Der Zyklus der Weltkulturen - Manfred Ehmer - E-Book

Der Zyklus der Weltkulturen E-Book

Manfred Ehmer

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Beschreibung

In einer Folge kaleidoskopischer Bilder zeigt das Buch die frühen Weltkulturen der Erde auf, vom Alten Ägypten über Mesopotamien, Indien und China bis zu den Indianerkulturen Mesoamerikas. Der Bogen der Darstellung spannt sich von der Frühzeit legendärer Königsdynastien bis zur Gegenwart, wo sich in ersten Ansätzen eine neue Geisteskultur zu manifestieren beginnt. Die Frage nach dem kosmischen Ursprung der Weltkulturen, nach dem Erbe versunkener Kontinente und nach den Rätseln der Prähistorie stellt sich dabei ebenso wie die nach der Zukunft der Menschheit.

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Seitenzahl: 317

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Manfred Ehmer

Der Zyklus der

Weltkulturen

Grundlinien einer esoterischen

Kulturphilosophie

Der Zyklus der Weltkulturen

© 2021 Manfred Ehmer

Umschlaggestaltung, Satz und Layout:

Manfred Ehmer Graphic Studio

Titelbild: Die Vögel © Manfred Ehmer

Paperback

ISBN 978-3-347-10234-7

Hardcover

ISBN 978-3-347-10235-4

e-Book

ISBN 978-3-347-10236-1

Verlag und Druck: tredition GmbH,

Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

Teil 8 der Reihe edition theophanie

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Besuchen Sie den Autor auf seiner Homepage:

www.manfred-ehmer.net

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Schöpfungstage

Was sind Weltkulturen?

Sinn und Auftrag der Weltkulturen

Weltkulturen – Schöpfungen der Götter?

Das geistige Erbe der Weltkulturen

Weltkultur Ägypten

Die uralte Weisheit Ägyptens

Die älteste ägyptische Vorgeschichte

Beginn der ägyptischen Pyramidenkultur

Die ägyptische Götterwelt

Mysterien der Allgöttin Isis

Echnaton – Ketzer oder Reformator?

Glanz und Größe Alexandrias

Hermes Trismegistos und die Alchemie

Weltkultur Mesopotamien

Mesopotamiens Weg zur Weltkultur

Gilgameschs Suche nach Unsterblichkeit

Henoch und die Säulen der Weisheit

Etanas Himmelfahrt – ein Urmythos

Traditionen jüdischer Sophia-Mystik

Salomon – König, Magier und Adept

Die Urkultur des fruchtbaren Halbmonds

Weltkultur Indien

Krishna und die urindische Kultur

Das Urgestein der altvedische Dichtung

Die klassische Upanishaden-Mystik

Die Botschaft der Bhagavad Gita

Die 6 orthodoxen Schulen der Philosophie

Mahavira und der Jainismus

Gautama Buddha – Leben und Lehre

Hommage an Mahatma Gandhi

Weltkultur China

Der chinesische Universismus

Konfutsius – der Geisteslehrer Chinas

Utopie und Naturmystik im Taoismus

Feng-Shui – die Kunst der Geomantie

Geheimnisse der chinesischen Alchemie

Weltkultur Amerika

Ursprung und Herkunft des Indianertums

Geschichte der Irokesen-Föderation

Tecumseh – Aufstand des Roten Mannes

Kosmologie und Götterwelt der Maya

White Eagle – ein indianischer Meister

Weltkultur Abendland

Der 7. Schöpfungstag

Zitatnachweis

Bildnachweis

Prolog

Heute vor Sonnenaufgang stieg ich auf einen Hügel und sah in den wimmelnden Raum hinauf. Und sagte zu meinem Geist: „Wenn wir alle diese Welten umfassen werden und die Lust und das Wissen um jegliches Ding darauf, werden wir dann erfüllt und befriedigt sein?“ Und mein Geist sprach: „Nein, diese Höhe erreichen wir nur, um daran vorbei und darüber hinaus zu kommen.“ – Walt Whitman (1819–1892) 1

Wir Luft-Schiffahrer des Geistes! – Alle diese kühnen Vögel, die ins Weite, Weisteste hinausfliegen – gewiss! irgendwo werden sie nicht mehr weiter können und sich auf einem Mast oder eine kärgliche Klippe niederhocken – und dazu noch so dankbar für diese erbärmliche Unterkunft! Aber wer dürfte daraus schließen, dass es vor ihnen keine ungeheure freie Bahn mehr gäbe, dass sie so weit geflogen sind, als man fliegen könne! Alle unsere großen Lehrmeister und Vorläufer sind endlich stehen geblieben und es ist nicht die edelste und anmutigste Gebärde, mit der die Müdigkeit stehen bleibt: auch mir und dir wird es so ergehen! Was geht das aber mich und dich an! Andere Vögel werden weiter fliegen! Diese unsere Einsicht und Gläubigkeit fliegt mit ihnen um die Wette hinaus und hinauf, sie steigt geradewegs über unserm Haupte und über seiner Ohnmacht in die Höhe und sieht von dort aus in die Ferne, sieht die Scharen viel mächtigerer Vögel, als wir sind, voraus, die dahin streben werden, wohin wir strebten, und wo alles noch Meer, Meer, Meer ist! – Und wohin wollen wir denn? Wollen wir denn über das Meer? Wohin reißt uns dieses mächtige Gelüste, das uns mehr gilt als irgendeine Lust? Warum doch gerade in dieser Richtung, dorthin, wo bisher alle Sonnen der Menschheit untergegangen sind? Wird man vielleicht uns einstmals nachsagen, dass auch wir, nach Westen steuernd, ein Indien zu erreichen hofften, – dass aber unser Los war, an der Unendlichkeit zu scheitern? Oder, meine Brüder, oder? – Friedrich Nietzsche (1844–1900)2

Schöpfungstage

Eine kosmische Symphonie

Sechs Milliarden Jahre alt, 77.000 Lichtjahre lang, die großen Linsen funkelnd in kosmischer Erhabenheit, so rollt sie durch die dunklen Weiten des unendlichen Raums. Zehn Milliarden Sonnen in unendlicher Mannigfaltigkeit und Gruppierung. Kugelsternhaufen, wie tausend Brillanten zusammengeballt in strahlender Pracht. Rote Riesensonnen, einsam dahintreibend durch die Weiten des Alls. Blauweiße Supergestirne, ungeheure Energiemassen von sich schleudernd. Weiße Zwergsterne und Schwarze Löcher, gähnend im Raum und ewig gefräßig nach Materie. Ringsysteme, Doppelsonnen, Schleiernebel, glühend im fahlen Lichtschein stellarer Verbrennung. Kosmische Dunkelwolken, aufgetürmt in bizarren Formen.

