer Kindheit. Wie die von Caith Sith, der schwarzen Raubkatze, die eigentlich nur in der schottischen Mythologie existieren sollte – bis sie zur realen Bedrohung wird.
In TEUFLISCH KALT findet Paranormal Investigator Abbey Fine ein Mädchen im Loch Lomond. Gemeinsam mit den Highland-Hexen muss sie bei einem Samhain-Ritual herausfinden, ob es ein Opfer – oder ein gefährlicher Wassergeist ist.
SAMHAIN – DAS WECHSELKIND: Eine mystische Kurzgeschichte aus der Welt der Connemara-Saga. Hochschwanger und allein trifft Posey auf eine geheimnisvolle Frau auf dem Feenhügel – und nichts ist, wie es scheint.
Gänsehaut, Magie & Mystik – drei Halloween-Geschichten, die dich direkt in die Nebel von Schottland und Irland entführen.
»Ich habe alle 3 Geschichten sofort verschlungen. Es mangelt nicht an Spannung und eignet sich hervorragend zur Einstimmung auf Halloween.« – Blog LESEN MIT KATER
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2018
Felicity Green
Felicity Greens Halloween-Storys
© Felicity Green, 1. Auflage 2018
www.felicitygreen.com
Veröffentlicht durch:
A. Papenburg-Frey
Schlossbergstr. 1
79798 Jestetten
Umschlaggestaltung: GoOnWrite.com
Korrektorat: Wolma Krefting, bueropia.de
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
SAMHAIN – DAS WECHSELKIND ist erstmals 2015 als E-Book erschienen.
TEUFLISCH DUNKEL ist erstmals 2017 im E-Book HIGHLAND-HEXEN-KRIMIS: Sammelband I-III erschienen.
Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
TEUFLISCH DUNKEL: Ma Winchesters Geschichte beruht auf den Kindheitserinnerungen von Elisabeth Carson, wiedergegeben auf www.arrocharheritage.com
TEUFLISCH KALT: Das Hotel Cameron House gibt es tatsächlich. 2017 ist dort ein Feuer ausgebrochen, aber der Tsunami auf dem Loch Lomond ist ein fiktives Ereignis aus DER TEUFEL IM SPIEL. Meines Wissens lastet kein Fluch auf dem Hotel!
1. Teuflisch Dunkel
2. Teuflisch Kalt
3. Samhain: Das Wechselkind
Highland-Hexen-Krimis
Grabschwestern - Leseprobe
»Als ich ein kleines Mädchen war, da gab es noch pechschwarze, tiefe Finsternis, die einem richtig Angst machen konnte«, begann meine Großmutter ihre Geschichte immer.
»Eine solche Dunkelheit kennt ihr gar nicht mehr. Damals gab es in Arrochar keine Straßenlampen und keine Elektrizität. Die einfachen Leute, die in den Cottages am Loch Long wohnten, lebten im Einklang mit dem Tagesrhythmus, der ihnen von der Natur vorgegeben wurde. Morgens stand man früh auf und abends ging man zeitig schlafen. Mit Kerosin ging man sparsam um. Die vereinzelten Lichtpunkte dieser Kerosin-Lampen, die in schwarzen Nächten durch die Fenster der Cottages drangen, glichen eher den Augen von wilden Tieren als Sternen, die einem den Weg zeigten. Und auf die Sterne am Firmament konnte man auch selten zählen, weil der Himmel oft wolkenverhangen war.
Ich habe mich immer gefürchtet, wenn ich an Winterabenden noch etwas vom Laden in Arrochar besorgen und dann im Dunkeln entlang des Loch-Long-Ufers nach Tighness laufen musste. Das Wasser klatschte in einem unberechenbaren Rhythmus gegen den Damm und unerwartet lautes Plätschern ließ mich stets zusammenzucken. Ich habe Kirchenlieder leise vor mich hin gesungen, den ganzen Weg, bis ich zu Hause ankam, so als ob ich damit die Dämonen der Nacht vertreiben könnte.«
Zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte rutschte meine Großmutter etwas tiefer in den mit einem gemütlich weichen Schaffell ausgelegten Schaukelstuhl neben dem Kamin, und wir Kinder beugten uns gespannt vor. Denn wir wussten, dass Oma jetzt zu dem interessanten Teil übergehen würde.
