Die dunklen Fälle des Harry Dresden - Wolfsjagd - Jim Butcher - E-Book
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Die dunklen Fälle des Harry Dresden - Wolfsjagd E-Book

Jim Butcher

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Beschreibung

Manchmal werden bestialische Morde von echten Ungeheuern verübt. Der zweite dunkle Fall des Harry Dresden.

Mein Name ist Harry Blackstone Copperfield Dresden, und ich bin ein Magier. Tatsächlich bin ich der einzige offen praktizierende Magier Chicagos. Ich trete nicht auf Kindergeburtstagen oder Firmenfeiern auf. Aber wenn die Polizei mal nicht weiter weiß, dann stehe ich ihr zur Verfügung. Der brutale Mord, zu dem mich Lieutenant Murphy in diesem Fall rief, war schon schlimm genug. Aber die riesigen Pfotenabdrücke am Tatort waren so eindeutig, dass die Polizistin mich fragte: »Gibt es Werwölfe wirklich?« Leider lautet die Antwort: ja. Und ich erfuhr mehr über diese Bestien, als ich je wissen wollte ...

Die dunklen Fälle des Harry Dresden:
1. Sturmnacht
2. Wolfsjagd
3. Grabesruhe
4. Feenzorn
5. Silberlinge
6. Bluthunger
weitere Titel in Vorbereitung

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Buch

Mein Name ist Harry Blackstone Copperfield Dresden, und ich bin ein Magier. Tatsächlich bin ich der einzige offen praktizierende Magier Chicagos. Ich trete nicht auf Kindergeburtstagen oder Firmenfeiern auf. Aber wenn die Polizei mal nicht weiterweiß, dann stehe ich ihr zur Verfügung. Der brutale Mord, zu dem mich Lieutenant Murphy in diesem Fall rief, war schon schlimm genug. Aber die riesigen Pfotenabdrücke am Tatort waren so eindeutig, dass die Polizistin mich fragte: »Gibt es Werwölfe wirklich?« Leider lautet die Antwort: ja. Und ich erfuhr mehr über diese Bestien, als ich je wissen wollte …

Autor

Jim Butcher ist der Autor der Dresden Files, des Codex Alera und der Cinder-Spires-Serie. Sein Lebenslauf enthält eine lange Liste von Fähigkeiten, die vor ein paar Jahrhunderten nützlich waren – wie zum Beispiel Kampfsport –, und er spielt ziemlich schlecht Gitarre. Als begeisterter Gamer beschäftigt er sich mit Tabletop-Spielen in verschiedenen Systemen, einer Vielzahl von Videospielen auf PC und Konsole und LARPs, wann immer er Zeit dafür findet. Zurzeit lebt Jim in den Bergen außerhalb von Denver, Colorado.

Besuchen Sie uns auch auf www.instagram.com/blanvalet.verlag und www.facebook.com/blanvalet.

Jim Butcher

WOLFSJAGD

DIE DUNKLEN FÄLLE DES HARRY DRESDEN

Roman

Deutsch von Jürgen Langowski

Die Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Fool Moon (The Dresden Files 2)« bei Penguin RoC, New York.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2001 by Jim ButcherPublished by Arrangement with IMAGINARY EMPIRE LLC

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2022 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Peter Thannisch

Umschlaggestaltung und -motiv: www.buerosued.de

Illustrationen: © www.buerosued.de

HK · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-29102-0V001

www.blanvalet.de

1. Kapitel

Normalerweise achte ich nicht weiter auf den Wechsel der Mondphasen. Daher wusste ich auch nicht, dass es eine Nacht vor Vollmond war, als sich im McAnally’s eine junge Frau zu mir setzte und mich bat, ihr alles über eine Sache zu erzählen, die sie angeblich umbringen konnte.

»Nein«, erwiderte ich. »Kommt überhaupt nicht infrage.« Ich faltete den Zettel mit den drei konzentrischen Kreisen filigraner Symbole zusammen und schob ihn über die Tischplatte aus poliertem Eichenholz zurück.

Kim Delaney runzelte erbost die Stirn und strich sich eine glänzend schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Die junge Frau war groß, wohlproportioniert und auf eine altmodische Art hübsch mit ihrer hellen, schönen Haut und den runden Wangen, die sich oft zu einem Lächeln verzogen. Im Augenblick allerdings lächelte sie nicht.

»Ach, nun kommen Sie schon, Harry«, sagte sie. »Es gibt außer Ihnen keinen anderen praktizierenden Berufsmagier in Chicago, niemand sonst kann mir helfen.« Sie beugte sich vor und sah mich eindringlich an. »Ich finde nirgends Hinweise auf diese Symbole. Niemand in den Zirkeln in der Umgebung scheint sie zu kennen. Sie sind der einzige echte Magier, von dem ich je gehört habe. Ich will doch nur wissen, was das hier zu bedeuten hat.«

»Nein«, erklärte ich ihr, »das wollen Sie nicht wissen. Es ist besser, wenn Sie diese Kreise vergessen und sich mit etwas anderem beschäftigen.«

»Aber …«

Mac platzierte zwei dampfende Teller auf die polierte, jedoch unebene Eichentheke. Dann stellte er noch zwei Flaschen seines selbstgebrauten Brown Ale daneben. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.

Ein eher unbehagliches Geräusch war dagegen aus Richtung meines Magens zu vernehmen, der fast so leer war wie meine Brieftasche. Ich hätte es mir keinesfalls leisten können, an diesem Abend auszugehen, doch Kim hatte mich eingeladen, weil sie beim Essen mit mir reden wollte. Zudem genoss ich ihre Gesellschaft, und sie war eine ehemalige Schülerin von mir. Viel Geld hatte sie nicht, doch ich hatte sogar noch weniger als sie.

Trotz meines knurrenden Magens stand ich nicht sofort auf, um die Teller zu holen. (In McAnally’s Pub gibt es keine Bedienung. Mac vertritt die Ansicht, wer nicht in der Lage sei, sich das Essen selbst zu holen, habe auch nichts bei ihm zu suchen.) Ich sah mich kurz um und betrachtete die ungemütliche Kombination von niedrigen Decken und träge rotierenden Ventilatoren, die dreizehn geschnitzten Holzsäulen, die dreizehn Fenster und die dreizehn Tische, die bewusst asymmetrisch aufgestellt sind, um die magischen Rückstände aufzulösen und zu verstreuen, die sich manchmal in der Nähe hungriger (sprich: wütender) Magier sammeln. Das McAnally’s ist ein sicherer Zufluchtsort in einer Stadt, in der niemand sonst an Magie glaubt. Viele Berufskollegen kehren hier ein, um etwas zu essen.

»Hören Sie, Harry«, sagte Kim, »ich will doch nichts Schlimmes damit anstellen. Ich verspreche es. Es geht mir nicht um eine Beschwörung oder einen Bann. Mein Interesse ist rein akademischer Natur. Eine Sache, über die ich mir schon länger Gedanken mache.«

Sie beugte sich vor, legte ihre Hand auf meine und blickte mir ins Gesicht, ohne mir in die Augen zu sehen. Diesen Trick beherrschen nur wenige derjenigen, die unsere Kunst nicht ausüben. Sie grinste und zeigte dabei ihre tiefen Grübchen.

Unterdessen knurrte schon wieder mein Magen, und ich blickte sehnsüchtig zum Essen auf der Theke. »Ganz sicher?«, fragte ich sie. »Sie wollen es nur wissen, weil Sie neugierig sind? Sie wollen es nicht für irgendwas benutzen?«

»Großes Ehrenwort«, bekräftigte sie.

Ich runzelte die Stirn. »Also, ich weiß nicht …«

»Nun hören Sie schon auf, Harry.« Sie lachte mich an. »Es ist doch wirklich keine große Sache. Wenn Sie es mir nicht sagen wollen, na schön. Ich bezahle trotzdem das Essen, denn ich weiß, dass Sie in letzter Zeit etwas knapp bei Kasse sind. Genauer gesagt seit dem letzten Frühjahr.«

Darauf schaute ich finster drein, aber es war ja nicht Kims Schuld. Sie konnte nichts dafür, dass Karrin Murphy, die Leiterin der Sonderermittlungseinheit beim Police Department von Chicago und meine wichtigste Auftraggeberin, mich seit mehr als einem Monat nicht mehr als Berater hinzugezogen hatte. In den letzten Jahren hatte ich den größten Teil meines Lebensunterhalts durch meine Tätigkeit als freier Mitarbeiter dieser Einheit bestritten. Doch nach dem Trubel im letzten Frühling, als ein Schwarzmagier gegen eine Verbrecherbande um die Kontrolle über den Drogenhandel in Chicago gekämpft hatte, waren die Aufträge von ihrer Seite nach und nach zurückgegangen – und damit auch mein Einkommen.

