Die drei ??? und der Knochenmann (drei Fragezeichen) - Marco Sonnleitner - E-Book
SONDERANGEBOT

Die drei ??? und der Knochenmann (drei Fragezeichen) E-Book

Marco Sonnleitner

0,0
7,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 7,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die drei ??? übernehmen jeden Fall. Das Camelot Theatre in Santa Monica feiert sein 100-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass hat der Direktor einen Preis ausgelobt, den derjenige erhält, der ein fünfteiliges Rätsel lösen kann. Genau das Richtige für die drei ???. Glücklicherweise macht Bob gerade ein Praktikum am Schauspielhaus und so können die Freunde sich ans Rätseln machen. Dass es nicht bei einfachen Rätseln bleibt, ist bei den drei Detektiven aus Rocky Beach klar: Das Theater birgt ein dunkles Geheimnis.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 159

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



und der Knochenmann

erzählt von Marco Sonnleitner

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von der Peter Schmidt Group, Hamburg,

auf der Grundlage der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941–24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2022, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

ISBN 978-3-440-50508-3

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Die Erde bebt

»Ein Rätsel? 10.000 Dollar?« Justus Jonas war urplötzlich hellwach. Bis jetzt hatte er seinem Freund und Detektivkollegen Bob Andrews nur mit halbem Ohr zugehört: erste Praktikumswoche am altehrwürdigen Camelot Theater in Santa Monica, viele interessante Menschen, Blick hinter die Kulissen, aufregend. Ab und zu hatte Justus »Ah ja«, »Hm« oder auch »Sieh mal an« gemurmelt, sich aber vor allem auf die eingegangenen E-Mails in ihrem Postfach konzentriert. Vielleicht war ja ein neuer Auftrag dabei. Sie hatten schon viel zu lange keinen Fall gehabt.

»10.000 Dollar?« Auch Peter Shaw, der Zweite Detektiv der drei ???, richtete sich in seinem Sessel auf. Er war in Surfer’s Paradise vertieft gewesen, eine seiner Lieblingszeitschriften. Aber 10.000 Dollar Preisgeld für die Lösung eines Rätsels ließen auch ihn hellhörig werden.

Bob grinste. »Aha, die Zauberwörter. Rätsel und Dollar. Und auf einmal habe ich zwei aufmerksame Zuhörer. Simsalabim.«

»Was ist das für ein Rätsel?« Justus schloss das E-Mail-Programm. Dafür war auch später noch Zeit.

»Ich zeig’s euch. Gleich.« Bob ging zum Kühlschrank ihrer Zentrale und nahm sich eine Cola aus dem Türfach. Die Zentrale war der Mittelpunkt ihres Detektivunternehmens, ein alter Campinganhänger, der vor neugierigen Blicken geschützt unter einem Berg Gerümpel auf dem Schrottplatz der Familie Jonas stand und nur durch mehrere Geheimgänge zu betreten war. Wobei Mathilda und Titus Jonas – Justus’ Tante und Onkel, denen der Schrottplatz gehörte und bei denen Justus seit dem Tod seiner Eltern vor vielen Jahren lebte – die Bezeichnung Gebrauchtwarencenter bevorzugten.

Der dritte Detektiv nahm einen großen Schluck und holte dann einen Bogen Papier aus seiner Umhängetasche. »Jeder Mitarbeiter hat vor ein paar Tagen so ein Blatt bekommen. Und weil ich im Moment ebenfalls zum Team gehöre, gab mir Prettyman bei meinem Begrüßungsgespräch auch eines.«

»Evander Prettyman?« Justus kannte den Namen natürlich. »Der Intendant höchstselbst hat dich willkommen geheißen?«

»Der Theaterchef, genau. Bisschen schräg und überdreht, so künstlermäßig eben, aber total nett.« Bob legte das Blatt vor Justus auf den Schreibtisch. »Bitte sehr. Das ist das Rätsel.«

Peter stand auf und sah Justus über die Schulter. »Und die 10.000 Dollar kann jeder gewinnen? Du auch?«

»Jeder, der im Moment am Camelot Theater arbeitet.«

»Und warum?«

»Lies einfach.« Bob deutete auf das Blatt.

Bob Andrews

Liebe Kollegen,

das Camelot Theater – das seid ihr! Ihr alleine. Ihr rührt unser Publikum zu Tränen, ihr zaubert ihm ein Lächeln aufs Gesicht, ihr bewegt die Herzen. Und ja – der Applaus ist euer Lohn. Aber ihr habt noch so viel mehr verdient, meine Lieben. Und deswegen sollt ihr anlässlich unseres 100-jährigen Jubiläums einmal im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.

In den folgenden Sätzen aus fünf berühmten Dramen müsst ihr fünf Buchstaben finden, die ein Lösungswort ergeben. Und wer mir dieses Lösungswort bis zu unserem Fest als Erster präsentiert, gewinnt 10.000 Dollar! Betrachtet dies als bescheidenes Zeichen meiner zutiefst empfundenen Wertschätzung eurer Arbeit und eurer Liebe zu unserem großartigen Theater.

1. Exposition: Da steh ich nun, ich armes Tor, und bin so klug als wie zuvor.

2. Steigerung: Er, wie er dieses sieht, schreit gräulich auf und geht zum Höllenschlund.

3. Peripetie: Tja, Ma’am, ich weiß nicht, was Sie unter viel verstehen. Samstagabends treffen sich die Landarbeiter im Amphitheater.

4. Retardation: Drum fragst du nicht nach mir und wer ich war im finstren Aug’ der Unterwelt.

5. Katastrophe: Es war die Nachtigall und nicht die Lärche.

Ganz der Eure

Evander Prettyman

»Herrje, der trägt aber dick auf.« Peter verzog das Gesicht. »Zutiefst empfundene Wertschätzung.«

»Ja, Prettyman liebt große Gesten.« Der dritte Detektiv lächelte angestrengt.

»Hätte nicht gedacht, dass es das Theater schon so lange gibt.« Justus vertiefte sich erneut in die Sätze. »Und wann soll dieses Fest sein?«.

»Am 1. August. Es beginnt mit der Preisverleihung und der Premiere einer Neuinszenierung von Romeo und Julia.«

»Und warum ein Rätsel?«, fragte Peter.

Bob zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«

Justus legte die Stirn in Falten. »Hier steht, man muss fünf Buchstaben finden, aus denen sich dann das Lösungswort zusammensetzt.« Er blickte kurz zu Peter auf. »Kannst du bitte aufhören, an meinem Stuhl zu ruckeln?«

»Wer? Ich? Ich ruckel nicht.«

»Doch, du ruckelst. Ich spüre es doch.«

Peter lächelte gnädig. »Was du nicht alles spürst.«

»Hm«, grunzte Justus. »Wie wollen die eigentlich verhindern, dass Leute bei der Lösung helfen, die nicht vom Theater sind?«

»Gar nicht«, erwiderte Bob. »Hilfe ist erlaubt. Nur ins Theater dürfen diese Leute nicht.«

Peter sah auf das Blatt. »Steht hier aber nicht.«

Bob zuckte die Achseln. »Ich weiß. Prettyman hat mich extra darauf hingewiesen. Außerdem darf man da ja sowieso nicht so einfach im Gebäude rumspazieren.«

»Buchstaben finden …«, wiederholte Justus die beiden Wörter aus dem Brief. »Vielleicht muss man das wörtlich nehmen. Das erste Rätsel scheint auf einen Ort hinzuweisen.«

»Einen Ort?« Peter beugte sich vor. »Ex…po…si…tion: Da steh ich nun, ich armes Tor, und bin so klug als wie zuvor.« Er sah Justus an. »Meinst du das Tor? Oder diese Dings da, diese Expo…sition? Oder heißt es dieses?«

»Diese. Nein.« Der Erste Detektiv tippte nacheinander auf die ersten Wörter der fünf Rätseltexte. »Exposition, Steigerung, Peripetie, Retardation, Katastrophe. So nennt man die Handlungsstationen der fünf Akte eines klassischen Dramas – also Theaterstücks.«

Peter nickte bedeutungsschwer. »Katastrophe kenn ich. Hab ich zu Hause, wenn ich mein Zimmer nicht aufräume.«

»Ich meine aber das Tor. Der Satz stammt, wenn ich mich recht erinnere, aus dem Stück Faust von Johann Wolfgang von Goethe. Und da heißt es armer Tor, nicht armes Tor. Das könnte ein Hinweis sein.«

»Hatte Goethe ein Grammatikproblem, oder was?« Peter grinste. »Erste Klasse Grundschule: das Tor. Nicht der Tor.«

»Der Tor ist ein alter Begriff für Narr, Dummkopf, Idiot«, informierte ihn Justus. »Oder es ist das S, das gefunden werden muss. S statt R.« Er kniff die Lippen zusammen. »Aber das wäre dann doch sehr simpel für 10.000 Dollar.« Wieder sah er zu Peter auf. »Zweiter. Würdest du bitte einen halben Meter zurücktreten. Dein Geruckel macht mich wirklich nervös.«

Peter griff sich an die Brust. »Ich mach doch gar nichts! Duruckelst oder hast mit den Füßen gewippt. Ich habe auch was gespürt, aber ich war das nicht.«

Justus deutete neben den Kühlschrank. »Bitte da hinstellen.«

»Was? Und wie soll ich von da aus lesen?«

»Ich lese es dir vor.«

»Manno! Manchmal hörst du wirklich die Flöhe husten.«

Bob schaltete sich ein. »Das heißt, wir müssen vielleicht nach einem Tor suchen. Aber wo und nach welchem?«

»Warte mal.« Justus schob sich über das Papier. »Da. Das fünfte Rätsel. Katastrophe: Es war die Nachtigall und nicht die Lärche. Das ist eine der berühmtesten Stellen aus Romeo und Julia von William Shakespeare.«

»Und was daran ist bitte schön eine Katastrophe?«, maulte Peter vom Kühlschrank aus und verschränkte die Arme.

»Keine Ahnung. Aber bei Shakespeare steht Lerche mit e, nicht Lärche mit ä. Ganz sicher. Lerche mit e ist ein Vogel, Lärche mit ä ein Nadelbaum.«

»Wow!«, staunte Bob. »Noch zehn Minuten und du hast das Rätsel geknackt. Damit hätten wir ein Ä, wenn deine zweite Theorie zutrifft.«

»Wie gesagt, dass es so leicht ist, kann ich mir nicht vorstellen.« Der Erste Detektiv lehnte sich in seinen Chefsessel zurück. »Interessant. Sehr interessant. Die Sätze stammen aus berühmten Dramen, deren ursprünglicher Text offenbar geringfügig verändert wurde. Es müssen Buchstaben gefunden werden, Externe dürfen helfen, allerdings nicht innerhalb des Theaters.«

»Gibt es ein Tor oder so einen Baum in dem Gebäude?« Peter sah Bob fragend an. »Wenn das Theater hundert wird, macht es ja auch irgendwie Sinn, sich mit dem Haus und dem ganzen Zeug darin zu beschäftigen, wenn man das Rätsel lösen will. Vielleicht steht im Hinterhof so eine Lärche, in die Prettyman einen Buchstaben geritzt hat?«

»So etwas in der Art schwebte mir ebenfalls gerade vor«, sagte Justus. »Eine Schnitzeljagd, die die Mitarbeiter von Station zu Station – Bob!« Justus warf seinem Freund einen genervten Blick zu. »Fängst du jetzt auch noch damit an? Habt ihr euch mit diesem Geruckel abgesprochen, weil ihr mich –«

Im nächsten Augenblick tat es einen großen Schlag, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall. Als hätte eine riesige Hand die Zentrale in die Luft gehoben und wieder fallen gelassen.

Die drei Jungen starrten sich an und erbleichten. Jedem war sofort klar, was los war.

»Raus hier, schnell!« Peter war als Erster an der Tür. »Erdbeben. Das ist ein Erdbeben!«

Justus sprang auf und hinter Peter her, Bob hastete als Letzter aus dem Wohnwagen. Sie eilten durch die enge Wellblechröhre zum Kalten Tor, einem riesigen Kühlschrank, dessen Rückwand sich verschieben ließ. Da schwankte die Erde erneut. Über ihnen verrutschten Eisenträger mit einem hässlichen Knirschen, ein dumpfes Grollen drang aus dem Boden und die Röhre fing an zu schaukeln. Justus torkelte gegen die Wand und fiel hin.

»Just!« Bob beugte sich nach unten und half seinem Freund auf die Beine. »Alles klar? Komm schon, wir müssen raus hier.«

»Alles in Ordnung.« Justus rappelte sich auf und wankte durch die Kühlschranktür, die Peter für sie aufhielt.

Wieder fiel etwas mit lautem Getöse um, Glas zersprang, irgendwo zischte es. Hunde bellten, Alarmanlagen von Autos jaulten, in weiter Entfernung heulte eine Sirene. Die Jungen hörten Menschen rufen und schreien.

Und das Schwanken und Rumpeln wollte nicht aufhören.

»Zur Einfahrt«, rief Justus, während sie um eine Gruppe alter Kleiderpuppen liefen. Viele waren umgefallen oder lehnten wie betrunken aneinander. »Dort ist am meisten Platz.«

Der Hinweis war überflüssig. In Kalifornien waren Erdbeben nichts Ungewöhnliches, jedes Kind lernte in der Schule, wie man sich dabei verhalten musste. Ins Freie laufen, sofern möglich, und dort weit weg von Gebäuden, Bäumen, Strommasten oder sonstigen Dingen, die einen unter sich begraben konnten.

»Justus! Peter, Bob. Gott sei Dank. Hierher!« Tante Mathilda winkte ihnen zu. Sie und Onkel Titus standen bereits an dem gusseisernen Tor, das die Zufahrt zum Schrottplatz bildete.

»Geht es euch gut?«, fragte Onkel Titus, während sich die drei Jungen um ihn scharten.

Justus, immer noch sehr blass, nickte. Plötzlich lösten sich mehrere Dachziegel vom Wohnhaus und zersprangen am Boden in tausend Scherben.

»Oh nein.« Tante Mathilda schlug die Hände vors Gesicht. »Hoffentlich wird das nicht noch schlimmer. Unser schönes Haus. Das Hochzeitsgeschirr meiner Mutter! Oje.«

Weitere Sirenen ertönten und in einiger Entfernung stieg eine schwarze Rauchwolke auf. Immer noch wackelte und vibrierte die Erde, und alles, was auf ihr stand, wackelte mit.

Ein fast surreales Bild. Peter erinnerte sich an seine Fahrt mit dem Jolly Dumper auf dem Jahrmarkt. Danach hatte auch alles geschwankt und gewackelt. Als wäre die Welt aus Pudding.

»Das hört sicher gleich wieder auf.« Onkel Titus lächelte. Doch seine Augen lächelten nicht.

Verschwunden

Die Jungen hatten das ganze Wochenende über zu tun. Auf dem Schrottplatz, bei Peter und Bob zu Hause. Die Behörden stuften das Erdbeben von Freitagabend als eine 5,1 auf der Richterskala ein. Kein großes Beben, aber auch keines der vielen hundert kleinen, die jährlich Kalifornien heimsuchten. Die Schäden waren nicht allzu gravierend, alles Wichtige funktionierte noch. Strom, Gas, Wasser. Die Straßen waren alle befahrbar, nach jetzigem Stand gab es nur wenige Verletzte und am allerwichtigsten: Niemand war ums Leben gekommen. Aber einiges war doch zu Bruch gegangen und vieles musste wieder hingestellt, aufgerichtet, zurechtgerückt, in Ordnung gebracht werden. Für die Jungen als echte Kalifornier kein Drama.

Allerdings waren sich die meisten Seismologen darin einig, dass dieses Beben nur ein Vorspiel gewesen war. Ihre Messgeräte sprachen eine deutliche Sprache: Die Erde war in Unruhe. Ein weiteres, vielleicht größeres Beben war in den nächsten Stunden oder Tagen zu befürchten. Und einige Experten hielten sogar ein ganz großes Beben für möglich. Eines wie das von 1906, das San Francisco in Schutt und Asche gelegt und unzählige Menschenleben gefordert hatte. Es sei an der Zeit, längst überfällig …

Während Justus und Peter am Montag noch Tante Mathilda zur Hand gingen und den entstandenen Müll entsorgten, fuhr Bob bereits morgens ins Camelot Theater. Auch dort herrschte nach dem Beben immer noch hektische Betriebsamkeit, wurde geräumt, geputzt und repariert. Außerdem gingen die Proben für Romeo und Julia in die finale Phase. Das Bühnenbild musste hergerichtet, die Requisiten organisiert und die Kostüme fertiggestellt werden. Bald war für die Schauspieler das »Trockenschwimmen« in Alltagsklamotten und vor kahlen Wänden vorbei. Sie sollten sich in der echten Kulisse und mit wallenden Gewändern und Perücken in ihre Rollen einfinden.

»Na, wie geht es dir, mein Lieber? Das war ja ein Heidenschreck, nicht wahr.«

Bob drehte sich um. Evander Prettyman war hinter ihm aus einem der Proberäume getreten. Ein spindeldürrer Riese, der wie immer Anzug, Krawatte und Einstecktuch trug. Die knallrote Brille und der mickrige Pferdeschwanz, der Bob an einen abgenutzten Rasierpinsel erinnerte, passten allerdings überhaupt nicht zu dem sonst so feinen Aufzug.

»Guten Morgen. Ja, war ziemlich heftig. Ein paar Sachen gingen bei uns kaputt, aber alles halb so schlimm. Und hier?«

Prettyman seufzte schmerzlich. »Ach, wir haben schon schlimmere Klippen umschifft. Und wir werden auch diese Herausforderung meistern. Gemeinsam schaffen wir das. Gemeinsam schaffen wir alles.«

Bob zwang sich zu einer mitfühlenden Miene. Prettyman verhielt sich immer, als stünde er vor Publikum auf einer Bühne. Große Gesten, große Gefühle, große Worte. Bob fand ihn ziemlich anstrengend. Dennoch wollte er die Gelegenheit beim Schopf packen und Justus’ These im Hinblick auf die Rätsel überprüfen. Sie hatten sich am Wochenende noch ausgiebig damit beschäftigt und waren zu dem Entschluss gekommen, dass Bob nach entsprechenden Orten im Theater suchen sollte. Nach einem Tor und einer Lärche. Die anderen drei Rätsel hatten sie noch keinem Drama zuordnen können, konnten also noch nicht sagen, auf welche Orte diese Texte vielleicht verwiesen.

»Was ich Sie fragen wollte, Mr Prettyman: Gibt es im Theater eigentlich so etwas wie ein Tor? Außer dem zum Hinterhof natürlich. Vielleicht in der Requisite? Oder als Gemälde?«

Prettyman grinste, was die Backen hergaben, und wedelte mit dem Zeigefinger. »Da brat mir doch einer einen Storch.« Dann drehte er sich um und stolzierte Richtung Foyer.

»Na super«, murmelte Bob. War das ein Ja gewesen? Und wenn, ein Ja wozu? Der dritte Detektiv zuckte die Schultern und machte sich auf den Weg zum Hinterausgang. Von da führte eine Treppe in den rückwärtigen Hof, den ein großes Schiebetor von der Straße trennte. Vielleicht fand sich dort ein Hinweis oder sogar ein Buchstabe.

Als er hinter den Künstlergarderoben um eine Ecke lief, prallte er beinahe mit Buzzy zusammen, der Bühnenbildnerin. Schnell machte er einen Schritt zur Seite. »Hoppla. Das war knapp.«

»Hi, Bob.« Buzzy hob kaum den Kopf, lächelte nur flüchtig und lief weiter.

»Buzzy?« Bob sah ihr verwundert nach. Bis jetzt hatte er die junge Frau mit den schwarzen Wuschelhaaren als immer gut gelaunt und sehr gesprächig kennengelernt. »Alles klar bei dir?«

Buzzy blieb stehen, zögerte, drehte sich dann um. »Du hast Maya auch nicht gesehen, oder?«

Sie klang sehr besorgt. Maya, die Schneiderin des Hauses, war ihre beste Freundin am Theater. Die beiden hingen ständig zusammen. »Nein, wieso? Ist etwas passiert?«

Buzzy kaute nervös auf ihrer Unterlippe. »Maya hätte schon«, sie sah auf die Uhr, »vor zwei Stunden da sein müssen. Und gestern Abend kam sie nicht zu unserer Verabredung.«

Trenton Rudolph rauschte um die Ecke, der Star des Theaters. »Na, ihr beiden, ein kleines Schwätzchen in Ehren?«

Natürlich hatte Bob schon vor seinem Praktikum von Rudolph gehört und ihn auch in einer Aufführung gesehen. Und sein damaliger Eindruck hatte sich bei der ersten leibhaftigen Begegnung letzten Freitag noch um einiges verschlimmert: ein eingebildeter Selbstdarsteller, dessen Egoismus nur vom Gestank seines grässlichen Rasierwassers übertroffen wurde.

Abrupt blieb King Rudolph, wie ihn manche im Theater hinter vorgehaltener Hand nannten, stehen. »Mädchen, du siehst ja schrecklich aus? Ist jemand gestorben?«