Alles eingefangen in einem riesigen, ehrfurchtgebietenden Wirbel, schwebend in scheinbar erstarrter Bewegung. Schimmernde Spiralarme stellen, wie Myriaden Juwelen in herrlichen Kronen, ihre blendende himmlische Leuchtkraft zur Schau. Alles durchwoben von hauchdünnen Filamenten vielfarbig schillernder Wasserstoff-Wolken: Brutstätten feuriger Jungsonnen, die stolz ihren Daseinszyklus durchrasen, um zuletzt in grellem, selbstzerstörerischem Blitz zu enden als explodierende Super-Novae. Einmal innerhalb von 200 Millionen Jahren dreht der Sternenwirbel sich um seine eigene Achse. Da ist der flimmernde Kern des Systems, unerreichbar und ewig verboten infolge seiner überwältigenden Dichte. Hier findet man geballte Stellarwolken von ungeheurer Leuchtkraft, in Ringen gruppiert um den eigentlichen, unsichtbaren, mysteriösen Kern dieses Systems, das die denkenden Lebensformen des Alls naiv und unbefangen „unsere Galaxis” oder „unser heimatliches Milchstraßensystem” nennen. Aber dieses sogenannte Milchstraßensystem, diese gigantische galaktische Linse kann in vollem Umfang von keinem intelligenten Lebewesen des Alls begriffen werden.

In ungeheuren galaktischen Symphonien ertönt dieses Linsensystem im Sphärengesang unzähliger Sonnen und Sternsysteme. Planetentöne der verschiedensten Art, nicht wahrnehmbar für menschliche Ohren, durchmischen sich mit dem dumpfen Ton kosmischer Hintergrundstrahlung, ständiger Widerhall einer Urexplosion, die sich vor 15 Milliarden Jahren zugetragen hat. Dazwischen das leise Knistern unbekannter radioaktiver Quellen. Und, auf der tiefsten Oktave, der dumpfe Pulsschlag verborgener Pulsare. Rätselsonnen glimmen in der Ferne, eingehüllt in bläulichweiße Nebelfetzen.

Ist dieses ganze Linsensystem nicht voll von Leben, voll von Bewusstsein? Aber was wissen wir schon von unseren kosmischen Sternenbrüdern? Was wissen wir vom Bewusstsein der Myriaden Sternengeister, planetarischen Intelligenzen, morphogenetischen Felder, die dieses unendliche All bevölkern? Und diese ganze Galaxis in ihrer Gesamtheit, unbegreiflich in ihrer Ausdehnung – ist sie nicht das funkelnde Diadem und Kleinod einer Göttin, eines großen galaktischen Bewusstseins, das wir nicht kennen und niemals erfassen werden? –

Ein Weltenwanderer in den Tiefen des Alls, irgendwo am Rande der Galaxis, nicht mehr als ein Staubkorn gemessen an der majestätischen Größe dieses ganzen Milchstraßensystems, ist unsere Erde – unser blauer Planet im All. Eine einmalige Oase des Lebens, diese Erde, inmitten der sternübersäten, aber doch leeren, verlassenen, nur von Sonnenwinden und Radiowellen angefüllten Weiten des Alls. Wir sind die Kinder der Erde. Aber wir sind auch Kinder des Kosmos – Sternenstaub, Götterstaub. Aus dem Staub kosmischer Götter sind wir geformt. Und mögen noch so viele Universen untergehen – aus dem Sternenstaub der Götter entsteht immerzu Neues.

Schauen wir doch einmal in die fernste Vergangenheit hinein – in das kosmische Weltgedächtnis –, dann sehen wir den Weltschöpfungsprozess vor unserem Auge so, wie er sich vor 4,5 Milliarden Jahren abgespielt hat. Um die Sonne unseres Systems hatte sich in jenen Urtagen ein Wulst aus solarer Materie gebildet; dieser geriet in wirbelartige Bewegung und wurde wie in großen Atemstößen in das All ausgestoßen. Das Sonnenfluidum bildete rings um die Ursonne herum eine wogende Nebelmasse, in der sich hier und dort wirbelartig kreisende Bewegungen zeigten, um mehrere Zentren herum – die langsam sich verdichtenden Planetenkerne. Und was dann geschah, spielte sich in Äonenzeiträumen ab: Verlangsamung der Wirbelbewegung. Erkaltung. Verdichtung. Erstarrung. Die Urformen der Planeten bilden sich heraus. Feste, steinerne Planetenkerne. Aber noch umgeben von Atmosphären unaufhörlich wirbelnder glühender Gase.

Versuchen wir, uns ein Bild von der Ur-Erde in jenen frühen Schöpfungstagen zu machen, dann sehen wir sie als einen einzigen, ständig eruptierenden Vulkan, als einen Urozean glutflüssiger Lavamassen, über den unaufhörlich Meteoritenschauer herniedergehen. Ein übergroßer Mond, damals in nur 15.000 km Abstand die Erde umkreisend, hing über dem schwer umwölkten Himmel, dessen Atmosphäre sich gerade aus aufsteigendem Wasserdampf, Kohlensäure und anderen Gasen zusammengebraut hatte. Doch schon haben sich die ersten festen Granitblöcke kristallisiert, auf der Glut schwimmend wie Eisberge im Polarmeer, und sich langsam absenkend auf einen untergründigen Basaltmantel: Kontinente noch nicht, aber erste Kontinente im Werden. Dieses Toben der Elemente – das ist der Erste Schöpfungstag. Aber es ist noch eine Vormorgenstimmung, eine dämmerhafte Frühlichtstimmung, wo die alten Sterne noch nicht verblasst, die neue Sonne noch nicht aufgegangen ist.

Präkambrium – so nennt man üblicherweise diesen düsteren Vormorgen der Schöpfung. Der Zweite Schöpfungstag dämmerte aber erst heran, nachdem sich nach endlosen Regenfällen die ersten Ozeane auf dem nunmehr schon wesentlich erkalteten Erdplaneten gebildet hatten. Diese bargen schon Leben: im Kambrium, zwischen 600 und 500 Millionen Jahren zurück, wimmelte es in den Urwassern von Trilobiten; im Zeitalter des Ordoviciums, 500 bis 440 Millionen Jahre zurück, waren die Meere von einer Vielzahl von Seeigeln, Seesternen, Korallen, Brachiopoden und Seeskorpionen bevölkert, manche davon bereits zu riesenhafter Größe angewachsen. Im Zeitalter des Devon, vor 395 bis 345 Millionen Jahren, fand eine geradezu explosive Entwicklung der Fischwelt, mit allen nur erdenklichen Arten und Unterarten, statt. Dies war der Zweite Schöpfungstag, da alles Leben noch im Wasser ruhte.