Mir war nicht klar, warum Murphy mich nicht mehr so oft hinzuzog. Natürlich hatte ich gewisse Vermutungen, hatte bisher allerdings noch keine Gelegenheit gefunden, genauer nachzufragen. Vielleicht hatte es auch gar nichts mit meinem Verhalten zu tun. Vielleicht lag es einfach daran, dass die Monster in Streik getreten waren. Klar, aber sicher doch.

Jedenfalls war ich ausgesprochen knapp bei Kasse und ernährte mich schon seit mehreren Wochen von billigen Nudeln und Suppe.

Die Steaks, die Mac gebraten hatte, rochen himmlisch, obwohl sie immer noch auf der anderen Seite des Raumes warteten. Wieder protestierte mein Magen und stieß ein steinzeitliches Knurren aus. Der Höhlenmensch in mir wollte endlich wieder die Zähne in verkohltes Fleisch schlagen.

Leider konnte ich nicht einfach losgehen und das Essen holen, ohne Kim die Informationen zu geben, die sie haben wollte. Nicht dass ich bei Abkommen stets ehrlich bin, aber Menschen habe ich noch nie übers Ohr gehauen, und ganz sicher niemanden, der zu mir aufschaut.

Manchmal hasse ich es, ein Gewissen und dazu ein ausgesprochen lästiges Ehrgefühl zu haben.

»Also schön, also schön«, seufzte ich. »Lassen Sie mich das Essen holen, dann erzähle ich Ihnen, was ich weiß.«

Kims runde Wangen bekamen wieder Grübchen. »Danke, Harry. Das bedeutet mir sehr viel.«

»Yeah, schon gut«, sagte ich und stand auf, um zwischen Säulen und Tischen hindurch zur Theke zu gehen.

An diesem Abend waren mehr Gäste im McAnally’s als gewöhnlich. Mac lächelt nur selten, aber jetzt strahlte er eine gewisse Zufriedenheit aus und freute sich offensichtlich über den regen Zuspruch.

Ein wenig gereizt schnappte ich mir die Teller und die Flaschen. Es ist schwer, sich über den wachsenden Wohlstand eines Freundes zu freuen, wenn das eigene Geschäft gerade den Bach runtergeht.

So kehrte ich mit Ale, Steaks, Kartoffeln und grünen Bohnen zum Tisch zurück und setzte mich wieder. Eine Weile aßen wir schweigend – ich düster brütend, sie mit herzhaftem Appetit.

»Also«, sagte Kim schließlich. »Was können Sie mir darüber erzählen?« Sie deutete mit der Gabel auf den Zettel.

Ich schluckte einen Bissen herunter, trank einen Schluck vom süffigen Bier und nahm das Papier in die Hand. »Nun gut. Das hier ist eine Figur aus der Hohen Magie. Eigentlich sind es sogar drei, eine innerhalb der anderen. Es wirkt so ähnlich wie hintereinander aufgestellte Mauern. Erinnern Sie sich an das, was ich Ihnen über magische Kreise erzählt habe?«

Sie nickte. »Entweder der Kreis hält etwas draußen, oder er hält etwas drinnen. Bei magischen Energien oder Wesen aus dem Niemalsland wirkt das meistens, aber Menschen können die Kreise durchbrechen und zerstören.«

»Richtig«, bestätigte ich. »Diese Aufgabe erfüllt der äußerste der drei aus Symbolen bestehenden Ringe. Es ist eine Barriere gegen Geister und magische Kräfte. Diese Symbole – hier, hier und hier – sind die Schlüssel.« Ich deutete auf die betreffenden Kringel.

Kim nickte eifrig. »Den äußeren Kreis habe ich verstanden. Was ist mit dem nächsten?«

»Der zweite ist eher eine Barriere für Normalsterbliche. Allerdings bleibt er wirkungslos, solange Sie lediglich kreisförmig angeordnete Symbole benutzen. Sie brauchen noch etwas, Steine oder Edelsteine oder so, was zwischen den Symbolen ausgelegt wird.« Ich schob mir wieder einen Bissen Steak in den Mund.

Kim betrachtete mit gerunzelter Stirn erst das Blatt, dann wieder mich. »Wozu soll das gut sein?«

»Es ist eine unsichtbare Mauer«, erklärte ich ihr. »Fest wie aus Ziegelsteinen. Geister und Magie gelangen mühelos hindurch, aber Normalsterbliche hält sie auf. Ebenso einen Stein, den man wirft, oder eine Gewehrkugel oder sonst etwas, das rein physischer Natur ist.«

»Ich verstehe«, sagte sie aufgeregt. »So etwas wie ein Schutzschirm.«

Ich nickte. »Etwas in der Art.«

Ihre Wangen glühten vor Aufregung, und ihre Augen strahlten. »Ich wusste es doch. Und der letzte?«

Ich betrachtete den innersten Kreis und schüttelte den Kopf. »Das ist ein Fehler.«

»Was meinen Sie damit?«

»Ich meine, dass es keine Bedeutung hat, keinen Sinn ergibt. Sind Sie sicher, dass Sie es richtig übertragen haben?«

Kim machte eine empörte Miene. »Und ob. Ich hab genau aufgepasst.«

Nachdenklich sah ich sie einen Augenblick an. »Wenn ich die Symbole richtig deute, handelt es sich um eine dritte Mauer, um Wesen abzuhalten, die zugleich körperlich und nicht körperlich sind. Also weder Sterbliche noch Geister, sondern etwas dazwischen.«

Sie runzelte die Stirn. »Was sollen das für Wesen sein?«

»So etwas gibt es nicht«, behauptete ich schulterzuckend.

Das entsprach der offiziellen Version, denn der Weiße Rat der Magier duldete keine Diskussionen über Dämonen, die auf die Erde gerufen werden konnten, über Geistwesen, die jede beliebige Gestalt annehmen konnten. Normalerweise reichte ein einfacher magischer Kreis aus, um alle außer die mächtigsten Dämonen oder die Älteren Wesen aus den fernsten Regionen des Niemalslandes aufzuhalten. Dieser dritte Kreis aber war für Wesen gedacht, die nicht an solche Grenzen gebunden waren. Es handelte sich um einen Käfig für dämonische Halbgötter und Erzengel.

Kim kaufte mir meine Antwort nicht ab. »Ich verstehe das nicht, Harry. Warum sollte jemand einen Kreis zeichnen, um etwas zurückzuhalten, das es nicht gibt?«

Ich hob beschwichtigend die Hände. »Die Leute verhalten sich nicht immer vernünftig und logisch. Menschen sind eben so.«

Sie verdrehte die Augen. »Hören Sie auf, Harry. Ich bin kein kleines Kind mehr. Sie brauchen mich nicht zu beschützen.«

»Und Sie«, erklärte ich ihr, »Sie müssen nicht herausfinden, was für Wesen dieser dritte Kreis aufhalten soll. Sie wollen es nicht wissen, glauben Sie mir.«

Einen Augenblick lang funkelte sie mich finster an, dann trank sie einen Schluck Bier und zuckte mit den Schultern. »Na gut. Die Kreise müssen aktiviert werden, nicht wahr? Man muss wissen, wie man sie … einschaltet, ähnlich wie bei einem Lichtschalter, oder?«

»So ähnlich, ja.«

»Wie aktiviert man diesen hier?«

Ich starrte sie lange an.

»Harry?«, fragte sie.

»Auch das müssen Sie nicht wissen. Nicht einmal aus rein akademischem Interesse. Keine Ahnung, was Sie vorhaben, Kim, aber lassen Sie es bleiben. Vergessen Sie’s. Halten Sie sich einfach da raus, bevor Ihnen etwas zustößt.«

»Harry, ich will doch nicht …«

»Sparen Sie sich das!«, unterbrach ich sie. »Das hier ist eine Art Tigerkäfig, Kim.« Ich tippte auf das Blatt. »Und den würden Sie nicht brauchen, wenn Sie nicht die Absicht hätten, einen Tiger zu fangen.«

Ihre Augen blitzten, und sie schob trotzig das Kinn vor. »Sie glauben, ich wär nicht stark genug.«

»Mit Stärke hat das nichts zu tun«, erwiderte ich. »Sie haben nicht die nötige Ausbildung. Sie verfügen nicht über das erforderliche Wissen. Ich würde von einem Erstklässler nicht verlangen, dass er eine Integralrechnung löst, und so ähnlich verhält es sich mit Ihnen und dem hier.« Ich beugte mich vor. »Sie wissen nicht genug, um solche Dinge handhaben zu können, Kim. Selbst wenn Sie es wüssten, wenn Sie eine voll ausgebildete Magierin wären, würde ich Ihnen raten, es zu lassen. Wenn Sie bei dem hier Mist bauen, könnten Sie vielen Leuten wehtun.«

»Falls ich die Absicht hätte, es zu tun, wäre es sowieso meine Sache, Harry.« Ihre Augen funkelten vor Zorn. »Sie haben nicht das Recht, so etwas für mich zu entscheiden.«

»Nein«, erklärte ich ihr, »ich bin nur dafür verantwortlich, dass Sie die richtige Entscheidung treffen.«

Ich knüllte den Zettel zusammen und warf ihn auf den Boden.

Sie stach mit der Gabel wütend auf ihr Steak ein. Es war eine heftige, böse Geste.

»Hören Sie, Kim«, sagte ich, »lassen Sie sich Zeit. Wenn Sie älter sind und mehr Erfahrung haben …«

»Sie sind nicht viel älter als ich«, erklärte Kim.

Unbehaglich rutschte ich auf dem Stuhl hin und her. »Ich habe eine gründliche Ausbildung hinter mir, die ich früh begonnen habe.« Ich hatte keine Lust, über meine magischen Fähigkeiten zu sprechen, die größer waren, als sie es mir dem Alter und der Ausbildung nach zugetraut hätte. Ich versuchte, das Thema zu wechseln. »Wie läuft es denn mit der Spendensammlung?«

»Überhaupt nicht.« Sie lehnte sich müde zurück. »Ich bin es leid, den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, um den Planeten zu retten, den sie vergiften, oder die Tiere zu schützen, die sie töten. Ich bin es leid, Briefe zu schreiben und für Anliegen zu demonstrieren, an die niemand mehr glaubt.« Sie rieb sich übers Gesicht. »Ich bin einfach nur müde.«

»Hören Sie, Kim, versuchen Sie doch, etwas Ruhe zu finden. Und bitte, bitte, experimentieren Sie nicht mit diesem Kreis herum. Das müssen Sie mir versprechen.«

Sie warf ihre Serviette auf den Tisch, legte ein paar Geldscheine dazu und stand auf. »Lassen Sie’s sich schmecken, Harry«, sagte sie. »Und vielen Dank für gar nichts.«

Auch ich stand auf. »Kim«, sagte ich, »jetzt warten Sie doch.«

Sie reagierte nicht, sondern stolzierte zur Tür. Ihr Rock pendelte im gleichen Rhythmus wie ihr langes Haar. Sie hatte eine beeindruckende Figur, wie eine antike Statue, und ich konnte fast körperlich spüren, welche Wut sie ausstrahlte. Sogar einer der Deckenventilatoren erbebte und begann zu qualmen, als sie darunter entlangging, dann blieb er stehen. Sie eilte die paar Stufen hinauf, verließ den Pub und knallte die Tür hinter sich zu. Einige Gäste sahen ihr nach, dann starrten sie mich neugierig an.

Frustriert setzte ich mich wieder. Verdammt auch. Kim gehörte zu der kleinen Gruppe von Leuten, die ich in der schwierigen Phase, wenn sie ihre angeborenen magischen Fähigkeiten entdecken, anleite. Es gab mir ein mieses Gefühl, ihr etwas zu verschweigen, aber sie spielte mit dem Feuer, und das durfte ich nicht zulassen. Ich war verpflichtet, sie davor zu beschützen, bis sie genug wusste, um selbst in der Lage zu sein, solche Gefahren zu erkennen.

Ganz zu schweigen davon, was der Weiße Rat dazu sagen würde, wenn ein Nichtmagier mit mächtigen Beschwörungsringen hantierte. Der Weiße Rat lässt bei solchen Dingen nichts anbrennen, sondern greift entschlossen ein, wobei ihm die Unversehrtheit und das Leben von Zivilisten nicht immer das wichtigste Anliegen sind.

Jedenfalls hatte ich mich korrekt verhalten. Es war besser, Kim derartige Informationen vorzuenthalten. Ich hatte sie vor einer Gefahr bewahrt, die sie nicht einmal ansatzweise begreifen konnte.

Ja, ich hatte richtig gehandelt, auch wenn sie darauf vertraut hatte, dass ich ihr Antworten gab wie früher, als ich ihr geholfen hatte, ihre bescheidenen magischen Fähigkeiten zu bändigen und zu kontrollieren. Sie hatte gehofft, ich könne sie durch die Dunkelheit lotsen.

Meine Entscheidung war jedoch richtig gewesen.

Verdammt.

Ich bekam Sodbrennen. Steak hin oder her, ich wollte Macs köstliches Gericht nicht mehr aufessen, weil ich das Gefühl hatte, es nicht verdient zu haben.

Während ich das Ale trank, wälzte ich düstere Gedanken. Irgendwann wurde die Tür wieder geöffnet, doch ich war viel zu sehr mit Trübsalblasen beschäftigt – dem liebsten Zeitvertreib aller Magier –, um darauf zu achten. Dann fiel ein Schatten auf meinen Tisch.

»Da sitzt er und schmollt«, sagte Murphy. Sie bückte sich, hob abwesend den zusammengeknüllten Zettel auf, den ich vorher weggeworfen hatte, und steckte ihn sich in die Manteltasche; offenbar konnte sie keinen Müll auf dem Boden liegen lassen. »Das sieht Ihnen ja gar nicht ähnlich, Harry.«

Ich schaute zu ihr auf, was nicht sonderlich schwierig war, denn Karrin Murphy maß kaum mehr als eins fünfundfünfzig. Sie hatte sich das vorher schulterlange blonde Haar erheblich kürzer schneiden lassen, vorn ein wenig länger als hinten. Dadurch sah sie ein bisschen aus wie ein Punk, doch mit den blauen Augen und der Stupsnase machte sie das noch attraktiver. Sie trug dem Wetter entsprechende Freizeitkleidung – dunkle Jeans, Flanellhemd, Wanderschuhe und eine dicke Holzfällerjacke. Die Polizeimarke hatte sie an den Gürtel gehakt.

Murphy war ausgesprochen niedlich für eine erwachsene Frau, die einen schwarzen Gürtel in Aikido besaß und bei der Polizei von Chicago mehrere Schießwettbewerbe gewonnen hatte. Doch sie war ein Profi, hatte hart gekämpft und sich bis zum Rang eines Lieutenant hochgearbeitet. Dabei hatte sie sich natürlich auch Feinde gemacht, und einer davon hatte dafür gesorgt, dass sie nicht lange danach zur Leiterin der Sondereinheit ernannt worden war.

»Hallo, Murphy«, antwortete ich und trank einen Schluck Bier. »Lange nicht gesehen.«

Sosehr ich mich auch bemühte, gleichmütig zu wirken, ihr entging sicher nicht, wie wütend ich war.

»Hören Sie, Harry …«

»Haben Sie den Leitartikel der Tribune gelesen? Den Bericht, in dem Sie kritisiert werden, weil Sie das Geld der Steuerzahler dafür verschwenden, ›einen Scharlatan namens Harry Dresden‹ zu beschäftigen? Sicher haben Sie den gelesen, denn seit er erschienen ist, hab ich nichts mehr von Ihnen gehört.«

Sie rieb sich den Nasenrücken. »Dafür habe ich jetzt keine Zeit.«

Das war mir herzlich gleichgültig. »Nicht dass ich Ihnen einen Vorwurf mache. Ich meine, es gibt ja nicht viele brave Steuerzahler in Chicago, die an Magie oder Zauberei glauben. Und nicht viele haben gesehen, was wir beide zu Gesicht bekommen haben. Sie wissen schon, als wir zusammengearbeitet haben. Als ich Ihnen das Leben gerettet habe.«

Sie kniff die Augen leicht zusammen. »Ich brauche Sie. Wir haben da einen Fall.«

»Sie brauchen mich? Wir haben seit mehr als einem Monat nicht mehr miteinander geredet, und auf einmal brauchen Sie mich? Ich habe ein Büro mit Telefon und allem, was dazugehört, Lieutenant. Sie müssen mich nicht hier beim Essen behelligen.«

»Ich werde den Täter bitten, sich beim nächsten Mord an die üblichen Bürozeiten zu halten«, entgegnete Murphy. »Aber jetzt brauche ich Sie erst einmal, um ihn aufzuspüren.«

Stirnrunzelnd richtete ich mich auf. »Es gab einen Mord? Etwas, das in meinen Bereich fällt?«

Murphy lächelte freudlos. »Ich hoffe, Sie haben nichts Wichtigeres vor.«

Ich biss die Zähne zusammen. »Nein, nichts Wichtigeres als das.« Ich stand auf.

»Schön«, sagte sie, drehte sich um und marschierte zum Ausgang. »Wollen wir dann?«

2. Kapitel

Murphy weigerte sich, in meinem alten blauen Käfer mitzufahren.

Eigentlich war der Wagen gar nicht blau. Oder besser, er war es nicht mehr. Eine Tür war einem grünen, die zweite einem weißen Ersatzteil gewichen, nachdem ein Wesen mit kräftigen Krallen die Vorgänger zerfetzt hatte. Die Kofferraumhaube war durch einen Brand verschandelt worden, also hatte Mike, mein Automechaniker, sie durch eine rote ersetzt. Wichtig ist nur, dass der Käfer läuft, wenngleich nicht sehr schnell, und dass ich mich in dem Auto wohlfühle. Mike hat mir mal erklärt, unter allen Fahrzeugen auf der Welt seien Käfer am leichtesten zu reparieren, also fahre ich einen, und Mike schafft es, den Wagen an acht oder neun von zehn Tagen am Laufen zu halten, was ich für phänomenal halte.

Moderne Technik versagt gewöhnlich, wenn ein Magier in der Nähe ist. Wir schalten das Licht ein, und genau in diesem Augenblick geht die Birne kaputt. Wir fahren an einer Straßenlaterne vorbei, und sie fängt an zu flackern und erlischt. Was schiefgehen kann, geht auch schief.

Daher hielt ich es nicht für sinnvoll, dass Murphy ihr eigenes Auto in Gefahr brachte, obwohl wir meins hätten nehmen können, aber sie meinte, das Risiko wolle sie eingehen.

Während sie ihren Saturn über den JFK-Expressway hinaus nach Rosemont lenkte, sagte sie kein Wort. Mit einem unguten Gefühl beobachtete ich sie. Sie hatte es eilig und wechselte manchmal einen Hauch zu knapp vor den anderen Wagen die Spur. Ich legte den Sicherheitsgurt an. Wenigstens waren wir nicht mit ihrem Motorrad unterwegs.

»Murph«, fragte ich schließlich, »wo brennt’s denn?«

Sie sah mich von der Seite an. »Ich will Sie vor Ort haben, ehe alle möglichen anderen Leute dort auftauchen.«

»Die Presse?« Ich konnte mir den gehässigen Unterton nicht ganz verkneifen.

Sie zuckte mit den Schultern. »Wer auch immer.«

Darauf musterte ich sie fragend, doch sie schwieg sich aus. Typisch. Murphy redete nicht mehr viel mit mir. Den Rest der Fahrt war Sendepause, bis wir schließlich den JFK-Expressway verließen und auf den Parkplatz eines noch nicht fertiggestellten kleinen Einkaufszentrums fuhren. Dort stiegen wir aus.

Ein Düsenflugzeug flog in Richtung des nur wenige Kilometer weiter im Westen liegenden O’Hare International Airport niedrig über uns hinweg. Ich schaute blinzelnd hinauf, dann blickte ich zu Murphy hinüber, als ein uniformierter Polizist uns zu einem Gebäude führte, das mit Absperrband gesichert war. Licht gab es reichlich, der Mond strahlte silbern und war fast vollkommen rund. Im Gehen warf ich einen riesigen, schlaksigen Schatten. Mein Staubmantel flatterte mir um die Beine, und ich ragte neben Murphys viel kleinerem Schatten hoch auf.

»Murphy«, fragte ich, »sind wir hier nicht außerhalb von Chicago?«

»Ja«, antwortete sie knapp.

»Äh … dann sind wir doch auch nicht mehr in Ihrem Zuständigkeitsbereich, oder?«

»Die Leute hier sind froh, wenn sie etwas Hilfe bekommen, Dresden. Außerdem sind die letzten Morde in Chicago geschehen, deshalb interessieren wir uns auch hierfür. Ich hab schon mit den örtlichen Behörden gesprochen, das ist kein Problem.«

»Die letzten Morde?«, wiederholte ich. »Also gab’s nicht nur diesen hier? Jetzt mal langsam, Murphy.«

Sie reagierte nicht, sondern führte mich in ein großes Gebäude, dessen Innenausbau noch nicht abgeschlossen war, auch wenn es von außen fertig zu sein schien. Einige Fenster waren allerdings noch mit Brettern zugenagelt. Das Firmenschild bemerkte ich erst, als wir schon dicht vor der Tür standen.

»Das Varsity?«, las ich. »Marcone hat den Laden doch im letzten Frühjahr abgefackelt.«

»Hm-hm«, machte Murphy. Sie sah mich über die Schulter an. »Er baut es woanders wieder auf.«

Chicagos größter Gangsterbaron, Gentleman Johnny Marcone, wusste auf den Straßen für Ordnung zu sorgen. Die eher unschönen Geschäfte wickelte er in der Stadt ab, seine legalen Aktivitäten hatte er draußen in den Vororten wie hier in Rosemont laufen. Nachdem ich ihn im vergangenen Frühjahr wegen einer tödlichen neuen Droge in seinem Club – der früheren Inkarnation des Varsity – zur Rede gestellt hatte, war das Lokal bis auf die Grundmauern niedergebrannt.

Nach all diesem Durcheinander machte das Gerücht die Runde, der Drogendealer, den ich ausgeschaltet hatte, sei Marcones Feind gewesen, und ich hätte ihn auf Geheiß des Verbrecherkönigs erledigt. Ich hatte den Gerüchten nicht widersprochen. Marcone selbst hatte sie in die Welt gesetzt, um zwischen uns so eine Art Burgfrieden zu stiften.

Der Boden im Innern des Gebäudes war im Moment noch nackter, unebener Beton. Man hatte einige Halogenscheinwerfer aufgestellt, die den Raum mit grellem weißem Licht füllten. Überall lag Staub von den Rigipswänden, und es gab ein paar Klapptische mit dem Werkzeug der Bauarbeiter. Plastikeimer mit Farbe, Planen und ein Sack neuer Pinsel warteten in einer Ecke auf die Maler. Das Blut bemerkte ich erst, als Murphy mich mit gestrecktem Arm daran hinderte hineinzutreten.

»Wachen Sie auf, Dresden«, zischte sie.

Ich blieb stehen und sah mich um. Blut. Eine Menge Blut. Der See begann direkt vor meinen Füßen. Ein roter Ausläufer hatte die Form eines Armes, den ein Ertrinkender aus dem Wasser streckt.

Ich verfolgte den ausgedehnten Blutfleck bis zu einer größeren Lache, die vielleicht einen halben Zentimeter tief war. In der Mitte lag ein wirrer Haufen von zerfetzter Kleidung und Fleisch, bei dem es sich offenbar um die Leiche handelte.

Mein Magen rebellierte und wollte auf der Stelle das Steak entladen, das ich vorher gegessen hatte. Mit Mühe hielt ich es unten und umkreiste die Leiche mit ein wenig Abstand. Ich schätzte, dass es sich um einen etwa dreißigjährigen Mann handelte. Er war groß, hatte eine stachlige Kurzhaarfrisur und lag auf der Seite, das Gesicht von mir abgewandt. Die Arme hatte er zum Kopf gehoben, die Beine bis vor den Bauch angezogen. Eine kleine Automatik lag zwei oder drei Meter von ihm entfernt, hoffnungslos außer Reichweite des Opfers.

Ich ging herum, bis ich das Gesicht sehen konnte.

Was ihn auch getötet hatte, es war nichts Menschliches gewesen. Das Gesicht war nicht mehr vorhanden. Irgendetwas hatte ihm die Lippen abgerissen, ich konnte seine blutigen Zähne sehen. Auch die Nase war auf einer Seite zerfetzt, die Haut hing lose herab. Sein Kopf hatte Dellen, als wären seine Schläfen einem gewaltigen Druck ausgesetzt gewesen.

Die Augen waren verschwunden. Aus dem Kopf gerissen. Herausgefressen. Rings um die leeren Höhlen waren noch die gezackten Abdrücke von Reißzähnen zu sehen.

Ich holte tief Luft. Einmal. Und noch einmal. Es half nicht. Die Leiche stank widerlich wie eine Müllkippe, der üble Geruch stieg von den zermatschten Eingeweiden auf. Mein Magen wollte die Kehle hinauf und durch den Mund das Weite suchen.

Jacke und Hemd des Opfers waren auf den Unterarmen in blutige Streifen gerissen. Die Verletzungen dort waren entstanden, als er sich verteidigt hatte. Hände und Arme waren zu Brei zermalmt, Handteller und Finger nur noch unförmige Fleischklumpen. Der gekrümmte Körper verbarg den Bauch vor meinen Blicken, doch dort war das Blut herausgeschossen und hatte sich ausgebreitet, als wäre es aus einer umgekippten Flasche gelaufen. Der Gestank bestätigte, dass man ihn regelrecht ausgeweidet hatte.

Ich wandte mich ab und starrte vorerst nur den nackten Boden an.

»Harry?«, rief Murphy von der anderen Seite der Leiche her. Die Härte, die ich den ganzen Abend über in ihrer Stimme gehört hatte, war verschwunden. Sie hatte sich während meiner flüchtigen Untersuchung nicht von der Stelle gerührt.

»Ich erkenne ihn«, sagte ich. »Jedenfalls glaube ich’s. Sie müssten natürlich noch die Zahnabdrücke vergleichen, um sicherzugehen.«

Ihre Antwort klang mehr als skeptisch. »Ja? Wer war er denn?«

»Seinen Namen weiß ich nicht. Ich hab ihn wegen seiner Frisur immer Stachelkopf genannt. Er war einer von Johnny Marcones Leibwächtern.«

Es verschlug Murphy vorübergehend die Sprache. Dann sagte sie, und dies sehr nachdrücklich: »Mist.«

»Was ist, Murph?« Nun sah ich sie wieder an, ohne dabei den zermatschten Körper allzu genau ins Auge zu fassen.

Ihr Gesicht wirkte besorgt, um meinetwillen, wie es mir schien, und ihr Blick war mitfühlend. Doch der Ausdruck verschwand so schnell, wie ein Schatten über den Boden zieht, und ihre Miene verriet nicht mehr, was in ihr vorging. Vermutlich hatte sie nicht erwartet, dass ich so bald wieder den Blick zu ihr heben würde. »Sehen Sie sich noch etwas um«, sagte sie. »Dann reden wir.«

»Worauf soll ich achten?«, fragte ich.

»Das werden Sie schon merken.« Beinahe flüsternd, als sollte ich es nicht hören, fügte sie hinzu: »Hoffentlich.«

Also machte ich mich wieder an die Arbeit und suchte den Raum ab. Auf einer Seite war ein Fenster geborsten, davor stand ein Metalltisch mit verdrehten, verbogenen Beinen. Ich ging hinüber.

Rings um den zusammengebrochenen Tisch lagen Glassplitter. Da sie sich im Innern des Gebäudes befanden, musste irgendetwas von draußen durchs Fenster eingedrungen sein. An mehreren Splittern klebte Blut. Ich hob eine größere Scherbe auf und betrachtete sie. Das Blut war dunkelrot und noch nicht völlig trocken. Ich zückte ein Taschentuch, wickelte die Scherbe ein und steckte sie in die Manteltasche.

Dann richtete ich mich wieder auf und lief umher, den Blick auf den Boden geheftet. An einer Stelle war der Staub fast vollständig fortgewischt, als hätte dort ein Kampf stattgefunden, bei dem jedoch kein Blut geflossen war. An einer anderen Stelle, die von den Halogenscheinwerfern nicht ganz erfasst wurde, fiel ein Streifen silbernes Mondlicht durch ein Fenster. Ich kniete davor nieder.

Mitten im Lichtfleck erkannte ich einen Pfotenabdruck im Staub, fast so groß wie meine ausgebreitete Hand. Die Punkte vor dem Abdruck verrieten, dass die Pfote mit starken Krallen, beinahe schon Klauen, bewehrt gewesen war.

Ich blickte durchs Fenster zur runden silbernen Scheibe des fast vollen Mondes hinauf.

»O verdammt«, schnaufte ich. »O verdammt.«

Murphy kam herüber, betrachtete mich schweigend und wartete. Ich leckte mir über die Lippen, stand auf und wandte mich an sie. »Sie haben ein Problem.«

»Was Sie nicht sagen! Erzählen Sie’s mir, Dresden.«

Ich nickte und deutete zum Fenster. »Der Angreifer ist vermutlich dort reingekommen. Er ist auf das Opfer losgegangen, hat es überwältigt, entwaffnet und getötet. Das Blut am Fenster gehört dem Angreifer. Die beiden haben eine Weile gekämpft, vielleicht hier drüben im sauber gefegten Bereich, und dann wollte Marcones Mann zur Tür fliehen. Er hat’s nicht geschafft und wurde vorher in Stücke gerissen.«

Ich richtete den Blick wieder auf Murphy und sah sie sehr ernst an. »Die anderen Morde, von denen Sie gesprochen haben, sind auf die gleiche Weise geschehen, nicht wahr? Wahrscheinlich vor vier Wochen beim letzten Vollmond.«

Murphy sah mich an, ohne mir in die Augen zu schauen, und nickte. »Ja, vor fast genau vier Wochen. Aber niemand hat an den Vollmond gedacht. Niemand außer mir.«

»Hm … dann sollten Sie sich auch das hier mal ansehen.« Ich führte sie zum Fenster und zeigte ihr den Pfotenabdruck im Staub. Sie starrte ihn schweigend an.

»Harry«, sagte sie nach einer kleinen Weile, »gibt es Werwölfe wirklich?« Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, eine zarte und sehr verletzlich wirkende Geste. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust, als wäre ihr kalt.

Ich nickte. »Sie sind nicht so, wie man sie aus Filmen kennt, aber ja, es gibt sie. Und ich vermute, hier war einer zugange.«

Sie holte tief Luft. »Also gut. Na schön. Was können Sie mir sagen? Was muss ich wissen?«

Ich setzte zu einer Antwort an, kam aber nicht mehr dazu, ihr etwas zu erzählen. Draußen waren Rufe zu hören, dann wurde die Vordertür des Gebäudes laut aufgerissen.

Murphy zuckte zusammen, dann wurde ihr Mund zu einem harten, schmalen Strich. Sie richtete sich auf und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Verdammt auch«, sagte sie. »Wie kommen diese Idioten so schnell hierher?«

Ich machte einen Schritt nach vorn, um besser sehen zu können. Vier Leute in Anzügen kamen herein und schwärmten aus wie eine Militäreinheit. Der vorderste Mann war nicht ganz so groß wie ich, aber immer noch recht stattlich, schätzungsweise eins neunzig. Seine Haare waren pechschwarz, die Augen hellgrau wie der Rauch von einem Holzfeuer. Der dunkelgraue Anzug saß perfekt, und ich hatte den Eindruck, dass sich darunter ein durchtrainierter Körper verbarg, auch wenn der Mann offensichtlich die vierzig bereits überschritten hatte. Ein blaues Abzeichen mit den Buchstaben »FBI« in großen, aufdringlichen Lettern prangte an einem Jackenaufschlag.

»Sichert den Tatort«, befahl er mit tiefer Stimme. Er stand sichtlich unter Stress. »Lieutenant Murphy, was zum Teufel haben Sie an einem Tatort außerhalb Ihres Bezirks zu suchen?«

»Schön, Sie zu sehen, Agent Denton«, sagte Murphy tonlos. »Sie sind aber schnell.«

»Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie sich aus diesem Fall heraushalten sollen«, erwiderte Denton ungehalten. Seine grauen Augen blitzten, und auf seiner Stirn pochte eine Ader. Dann fiel sein Blick auf mich. »Wer ist das?«

»Har…«, wollte ich sagen, doch Murphys Schnauben unterbrach mich.

»Niemand«, erwiderte sie. Mit einem scharfen Blick gab sie mir zu verstehen, dass ich den Mund halten sollte. Das machte mich erst recht wütend.

»Harry Dresden«, sagte ich laut und deutlich.

Murphy und ich wechselten einen Blick.

»Ah«, sagte Denton. »Der Scharlatan. Ich hab in der Tribune von Ihnen gelesen.« Er wandte sich wieder an Murphy. »Sie und Ihr medial begabter Freund werden uns jetzt bitte Platz machen. Wir haben hier Polizeiarbeit zu erledigen. Echte Polizeiarbeit. Dabei geht es um Fingerabdrücke, Fasern, Genmaterial – lauter alberne Dinge.«

Murphy und ich kniffen die Augen zusammen, doch falls unser doppeltes Starren Denton in irgendeiner Form beeindruckte, ließ er es sich nicht anmerken. Murphy und Denton lieferten sich einen kurzen, stummen Kampf, ihr Zorn gegen seine knallharte Kälte.

»Agent Benn!«, rief Denton.

Eine Frau, noch nicht ganz dreißig, mit einer schulterlangen Mähne, die vor der Zeit ergraut war, kam zu uns herüber, nachdem sie wie gebannt die Leiche angestarrt hatte. Sie hatte olivbraune Haut, dunkelgrüne Augen und einen schmalen, strengen Mund. Ihre Bewegungen waren kraftvoll und sinnlich zugleich und verrieten, dass sie gefährlich war und blitzschnell zuschlagen konnte, falls sie es für nötig hielt. Ihre Jacke war aufgeknöpft, und ich bemerkte die Schusswaffe, die sie im Schulterhalfter trug.

»Ja, Sir«, sagte Benn. Sie sprach sehr leise und fixierte einen Punkt irgendwo in der Mitte zwischen Murphy und mir, sodass sie uns beide beobachten konnte, ohne uns direkt anzusehen.

»Bitte begleiten Sie diese beiden Zivilisten«, Denton betonte das Wort, »nach draußen.«

Benn nickte knapp, sagte aber kein Wort. Sie wartete nur.

Ich wollte das Gebäude bereits verlassen, doch dann hielt ich inne. Murphy baute sich entschlossen vor Benn auf. Ich wusste, was das störrisch vorgeschobene Kinn zu bedeuten hatte. So sah sie aus, wenn sie in einem ihrer Aikido-Turniere hinten lag. Sie wollte kämpfen.

»Murphy«, bat ich sie leise, »können wir uns draußen unterhalten?«

»Einen Dreck können wir«, erwiderte Murphy. »Wer dieser Mörder auch ist, er hat im letzten Monat ein halbes Dutzend Leute umgebracht. Ich bin hier, weil ich den Kerl schnappen will, und die Polizei von Rosemont hat zugestimmt, dass ich hier ermitteln darf.« Murphy funkelte Benn an.

Die FBI-Agentin hatte, weil sie größer war, eine größere Reichweite und war erheblich stärker als Murphy. Benns Augen wurden schmal, ihre Schultern spannten sich.

»Haben Sie das schriftlich?«, wollte Denton wissen. Die Vene auf seiner Stirn pochte noch wilder. »Und sind Sie sicher, dass es für Sie keine Folgen hat, wenn ich die Angelegenheit Ihren Vorgesetzten melde, Lieutenant?«

»Übertreiben Sie’s nicht, Denton«, fauchte Murphy. Ich zuckte zusammen.

»Hören Sie, Murphy.« Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Lassen Sie uns nach draußen gehen.« Ich drückte leicht zu.

Murphy wandte sich zu mir um, wagte einen kurzen Blick in meine Augen, dann entspannte sie sich ein wenig, als wollte sie sich beruhigen, und ich atmete erleichtert aus. Ich wollte ganz sicher nicht, dass es hier zu Handgreiflichkeiten kam. Damit würden wir nichts erreichen.

»Schaffen Sie die beiden hier raus!«, befahl Denton, und seine Stimme hatte einen Unterton, der mir nicht gefiel.

Benn handelte ohne Vorwarnung. Sie bewegte sich schnell und entschlossen, machte einen Schritt auf Murphy zu und versetzte ihr einem Kampfsporthieb, den ich nicht kannte, gegen die Schläfe.

Doch Murphys abwehrende Hand war bereits vor ihrem Kopf, ehe der Schlag traf, dann drehte sie sich, zog Benn irgendwie von den Beinen und stieß sie kräftig gegen eine Wand.

Benns Gesichtsausdruck wechselte binnen einer halben Sekunde von erschrocken und überrascht zu wütend. Ihre Hand glitt unter die Jacke, verharrte dort einen Moment und setzte die Bewegung dann fort. Geübt zog sie ihre Waffe, und wie es schien, sogar ohne sonderliche Eile. Ihre grünen Augen funkelten böse.

Ich warf mich auf Murphy und stieß sie zu Boden, als der Schuss krachte. In dem halb fertiggestellten Restaurant klang er lauter als ein Donnerschlag. Übereinander landeten wir auf dem staubigen Boden.

»Benn!«, rief Denton. Ohne auf die Pistole zu achten, stürzte er zu ihr und stellte sich zwischen die bewaffnete Frau und uns. Leise und mit drängender Stimme redete er auf sie ein.

»Sie verdammtes Miststück!«, rief ich. »Was ist bloß in Sie gefahren?«

Die anderen beiden FBI-Agenten und einige Polizisten kamen von draußen herein. Murphy grunzte und versetzte mir mit dem Ellenbogen einen kräftigen Stoß in den Bauch. Ich grunzte ebenfalls und gab sie frei. Unverletzt standen wir auf.

»Verdammt, was ist hier passiert?«, wollte einer der Cops wissen, ein älterer Mann mit schütterem grauem Haar.

Kühl und ruhig wandte sich Denton an den Officer. »Unbeabsichtigte Schussabgabe. Es gab ein Missverständnis, und aus Agent Benns Waffe hat sich versehentlich ein Schuss gelöst.«

Der Beamte rieb sich den Schädel und sah Murphy an. »Ist das wahr, Lieutenant?«

»Ganz sicher nicht!«, rief ich und deutete auf Benn. »Diese verdammte …«

Murphy rammte mir noch einmal den Ellenbogen in den Bauch und funkelte mich an. »Ja, es ist wahr«, sagte sie, während ich mir den Bauch rieb. »Es war so, wie Agent Denton es geschildert hat. Es war ein Versehen.«

Ich starrte sie an. »Murph, das darf doch nicht wahr sein! Diese Frau …«

»… hat versehentlich einen Schuss abgegeben«, sagte Murphy mit harter Stimme. »So etwas kann jedem mal passieren.« Sie starrte den älteren Polizisten an, der freundlich zwinkerte und mit den Schultern zuckte.

Denton wandte sich wieder an uns und sah Murphy finster an. Dann nickte er. »Roger, George. Kümmert euch doch bitte um Lieutenant Murphy und begleitet sie zu ihrem Wagen.«

»Geht klar, Phil«, sagte ein dürrer Bursche mit rotem Haar, großen Ohren und Sommersprossen. »Äh, Mr. Dresden, Lieutenant Murphy, sollten wir nicht nach draußen an die Luft gehen? Ich bin Roger Harris, dies ist Agent Wilson.«

Der zweite FBI-Agent, ein massiger, übergewichtiger Mann von Ende vierzig, dessen Haaransatz nach oben gewandert war und dessen Bauch über den Gürtel quoll, winkte uns nur, ihm zu folgen, und ging zur Tür.

Murphy starrte Denton noch einen Augenblick an, dann marschierte sie hinter dem bulligen Wilson her. Ich folgte ihr.

»Ich kann das alles nicht glauben. Sind Sie noch ganz bei Trost? Warum zum Teufel sagen Sie denen nicht, was die Frau getan hat?«, fragte ich Murphy leise.

»Dieses Miststück«, antwortete Murphy nicht ganz so leise. »Sie wollte mich umhauen.«

»Die wollte Sie erschießen, Murph«, erwiderte ich.

Murphy schnaufte mit zusammengebissenen Zähnen, ging aber weiter. Ich drehte mich noch einmal um. Der zerfetzte und zermatschte Körper wurde mit noch mehr Absperrband eingezäunt. Inzwischen waren auch die Jungs von der Spurensicherung eingetroffen und machten sich daran, den Raum zu untersuchen.

Denton kniete neben Agent Benn, die sich die Hände vors Gesicht geschlagen hatte und aussah, als würde sie weinen. Dabei beobachtete er mich ausdruckslos, doch der Blick seiner grauen Augen kam mir berechnend vor. Offenbar legte er mich in seinem inneren Register ab unter »groß, schlank, dunkles Haar, dunkle Augen, Adlernase, keine sichtbaren Narben«.

Ich starrte ihn ein paar Sekunden lang an und hatte eine Ahnung, eine deutliche Intuition. Ich war meiner Sache absolut sicher. Denton verheimlichte uns etwas. Er wusste Dinge, über die er nicht sprach. Fragen Sie mich nicht, woran ich das erkannte, aber irgendetwas in seinem Auftreten, die pochenden Adern auf seinen Schläfen oder die Art und Weise, wie er den Kopf hielt, gaben mir diesen Gedanken ein.

»Äh«, sagte der Bursche namens Harris. Ich blinzelte und drehte mich zu ihm um. Er hielt Murphy und mir die Tür auf, und wir gingen hinaus. »Haben Sie Nachsicht mit Deborah. Sie hat wirklich Stress wegen dieser Wolfsmorde. Die Ärmste hat im letzten Monat kaum geschlafen, sie kannte sogar eins der Opfer. Seitdem ist sie ziemlich durch den Wind.«

»Halt die Klappe, Harris!«, fuhr ihn der übergewichtige Wilson an. »Halt einfach die Klappe!« Er wandte sich an uns und sagte ruhig: »Machen Sie, dass Sie von hier verschwinden. Ich will Sie nicht mehr in einem Bezirk sehen, der Sie nichts angeht. Meinen Sie nicht, dass die bei der Dienstaufsicht schon genug zu tun haben?«

Damit drehte er sich um und kehrte ins Gebäude zurück.

Der rothaarige Bursche sah uns verlegen lächelnd an, dann eilte er dem übergewichtigen Agenten hinterher. Doch er warf mir noch einen nachdenklichen Blick zu, ehe er verschwand.

Die Tür fiel ins Schloss, und Murphy und ich standen draußen, ausgesperrt von den Ermittlungen und den Beweisen am Tatort.

Ich blickte zum fast vollen Mond hinauf. Werwölfe, die in halb fertigen Restaurants durch geschlossene Fenster hindurch Gangster anspringen. Eine zerfleischte Leiche in einer Blutlache auf dem Boden. FBI-Agenten drehen durch, ziehen ihre Waffe, um eine Polizistin umzulegen. Etwas Kung-Fu, etwas John Wayne, ein paar beiläufige Drohungen.

Alles in allem ein ganz normaler Arbeitstag, erklärte ich meinen bibbernden Nerven.

3. Kapitel

Mein Magen rebellierte immer noch vor Ekel über den makabren Anblick im Gebäude und vor Anspannung angesichts der Dinge, die hätten geschehen können. Eins meiner Ohren war taub von dem Schuss, ich zitterte am ganzen Körper, mein Adrenalinreservoir war erschöpft, und ich fühlte mich nur noch überdreht und ausgelaugt.

Vorsichtig, um mich nicht an der blutigen Scherbe zu schneiden, die ich in mein Taschentuch gewickelt hatte, schob ich die Hände in die Manteltaschen, hielt das Gesicht in den Wind und schloss die Augen.

Nur die Ruhe, Harry, sagte ich mir. Entspann dich. Atme ein und aus und denke an nichts anderes. Siehst du? Du bist überhaupt nicht tot. Tote können nicht atmen. Du liegst nicht zerfetzt auf dem Boden. Du hast auch keine Einschusslöcher im Bauch. Du lebst noch, Murphy ist wohlauf, und du musst dir dieses augenlose Gesicht nicht mehr anschauen.

Es nützte nichts. Immer noch sah ich den zerfetzten Körper vor mir, selbst mit geschlossenen Augen, und ich roch die abscheulich stinkenden Eingeweide. Ich erinnerte mich an das Blut, das auf dem staubigen Boden klebte und gerann, dazwischen kleine Brocken der Rigipswände. Ich schmeckte Galle im Hals und hatte Mühe, mich nicht zu übergeben.

Beinahe konnte ich Agent Benns Reaktion verstehen, wenn sie tatsächlich mit einer Serie von Morden befasst war, die diesem hier ähnelten. So viel Blut kann man nicht lange und nicht oft ertragen.

Ich atmete bewusst tief ein und aus. Kühl und frisch wehte mir der Wind ins Gesicht, er roch schon deutlich nach dem bevorstehenden Herbst.

Die Oktoberabende in Chicago sind kühl und windig, aber ich mag sie trotzdem. In dieser Jahreszeit halte ich mich einfach am liebsten draußen auf.

Nach einer Weile beruhigte ich mich wieder. Murphy hatte anscheinend auf ähnliche Weise versucht, sich zu entspannen. Gleichzeitig setzten wir uns in Bewegung, um zum Auto zurückzukehren. Wir verstanden uns auch ohne Worte.

»Ich …«, begann Murphy, dann verstummte sie wieder. Ich sah sie nicht an und sprach auch nicht. »Es tut mir leid, Harry. Mir ist der Kragen geplatzt. Agent Denton ist ein Mistkerl, aber er macht seine Arbeit gut, und er hatte recht. Genau genommen war ich nicht befugt, mich am Tatort aufzuhalten. Ich wollte Sie da in nichts hineinziehen.«

Sie sperrte die Tür auf und stieg ein. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und nahm ihr die Schlüssel ab, als sie den Motor starten wollte. Sie fuhr zu mir herum und kniff die Augen zusammen.

Ich hielt die Schlüssel fest. »Bleiben Sie noch einen Augenblick sitzen, und entspannen Sie sich, Murph. Wir müssen reden.«

»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Harry«, sagte sie.

»Das ist nun der Dank dafür, dass ich Ihnen das Leben gerettet habe. Zweimal sogar. Sie zeigen mir die kalte Schulter.«

»Sie wissen doch, wie das läuft«, sagte sie finster. Aber dann lehnte sie sich zurück und schaute durch die Windschutzscheibe hinaus. Polizisten, Beamte von der Spurensicherung und FBI-Agenten liefen im Gebäude hin und her. Wir schwiegen eine Weile.

Das Seltsame war, dass die Probleme zwischen Murphy und mir die gleiche Ursache hatten wie die Probleme mit Kim Delaney zuvor. Murphy hatte damals einige Dinge in Erfahrung bringen wollen, um ihre Ermittlungen fortsetzen zu können. Ich hätte ihr die Informationen geben können, aber damit hätte ich sie in Gefahr gebracht. Ich hatte mich geweigert, ihr etwas zu verraten, und als ich die Spur auf eigene Faust bis zum Ende verfolgt hatte, war ein Gebäude niedergebrannt, und es hatte ein paar Tote gegeben. Die Beweise gegen mich hatten nicht ausgereicht, um Anklage zu erheben, und der Mörder, hinter dem wir her waren, hatte ein unrühmliches Ende gefunden. Murphy hatte mir jedoch nie verziehen, dass ich ihr etwas verschwiegen hatte.

In den folgenden Monaten hatte sie mich mehrmals in ihre Ermittlungen einbezogen, und ich hatte so gut wie möglich gearbeitet. Doch unser Verhältnis war deutlich abgekühlt und hatte sich seither aufs Berufliche beschränkt. Vielleicht war es an der Zeit, wieder eine Brücke zu schlagen.

»Schauen Sie, Murph, wir haben nie über das gesprochen, was im letzten Frühjahr passiert ist.«

»Wir haben auch nicht miteinander gesprochen, während es passiert ist.« Ihre Antwort war trocken wie Herbstlaub. »Warum sollten wir jetzt damit beginnen? Das war im letzten Frühling. Inzwischen ist es Oktober.«

»Nun seien Sie doch nicht so, Murphy. Ich hätte Ihnen gern mehr erzählt, aber ich konnte nicht.«

»Lassen Sie mich raten«, antwortete sie zuckersüß. »Die Katze hatte Ihr Telefon versteckt?«

»Sie wissen doch, dass ich nicht zu den Schurken gehörte. Das sollte Ihnen inzwischen klar sein. Herrgott noch mal, ich hab Kopf und Kragen riskiert, um Sie zu retten.«

Murphy schüttelte den Kopf und starrte stur geradeaus. »Das ist nicht das Entscheidende.«

»Nein? Was denn?«

»Dresden, das Entscheidende ist, dass Sie sich geweigert haben, mir Informationen zu geben, die ich brauchte, um meinen Job zu erledigen. Wenn ich Sie bei einer Ermittlung hinzuziehe, dann vertraue ich Ihnen. Ich vertraue nicht einfach so irgendeinem Menschen. Das habe ich noch nie getan.« Sie packte das Lenkrad so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Und jetzt noch weniger denn je.«

Ich zuckte zusammen. Das hatte gesessen. Noch schlimmer, sie hatte sogar recht. »Einige der Dinge, die ich wusste … Es war gefährlich, Murph. Es hätte Sie umbringen können.«

Sie fixierte mich mit einem Blick ihrer blauen Augen. »Ich bin nicht Ihre Tochter, Dresden«, sagte sie leise und beherrscht. »Ich bin kein Porzellanpüppchen im Regal. Ich bin Polizistin. Ich jage Verbrecher und stecke sie ins Kittchen, und wenn es darauf ankommt, fange ich mir die Kugel ein, damit sie nicht eine arme Hausfrau oder einen Steuerberater trifft.« Sie zog die Waffe aus dem Schulterhalfter, überprüfte das Magazin und dass sie gesichert war und steckte sie wieder weg. »Ich bin nicht auf Ihren Schutz angewiesen.«

»Moment mal, Murphy«, sagte ich hastig. »Ich will Sie nicht ärgern, ich bin Ihr Freund. Das war so, und daran hat sich nichts geändert.«

Sie blickte wieder nach draußen, als ein Beamter mit einer Taschenlampe am Auto vorbeikam und nach Spuren suchte. »Sie waren mein Freund, Dresden. Und jetzt …« Murphy schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen. »Ich weiß es nicht mehr.«

Dazu fiel mir nichts weiter ein. Andererseits konnte ich es auch nicht einfach auf sich beruhen lassen. Trotz all der Zeit, die vergangen war, hatte ich noch nicht versucht, die Sachlage von ihrem Standpunkt aus zu betrachten.

Murphy war keine Magierin. Sie wusste so gut wie nichts über die Welt des Übernatürlichen. Jene Welt, die zu verbannen die große Religion der Wissenschaft seit der Renaissance nicht vermocht hatte. Manchen Dingen, die ihr womöglich begegneten, hatte Murphy nichts entgegenzusetzen – keine Waffe außer dem Wissen, das ich ihr geben konnte –, und im letzten Frühjahr hatte ich ihr diese Waffe vorenthalten und sie schutzlos und unvorbereitet im Stich gelassen. Es muss furchtbar für sie sein, sich täglich mit Dingen herumzuschlagen, die sie nicht versteht und bei denen die Gerichtsmediziner nur die Köpfe schütteln.

Für solche Fälle ist die Sondereinheit zuständig. Der Bürgermeister von Chicago hat das Team eigens eingesetzt, damit es »ungewöhnlichen Verbrechen« nachgeht, die sich in der Stadt ereignen. Die Öffentlichkeit, die Kirchenvertreter und die Politiker, alle runzeln die Stirn, wenn die Rede auf die Magie kommt, auf das Übernatürliche, Vampire und Zauberer. Doch die Geschöpfe der Geisterwelt treiben sich Tag für Tag da draußen herum. Trolle wohnen unter Brücken, Feen rauben Kinder aus den Wiegen, Schreckgespenster und Kobolde aller Art gehen um. Sie terrorisieren und verletzen Menschen, und einige Statistiken, die ich zusammengestellt habe, weisen sogar darauf hin, dass es schlimmer und keineswegs besser wird. Irgendjemand muss dem Einhalt gebieten. In Chicago samt seiner weitläufigen Vororte ist dies Karrin Murphy mit ihrer Sondereinheit.

Sie bekleidet die Position inzwischen länger als irgendjemand vor ihr, weil sie für die Vorstellung offen ist, dass es mehr gibt, als in den Tageszeitung steht. Weil sie gelegentlich den einzigen frei praktizierenden Magier des Landes unter Vertrag nimmt.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, deshalb bewegte sich mein Mund von selbst. »Karrin, es tut mir leid.«

Wir schwiegen eine halbe Ewigkeit.

Schließlich schauderte sie ein wenig und schüttelte den Kopf. »Na gut«, sagte sie, »aber wenn ich Sie in diesen Fall einbeziehe, Harry, dann müssen Sie es mir versprechen. Keine Geheimnisse dieses Mal. Auch nicht, um mich zu schützen. Aus keinem Grund.« Sie starrte zum Fenster hinaus. Der Mond und die fernen Straßenlaternen zeichneten ihr Gesicht etwas weicher, sanfter.

»Murphy«, sagte ich, »das kann ich nicht versprechen. Wie können Sie erwarten, dass ich …«

Wütend funkelte sie mich an und griff nach meiner Hand. Sie tat etwas mit einem Finger, was mir einen schmerzhaften Stich durch den Arm jagte, und ich riss instinktiv die Hand zurück und ließ den Schlüsselbund fallen.

Sie fing ihn auf und rammte einen Schlüssel ins Zündschloss. Ich zuckte zusammen und schüttelte einen Augenblick meine schmerzenden Finger.

»Also schön«, sagte ich. »Also schön, ich verspreche es. Keine Geheimnisse.«

Wieder sah sie mich an, sie schaute mir einen kleinen Moment in die Augen und wandte den Blick ab. Dann ließ sie den Wagen an und fuhr vom Parkplatz.

»Gut«, sagte sie. »Ich erzähle es Ihnen. Ich erzähle es Ihnen, weil ich jede Hilfe brauche, die ich nur bekommen kann. Denn wenn wir dieses Biest nicht bald erwischen, diesen Werwolf, dann haben wir im Handumdrehen noch einen Haufen Leichen.« Sie seufzte. »Außerdem werde ich meinen Job verlieren, wenn es uns nicht gelingt. Und Sie kommen vermutlich ins Gefängnis.«

4. Kapitel

»Ins Gefängnis?«, fragte ich. »Ins Gefängnis? Hatten Sie eigentlich die Absicht, mir das irgendwann mal mitzuteilen?«

Gereizt und finster starrte sie mich an. Die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos beleuchteten ihr Gesicht. »Sparen Sie sich das, Harry. Ich habe einen anstrengenden Monat hinter mir.«

Ein Dutzend Fragen lag mir auf der Zunge. Diejenige, die am Ende die Oberhand gewann, lautete: »Warum haben Sie mich nicht schon im letzten Monat bei den anderen Morden gerufen?«

Murphy richtete den Blick wieder auf die Straße. »Das wollte ich, glauben Sie mir. Aber ich konnte nicht. Die Dienstaufsicht hat mich wegen der Ereignisse in die Mangel genommen, die im letzten Frühjahr im Zusammenhang mit Marcone und Victor Sells vorgefallen sind. Irgendjemand ist auf die Idee gekommen, ich könnte mit Marcone unter einer Decke stecken. Ich hätte geholfen, einen seiner Konkurrenten zu ermorden und das ThreeEye-Drogenkartell auszuschalten.«

Ich bekam sofort Schuldgefühle. »Weil ich am Tatort war. Sie haben einen Haftbefehl für mich ausstellen und widerrufen lassen. Dann die Gerüchte, die über mich und Marcone in Umlauf sind, seit alles vorbei ist …«

Murphy presste die Lippen zusammen und nickte. »Ja.«

»Wenn Sie versucht hätten, es mir zu sagen, hätten Sie alles nur noch schlimmer gemacht.« Ich rieb mir die Stirn. Dann hätten die Leute, die Murphy unter die Lupe nahmen, natürlich auch mich genauer überprüft. Murphy hatte mich geschützt. Ich hatte keinen Gedanken darauf verschwendet, welche Wirkung diese Gerüchte, die Marcone gestreut hatte, auf Murphy haben konnten. Sehr aufmerksam, Harry.

»Sie sind echt nicht dumm, Dresden«, bestätigte sie. »Manchmal etwas naiv, aber nicht dumm. Die Dienstaufsicht konnte nicht alles aufdecken, aber es gibt genug Leute, die mich für korrupt halten, und dazu kommen noch diejenigen, die mich ohnehin noch nie leiden konnten. Wenn sie eine Gelegenheit bekommen, könnten sie es mir ziemlich schwer machen.«

»Deshalb wollten Sie auch Agent Benns Verhalten herunterspielen«, vermutete ich. »Sie wollen nicht auffallen.«

»Genau«, bestätigte Murphy. »Die Dienstaufsicht reißt mich in Stücke, wenn sie erfährt, dass ich die Vorschriften auch nur ein wenig großzügig auslege, ganz zu schweigen von meinem Ringkampf mit einer FBI-Agentin. Glauben Sie mir, Denton sieht vielleicht aus wie ein Mistkerl, aber er ist wenigstens nicht davon überzeugt, dass ich mir die Hände schmutzig gemacht habe. Er wird sich fair verhalten.«

»An dieser Stelle kommen wohl die Morde ins Spiel.«

Statt zu antworten, wechselte sie auf die rechte Spur und fuhr langsamer. Ich drehte mich halb zu ihr um und beobachtete sie. Dabei bemerkte ich die Scheinwerfer eines anderen Autos, das hinter uns quer über mehrere Spuren ebenfalls auf die Kriechspur zog.

Ich sagte nichts zu Murphy, behielt unseren Hintermann aber unauffällig im Auge.

»Genau«, sagte Murphy. »Die Wolfsmorde. Es hat letzten Monat in der Nacht vor Vollmond begonnen. Unten am Rainbow Beach wurden mehrere Leute beim Gruppensex zerfetzt. Zuerst haben es alle für den Angriff eines wilden Tiers gehalten. Bizarr, aber man weiß ja nie. Jedenfalls war es ziemlich verrückt, und deshalb haben sie mir die Ermittlungen übertragen.«

»Gut«, sagte ich. »Was ist danach passiert?«

»Am nächsten Abend traf es eine kleine alte Dame, die am Washington Park vorbeiging. Sie wurde auf die gleiche Weise getötet, und ab da war klar, dass irgendetwas faul war. Die Gerichtsmedizin hat nichts Brauchbares herausgefunden, deshalb habe ich das FBI eingeschaltet. Die haben Zugang zu Ressourcen, die mir nicht immer offenstehen. Hochmoderne Labors und so weiter.«

»Sie haben den Geist also selbst aus der Flasche gelassen«, warf ich ein.

»Gewissermaßen. Die Gerichtsmediziner vom FBI – dieser rothaarige Bursche ist einer von ihnen – haben Unregelmäßigkeiten bei den Zahnabdrücken der Angreifer festgestellt. Sie sagten, die Abdrücke passten nicht zu normalen Wölfen oder Hunden. Auch die Pfotenabdrücke waren merkwürdig und passten nicht zu richtigen Wölfen.« Sie schauderte ein wenig und fuhr fort: »An diesem Punkt fiel mir ein, dass es auch etwas ganz anderes sein könnte, verstehen Sie? Das FBI dachte, jemand wollte nur zur Ablenkung den Eindruck erwecken, es handele sich um Angriffe von Wölfen. Es dauerte nicht lange, bis irgendjemand den Täter als Wolfsmörder bezeichnete.«

Stirnrunzelnd nickte ich. Die Scheinwerfer waren immer noch hinter uns. »Nur so eine verrückte Idee: Haben Sie schon mal daran gedacht, ihnen reinen Wein einzuschenken? Ihnen zu sagen, dass wir es mit einem Werwolf zu tun haben?«

Murphy schnaubte. »Keine Chance. