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Der Highland-Hexen-Krimi Adventskalender: Ein spannender, weihnachtlicher Fantasy-Krimi in 24 Geschichten.
Mit schottischen Weihnachtsrezepten.
24 Kapitel. 10 Frauen, von der Welt abgeschnitten im eingeschneiten Leuchtturm von Cape Wrath. 9 davon sind magielose Hexen, die ihre ganze Hoffnung in das Wintersonnenwende-Fest setzen. Gemeinsam wollen sie es hier, am einsamen nordwestlichsten Zipfel Schottlands, unbemerkt begehen.
Polizistin Kenna Maxwell ist die Außenseiterin, die nur dabei ist, weil sie einige Geheimnisse der Hexen des Tarbet-Zirkels kennt - und Weihnachten sonst ganz allein verbracht hätte. Als eine Frau nach der anderen verschwindet, Leichenteile auftauchen und die harmlos wirkenden Julbräuche für ein schrecklich teuflisches Ritual missbraucht werden, muss Kenna ermitteln.
Während Kenna verzweifelt versucht, die anderen Frauen zu beschützen, wird sie sich immer sicherer: Eine von ihnen ist die Mörderin.
Warnung: Nachdem du diese Geschichte gelesen hast, wirst du nie wieder arglos in einen Minced Pie hineinbeißen.
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Felicity Green
Highland-Hexen-Krimi
Adventskalender
Ein Highland-Hexen-Krimi
in 24 Geschichten
© Felicity Green, 1. Auflage 2019
www.felicitygreen.com
Veröffentlicht durch:
A. Papenburg-Frey
Schlossbergstr. 1
79798 Jestetten
Umschlaggestaltung: CirceCorp design - Carolina Fiandri
(www.circecorpdesign.com)
Vector by Freepik
Korrektorat: Wolma Krefting, bueropia.de
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Personen und Handlungen sind frei erfunden oder wurden fiktionalisiert. Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Obwohl ich mich bemüht habe, nicht zu sehr von der Realität abzuweichen, was Cape Wrath, den Leuchtturm und die umliegenden Gebäude betreffen, so habe ich doch geringfügige Änderungen gemacht, wenn es notwendig für die Geschichte war.
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Zwanzig
Einundzwanzig
Zweiundzwanzig
Dreiundzwanzig
Vierundzwanzig
Rezepte
Schottische Minced Pies
Julklotz-Kuchen
Schottischer Eierlikör
Schottisches Brathähnchen mit Füllung
Clapshot
Relish mit Cranberrys und roten Zwiebeln
Shortbread
Danksagung
Highland-Hexen-Krimis
Der Teufel im Detail - Leseprobe 1
Der Teufel im Detail - Leseprobe 2
Die Autorin
24 Kapitel.
10 Frauen, von der Welt abgeschnitten im eingeschneiten Leuchtturm von Cape Wrath.
9 davon sind magielose Hexen, die ihre ganze Hoffnung in das Wintersonnenwende-Fest setzen. Gemeinsam wollen sie es hier, am einsamen nordwestlichsten Zipfel Schottlands, unbemerkt begehen.
Polizistin Kenna Maxwell ist die Außenseiterin, die nur dabei ist, weil sie einige Geheimnisse der Hexen des Tarbet-Zirkels kennt – und Weihnachten sonst ganz allein verbracht hätte.
Als eine Frau nach der anderen verschwindet, Leichenteile auftauchen und die harmlos wirkenden Julbräuche für ein schrecklich teuflisches Ritual missbraucht werden, muss Kenna ermitteln.
Während Kenna verzweifelt versucht, die anderen Frauen zu beschützen, wird sie sich immer sicherer:
Eine von ihnen ist die Mörderin.
Warnung: Nachdem du diese Geschichte gelesen hast, wirst du nie wieder arglos in einen Minced Pie hineinbeißen.
»Mist«, fluchte Bethany und schmiss ihre Designer-Reisetasche auf eins der Betten. »Der Besitzer hat mir versprochen, dass die Heizung an ist.« Die junge Frau beugte sich zum Heizkörper, drehte an dem Regler und klopfte energisch dagegen, so als ob das etwas bewirken könnte.