Der schaurig-schöne Teil, der herrlich-gruselige – und vor allem, der verbotene! Unsere Eltern wussten nichts davon, dass Oma diese Geschichte zum Besten gab, denn sie waren nicht dabei.
Es war Tradition, dass wir Kinder Halloween bei unserer Großmutter, die alle Ma Winchester nannten, im Admiralty Cottage in Tighness begannen. Dort gab es selbst gebackene, herrlich fettige, aromatische Sausage Rolls und heißen Kakao – und die Gruselgeschichte. Dann verkleideten wir uns mit den muffig riechenden, abgewetzten Kleidungsstücken aus der großen Kostümkiste auf Omas Dachboden, malten unsere Gesichter an und zogen los. Wir gingen nach Arrochar, wo wir einige Häuser abklapperten, und dann weiter den Fußpfad entlang, der Arrochar und Tarbet miteinander verband. In Tarbet klopften wir auch überall an die Häuser und verlangten nach Süßigkeiten. Mit Rucksäcken voller Leckereien kamen wir dann meistens so um 10 Uhr wieder daheim an. Meine Cousins und Cousinen aus Arrochar übernachteten bei uns oder bei den Winchesters, die ebenfalls in Tarbet wohnten.
So ging das schon seit Jahren. Mein Vater hatte acht Brüder und zwischen dem jüngsten und dem ältesten lagen siebzehn Jahre. Genauso weit auseinander waren die vielen Cousins und Cousinen in meiner Familie. Und so gab es immer eine große Bande sechs bis sechzehnjähriger Winchesters, die an Halloween zusammen Tarbet und Arrochar unsicher machten.
Wir waren viele und die Älteren passten auf die Jüngeren auf. Man kannte sich hier, auf dem Lande, in den kleinen Dörfern in den schottischen Highlands. Ich glaube, dass sich unsere Eltern deshalb nie Gedanken gemacht hatten, dass uns etwas passieren könnte.
Bis zu diesem Abend, an dem die Tradition starb.
Und nicht nur die Tradition.
An diesem letzten gemeinsamen Halloween-Abend der Winchester-Kinder waren wir zu acht. Meine kleine Schwester Nancy war gerade sieben geworden. Unser Cousin David war acht. Seine ein paar Jahre älteren Brüder, die Zwillinge Kenny und Roddy, waren ebenfalls dabei. Mein Bruder Johnnie war ihr bester Kumpel, aber er saß mit einem eingegipsten Bein zu Hause fest. Er hatte sich deshalb sehr geärgert, aber im Nachhinein musste er dankbar für seinen Unfall gewesen sein.
»Ich weiß nicht, ob ich noch an Gott glauben kann, Nellie«, hatte meine Mutter irgendwann später einmal gesagt. »Aber ich bin davon überzeugt, dass an diesem Halloween eine göttliche Macht schützend seine Hand über Johnnies Haupt gelegt und ihn daheim behalten hatte, damit ihm nichts passiert.« Ich sagte nie etwas dazu. Ich glaubte mittlerweile an vieles, aber sicher nicht mehr an Gott.
Meine Cousine Etta, die ebenfalls in Tarbet wohnte, war meine beste Freundin. Wir waren im gleichen Alter, beide vierzehn. Die Ältesten waren Rob und Sammy. Sie planten, nächstes Jahr schon nicht mehr mitzumachen. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum sie uns dazu anstifteten, diesmal unsere Pläne zu ändern – und uns damit ins Verderben führten.
Sie hatten Ma Winchesters Geschichte schon so oft gehört, wahrscheinlich ein Dutzend Mal, wie sie früher guising gegangen war. Halloween, das viele für ein amerikanisches Fest halten, hat seine Wurzeln eigentlich im keltischen Samhain, und viele der Halloween-Traditionen stammen aus Schottland. Beim guising, was von disguise, also verkleiden oder maskieren, kommt, zog man sich alte Klamotten an und färbte das Gesicht schwarz, damit böse Geister einen nicht erkannten, wenn man am Halloween-Abend draußen herumlief. Hier in Schottland wurden oder werden oft noch Rüben, keine Kürbisse, ausgehöhlt und mit einer Fratze versehen. Diese Laternen waren, wie Feuer auch, dafür da, die bösen Geister fernzuhalten. Wir hatten mittlerweile das »Süßes oder Saures«-Rufen übernommen, aber früher sang man ein Lied, sagte ein Gedicht auf oder erzählte einen Witz, um Äpfel, Nüsse, süße Leckereien oder Geld zu bekommen.