Dann aber, im späten Obersilur, geschieht etwas ganz Revolutionäres: Das Leben erobert das Land! Zaghaft steckten die ersten Pflanzen ihre grünen Fühler in die Gezeitenzonen aus, um von dort aus schnell das trostlos öde Festland zu bewachsen und in rasender Geschwindigkeit zu erobern. Es entstand Wald – aber nicht Wald, wie wir ihn heute kennen, sondern ein von Menschenaugen nie geschauter Märchenwald: der Steinkohlenwald der Urzeit!

Riesige, dampfende Sumpfwälder bedeckten weite Teile der karbonischen Welt. Das Karbonzeitalter, von heute 345 bis 280 Millionen Jahre zurückliegend, wird auch das Zeitalter der Amphibien genannt. Zu gewaltigen Bäumen wuchsen die aus dem Urwasser gekommenen Pflanzenarten in der üppigen Nährkraft des unverbrauchten Bodens sich aus. Aber nicht zu Bäumen, wie wir sie heute kennen. Schachtelhalme ragten wie Türme in den Himmel; Bärlappgewächse wuchsen sich zu hohen Waldbäumen aus; Farne strebten auf dunklen Stämmen in schwindelige Höhen empor; unendliche Lianenstränge zogen sich von Zweig zu Zweig. Dies war der Dritte Schöpfungstag der Erde ….

Für immer versunken ist der Steinkohlenwald der Urzeit. Die märchenhaften Steinkohlenwälder mit ihren Schachtelhalm- und Bärlappbäumen waren längst als langsam erhärtende Torfmasse begraben, und von den Uferdünen der Weltmeere zogen sich weite, dunkle Forste starrer Nadelhölzer landeinwärts, unterbrochen von Beständen lichtgoldgrüner Ginkobäume und Riesenpalmen. Aus den Amphibien hatten sich die Reptilien entwickelt. Vor 195 Millionen Jahren, im Perm-Zeitalter, gewannen sie Oberhand. Denn der neue Schöpfungstag, der nun angebrochen war, der Vierte, sollte ganz im Zeichen der Riesenreptilien stehen: der Saurier!

Bei den Sauriern zeigte das kaleidoskopartige Formbildungsspiel der Natur einen Einfallsreichtum wie sonst kaum, und manche Formen wuchsen sich zum Grotesken aus. Bald wurde der ganze Körper in undurchdringliche Panzer gehüllt; bald wuchsen aus der Haut Igelstacheln wie Lanzen, und den Rücken schützten kolossale Knochenplatten, senkrecht aufgebäumt wie ein Molchkamm; bald formten sich massige Körper wie beim Rhinozeros mit mächtigen Hufen; bald liefen flinke zweibeinige Kreaturen umher mit muskulösen Oberschenkeln und winzigen angewinkelten Vorderarmen und mit einem knöchern grinsenden Krokodilskopf. Welch ein Kaleidoskop an Absonderlichkeiten! Aus dem Maul bogen sich lange krumme Walrosshörner, und der schwere keulenartige Schwanz schmetterte Bäume krachend zu Boden. An den Uferdünen des Jurameeres löste sich zur Abendstunde von den kalksteinweißen Felsklippen ein gespenstisches Geschlecht fledermausartig beschwingter, scheußlicher Reptilien, um möwengleich auf die graue Wasserfläche hinauszuschweben. Pteranodon waren das, Flugsaurier mit über 7 Metern Flügelspannweite! Und dies war der Vierte Schöpfungstag der Erde.

Eine fast märchenhaft anmutende Drachenwelt hatte die Natur in der Jura-, Trias- und Kreidezeit geschaffen. Etwa der Diplodocus: Ein auf vier hohen säulenartigen Beinen ruhender, sachte hin- und herschaukelnder Tonnenleib, an den von der massigen Beckengegend sich ein endlos langer schlangenhafter Schwanz anschloss, während nach vorne hin ein giraffenähnlicher feister Hals in einem Köpfchen endete, den man sich eher als eine Schwanzquaste hätte denken können. Aber schon breitet der Archaeopteryx seine Schwingen aus, der erste Vogel, vorerst nur taubengroß; schon läuft das erste flinke Säugetier zu Füßen der stampfenden Saurier in sein Versteck: es wartet auf seinen „Schöpfungstag“. In den Nadel- und Palmenbewuchs der alten Jurawelt haben sich unmerklich kleine Laubwaldhaine eingemischt: die Erde schickt sich an, ihr Pflanzenkleid wieder einmal zu erneuern.

Das große Sauriersterben vor 65 Millionen Jahren gehört zu den größten Rätseln der Erdgeschichte. War es eine globale Klimaveränderung? Ein Meteoritenschauer? Der Absturz eines Erdmondes oder gar das Zerbersten eines unbekannten Planeten? Wir werden es nie erfahren. Auf jeden Fall beginnt mit dem Tertiär-Zeitalter ein neuer Schöpfungstag, der Fünfte nun, in dessen Verlauf die Erde zunehmend ihre heutige Form annimmt. Auf den lichtgrünen Grasweiden der Tertiärwelt tummeln sich Mastodone, Mammute, elephantengroße Megatherien und nashorngroße Gürteltiere, dazwischen Antilopen, Giraffen, vorweltliche Okapitiere und die Vorformen des Pferdes. Auch die Kontinente besitzen annähernd ihre heutige Form; der Himalaya ist schon aufgewölbt, aber vereinzelt besteht noch altes atlantisches oder lemurisches Land, ein stummer Zeuge einer älteren erdgeschichtlichen Vergangenheit.

Eine Welle von Eiszeiten war über das Antlitz der Erde hinweggegangen. Am Rand der Gletscher dehnte sich die Ödnis unbewohnter Steppe, nur von Büffeln und Mammutherden durchstreift. Da entzündeten – niemand weiß genau, wann – die ersten Höhlenmenschen ihr Lagerfeuer unter dem sternklaren Nachthimmel der Urzeit.

Mit dem Menschen war etwas gänzlich Neues in den Strom der Evolution hineingetreten, ein qualitativer Sprung, der mehr bedeutete als bloß eine lineare Fortsetzung des Bisherigen. Mit dem Menschen war ein neuer Schöpfungstag auf der Erde angebrochen, ob der letzte, bleibt abzuwarten. Und wenn wir die Entwicklung des Menschen betrachten, vom primitiven affenähnlichen Australopithecus vor 3 Millionen Jahren über den homo habilis, der sich als erster ein Feuer anzündete, und den homo erectus, der sich als erster zu einer aufrechten Ganghaltung emporhob, bis hin zum homo sapiens, dem Jetztmenschen – dann fragt man sich, ob damit der Prozess der Evolution schon sein Ende erreicht habe: ob nicht irgendwann ein neuer Schöpfungstag im Zeichen des „Übermenschen“ anbrechen werde, des zum kosmischen Bewusstsein erwachten Allmenschen, des homo spiritualis der Zukunft.