Sie richtete sich wieder auf und schlang die Arme betont dramatisch um sich. »Brr. Hier werden wir ja erfrieren.«
Etwas eingeschüchtert von der energischen Amerikanerin, mit der sie nur flüchtig bekannt war, stand Kenna in der Tür.
Andie hatte die Tür zugemacht, damit der eiskalte Wind nicht mehr hineinpfiff, und belegte das obere eines der Hochbetten mit ihrem kleinen Rollkoffer. »Ich schau nach, ob man zentral noch irgendwo etwas anschalten muss.«
Kenna machte einen weiteren Schritt ins winzige »Cottage«, als Andie an ihr vorbeilief.
Sie entschloss sich für eins der freien unteren Betten und legte ihren Rucksack darauf.
Dieses Cottage, das eigentlich nur aus dem Schlafzimmer bestand, würde sie die nächsten Tage mit Andie, Beth und anderen, ihr noch unbekannten Frauen teilen.
Das zweite Cottage, das direkt an ihres anschloss, beherbergte bislang Penny und Jem.
»Ich kann nicht glauben, dass das Badezimmer in einem anderen Gebäude ist«, schimpfte Bethany. »Wenn wir nachts mal auf Toilette müssen, dürfen wir uns erst mal warm anziehen und in die Kälte raus.«
»Es ist ja direkt gegenüber. Hoffentlich ist es wenigstens kein Plumpsklo«, meinte Kenna arglos, bis sie Beths geschocktes Gesicht sah. »Sorry, so eine rustikale Unterkunft bist du wohl nicht gewohnt.« Kenna biss sich auf die Zunge. Sie hoffte, dass das nicht abwertend geklungen hatte. Bethany lebte immerhin in einem Schloss. Invercreran Castle bei Oban war vor ein paar Jahren renoviert und in ein B&B umgewandelt worden. Beths Ehemann war der bekannte Künstler Lord Alexander Campbell. Auch davor, als sie noch in den USA gelebt hatte, soll Beth wohl ein bisschen verwöhnt gewesen sein. Hatte Kenna zumindest gehört.
Aber sie wollte sich eigentlich nicht von ihren Vorurteilen leiten lassen. Schließlich war sie hier, um Freundschaften zu schließen, da sollte sie es sich mit Beth nicht verscherzen. Kenna war sowieso schon die Außenseiterin in der Gruppe.
Alle anderen Frauen, die hier die nächsten Tage am nordwestlichsten Zipfel des schottischen Festlands, dem abgelegenen Cape Wrath, verbringen würden, waren Hexen. Oder zumindest waren sie es bis vor Kurzem gewesen.
Kenna war lediglich eine Normalsterbliche. Eine Polizistin, die durch Ermittlungen in die Angelegenheiten der Tarbet-Hexen hineingezogen worden war und somit deren gut gehütetes Geheimnis kennengelernt hatte.
Bei der letzten Beltane-Feier in Tarbet am Loch Lomond vor etwa einem halben Jahr war ein großes Unglück geschehen. Die Allianz der Magier hatte fast allen Hexen Großbritanniens deren Magie gestohlen. Und gleich darauf allen Hexen der Welt den Kampf angekündigt. Die wenigen Hexen, die ihr magisches Talent noch hatten, waren geflüchtet, um der unbarmherzigen Verfolgung zu entgehen.
Die kleine Hexengemeinschaft aus Tarbet und Umgebung war seitdem nicht mehr dieselbe. Der Zirkel war sowieso schon dezimiert gewesen, seit einige der Mitglieder verbannt worden waren. Von den übrig gebliebenen ehemaligen Hexen waren einige so verängstigt, dass sie ihren ehemaligen Schwestern im Bunde lieber ganz aus dem Weg gingen.
Kurzum, der Zirkel hatte sich so gut wie aufgelöst, und die alten Bräuche und Traditionen wurden noch nicht mal mehr im Geheimen gepflegt.
Einige der magielosen Junghexen aus Tarbet störte die Situation gewaltig.