Damals war es auf den Dörfern gang und gäbe, dass die Kinder sich nach dem guising in einem Haus einfanden, wo ein großes Fest gefeiert wurde. Dort wurden Spiele gespielt, wie nach Äpfeln zu tauchen oder Treacle Scones, wo man ebenfalls mit hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen, nur mit dem Mund, nach mit Sirup übergossenen Scones schnappen musste, welche an einer Schnur hingen. Es wurde die Zukunft vorausgesagt, indem man Nüsse ins Feuer warf, Eiweiß ins Wasser gab oder einen Apfel rundherum im Kreis schälte, bis sich die Pelle in einer großen Spirale löste. Die warf man dann über den Kopf. Der Buchstabe, den die auf dem Boden liegende Schale formte, sollte der Anfangsbuchstabe des Mannes sein, den man heiraten würde.
Großmutters Geschichte fing immer damit an, wie früher Halloween gefeiert wurde, aber es lief auf ein bestimmtes Erlebnis heraus, das sie gehabt hatte, als sie ein kleines Mädchen gewesen war. Das war die Gruselstory, die wir alle hören wollten.
»Das Haus, in dem wir damals die Party nach dem guising feierten, war in Glen Loin. Ein großer Hof war es, der uns hier in Arrochar und Tarbet mit Milch belieferte. Die Hausherrin hatte ein Herz für Kinder und diese Feiern waren immer etwas ganz Besonderes. Aber der Weg zu dem Haus war nicht so einfach. Ein schmaler Trampelpfad führte dorthin, und wir Kinder mussten einer nach dem anderen marschieren. Die finstere Nacht wurde nur durch die Rüben-Laternen erhellt. Den Kleinsten zitterten immer schon die Arme davon, die schweren Laternen zu halten, und keiner beneidete das letzte Kind in der Reihe unserer Halloween-Prozession.
Was waren das für Lichter, die wir ab und zu im Dunkeln aufblitzen sahen? Waren es Lampen in den Cottages oder vielleicht die Augen von Tieren? Oder schlimmer noch, die Augen der grässlichen Monster, der auferstandenen Toten, die in dieser Nacht, in der der Schleier zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten am dünnsten war, umherwanderten? Waren diese Lichter gemeine Feen, die unsere Seelen stehlen oder uns sonst wie schaden wollten?
Geschichten von Fabelwesen, die die Highlands unsicher machten, gab es genug. Und früher noch mehr als heute wurde das sehr ernst genommen. Die Leute unternahmen einiges, um ihre Häuser, ihre Familie, ihre Ernte und ihr Vieh vor Feen, bösen Geistern oder sonstigem Unglück zu beschützen.
Eins dieser Fabelwesen war Caith Sith, die schwarze Katze. Wir stellen ihr immer noch einen Unterteller mit Milch raus, nicht wahr, obwohl ich keine Kühe habe, deren Milch sauer werden würde, wenn ich es nicht mache. Aber Caith Sith zu besänftigen ist wichtig.«
Rob und Sammy sahen sich an und rollten mit den Augen, aber Nancy und David schauten Oma gespannt an. Sie hatten die Geschichte erst ein- oder zweimal gehört. Gleich würden sie verängstigt zusammenzucken, aber jetzt gerade spielten sie mit dem Gedanken, hierzubleiben und darauf zu warten, dass dieses Tier kam, um ihm zuzuschauen. Mir ging es immer noch ein bisschen so, dass mein Herz weich wurde beim Gedanken an eine Katze, die Milch vom Unterteller schleckte. Doch ich wusste es eigentlich besser, denn es handelte sich keineswegs um eine süße Miezekatze. Das hier war ein schreckliches Fabeltier.
»Der Legende nach ist Caith Sith eine Hexe, die sich neun Mal in eine Katze verwandeln kann. Nach dem neunten Mal bleibt sie in Katzengestalt. Sie ernährt sich von den Seelen der Menschen und versucht, sie ihnen auszusaugen. Caith Sith ist kein kleines Kätzchen, sondern gleicht eher einer großen Raubkatze. Sie ist ganz schwarz, hat aber einen weißen Fleck auf der Brust.