Kaum vorstellbar dürfte uns Heutigen das Wirken dieses Zukunftsmenschen erscheinen. Zurückgekehrt zu seinem noosphärischem Ursprung, wird er nicht mehr bloß Bürger der Erde, sondern Bürger des Kosmos sein. Mit heute kaum noch vorstellbarer Gedankenschnelle wird er nicht nur andere Sonnensysteme, sondern selbst den vierdimensionalen Hyperraum durcheilen – nicht etwa mit zerbrechlichen Raumschiffen, sondern mit Methoden des Geistesfluges, die wir uns heute nicht vorzustellen vermögen.

Aber schon in seiner jetzigen Gestalt ist der Mensch ein Schöpfungswunder, das in einzigartiger Weise Natur und Geist, Biosphäre und Noosphäre miteinander verbindet. Alte esoterische Weisheit nennt die Menschheit daher ein Geschlecht inkarnierter Götter. Der Sternenstaub, aus dem wir bestehen, mag auch Götterstaub sein. Was wissen wir denn schon vom Menschen? Sollte der Mensch als intelligente Lebensform nicht älter sein als knapp 40.000 Jahre? Könnte es nicht sein, dass die Anfänge des Menschen in die Spätphase der Tertiärepoche zurückreichen? Könnte es nicht sein, dass es in grauen Vorzeiten (vielleicht lange vor der letzten Eiszeit?) menschliche Hochkulturen auf diesem Planeten Erde gegeben hat, von denen sich heute nicht die kleinste Spur erhalten hat?

Mit den prähistorischen Wandmalereien in den eiszeitlichen Kulthöhlen von Lasceau und Altamira stehen uns indes die ersten Zeugnisse menschlicher Kulturtätigkeit vor Augen. Monumentale Bildfolgen zeigen urzeitliche Jagdszenen; hier hat der Frühmensch seine „Traumzeit“ magisch eingefangen. Und doch dauert es noch Jahrtausende von dort bis zum Erblühen der ersten Hochkulturen in den fruchtbaren Schwemmtälern des Nil und des Indus, des Zweistromlandes und des Yangtze-Beckens. Denn das Wort „Kultur“ stammt vom lateinischen Verb colere – pflegen, bebauen, den Acker bestellen; erst der Ackerbau seit der „neolithischen Revolution“ (um 11.000 v. Chr.) schuf die Bedingung für das Gedeihen von Kulturen, erst auf der Grundlage von Dorfgemeinschaften, dann von Stadtstaaten.

Und damit sind wir beim Thema des vorliegenden Buches angelangt. Die kosmische Symphonie der Schöpfungstage war nur das Vorspiel dazu. Dieses Buch möchte in einem Kaleidoskop von Bildern das geistige Erbe der Weltkulturen aufzeigen – von der Frühzeit legendärer Königsdynastien bis zur Gegenwart, wo sich in ersten Ansätzen eine neue Geisteskultur zu manifestieren beginnt. Die Frage nach dem kosmischen Ursprung der Weltkulturen, nach dem Erbe versunkener Kontinente, nach den Rätseln der Prähistorie wird sich dabei ebenso stellen wie die nach der Zukunft der Menschheit. Denn der Schöpfungstag des Menschen ist noch nicht zu Ende gegangen; ja es scheint, als habe er gerade erst angefangen.

Die 7 Schöpfungstage

Der 1. SchöpfungstagVor 4500 Millionen Jahren

PräkambriumErkaltung der Erde

Der 2. SchöpfungstagVor 600 Millionen Jahren

Kambrium Silur DevonLeben in den Ur-Ozeanen

Der 3. SchöpfungstagVor 345 Millionen Jahren

Obersilur Karbon PermZeit der Amphibien

Der 4. SchöpfungstagVor 225 Millionen Jahren

Jura Trias KreideZeitalter der Saurier

Der 5. SchöpfungstagVor 65 Millionen Jahren

Känozoikum TertiärZeitalter der Säugetiere

Der 6. SchöpfungstagVor 3,5 Millionen Jahren

Zeitalter des MenschenZyklus der Weltkulturen

Der 7. SchöpfungstagIn? Millionen Jahren

Zeit des ÜbermenschenDer Homo spiritualis

Was sind Weltkulturen?

Sinn und Auftrag der Weltkulturen

Unter einer Weltkultur verstehen wir einen geschichtlich gewordenen, aus einer bestimmten Zeit und Seelenverfassung herausgewachsenen Kultur-Organismus, der ungeachtet seiner nationalen, sprachlichen und ethnischen Besonderheit eine Bedeutung für die Gesamt-Menschheit besitzt und in seiner geschichtlich- en Entfaltung einen Teil der Weltgeschichte bildet. Eine Weltkultur ist nicht global ihrer räumlich-geographisch- en Ausdehnung nach, sondern im Hinblick auf ihre geistige Bedeutung. Denn ihr geistiges Erbe – sei es auf dem Gebiet der Kunst, Wissenschaft, Technik, Politik – ist in den Besitz der gesamten Menschheit übergegangen und besteht fort bis zum heutigen Tag.

Wer wollte denn zum Beispiel daran zweifeln, dass die Werke Shakespeare's ebenso zum Gemeingut der Menschheit gehören wie die indischen Upanishaden, die ägyptischen Pyramiden ebenso wie die gotischen Kathedralen? Dass unsere Mathematik ihrer Herkunft nach arabisch und indisch, unsere Logik griechisch, unser Rechtsbewusstsein immer noch römisch ist? Jede Weltkultur ist nationalkulturell und kosmopolitisch zugleich; und indem sie sich in ihren schöpferischen Kulturleistungen selbst entfaltet, dient sie der ganzen Menschheit. Zu den Weltkulturen gehören vor allem die frühen Hochkulturen, die sich seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. im Gebiet des fruchtbaren Halbmonds, in den Schwemmtälern des Nil, Euphrat, Tigris, Indus und Yang-tze herausgebildet haben – Ägypten, Mesopotamien, Indien und China. Neben diesen vier großen Kulturzentren müssen noch das vorkolumbanische Amerika, das vorchristliche Europa und das christliche Abendland zu den Kulturen von Weltformat gerechnet werden, sodass wir bei einer universalgeschichtlichen Betrachtung des menschlichen Daseins von sieben Weltkulturen auszugehen haben:

Ägypten

3100 v. Chr – 641 n. Chr.

Mesopotamien

3000 v.Chr. – 622 n. Chr.

Indien

1800 v. Chr. – 1492 n. Chr.

China

1500 v. Chr. – 1911 n. Chr.

Altamerika

2000 v. Chr. – 1521 n. Chr.

Die Antike

1800 v. Chr. – 395 n. Chr.

Das Abendland

800 n. Chr. – 1806 n. Chr.

Nur diese sieben Weltkulturen gibt es: ihnen haben wir alles zu verdanken; alles andere ist bloß Nationalkultur, Regionalkultur, Volkskultur, aber nicht Weltkultur. Die Entfaltung dieser sieben Weltkulturen in der Dimension der Zeit bildet das, was wir Weltgeschichte nennen – die Kulturgeschichte der Menschheit.

Bei der Betrachtung der Weltkulturen gehen wir von einem ganzheitlich-organischen Kulturbegriff aus. Man darf hierbei „Kultur“ nicht im eingeschränkten, engeren Sinne verstehen, als ein bestimmtes Teilsystem des Sozialen Organismus, das die Bereiche Wissenschaft, Kunst, Literatur usw. umfasst. „Kultur“ im ganzheitlich-organischen Sinne ist vielmehr die Ganzheit des menschlichen Zusammenlebens überhaupt, eine gemeinschaftliche, in Raum und Zeit sich manifestierende Lebensform, die sich unter dem Einfluss bestimmter Werte und Normen geschichtlich entfaltet. Kulturen in diesem Sinne sind die großen Weltkulturen, wie sie bisher in der Menschheits-Geschichte aufgetreten sind, von der ägyptischen, sumerisch-babylonischen, indischen, chinesischen Kultur bis hin zum christlichen Abendland und dem Europa der Neuzeit. Diese Weltkulturen sind durchaus organische Gebilde, gleichsam kollektive Lebewesen. Oswald Spengler (1880–1936) hat recht, wenn er sagt: „Kulturen sind Organismen. Weltgeschichte ist ihre Gesamtbiographie. (….) Kultur ist das Urphänomen aller vergangenen und künftigen Weltgeschichte.“3

Jede Weltkultur ist ein Kultur-Organismus, ein geistiger Gesamtkörper. Jede Weltkultur, die auf diesem Erdplaneten erblüht, besitzt einen spezifischen, nur ihr eigenen Auftrag, ebenso Nationalkulturen wie das klassische Griechenland, das Italien der Renaissance oder das Deutschland der Goethezeit. Denn wir müssen begreifen, dass Kulturen metaphysisch gesehen selbst große Organismen sind, durchwirkt nicht nur von einem gemeinsamen Lebensgeist, einer kollektiven Aura, sondern auch geleitet von mächtigen Geisteswesen, die eine jeweilige Kultur sozusagen von innen her „beseelen“. Jede wirkliche Metaphysik geht davon aus, dass es eine Hierarchie solcher Geistwesenheiten gibt, und dass diese spirituellen Makrowesen unmittelbar hineinwirken in das Erden- und Menschheits-Geschehen.

Der Auftrag jeder Weltkultur – in West und Ost, Europa und Asien gleichermaßen – besteht darin, beizutragen zur großen Menschheits-Evolution, zur geistigen, sittlichen und spirituellen Höherentwicklung. Denn alle Kulturen, die bisher in der Weltgeschichte auftraten, sind allenthalben nur Bestandteile des einen großen Menschheits-Organismus; die Menschheit bildet spirituell eine Einheit, da alle menschlichen Seelen als unzerstörbare Funken göttlichen Seins aus der Allseele des Universums hervorgegangen sind und zu dieser dereinst wieder zurückkehren werden. Es gibt daher keinen höheren Gedanken als den einer universellen Bruderschaft, die ungeachtet aller Unterschiede der Nationalität, der Rasse, Hautfarbe und des Geschlechts besteht; und es wird vielleicht eine Zeit kommen, da die Menschheit den Zustand ihrer nationalstaatlichen Zersplitterung überwinden wird, um sich als einheitlichen, auch politisch verfassten Menschheits-Organismus zu konstituieren.

Der geistige Auftrag einer jeden Weltkultur steht im Einklang mit dem Gesamtgang der planetarischen und kosmischen Evolution. Wie das Alte Indien seine Upanishaden-Philosophie und seine großartigen Yoga-Systeme hervorgebracht hat zur Förderung des allgemeinen großen Menschheits-Zieles der spirituellen Höherentwicklung, wie China seinen Taoismus, niedergelegt in den Sinnsprüchen des Lao-Tse, wie Ägypten seine große Pyramidenweisheit und Griechenland die Lehren des Orpheus, Pythagoras und Platon entwickelt hat als Beitrag zur Menschheits-Evolution, so hat auch das Abendland seinen eigenen Geistesimpuls herausgebildet, von der Mystik des Meister Eckhart über das Rosenkreuzertum bis zum Deutschen Idealismus und den Werken der deutschen Klassiker. Die geistige Essenz der verschiedenen Weltkulturen – ihr esoterisches Erbe – kann einfließen in jene Universelle Weltreligion, die mit dem Anbrechen des Neuen Zeitalters weltweit verbreitet sein wird.

Diese zukünftige Universelle Weltreligion – die dem gerade anbrechenden neuen Weltzyklus angehören wird – ist nun durchaus nichts Neues, sondern im Gegenteil die Wiedergeburt jener Uralten Weisheit, die den Mysterienschulen der versunkenen Kontinente Lemurien und Atlantis entstammt und in den letzten Jahrtausenden der kulturellen Entwicklung den Adepten aller Religionen in allen Weltteilen bekannt war. Es handelt sich hierbei um eine durchaus einheitliche esoterische Urlehre, die ein geschlossenes Bild der Weltentwicklung bietet; jedoch ist es eine Lehre, die nicht mit dem Verstand allein, sondern nur auf dem Wege der Einweihung erworben werden kann. Ein solches Adeptenwissen konnte in Indien, Tibet und in anderen Ländern Asiens viel leichter als anderswo unter dem Schutzmantel der Verschwiegenheit bewahrt werden; allein im „christlichen Abendland“ lief die Entwicklung anders, da in diesem Erdteil seit den Tagen der Kirchenväter jede wirkliche Esoterik ausgemerzt wurde – mit den Mitteln der Exkomunikation, der Verfolgung, ja der physischen Vernichtung, etwa in den blutigen Ketzerkriegen des Mittelalters.

Dennoch ist jeder Kultur-Organismus letzten Endes im Geistigen verwurzelt; eine Weltkultur stellt gleichsam die Materialisierung einer „Idee“ – dies Wort im platonischen Sinne gefasst –, die Gestaltwerdung eines „Urphänomens“ dar. Denn das, was das elementare Zellgewebe einer jeden Kultur ausmacht, ist letzten Endes der Geist, und zwar Geist im Sinne von Spiritualität, die den Menschen mit den höheren geistig-göttlichen Welten in Verbindung setzt. Den Priesterkönigen, Eingeweihten und Mysterienschulen kam in früheren Zeiten die Aufgabe zu, die Verbindung des Menschen zum Göttlichen herzustellen. Aus der Götterwelt floss somit ein geistiger Impuls unmittelbar hinein in den Kultur-Organismus. Jede Weltkultur in der Geschichte hat bisher ihre Kraft aus dem Spirituellen geschöpft; und sie ging von dem Zeitpunkt an ihrem Untergang entgegen, da sie das Materielle höher als das Spirituelle, das Exoterische höher als das Esoterische setzte. Säkularisierung steht immer am Ende einer Kultur; sie markiert eine Phase des Niedergangs. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise wird es daher nicht versäumen, die Bedeutung der Spiritualität für den Bestand und Zusammenhalt der menschlichen Kulturen herauszustellen.