Das bevorstehende Julfest, die Wintersonnenwende, ganz ausfallen zu lassen, das hatte ihnen einfach nicht behagt. Sie hatten zusammen feiern wollen. Beth hatte die Idee gehabt, an diesen völlig isolierten, abgelegenen Ort zu reisen. Man erreichte den alten Leuchtturm mit Café und Hostel an der Nordspitze des Kaps nur, indem man mit einem Boot von Keoldale aus den Kyle of Durness überquerte und dann noch gut zwölf Meilen eine der schlechtesten Straßen in Schottland mit dem Minibus hinter sich brachte. Alternativ konnte man über den Cape Wrath Trail, einen berühmt-berüchtigten Langstreckenwanderweg, aus dem Süden zu Fuß hierhergelangen. Vom nächsten Ort waren es etwa zwei Tage Fußmarsch durch karges, fast gänzlich unbewohntes Gelände.
Die Hexen aus Tarbet hatten extra ein Boot und den Minibus gechartert, denn regulär fuhren die um diese Jahreszeit gar nicht. Ihre Gäste, ein paar ehemalige Hexen aus anderen, befreundeten Zirkeln, kamen separat und würden bald eintreffen.
»Komm doch mit«, hatte Jem Kenna spontan vorgeschlagen, als sie vor ein paar Wochen zusammen shoppen gewesen waren. »Vor Weihnachten sind wir wieder zurück, keine Sorge, du verpasst also kein Familienfest. Wir wollen ein paar der alten Julbräuche zelebrieren. Wir haben zwar keine Magie mehr, aber wir können unsere Traditionen trotzdem beibehalten. Du bist dann quasi unser Alibi, dass das ganze nur ein Mädels-Trip ist.«
»Hört sich interessant an«, hatte Kenna gesagt. Erwähnt hatte sie nicht, dass es dieses Jahr sowieso kein Weihnachten für sie geben würde. Es gab nichts zu verpassen. Ihre Eltern waren vor einiger Zeit nach Spanien ausgewandert und hatten sie noch nicht mal eingeladen, die Feiertage mit ihnen zu verbringen.
Und seit der Trennung von ihrem Ex Brian, nach der sie wieder in ihre alte Heimat am Loch Lomond gezogen war, hatte sie keine neue Beziehung gehabt. Einen Partner, mit dem sie das Fest begehen könnte, gab es also auch nicht.
An Angeboten mangelte es eigentlich nicht. Mit ihren hellblonden Haaren und blauen Augen, ihrer weiblichen Figur und dem passabel aussehenden Gesicht wurde sie öfter mal um eine Verabredung gebeten. Aber der Richtige war bislang nicht dabei gewesen.
Kennas Großvater Alasdair, der einzige Verwandte, den sie am Loch Lomond noch hatte, war vor Kurzem gestorben. Es würde also ein trauriges und einsames Weihnachten werden und das Julfest wäre die einzige Festivität, die sie begehen würde. Auch wenn sie nicht richtig dazugehörte, hatte sie zugesagt.
Kenna merkte jetzt, dass sie eine Weile geschwiegen und ihren Gedanken nachgehangen hatte, anstatt das Gespräch mit Beth weiterzuführen.
»Ähm. Ich glaube, das sind ehemalige Gebäude, die zum Leuchtturm gehörten und jetzt zu diesen Unterkünften umgebaut worden sind. Die sind so klein, da konnten sie wohl kein En-Suite-Bad mehr mit reinnehmen und mussten ein extra Häuschen mit Badezimmer ausstatten. Wollen wir uns mal das Restaurant mit der Küche anschauen? Wahrscheinlich halten wir uns ja sowieso die meiste Zeit dort auf.«
»Gute Idee«, stimmte Bethany zu, hörte mit dem Auspacken auf und hakte sich bei Kenna unter.
Kenna atmete etwas erleichtert durch.
Sie verließen das Cottage und machten sich auf den Weg zu dem länglichen, weiß getünchten Gebäude, in dem sich Café und Küche befanden. Die Luft war kalt und der Wind schneidend. Bevor sie bei dem Gebäude ankamen, waren Kennas Lippen taub. Kein Wunder, dass die Besitzer, die die Kaffeestube betrieben, woanders überwinterten.
Endlich hatten sie es ins warme Café geschafft. Mit den weißen Wänden, den kleinen hölzernen Tischen und bunten Stühlen, der handgeschriebenen Speisekarte und diversem schottischem Deko-Schnick-Schnack an den Wänden wirkte es sehr gemütlich.