An diesem Halloween-Abend gingen wir nach dem guising also wie immer den Trampelpfad zum Glen-Loin-Hof hoch. Ich war die Vorletzte in der Prozession. Die kleine Katie Taylor hatte leider den kurzen Strohhalm gezogen und lief als Letzte hinter mir. Es schien noch nicht mal der Hauch eines Mondes in dieser Nacht und Sterne am Himmel konnte ich auch nicht erkennen.
Es war stockfinster. Dann kam auf einmal ein fürchterlicher Wind auf. Meine Laterne und die der Kinder unmittelbar vor mir schwenkten gefährlich hin und her. Einige Lichter gingen aus. Ich betete stumm, dass meine Kerze in der Laterne anblieb. Bald tat mir der Arm weh, so verkrampft hielt ich den Stab. Panik stieg in mir auf, und ich wusste, dass etwas Fürchterliches passieren würde. Ich konzentrierte mich darauf, gleichmäßig ein- und auszuatmen. Dabei – und wegen des pfeifenden Windes – entging mir fast der kleine Aufschrei hinter mir.
Nur ungern wandte ich den Blick von meiner Laterne ab, aber ich musste mich versichern, dass mit Katie alles in Ordnung war. Ich tippte noch dem Jungen vor mir, ich glaube, es war einer der MacLeod-Jungs, auf die Schulter. Dann drehte ich mich um. Der Wind riss mir den Hut vom Kopf und mein langes Haar klatschte mir ins Gesicht. Unwirsch strich ich es mir mit meiner freien Hand aus den Augen. Als ich wieder klare Sicht hatte, suchte ich den Weg hinter mir nach Katie ab. Doch da war nichts als finstere Nacht.
Katie war verschwunden. Ich war jetzt die Letzte in unserer Prozession. Ich schrie auf, weitaus lauter, als Katie es getan hatte. Ein paar Kinder vor mir mussten es mitbekommen haben und stehen geblieben sein, denn ich hörte ihre Stimmen – und dann den kollektiven Aufschrei, als ich meine Laterne hob.
Im diffusen Schein der Rüben-Laterne sah man eine große, dunkle Katze etwas oberhalb des Pfades stehen. Ihre Augen leuchteten gelb und heller als die Kerzen, die wir dabei hatten. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätten wir sie für eine Wildkatze gehalten, aber in dieser Nacht war uns klar – es war Caith Sith. In ihrem Maul trug sie die kleine Katie Taylor, am Nacken, so wie eine Katze ihr Junges trug.
Katie bewegte sich nicht.
Ich stand wie erstarrt da. Ich hatte das Gefühl, mein Herz war stehen geblieben, und meine Kehle war auf einmal wie zugeschnürt.
Ich japste nach Luft, als ein paar Gestalten den Pfad heraufkamen. Es hätten natürlich andere Geister oder sonst etwas Gefährliches sein können, aber so weit dachte ich damals nicht. Ich rief sofort laut um Hilfe. Und die Gestalten, die ich gleich darauf als Frauen aus dem Dorf erkannte, kamen angerannt.
Erst war ich sehr erleichtert, da ich glaubte, sie würden uns retten. Doch als ich erkannte, welche Frauen es waren, bekam ich sofort wieder schwache Knie. Mit einem Mal war ich sicher, dass wir verdammt waren.
Die Frauen waren Hexen.«
Kenny und Roddy kicherten und Ma Winchester unterbrach ihre Geschichte, um sie milde anzulächeln.
»Ja, lacht ihr beiden nur. Heutzutage sind Hexen genauso Fabelwesen wie Feen und Vampire, stimmt’s? Nellie und Etta haben sich heute sogar als Hexen verkleidet, nicht wahr?«
Sie zeigte auf unsere Kostüme – wir hatten uns die gekauft, statt wie gewöhnlich die alten, muffigen Sachen aus Omas Kiste anzuziehen. Etwas schuldig schauten Etta und ich uns an, aber Oma redete gleich weiter.
