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Ein böser Geist will Christine Harkinson von ihrem Anwesen vertreiben! Davon ist zumindest ihr Gärtner überzeugt. Lo Wang befürchtet Schlimmstes und bangt um das Leben seiner Arbeitgeberin. Justus, Peter und Bob, die drei erfolgreichen Detektive aus Rocky Beach, machen sich auf die Suche nach dem ominösen Geist. Wer oder was steckt hinter der gruseligen Kapuzengestalt, die nachts ihr Unwesen im Garten treibt? Als die drei ??? ein offenes, altes Grab entdecken, ist sich Peter ganz sicher: Ein toter Mönch verfolgt Christine! Und dann geschieht etwas, das die gruseligsten Vorahnungen übertrifft ...
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2011
erzählt von Marco Sonnleitner
Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
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© 2002, 2007, 2008, 2011 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-12895-4
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Das war sie. Peter wusste es sofort. Sein Herz begann heftig zu schlagen, und das Blut stieg ihm in den Kopf. Er sah sie noch einmal an, aber es konnte keinen Zweifel geben. Sie war es.
Die perfekte Welle.
Mit kraftvollen Zügen kraulte er weiter aufs Meer hinaus. Jetzt nur keinen Fehler machen! Die Sonne schien ihm in den Rücken, das war gut. Der Wind hatte nachgelassen. Plötzliche Böen waren im Moment nicht zu befürchten. Er sah kurz zum Strand, wo eine bunt getupfte Menge unruhig hin und her wogte. Zahllose Fahnen wurden geschwenkt, gerade vor allem amerikanische. Auf einem riesigen Transparent las er flüchtig seinen Namen, und einmal glaubte er ihn sogar zu hören. Aber das bildete er sich sicher nur ein, so weit draußen, wie er war.
Die Welle baute sich auf. Mit einem dunklen Rauschen rollte sie auf ihn zu, wurde höher und immer höher. Erste Gischtfetzen leckten über den Kamm, und ganz außen überschlug sich die Wand bereits. Aber hier in der Mitte würde die Welle gigantisch werden. Peter musste nur noch den richtigen Einstieg finden, das war alles, worauf es jetzt ankam.
Noch ein paar letzte, kräftige Armzüge, dann war es so weit. Der Himmel verdunkelte sich, als die Wellenwand vor ihm aufstieg. In Sekundenbruchteilen war sie über ihm, hob ihn wie ein Spielzeug in die Höhe und wollte sich auf ihn herabstürzen. Aber genau im richtigen Moment schnellte Peter auf die Füße, balancierte seinen Stand geschickt aus und schob das Brett in den idealen Winkel zum Wellenhang. Die Kraft des Wassers erfasste ihn, und für den Bruchteil einer Sekunde wackelte Peter. Doch eine kurze Bewegung mit dem Oberkörper und er hatte einen sicheren Stand gefunden.
Von da an war es das pure Vergnügen. Wie im Rausch ritt Peter auf dem Wellenberg, machte enge Kehren, stob empor zum Kamm und raste wieder in die Tiefe. Er wurde eins mit der Welle und wusste intuitiv, wie er sich bewegen musste.
Dann sah er den Tunnel vor sich. Die Welle überschlug sich und bildete eine große Röhre, die sich wenige Meter vor ihm auftat und sich rasend schnell entfernte. Da hinein musste er. In diesen nassen, dröhnenden Stollen aus sich herabstürzendem Wasser. Und er musste so lange wie möglich hindurchfahren, um die Jury zu beeindrucken. Dann würde er sicher gewinnen. Er, Peter Shaw aus Rocky Beach, würde Weltmeister im Wellenreiten werden!
Das war seine Chance, die Chance seines Lebens! Peter ging weiter in die Knie, beugte den Oberkörper nach vorne und tauchte in den blauen Tunnel ein.
Jetzt hörte er sogar tatsächlich seinen Namen, trotz der donnernden Wassermassen! Die Menge musste toben. »Peter!«, riefen sie. »Peter!« Ein unbändiges Glücksgefühl durchströmte ihn. Er war der Held der Stunde!
»Peter!«
Sie feuerten ihn an, während er pfeilschnell durch die Wasserröhre schoss.
»Peter, hörst du?«
Ein merkwürdiger Schlachtruf.
Der Tunnel wurde enger. Bald würde er hinausfahren müssen. Aber Peter wollte jede Sekunde nutzen.
»Hallo, Peter!«
Plötzlich berührte ihn irgendetwas, packte ihn. Die Welle? Womöglich ein Fisch, ein Hai? Doch dann sah Peter undeutlich ein Gesicht, blass, verschwommen. Konnte das ...
›Eine Wasserleiche!‹, schoss es ihm durch den Kopf! ›Sie zieht mich zu sich hinab!‹
»Peter! Hallo! Ich glaube, der ist bewusstlos.«
Peter geriet in Panik. Die Leiche ließ ihn nicht los. Sie zerrte immer fester an ihm. Schon drohte er vom Brett zu kippen. Dann explodierte dicht neben seinem Ohr eine Stimme: »He, du Schlafsack! Aufwachen! Aufwachen!«
Der Tunnel löste sich in Nichts auf. Das Wasser, die Sonne, der Strand, die Leiche, alles verschwand.
Peter schoss erschrocken in die Höhe. »Was? Wie? Wo?«
»Mann, wo warst du denn?«
Der Strand war wieder da. Auch das Meer. Aber es war vollkommen ruhig. Keine einzige Welle kräuselte sich auf der spiegelglatten Oberfläche. Die auch frei von Wasserleichen war. Und aus der jubelnden Menge waren ein paar vor sich hin dösende Strandbesucher geworden. Nur die Stimme war immer noch da.
»Na, wieder unter den Lebenden?« Bob grinste verschmitzt.
Peter starrte seinen Freund verwirrt an. Einen Moment dauerte es noch, dann begriff er. »Oh Mann! Bob!«, stöhnte er und wischte sich übers Gesicht. »Konntest du nicht noch eine Minute warten? Eine Minute!«
»Warten? Worauf denn?«
»Na, bis der Traum zu Ende ist.«
Bob zwinkerte Justus verschwörerisch zu, der schon damit begonnen hatte, seine Badesachen einzupacken. »War sie blond? Oder brünett?«
»Was?«
»Na, die Frau deiner Träume! Deswegen sollte ich dich doch noch eine Minute im Land der Träume lassen, oder?«
Peter verdrehte die Augen. »Ob du’s glaubst oder nicht, aber ich träume auch noch von etwas anderem. Wenn du’s genau wissen willst, war ich nämlich gerade dabei, die Welle meines Lebens zu reiten! Die Welle schlechthin, sozusagen die Mutter aller Wellen. Es war einfach sagenhaft!« Peter schüttelte fassungslos den Kopf. »Sie war gewaltig und doch perfekt«, schwärmte er. »Es war ein Gefühl, als würde man, als könnte man ... ach, ich weiß nicht. Es war einfach megaphänomenal!« Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich schlagartig. »Bis mich eine Wasserleiche rüttelte und schüttelte und mir dann auch noch laut ins Ohr brüllte.«
»t’schuldigung.« Bobs Grinsen sah nicht wirklich zerknirscht aus. »Ich als Wasserleiche! Muss ich mir fürs nächste Halloween merken.«
»Wir können dich das nächste Mal ja etwas liebevoller aufwecken«, meldete sich Justus nun zu Wort. »Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass das Gewitter, das dahinten aufzieht, ebenfalls – wie sagtest du so schön? – megaphänomenal wird.« Er deutete nach Westen, wo sich über dem Horizont riesige schwarzblaue Gewitterwolken auftürmten. »Wir können froh sein, wenn wir noch einigermaßen trocken nach Hause kommen.«
»Junge, Junge«, staunte Peter, »das sieht nicht gut aus. Dürfte wirklich ein mächtiges Gepolter geben.«
»Dann lasst uns mal schleunigst von hier verduften.« Bob zog den Stöpsel aus seiner Luftmatratze, und die Luft schoss mit einem leisen Pfeifen aus dem Ventil.
Wenige Minuten später hatten die drei Jungen ihre Sachen zusammengepackt und sahen sich ein letztes Mal um, ob sie auch nichts vergessen hatten. Die meisten anderen Leute verließen ebenfalls mehr oder weniger hektisch den Strand und eilten zu ihren Autos oder Fahrrädern. Nur ein paar der Männer, die wie üblich ihre Drachen steigen ließen, wollten die aufkommende Brise und den sich leerenden Strand noch nutzen.
»Das würde ich auch gerne mal ausprobieren«, sagte Peter sehnsüchtig, als sie an einem von ihnen vorbeikamen. Der Mann hielt in beiden Händen Lenkschlaufen, an denen er abwechselnd zog, sodass der knallbunte Flugdrachen über ihren Köpfen wild über den wolkenverhangenen Himmel flitzte. Prustend und schwitzend stemmte sich der Mann dabei mit aller Kraft in den Sand und wurde doch ab und zu ein kleines Stück in die Luft gehoben.
»Diese Lenkdrachen kann man sicher nicht mit den Dingern vergleichen, die wir als Kinder steigen ließen«, meinte Bob. »Sieht so aus, als wäre es ziemlich anstrengend, so ein Teil in der Luft zu halten.«
»Allerdings!«, stimmte ihm Peter zu. »Aber gerade deswegen würde ich es ja gerne einmal machen.«
Justus warf nur einen desinteressierten Seitenblick auf den Mann und sagte nichts. Es gab kaum eine Sportart, die den Ersten Detektiv wirklich in ihren Bann ziehen konnte. Zumal die meisten von ihnen mit Anstrengung verbunden waren, und die suchte Justus möglichst zu vermeiden.
»Seht mal, der sieht super aus!« Peter zeigte auf einen Kastendrachen, der die Form eines chinesischen Schriftzeichens hatte. Im Gegensatz zu seinen dreieckigen Kollegen, die allesamt hektisch durch die Gegend sausten, stand er ruhig und stabil in der Luft. Der Mann, der ihn steuerte, ein sportlicher Typ mit Baseballkappe und Sonnenbrille, lenkte ihn gelassen mit einer Hand und machte auch sonst nicht den Eindruck, als würde er jeden Moment von seinem Fluggerät davongetragen werden.
»Das wäre schon eher was für mich«, beschied Justus.
»Ein bisschen lahm für meinen Geschmack. Schön, aber lahm«, fand Peter. »Und das bei dem Wind.« Plötzlich spielte ein süffisantes Lächeln um seine Lippen. »Scheint aber genau zu dem Typ zu passen.«
»Was meinst du?«, fragte Bob.
Peter deutete auf die Gegenstände, die um den Mann verteilt im Sand lagen. Eine Tasche, Schuhe, dünne Holzstangen, aufgewickelte Schnüre und noch einiges mehr. Alles war säuberlich aufgereiht und lag in exakten Winkeln zueinander auf dem Boden. »Seht euch das an. Scheint eher einer von der peniblen Sorte zu sein. Nur kein Durcheinander und immer mit der Ruhe.«
»Was für diese Art von Freizeitbeschäftigung nur von Vorteil sein kann.« Justus nickte anerkennend. »Die kleinste Schlamperei, verhedderte Schnüre, lose Stangen, und so ein Drache verabschiedet sich auf Nimmerwiedersehen oder stürzt ab. Und einige von diesen Geräten sind, glaube ich, ziemlich teuer.«
»Na ja.« Peter zeigte auf seine Badetasche, aus der alles in wilder Unordnung herausragte, und grinste. »Wie heißt es so schön? Nur Kleingeister halten Ordnung, das Genie beherrscht das Chaos!«
Justus sah ihn verblüfft an. Doch bevor er etwas erwidern konnte, sagte Bob: »Er holt den Drachen ein!«
Tatsächlich begann der Mann in diesem Moment, die Leine mit geübten Bewegungen um eine Spindel zu wickeln. Dabei entfernte er sich jedoch Stück für Stück von den drei Jungen und den anderen Leuten.
»Schade.« Peter verzog das Gesicht. »Ich hätte den Drachen gerne mal aus der Nähe gesehen. Aber wenn wir jetzt hinterhergehen, erwischt uns das Gewitter mit Sicherheit.«
»Du sagst es, Zweiter, du sagst es«, pflichtete ihm Justus bei. »Daher wäre ich unbedingt dafür, dass wir uns ab jetzt ein wenig beeilen. Die Wolken ziehen rasend schnell auf.«
In der Tat war die Gewitterfront ein gutes Stück näher gekommen. Berge aus schwarzem Dampf quollen übereinander, wuchsen drohend in die Höhe, und vereinzelt sah man auch schon Blitze zucken.
»Jetzt heißt es in die Pedale treten, Freunde.« Peter nestelte schon einmal den Schlüssel fürs Fahrradschloss aus seiner Hosentasche. »Zum Glück haben wir Rückenwind.«
»Wir hätten doch mit dem Auto fahren sollen, wie ich’s gesagt habe«, beschwerte sich Justus und warf einen besorgten Blick gen Himmel. »Aber ihr wolltet ja unbedingt die Räder nehmen.« Und nach einem kurzen Zögern setzte er missmutig hinzu: »Aristoteles hatte schon recht.«
»Bitte was?«, fragte Peter irritiert.
»Aristoteles? Dieser griechische Philosoph?«, wunderte sich auch Bob. »Was hat der denn damit zu tun?«
Justus stapfte die Steintreppe hinauf, die vom Strand zum Parkplatz führte. Dort hatten sie ihre Fahrräder abgestellt. »Aristoteles war von der Demokratie nicht unbedingt überzeugt, sondern plädierte eher für eine Aristokratie, also eine Herrschaft der Besten.«
»Ja?«
»Und?«
Peter und Bob hatten keine Ahnung, worauf Justus hinauswollte.
»Wenn ich bedenke, dass ihr vorhin mit euren zwei Stimmen gegen meine eine durchgesetzt habt, dass wir mit den Rädern zum Strand fahren, dann haben wir hier den schlagenden Beweis dafür –«
Weiter kam der Erste Detektiv nicht, denn in diesem Moment ertönte ein lautes Hupen vom Highway her. Unmittelbar darauf kreischten Bremsen, und ein Mensch schrie in panischer Angst.
»Da ist etwas passiert!«, rief Bob erschrocken. »Oben, auf dem Highway!«
»Um Himmels willen! Das hörte sich grauenvoll an.« Peter sah seine Freunde mit weit aufgerissenen Augen an.
»Los!« Justus begann zu rennen. »Nichts wie hin! Vielleicht wird unsere Hilfe benötigt.«
Auch andere Badegäste hatten das Quietschen der Bremsen und den Schrei gehört und liefen nun in Richtung Highway. Auf dem Parkplatz mussten sich die drei Detektive noch zwischen einigen Leuten hindurchschlängeln. Doch als sie den niedrigen Wall erreicht hatten, der die Küstenstraße an diesem Abschnitt vom Strand trennte, hatten sie freie Bahn.
Sie erklommen den leichten Anstieg und umkurvten einen großen Felsbrocken. Noch hatten sie keinen freien Blick auf die Schnellstraße, weil ihnen einige dürre Büsche die Sicht versperrten. Aber bereits jetzt konnten sie etwas erkennen, das ihnen den Schrecken in die Glieder jagte.
Die drei ??? entdeckten den Aufbau und das Führerhaus eines riesigen schwarzen Trucks. Der Motor lief noch. Dunkel blubberte er vor sich hin und schickte kleine Rauchfädchen durch den senkrechten Auspuff hinter dem Führerhaus. Doch das schwarze Ungetüm selbst verharrte bewegungslos. Und allem Anschein nach stand es etwas quer zur Fahrbahn.
»Das war der Truck, der gebremst hat!«, erkannte Peter entsetzt. »Mein Gott!«
Bob schickte ein Stoßgebet gen Himmel. »Bitte nicht!«, flüsterte er inständig.
»Hoffen wir das Beste.« Justus ignorierte das flaue Gefühl in seinem Magen und drängte die letzten Büsche auseinander.
Dann konnten die drei Detektive den ganzen Highwayabschnitt überblicken. Der Truck hatte die Straße fast komplett blockiert. Die Zugmaschine stand zwar noch auf der richtigen Fahrbahn, aber den Anhänger hatte es schräg versetzt auf die andere Seite geschoben. Es musste eine gewaltige Vollbremsung gewesen sein, die der Truck hingelegt hatte. Davor und dahinter hatte sich mittlerweile ein kleiner Stau gebildet. Die Autos hätten sich nur mühsam zwischen Anhänger und Bankett hindurchzwängen können, aber die vorderen Fahrzeuge waren ohnehin stehen geblieben. Weiter hinten erklang wütendes Hupen, und die ersten Fahrer stiegen bereits aus ihren Wagen.
»Könnt ihr was erkennen?« Bob reckte den Hals.
»Nein. Kommt weiter«, antwortete Justus leise.
»Nicht gut, gar nicht gut«, murmelte Peter und folgte seinen beiden Freunden mit weichen Knien.
Wer geschrien hatte, war tatsächlich nicht auszumachen. Das musste nichts, konnte aber auch das Schlimmste bedeuten. Voll banger Erwartungen liefen die drei Jungen an den Autos vorbei und näherten sich dem Unfallort.
Kurz bevor sie ihn erreicht hatten, sahen sie, wie sich die Fahrertür des Trucks öffnete. Ein glatzköpfiger, äußerst beleibter Mann hangelte sich die Einstiegstreppe hinab, verschwand für einen Moment hinter der riesigen Kühlerhaube und tauchte dann vor seinem Lastwagen wieder auf. Mit hochrotem Kopf und wutverzerrtem Gesicht stampfte er los.
»Bist du völlig irre?«, begann er lauthals zu schreien.
Die drei ??? sahen sich kurz an und erhöhten ihr Tempo.
»Haben sie dir das Gehirn amputiert, oder was?« Die Stimme des Lastwagenfahrers überschlug sich vor Zorn und Aufregung. »Hä? Ich fasse es nicht! Schläfst du? Bist du auf Drogen? Oder besoffen?«
Endlich hatten die drei Jungen den Unfallort erreicht. Zwischen dem Truck und dem ersten Auto befand sich ein freier Platz, um den bereits ein paar Schaulustige standen. Und auf diesem Platz, nur wenige Handbreit vor der blitzenden Stoßstange des Trucks, saß kreidebleich, heftig atmend und allem Anschein nach völlig apathisch ein dürres, kleines Männchen auf dem Hosenboden. Doch so weit die drei ??? das auf den ersten Blick beurteilen konnten, war es unversehrt.
»Gott sei Dank!«, entfuhr es Justus.
»Das ist wohl gerade noch mal gut gegangen«, sagte Peter erleichtert und klopfte Bob auf den Rücken.
Eine dickliche Frau drehte sich zu ihnen um. »Der Kerl ist ihm einfach so vor den Kühler gelaufen. Ist wie ein Blinder über die Straße, einfach so, ohne zu schauen. Hab’s genau gesehen. Ich habe gedacht, jetzt ist es aus mit ihm. Wahnsinn!«
»Hörst du mich?« Der Truckfahrer hatte sich inzwischen vor dem Mann aufgebaut. Erst jetzt erkannten die Jungen, dass es sich bei dem Unfallopfer um einen Asiaten handelte, wahrscheinlich um einen Chinesen. »Du mich hören? Hallo?«, brüllte der Fahrer.
Justus zwängte sich an der Frau vorbei und näherte sich dem aufgebrachten Mann, der förmlich vor Wut dampfte. »Entschuldigen Sie, Sir, aber ich glaube, der Herr da steht unter Schock«, sagte der Erste Detektiv vorsichtig. »Er kann Sie im Moment vermutlich gar nicht wahrnehmen.«
»Der steht wohl schon den ganzen Tag unter Schock!«, polterte der Fahrer weiter. »Habt ihr das gesehen? Habt ihr gesehen, was der getan hat? Was hast du dir dabei gedacht, du Idiot? Rennt mir einfach so vor die Kühlerhaube!«
»Sir, bitte beruhigen Sie sich doch.«
»Wenn ich nicht augenblicklich auf die Bremse gelatscht wäre, könnten wir ihn jetzt von der Stoßstange kratzen!«
»Sir, bitte!«
»Der muss lebensmüde sein! Oder komplett verrückt!«
So teilnahmslos der Chinese war, so außer sich war der Lastwagenfahrer. Justus gelang es kaum, ihn zu beruhigen. Während er weiter mäßigend auf ihn einredete, kümmerten sich Peter und Bob um den Chinesen.
»Hallo? Geht es Ihnen gut?« Behutsam berührte ihn Bob an der Schulter.
»Sind Sie verletzt?«, fragte Peter.
»Hallo, Mister? Können Sie mich verstehen?«
Doch der Chinese war auf seine Art genauso wenig zugänglich wie der Brummifahrer. Er schien die beiden Jungen nicht einmal zu hören, geschweige denn, dass er mit ihnen redete. Wie in Trance starrte er vor sich hin, atmete flach und schnell und blinzelte überhaupt nicht. Nur die Hände zitterten ruhelos.
»Der steht völlig unter Schock«, stellte Bob fest. »Am besten, wir rufen einen Krankenwagen.«
»Von den Gaffern hier ist sicher noch keiner auf diese Idee gekommen«, sagte Peter ärgerlich und nickte zu den Schaulustigen hin. Neugierig blickten sie zu ihnen herüber, machten aber keine Anstalten zu helfen. »Solche Pfeifen. Gut, dass ich mein Handy dabeihabe.«
Doch als Peter gerade die Notrufnummer wählen wollte, kam auf einmal Leben in den Chinesen.
»Nein, bitte sehr, keinen Krankenwagen«, sagte der Mann mit einem unüberhörbar asiatischen Akzent. Seine Stimme flatterte dabei, und er sah die beiden Freunde nicht an, als er mit ihnen sprach. Doch er war offensichtlich wieder einigermaßen bei Sinnen.
»Aber, Sir«, wandte Bob ein, »es wäre sicher besser, wenn Sie sich von einem Arzt untersuchen ließen.«
»Nein, nein, kein Arzt, kein Krankenwagen, keine Polizei. Bitte sehr.«
»Ha! Jetzt ist er wieder da!« Der Trucker hatte bemerkt, dass der Chinese etwas gesagt hatte, und sofort stürzte er sich auf ihn. »Hey, du hohle Nuss! Was war das denn? Kannst du mir das mal verraten?«
»Bitte, Sir.« Justus fragte sich, wie oft er das jetzt schon gesagt hatte.
Aber endlich wurde er wahrgenommen.
»Wer bist du überhaupt?«, blaffte ihn der Truckfahrer an. »Und wer sind die da?« Gereizt deutete er auf Peter und Bob.