»Hallo Carolyn, du bist schon da?«, begrüßte Beth eine brünette Frau Mitte vierzig, die an einem der Tische saß. Neben ihr, ebenfalls eine dampfende Tasse Tee umklammernd, hockte eine rundliche junge Frau mit blonden Locken, sonnengebräunter Haut und türkisfarbenen Augen.
»Ja, wir mussten uns erst mal aufwärmen und haben uns einen Tee gemacht. Das hier ist übrigens Jessica Sommers, ich weiß nicht, ob du dich an sie erinnerst? Sie wollte unbedingt mitkommen, da habe ich sie spontan eingepackt.«
Die Frauen stellten sich einander vor. Kenna wusste von Jem, dass es sich um die ehemalige Oberhexe Carolyn Kerrington aus Pendle in Lancashire handelte. Jessica war eine Schwester aus ihrem Zirkel.
»Paula und Eve aus Wales sind schon zur Unterkunft, um ihr Gepäck abzuladen, aber wir haben es nicht mehr ausgehalten. Wir brauchten heißen Tee, nach der abenteuerlichen Reise«, erklärte Jessica.
»Ah, dann fehlt noch diese Aileen aus St. Andrews«, bemerkte Beth.
»Ja, die Verrückte kommt über den Cape Wrath Trail zu Fuß«, lachte Carolyn. Dann wurde sie ernst. »Ich hoffe, sie hat es bald geschafft, denn es sieht nach Schnee aus.«
Es dauerte nicht lange, bis sich auch die anderen Frauen im Café einfanden.
Eve Adams stellte sich als Cousine der ehemaligen Oberhexe des walisischen Zirkels, Cerys Adams, vor. Kenna erinnerte sich an Cerys. Mit ihrer Playboy-Bunny-Figur, den langen blonden Haar-Extensions, den schrill manikürten Nägeln und dem sorgfältig geschminkten Gesicht war sie schwer zu übersehen gewesen. Eve, ebenfalls recht hübsch, wirkte wie eine Light-Version ihrer Cousine. Nicht ganz so kurvig, etwas weniger blondiert und mit recht dezenter Kriegsbemalung.
Die eher unscheinbare und sehr dünne Frau an ihrer Seite hatte auch einen starken walisischen Akzent und wurde als Paula Williams vorgestellt.
Jem, die ehemalige Wetterhexe, und Penny, die vormals als Kräuterhexe gewirkt hatte, nahmen die beiden Frauen aus Pendle unter ihre Fittiche, um ihnen die Unterkünfte zu zeigen. »Jetzt müssen wir ein bisschen kreativ werden, wie wir die Betten aufteilen. Wir wollten eigentlich, dass wir uns vermischen, sodass es keine Grüppchenbildung gibt«, sagte Penny. Paula und Eve beschlossen, auch noch mal mit zu den Cottages zu kommen.
Während sich die Neuankömmlinge einrichteten, machten sich Kenna, Beth und Andie in der Küche nützlich. Sie befand sich in der Mitte des länglichen Gebäudes – dahinter lagen noch der große Vorratsraum und ein WC – und man konnte durch ein großes Fenster mit Tresen davor Bestellungen der Gäste aufnehmen und Speisen durchreichen.
Der Vorteil für die Frauen-Truppe war, dass man das Café im Blick hatte, während man kochte oder anderweitig in der Küche beschäftigt war. So konnte man sich weiter miteinander unterhalten und die Gruppe blieb zusammen.
Aus diesem Grund verpassten Kenna und Beth auch nicht den letzten Ankömmling: Aileen Stewart aus St. Andrews.
Total verfroren kam die junge Frau ins Café und setzte ihren schweren Rucksack ab.
»Hallo!«, rief Kenna ihr zu und versuchte, ihre Überraschung zu verbergen. Gemessen an Aileens Art der Anreise hatte Kenna ein kerniges Naturmädel erwartet. Aber die schmächtige Schottin hatte lange, pechschwarze Haare, ganz blasse Haut und war ein bisschen gothmäßig geschminkt.
Wie der Schein doch trügen konnte, denn Aileen musste solch strapaziöse Wanderungen gewohnt sein. Kenna, die auch schon mit einem schweren Rucksack unterwegs gewesen war, hätte sich ächzend auf einen Stuhl geschmissen, aber die junge Frau stand einfach stocksteif da.
»Hallo. Ich bin Aileen«, sagte sie, ohne groß die Miene zu verziehen.
Kenna stellte sich vor. Mit Andie und Beth war die junge Hexe aus St. Andrews schon bekannt.. Bethany bot Aileen gleich einen Tee an.
»Lieber Kaffee, wenn ihr habt.«
»Kein Problem«, rief Beth fröhlich. »Und wir haben auch etwas zu essen gemacht. Die anderen müssten jeden Moment wieder hier sein.«
Sie hatten gerade Tische zu einer langen Tafel zusammengeschoben und Teller und Besteck ausgelegt, als die restlichen Frauen wieder ins Café stürmten.
»Es hat angefangen zu schneien«, rief Carolyn etwas außer Atem. »Ach, Aileen du bist hier. Wie gut, ich hab mir schon Sorgen gemacht.« Sie umarmte die junge Schottin und Aileen lächelte zum ersten Mal.
Alle nahmen am Tisch Platz und ließen sich die Suppe und Sandwiches schmecken. Die Frauen plauderten fröhlich durcheinander und planten das bevorstehende Julfest.
Kenna konnte nicht so richtig mitreden. Und aufgrund ihrer nordisch-kühlen Art war sie eher zurückhaltend. Sie merkte, dass sie sich etwas ausgegrenzt fühlte.
Auch Paula Williams war still. Zu Beginn des Abendessens hatte sie für ein Telefongespräch den Tisch verlassen – im Café gab es keinen Handyempfang – und wirkte bedrückt, als sie zurückkehrte. Sie beobachtete alle mit etwas ernster Miene, anstatt sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Als sich die Gespräche auf andere Themen ausweiteten und sich auf kleine Grüppchen verteilten, versuchte Kenna mit der ruhigen Waliserin Kontakt aufzunehmen. Das lief aber eher zäh.
»Du, entschuldige, ich muss etwas mit Carolyn besprechen«, sagte Paula schließlich und wandte sich der ehemaligen Pendle-Oberhexe zu.
Kenna meldete sich freiwillig für den Abwasch, um wenigstens etwas zu tun zu haben. Jem leistete ihr Gesellschaft und als sie fertig waren, fühlte sich Kenna etwas besser. Mit der großen, dunkelhaarigen jungen Frau, die als Park Ranger arbeitete, kam sie doch immer noch am besten zurecht. Jem war einfach offen und nett. Die hübsche, etwas ältere Penny hingegen wirkte mit ihrer manchmal sehr direkten und sarkastischen Art einschüchternd. Und zu der ruhigen, ernsten Andie hatte Kenna noch nicht so Zugang gefunden.
Aber mittlerweile war Kenna optimistisch, dass sich das im Laufe ihres Aufenthalts hier ändern würde. Alle waren wirklich recht freundlich – selbst Bethany, obwohl sie befürchtet hatte, die oberflächlich und ein bisschen arrogant zu finden. Auch von Carolyn und Jessica hatte sie den Eindruck, als ob sie gut mit ihnen auskommen würde. Eve war etwas schrill, Aileen schien ein bisschen sonderbar und Paula hatte eine eher abweisende Art – aber sie musste ja nicht gleich BFF mit allen hier werden.
Jemand kam auf die Idee, ein paar Flaschen Wein aufzumachen, und die Atmosphäre wurde noch ein bisschen lockerer. Am Ende war Kenna froh, mitgekommen zu sein.
Die Ersten dachten daran, ins Bett zu gehen und auch Kenna rieb sich schon die Augen.
»Ich hoffe, die Heizung ist jetzt an«, rief Beth.
»Ich war vorhin kurz im Cottage und die Heizung bei uns läuft«, sagte Jessica.
»Bei uns auch«, beruhigte Andie Beth. »Ich hab auch noch mal nachgeguckt.«
»Wo ist eigentlich Paula?«, fiel Eve auf einmal auf.
Die Frauen schauten sich um. Penny sah in der Küche nach und kam kopfschüttelnd zurück. »Ist sie vielleicht schon ins Bett?«
»Ohne Gute Nacht zu sagen?«, fragte sich Andie. Aber Eve meinte: »Das würde mich nicht wundern. Ich gehe jetzt jedenfalls schlafen, und wenn ich sie drüben nicht finde, komm ich noch mal wieder.«
Die anderen wünschten eine angenehme Nachtruhe.
»Puh, es schneit jetzt aber gewaltig«, sagte Eve, als sie die Tür aufmachte. Die Waliserin zog ihre Jacke fest um sich und verschwand im Schneegestöber.
Kenna hatte gerade ihren Mantel angezogen, um auch zum Cottage zu gehen, da kam Eve zurück. »Ich kann Paula nicht finden«, meinte sie etwas ratlos. »Sie ist weder in unserem Zimmer noch in eurem – und im Bad ist sie auch nicht.«
»Das ist schon komisch, wo soll sie bei dem Wetter denn hingegangen sein?« Andie wirkte besorgt.
»Oh nein!«, rief Carolyn und wurde ganz blass. »Vor einer ganzen Weile meinte Paula, sie will noch mal raus, um zu telefonieren. Sie sagte, nur bei den Klippen hätte sie Empfang. Wenn sie seitdem nicht wieder zurückgekommen ist …«
Sie brach ab und für einen Moment herrschte eine schreckliche Stille in dem kleinen Café.
»Im Dunkeln und bei dem Wetter … da sind die Klippen ganz schön gefährlich«, sprach Kenna schließlich die Befürchtungen der anderen aus. »Hoffentlich ist ihr nichts passiert.«
Kenna und die anderen hatten zwar große Taschenlampen gefunden, aber in dem Schneegestöber trauten sie sich nicht besonders weit. »Wir sollten zusammenbleiben«, empfahl Kenna Penny, Jem und Aileen, die sich dazu erbarmt hatten, bei der Suche zu helfen.
Clò Mòr, mit 280 Metern die höchsten Klippen von ganz Großbritannien, waren zwar noch etwa sechseinhalb Kilometer entfernt. Aber auch die Klippen hinter dem Leuchtturm gingen ziemlich steil in die Tiefe. Wer von dort hinab in die tosende Brandung fiel, war nicht mehr zu retten.
Kenna hoffte für Paula, dass sie nicht so dumm gewesen war, im Dunkeln und bei diesem Wetter zu nahe an die Klippen zu gehen, nur um Handy-Empfang zu bekommen. Wenn sie so dringend telefonieren musste, hätte sie doch wohl das Festnetz-Telefon im Restaurant benutzen können.
Der Suchtrupp blieb zur Sicherheit innerhalb der niedrigen Steinmauer, die den Leuchtturm-Komplex von Cape Wrath eingrenzte, und kam bald nass und frierend zu den Cottages zurück. Kenna hatte noch die letzte Hoffnung, dass Paula längst im Trockenen war. Doch Fehlanzeige. In den Schlafräumen schauten ihnen nur die besorgten Gesichter der anderen entgegen. »Komm, wir schauen noch mal ins Café, vielleicht ist sie dorthin zurückgekehrt«, sagte Kenna zu Jem.
Aber dort war alles dunkel. Sie sahen sich trotzdem noch einmal gründlich im Gebäude um, schauten selbst ins WC und im Vorratsraum nach.
Paula blieb verschwunden.
»Ich befürchte, wir können heute Nacht nicht mehr viel tun«, meinte Kenna. »Wir müssen Hilfe rufen.«
Sie hatte schon den Hörer in der Hand, aber in der Leitung tat sich nichts. Stirnrunzelnd legte Kenna wieder auf. »Das Telefon ist tot.«
Jem hatte ihr Handy vorgeholt. »Kein Empfang. Wir können es alle bei den Cottages noch mal versuchen, aber ich befürchte, hier gibt es einfach kein Netz.« Sie seufzte. »Ehrlich gesagt kann uns in diesem Schneesturm auch keiner helfen. Die schicken keine Helis oder Boote los.«
»Ja, und ich will auch nicht riskieren, dass noch jemandem etwas passiert, wenn wir jetzt alle draußen herumlaufen, um Empfang zu haben.« Kenna fuhr sich frustriert durch die Haare. »So ein Mist.«
»Du hast recht«, beruhigte Jem sie. »Wir müssen einfach bis morgen warten. Hoffentlich hat es dann aufgehört zu schneien, und bei Tageslicht können wir besser suchen.«
Die beiden kämpften sich durch Schnee und Wind zu den Cottages zurück, um den anderen die schlechte Nachricht zu überbringen. Die Frauen blieben noch eine ganze Weile auf und versuchten immer wieder zu telefonieren.
Die meisten schliefen nach und nach ein.
Kenna machte die ganze Nacht kein Auge zu. Jedes Mal, wenn der Sturm draußen ein Geräusch verursachte, dachte sie, es wäre Paula, die endlich den Weg zurückgefunden hatte.
Sie hoffte schon beinahe, dass die Waliserin von den Klippen gefallen war, denn wenn Paula bei der Kälte da draußen herumirrte, dann würde sie im Laufe der Nacht wahrscheinlich langsam und jämmerlich erfrieren. Am meisten hoffte sie natürlich, dass Paula irgendwo Unterschlupf gefunden hatte. Die Chancen dafür standen jedoch schlecht, wenn sie nicht zum Leuchtturm zurückgekommen war, denn die karge Gegend war kilometerweit unbewohnt.
In den frühen Morgenstunden musste Kenna doch ein bisschen eingenickt sein, denn sie schreckte mit einem komischen Gefühl hoch. Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie begriff, was es war: die Stille. Kein heulender Sturm mehr draußen.
Kenna sprang aus dem Bett und schaute aus dem Fenster. Ein überwältigendes Weiß blendete sie. Eine dicke Schneedecke hatte sich über die Moorlandschaft gelegt.
Andie, die auch aufgestanden war, sagte leise neben ihr: »Alles sieht so friedlich aus.«
Die beiden zogen sich schnell an. Dann stampften sie durch fast kniehohen Schnee zum Badezimmer. Dort standen schon ein paar der anderen Frauen an. »Neun Frauen und ein Bad. Wer kam bloß auf die blöde Idee«, versuchte Carolyn zu scherzen.
»Ich gehe zum Café, da ist ja auch eine Toilette«, meinte Kenna.
»Oh, ich komme mit«, sagte Carolyn und verließ ihren Platz in der Schlange.
Mit Mühe schafften sie es zu dem anderen Gebäude. Dabei sah sich Kenna immer wieder um. Von Paula war keine Spur zu sehen, um sie herum war nichts als eine glatte, weiße Schneedecke. »Hoffentlich hat es hier irgendwo Schaufeln, damit wir einen Pfad zu den Cottages frei machen können«, meinte Kenna.
Sie ließ Carolyn den Vortritt im Bad. Als sie schließlich herauskam, hatte die ehemalige Oberhexe aus Pendle schon den Wasserkocher angestellt und Teetassen auf dem Tresen aufgereiht.
»Hör mal, ich muss dir was sagen«, sagte Carolyn schnell. »Du bist ja sozusagen keine von uns und außerdem noch Polizistin. Ehrlich gesagt, bist du die Einzige, der ich momentan trauen kann.«
Verwundert schaute Kenna hoch. »Trauen wegen was?«
»Paula hat mir gestern etwas erzählt.« Die sonst so schelmisch funkelnden Augen der Frau schauten ernst. »Cerys hat sie angerufen. Und ihr gesagt, dass einer der Frauen hier eben nicht zu trauen sei. Dass sich eine Verräterin in unserer Mitte befindet. Paula sollte mir Bescheid sagen, aber bevor sie erfahren hat, wie genau es mich betrifft oder was die Verräterin vorhat, wurde das Gespräch abgeschnitten. Paula war beunruhigt und wollte noch mal versuchen, Cerys zu erreichen. Sie hatte gesagt, bei den Klippen hätte sie vorhin Empfang gehabt. Ich befürchte, ihr ist etwas zugestoßen. Vielleicht hat die Person, diese Verräterin, mitbekommen, was Paula zu mir gesagt hat. Vielleicht ist sie ihr nachgegangen und …«