»Früher waren Hexen keine Fantasiewesen und dass es in unserer Gegend ganz fähige Hexen gab, war ein offenes Geheimnis. Die Leute gingen zu ihnen, wenn sie Schutz vor bösen Geistern suchten, wenn sie krank waren oder bei jeder anderen Gelegenheit auch. Die Frauen waren bekannt, auch wenn man sie nicht Hexen nannte.
Die Frauen, die in der Nacht den Pfad hochkamen, waren definitiv Hexen, denn sie wurden von der schrulligen alten Mairi MacDonald angeführt. Ihr kennt sie noch, die Inhaberin des Thistle Inns in Tarbet.«
Es ergab natürlich überhaupt keinen Sinn, dass Mary MacDonald, wie sie jetzt genannt wurde, schon damals eine schrullige alte Frau war. Dann müsste sie mittlerweile ja über hundert Jahre alt sein. Aber wir akzeptierten Omas Ausschmückungen wie die in einem Fantasyroman oder Film. Es war ja nur eine Geschichte, auch wenn sie insistierte, dass sie wirklich passiert war.
»Dabei war auch noch Betsy Whyte. Sie hatte in einer Vision gesehen, dass Katie Taylor in Gefahr war, wie sich später herausstellte. Deshalb waren die Hexen gekommen. Mrs MacDonald übernahm sofort die Kontrolle über die Situation. »Miranda Carson«, sprach sie die gefährlich aussehende Riesenkatze an. »Du wirst sofort das Mädchen loslassen. Du hast seit Jahren keine Seelen von Lebenden mehr gegessen und du wirst auch heute nicht damit anfangen!«
Die Katze machte einen Buckel und man konnte praktisch sehen, wie sich ihre Haare aufstellten. Die Ohren waren flach an den Kopf gelegt und der Schwanz zitterte. Mit einem Fauchen, das mir bis ins Mark ging, ließ die Katze Katie los. Das Mädchen fiel mit einem dumpfen Plumps ins nasse Gras, rollte etwas den Hang herunter und blieb liegen, als ihr Sturz von einem Gesteinsbrocken aufgefangen wurde.
Ich wollte nichts lieber tun, als zu ihr hochzukraxeln, um festzustellen, wie es ihr ging, aber ich war still wie eine Statue, so viel Angst hatte ich vor dem Biest.
Nicht Mrs MacDonald. Die seufzte und sagte: ›Matilda, gib mir eine Flamme, die nicht erlöscht.‹
Eine der Frauen reichte Mrs MacDonald eine kurze Fackel. Die Flamme flackerte heftig, als Mrs MacDonald zu Caith Sith hochkletterte. Mairi tänzelte angesichts des abschüssigen, glitschigen und unebenen Terrains sowie ihres Alters überraschend leichtfüßig um die Katze herum.
Das Biest machte immer noch Drohgebärden und fauchte fürchterlich. Nasse Blätter tanzten im Wind, als Mrs MacDonald weitermachte, und mein Bewusstsein registrierte irgendwie, dass sie dreimal im Uhrzeigersinn um Caith Sith herumging und irgendwelche Worte sprach, die ich nicht ausmachen konnte.
Schließlich sank der Buckel der Katze und ihre Ohren stellten sich auf. Ihre Gesichtszüge schienen zu entspannen, nur die gelb leuchtenden Augen wirkten immer noch bedrohlich. Caith Sith setzte sich auf die Hinterbeine und leckte sich die Pfote, so als ob sie an der Situation völlig unbeteiligt sei.
Eine der Frauen, deren blonde Haare vom Wind in alle Richtungen gepeitscht wurden, lief zu Katie und nahm sie in die Arme. Sie zog etwas aus ihrem Mantel, eine Flasche vielleicht. Auf jeden Fall schien sie Katie etwas zu verabreichen. Gleich darauf hustete das Mädchen und regte sich.
Das Gefühl der Erleichterung, das durch meinen Körper schoss, ließ meine Muskeln entspannen und erst da merkte ich, wie steif ich gewesen war. Meine Laterne hatte ich noch verkrampft in der Hand gehalten und ich setzte sie jetzt ab, als ich mit schwachen Knien zu Boden ging. Dort blieb ich erst einmal hocken, auch nachdem die blonde Frau etwas in Richtung der Katze geworfen hatte, woraufhin die aufstand und langsam im Dunkel der Nacht verschwand.
Die blonde Frau nahm Katie hoch, in den Arm, wie ein Baby, und ging zu den anderen zurück. Ich glaube, es war sogar Mrs MacDonald selber, die mir hochhalf und fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich erinnere mich nur, dass ich wie betäubt nickte. Auf jeden Fall drückte mir jemand meine Laterne in die Hand, die erstaunlicherweise noch brannte.
»Geht weiter und gebt acht«, riet uns Mrs MacDonald. »Wir nehmen Katie mit ins Dorf. Und wir sagen Bescheid, dass ihr im Glen-Loin-Hof nächtigt – ihr solltet die Nacht nicht mehr hier entlangwandern.«
Wir gehorchten. Ich sah den Frauen nach, wie sie den Berg hinuntergingen, und beeilte mich dann, wieder den Anschluss zu finden. Der Wind ließ nach, so schnell wie er gekommen war, und eine unheimliche Stille legte sich über den Glen.
Die Lichter brannten im Glen-Loin-Hof, aber obwohl ich wusste, dass es das große Haus war, konnte ich dem eine ganze Weile nicht trauen. Erst als wir einige Meter vor dem Haus angekommen waren, ließen mein heftiges Herzklopfen und das Rauschen in meinen Ohren nach, und ich ließ mich davon überzeugen, dass die Lichter nicht die Augen der fürchterlichen Raubkatze waren, der Caith Sith.«
Nancy und David stellten die Fragen, mit denen auch wir Oma in den Ohren gelegen hatten, als wir die Geschichte zum ersten, zweiten, dritten Mal gehört hatten. Hatte sie die Katze irgendwann noch mal gesehen? Ging es Katie Taylor gut? Waren sie die Jahre darauf trotzdem noch zur Party auf den Glen-Loin-Hof gegangen? Hatten sie nicht ganz doll Angst gehabt?
Großmutter gab knappe Antworten und lächelte gütig, wie es so ihre Art war. Bald unterband sie alle Fragerei, indem sie sich in ihrem Schaukelstuhl vorbeugte, in die Hände klatschte und rief: »So, jetzt wird es Zeit, dass ihr loskommt.«
Wir tranken unseren Kakao aus und die jüngeren Kinder sprangen aufgeregt die Treppe zum Dachboden hoch, wo die Kostümkiste stand. Etta und ich blieben unten, weil wir ja schon verkleidet waren. Am sorgenvollen Blick meiner Oma konnte ich ableiten, dass sie nicht ganz zufrieden mit dem war, was wir anhatten.
»Ihr werdet frieren. Das sind doch nur so dünne Fetzen. Zieht doch noch was von den alten Sachen drüber.«
»Dann sieht man das Kostüm doch nicht mehr«, beschwerte sich Etta. Unsere Kleider glitzerten lila und schwarz und der Rock hatte Tüll darunter, was wir besonders toll fanden. Aber der Stoff war dünn, eben wie es bei solch billigen Kostümen der Fall war.
Bevor meine Großmutter etwas entgegnen konnte, kam Nancy die Treppe heruntergepoltert. Sie hatte einen spitzen Hut in der Hand. »Ich will auch eine Hexe sein, wie Etta und Nellie.«
Der schwarze Rock, den sie trug, war einige Nummern zu groß für sie. Oma steckte geschwind den Saum mit Sicherheitsnadeln hoch. »So, damit du nicht fällst.«
Mittlerweile waren die Jungs auch wieder unten. Die beiden älteren hatten schon angefangen, sich das Gesicht schwarz zu schminken. Dann kamen die Zwillinge und David dran. Aber Nancy weigerte sich. »Ich will so eine Hexe sein wie die anderen.«
»Ihr wollt euch das Gesicht nicht anmalen?«, fragte Oma überrascht.
»Wir haben doch unser Make-up drauf, dann sieht man nichts mehr«, antwortete Etta. Wir trugen schwarzen Kajal und schwarzen Lippenstift, eher Goth als Hexe, aber hey, wir waren vierzehn. Wir wollten keine falschen Warzen im Gesicht haben, wir wollten cool aussehen.
Nancy bettelte noch etwas und ich malte ihr schließlich die Lippen schwarz.