Gegenwärtig erlebt die Menschheit, nach dem Untergang der abendländischen Weltkultur, eine Säkularisierung ohnegleichen. Diese hat die Welt bereits an den Rand des Abgrunds gebracht. Eine Lösung der gegenwärtigen Menschheitsprobleme wird nur möglich sein, wenn die Gesellschaft sich aus ihrem Zellgewebe erneuert – eine Erneuerung aus ihren kulturellen und spirituellen Fundamenten. Dabei wird das spirituelle Erbe der Weltkulturen eingehen können in eine neue Universelle Weltreligion, die bestehende Religionen nicht etwa ersetzt, sondern vielmehr zu einer neuen Synthese vereint. Ebenso wird sich in dem jetzt anbrechenden neuen Äon eine globale Menschheits-Kultur herausbilden, die alle bestehenden Stammes-, Volks- und Nationalkulturen in sich schließt – nicht etwa, um sie zu einem Einheitsbrei zusammenzuschmelzen, sondern um sie in ihrer Eigenständigkeit zu bestärken und zugleich zu Teilen eines größeren Ganzen werden zu lassen.

Deshalb kann eine Betrachtung des Zyklus der Weltkulturen – also eine Kulturgeschichte der Menschheit – nur unter ganzheitlich-organischem Blickpunkt vorgenommen werden; und dies bedeutet ja Anerkennung der wesenhaften Einheit der Menschheit. Die Menschheit bildet eine Einheit ihrem Ursprung wie auch ihrem Entwicklungsziel nach; der Ursprung des Menschengeschlechts liegt jedoch nicht im Tierreich, wie der Darwinismus behauptet, sondern in den Höhen der geistiggöttlichen Welt. Der Weltprozess in seiner Gesamtheit ist letztlich ein Prozess der stufenweisen Selbstverwirklichung und Bewusstwerdung Gottes, der mit der Menschwerdung des Menschen einhergeht und mit der Rückkehr des Göttlichen zu sich selbst, zu seinem eigenen Ursprung, seinen endgültigen Abschluss erreicht haben wird. Rückkehr des Göttlichen zu sich selbst bedeutet auch Rückkehr zur Einheit. „Einheit“ steht somit am Anfang wie am Ende des Weltprozesses – am Anfang die Einheit des Ursprungs; am Ende die wiedergewonnene Einheit von Gott und Welt, die Wiederholung des Ursprungs auf einer höheren Ebene!

Weltkulturen – Schöpfungen der Götter?

Bevor wir nun die fünf archaischen Weltkulturen – von Ägypten bis Altamerika – vor unserem geistigen Auge Revue passieren lassen, müssen wir zuerst unseren Blick auf die innere Einheit und den metaphysischen Ursprung der Weltkulturen wenden. Alle frühen Hochkulturen scheinen miteinander zusammenzuhängen, sie atmen denselben Geist, zeigen sich von demselben geistigen Urwissen durchseelt, das von einstmals auf die Erde herabgestiegenen Göttern übermittelt wurde. Die irdischen Weltkulturen, besonders die der ältesten Vorzeit (5. Jahrtausend v. Chr.), erscheinen als die Schöpfungen von Göttern, als Pflanzschulen des Geistes mit dem Ziel eines Aufstiegs zu kosmischem Bewusstsein. Alle Frühkulturen dieser Erde sind ihrer zentralen Ausrichtung nach kosmisch, götterorientiert, sakral, hohepriesterlich, esoterisch. Alle Wissenschaft war heilige Tempelwissenschaft, alle Kunst den Göttern geweihte Sakralkunst.

Uralte Mythen aus allen Weltgegenden nennen die vom Himmel herabgestiegenen Götter die Lehrer, Erzieher und älteren Brüder der Menschheit. Verehrten die Azteken Mittelamerikas Quetzalkoatl als den ersten Staatengründer und Kulturbringer der Indianer, glaubten die alten Griechen, von dem Titanen Prometheus die Gabe des Feuers erhalten zu haben, so sahen die Bewohner Ägyptens in Osiris den Erfinder des Ackerbaus: „Als die Menschen die Erde bevölkert hatten und sich mit den Tieren, die zahlreich geworden waren, um die Nahrung sorgen mussten, gedachte Osiris, ihnen das Leben zu erleichtern. Er ersann eine Hacke und begann das Erdreich aufzuhacken. In die Furchen des Ackerbodens, die durch sein Hacken entstanden waren, streute er das Saatgut. Gerste und Flachs gediehen prächtig und brachten reichlich Frucht. So konnten Menschen und Tiere satt werden und die Menschen sich kleiden, wie Osiris es erdacht hatte.“4

In dem apokryphen Buch Henoch wird in faszinierender Weise geschildert, wie die „Wächter“ oder Nephilim, ein Geschlecht von 200 „gefallenen“ Engeln, vom Himmel zum Berg Hermon herniedersteigen, um sodann auf Erden mit den sterblichen Frauen Nachkommen zu zeugen, die später als die sagenhaften „Riesen der Vorzeit“ gerühmt werden. Die Nephilim waren kosmische Götter; das Alte Testament der Bibel nennt sie die „Gottessöhne“ (1. Mose 6, 4) aus der Zeit vor der Sintflut. Im Rahmen einer hochentwickelten vorsintflutlichen Zivilisation, die auf den Ehen zwischen Göttern und Menschen beruhte, wirkten die Nephilim als Lehrer und Kulturbringer: „Und Azazel lehrte die Menschen Schwerter, Messer, Schilde und Harnische zu fertigen, und zeigte ihnen die Metalle der Erde und die Kunst, sie zu bearbeiten. Auch Armbänder, Ornamente und den Gebrauch von Antimon und die Verschönerung der Augenlider und alle Arten kostbarer Steine und färbender Tinkturen zeigte er ihnen. Und es erhob sich große Gottlosigkeit, und sie begingen Untaten, und sie gingen in die Irre und fehlten auf ihren Wegen. Semjaza lehrte sie Zaubersprüche und Wurzelschnitte, Armaros die Lösung von Bannsprüchen, Baraqijal [lehrte] Astrologie, Kokabel die Sternenkonstellationen, Ezeqeel das Wissen von den Wolken, Araqiel die Zeichen der Erde, Schamsiel die Zeichen der Sonne und Sariel die Bahn des Mondes.“5

Die Engel als „Erzieher des Menschengeschlechts“ – deutlicher kann der kosmische, der metaphysische Ursprung der Weltkulturen nicht ausgedrückt werden. Die Schöpfungsmythen aller Völker gleichen sich: Urgötter stiegen vom Himmel herab; sie belehrten die ersten intelligenten Menschen, unterwiesen sie im Gebrauch von Werkzeugen, in der Zucht von Pflanzen und Tieren, erließen erste Gesetze für das Zusammenleben der Menschen, richteten Kulte und Opfer ein, wurden Gottkönige und Hohepriester. Dass diese „Götter“ keine „Raumfahrer“ im modernen Sinne waren, leuchtet ein. Die Himmelssphären, aus denen sie stammen, sind metaphysische Überräume, nicht das physische Universum mit seinen Galaxien und Sonnensystemen. Der Ursprung der Menschheit und ihrer Kulturen liegt in höheren, übermateriellen Wirklichkeits-Ebenen, als deren Sendboten seit jeher „Engel“ und „Götter“ in Erscheinung traten.

Die Nephilim des Buches Henoch waren sich inkarnierende Götter, Geistwesen auf dem Involutionspfad, die den Weg der stofflichen Erden-Verkörperung gewählt haben, als Schicksalsweg und Weltauftrag. Uralte esoterische Weisheit nennt die Menschheit ein inkarniertes Göttergeschlecht. Denn so intensiv haben sich die kosmischen Götter mit der werdenden Erdenwelt verbunden, dass sie selbst zu einem Teil der irdischen Menschheit wurden und in ihr bis zum heutigen Tage fortleben; und in diesem Sinne kann man sagen: die „gefallenen Engel“ sind wir selbst! In einer frühen, atlantisch-lemurischen Evolutionsperiode inkarnierten sich die Nephilim in der Menschenwelt – auf jener mythischen Zentralinsel des „Goldenen Zeitalters“, die heute nur noch in Sagen und Legenden vorkommt („Atlantis“). In diesem frühen Evolutionszentrum fand eine Vermählung von Menschen und Göttern statt, wie es sie seither im Verlauf der Erdenentwicklung nicht mehr gegeben hat; sie steht am Anfang des bewussten Menschentums und der Evolution der Weltkulturen.

So vollzieht sich die Welt-Evolution stets im Einklang mit dem Wirken von höheren, geistig-göttlichen Wesen. Die Kulturfähigkeit des Menschen ist eine Gabe von wirkenden Göttermächten, die sich die Menschheit einst zu ihrem Ebenbild schufen. Je älter eine Weltkultur ist, desto näher steht sie ihrem metaphysischen, kosmischen Ursprung. Treten in der Frühzeit die Götter noch ganz plastisch und lebendig in Erscheinung, so wandeln sie sich später zu blassen Schemen, bis sie am Ende ganz verschwinden; denn die Menschheit entfernt sich in ihrer Entwicklung zunehmend von ihrem göttlichen Ursprung. Sie geht den Weg in die Materie hinein, um sich in einer späteren Phase mit ihrem Geist-Ursprung wieder vollbewusst zu verbinden.

Das geistige Erbe der Weltkulturen

Jede der vergangenen Weltkulturen stellt ein unermessliches spirituelles, kulturelles und architektonisches Erbe dar, und zwar eines für die gesamte Menschheit. Das Alte Ägypten existiert nicht mehr; aber die Pyramiden als Wahrzeichen pharaonischer Macht ragen noch immer in den azurblauen Mittagshimmel; auch die gotischen Kathedralen stehen noch unversehrt, die Ideale der klassischen Antike sind ebenso präsent wie die Kunst und Literatur des Abendlandes. So kommt den Weltkulturen ein überzeitlicher Wert zu; als Zeugen einer großen Vergangenheit ragen sie in die Gegenwart unserer Lebenswelt hinein und prägen unsere kulturelle Identität.

In den folgenden Kapiteln dieses Buches wollen wir die fünf archaischen Weltkulturen, die seit etwa 3000 v. Chr. auf diesem Erdplaneten existiert haben, vor unserem geistigen Auge Revue passieren lassen. Dabei wird sich in einer vergleichenden Betrachtung zeigen, dass allen Weltkulturen offenbar dieselbe esoterische Urlehre zugrunde liegen muss. Sie war übersinnliche Welterkenntnis und Wissenschaft zugleich, und sie galt als ein Geschenk der Götter. In den frühen mesopotamischen Stadtstaaten und den ersten ägyptischen Gauen lag sie auch der öffentlichen, politischen Ordnung zugrunde, sodass man von einer Ur-Theokratie der frühen Kulturen sprechen kann.

Diese übereinstimmende Geheimlehre der Weltkulturen ist die Ur-Esoterik aller Völker und Länder, und sie lehrt überall das Gleiche. Wir werden in diesem Zusammenhang sehen, dass alle großen Dichtwerke der Menschheit – von der Bhagavad Gita, dem Gilgamesch-Epos und der Odyssee Homers bis zu Dantes Göttlicher Komödie – letztlich darin übereinstimmen, dass sie alle die symbolhaften und mythologisch verkleideten Schilderungen desselben Initiations-Weges sind.

Bei unserem Gang durch den Zyklus der Weltkulturen in einem Zeitraum von rund 5000 Jahren bewegen wir uns von West nach Ost, von Ägypten und dem Vorderen Orient nach Indien und China, um über das Alte Amerika wieder in die westliche Hemisphäre zurückzukehren. Ein großer Welt-Zyklus wird damit sichtbar, der schattenhaft am Horizont der Zeit die heraufdämmernde Zukunft erahnen lässt. Denn wie die Weltkulturen auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen, auf das versunkene Atlantis, so streben sie auch alle einem gemeinsamen Ziel zu, einer großen Weltföderation aller Kulturen, die ein Weiterleben der Menschheit in einer Atmosphäre des Friedens, der Sicherheit und der Toleranz ermöglicht. In diese wahrhaft globale Kultur wird dann auch das esoterische Erbe der Weltkulturen einfließen können, das sich in unserer heutigen technisierten, immer globalisierter werdenden Welt als etwas im höchsten Maße Schützenswertes darstellt.

Weltkultur Ägypten

Die uralte Weisheit Ägyptens

Es gibt in Ägypten ein uraltes Erbe esoterischen Wissens, das 4 Jahrtausende lang, wenn nicht noch länger, in den Tempeln, Pyramiden und Wahrzeichen der ägyptischen Hochkultur „hermetisch verschlossen“ aufbewahrt wurde, bis es in die griechische Philosophie, die Gnosis, die Alchemie, in das Arabertum und in die modernen esoterischen Strömungen Europas – bis in die Freimaurerei – Eingang fand. Diese verborgene Tradition ägyptischer Weisheit, die wie ein unterirdischer Wasserquell durch die Kulturgeschichte des Abendlandes fliesst, wollen wir mit einem Wort des namhaften Forschers Erik Hornung als Ägyptosophie bezeichnen. Und man muss mit geistigen Wünschelruten ausgerüstet sein, um diesen Urquell geistigen Wissens, der ursprünglich nur in den Ländern am Nil floss, in seiner vielgestaltigen Nachwirkung aufzuspüren.

Ägypten ist in gleichsam die Mutter des Abendlandes. Ägypten, diese altehrwürdige Weltkultur mit ihren steinernen Monumenten, ist längst im Staub versunken – und doch erhebt eben dieses Ägypten immer wieder sein geheimnisvolles Sphinxhaupt, bis in unsere Neuzeit hinein, um mit all seinem esoterischen Erbe aufzuerstehen! In dem hermetischen Dialog Asclepius, der allerdings erst recht spät – wohl zu Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr. – entstanden ist, wird Ägypten als das „Bildnis des Himmels“ und „Tempel der ganzen Welt“ bezeichnet. „Weißt Du denn nicht, Asclepius“, sagt der große Eingeweihte Hermes Trismegistos zu seinem Lieblingsschüler, „dass Ägypten das Bildnis des Himmels ist, genauer gesagt, der Ort wo alles, was im Himmel oben regiert und wirkt, gleichsam übersetzt und auf die Erde herabgebracht wird? Nein, man sollte es viel eher so sagen, dass unser Land der Tempel der ganzen Welt ist.“6

Und in einem modernen hermetischen Traktat, im Jahre 1906 anonym unter dem Titel Kybalion veröffentlicht, lesen wir ganz ähnlich: „Vom alten Ägypten sind die grundsätzlichen esoterischen und okkulten Lehren überkommen, welche die Philosophien aller Rassen, Nationen und Völker einige tausend Jahre lang so stark beeinflusst haben. Ägypten, das Land der Pyramiden und der Sphinx, der Geburtsort der verborgenen Weisheiten und der mystischen Lehren. Alle Nationen haben aus seinen geheimen Lehren geschöpft, Indien, Persien, Chaldäa, Medien, China, Japan, Assyrien, das alte Griechenland und Rom und andere Länder des Altertums nahmen großzügig teil an dem Festmahl des Wissens, das die Hierophanten und Meister des Isislandes so freigiebig denjenigen bereiteten, die bereit waren, an den aufgespeicherten mystischen und okkulten Lehren teilzunehmen, die die großen Geister dieses alten Landes zusammengetragen hatten.“7

Erst spät, von der 26. Dynastie an, öffnete sich Ägypten den jungen Nachbarstaaten der Mittelmeerwelt, vor allem dem aufstrebenden Griechenland. Es war Pharao Psammetich I. (664–610 v. Chr.), der damit begann, größere Armeen ausländischer Söldner als Hilfstruppen auszuheben, darunter viele Griechen und sogar Karier aus Kleinasien, deren in Saqqara gefundene Grabsteine erst kürzlich entziffert werden konnten. Pharao Amasis (eigentlich Ahmose II., 570–526 v. Chr.) versuchte die ethnischen Konflikte im Inneren seines Landes zu dämpfen, indem er Privilegien und Handelskonzessionen an ausländische Siedler verlieh. Auf diese Weise entstand das nur von Griechen bewohnte Naukratis im Delta des Nil, das sich zu einer Art Freihandelszone entwickelte.

Amasis machte den Mittelmeerhandel überhaupt zu einem Schwerpunkt seiner Politik und unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu vielen Anrainerstaaten; er spendete sogar für den Wiederaufbau des berühmten Orakels von Delphi, das durch einen Brand im Jahr 548 v. Chr. verheerend vernichtet wurde. Von dieser Zeit an begannen mehr und mehr Griechen ins Land der Pharaonen zu pilgern, um von dem überlegenen geistigen Wissen dieser uralten Kultur am Nil zu profitieren. Besonders seit den ersten Anfängen der griechischen Naturphilosophie (im kleinasiatischen Ionien im 7. / 6. Jhrt. v. Chr.) wurde Ägypten für viele Griechen zu einem Hort esoterischer Weisheit.

Thales von Milet (624–526 v. Chr.), der erste Denker des Abendlandes überhaupt, ist auf seinen Reisen bis nach Ägypten gekommen, wo er sich mit den Verhältnissen des Landes und mit dem neusten Stand der ägyptischen Naturwissenschaft vertraut gemacht hat. Dass er die ihm zugeschriebenen geometrischen Lehrsätze aus der Feldmesserkunst und den mathematischen Kenntnissen der Ägypter geschöpft hat, darf als sicher gelten. „Thales“, so lesen wir in einer späteren Quelle, „soll als erster nach Ägypten gekommen sein und nach Griechenland diese Wissenschaft zurückgebracht haben (….). Es heißt, er habe (mit Hilfe des 2. Kongruenzsatzes) den Abstand der Fahrzeuge auf See berechnet. Die Pyramiden soll er nach ihrem Schatten gemessen haben, indem er die Zeit beobachtete, wo unser Schatten ebenso groß ist wie unser Körper.“8 Die astronomischen Kenntnisse, mit denen Thales die Sonnenfinsternis vom 28. Mai 585 v. Chr. berechnete, gehen sicherlich auch auf ägyptische Ursprünge zurück. Selbst die thaletische Lehre, dass alles aus dem Urgrundhaft-Feuchten entstanden sei – er nahm das Wasser als den Urstoff des Lebens an –, könnte ägyptisch sein; denken wir doch nur an die jährliche Nilschwemme! Thales glaubte aber auch, „dass alles von Göttern erfüllt sei“ – seine „Naturwissenschaft“, von den Ägyptern ererbt, blieb noch eingebunden in heiliges Priesterwissen und Götterlehren.

Das Denken der frühen ionischen Naturphilosophen war noch ganz ägyptosophisch bestimmt. Auf den Spuren des Thales wandelte nur wenig später Pythagoras von Samos (569–471 v. Chr.), der erste bewusste Esoteriker Griechenlands, der – Sohn des Mnesarchos, eines vermögenden Kaufmanns von der Insel Samos – die Erfahrungen seiner ausgedehnten Reisen durch den Vorderen Orient in einer neuen Philosophie und Mysterienreligion verdichtete. Nach der Lebensbeschreibung des Jamblichos war es der hochbetagte Thales selbst, der dem damals jugendlichen Pythagoras riet, nach Ägypten zu gehen, da man nur dort eine solche Weisheit erlangen könnte: „Nachdem Thales ihm, soviel er vermochte, von den Wissenschaften mitgeteilt, entschuldigte er sich wegen seines Alters … und forderte ihn auf, nach Ägypten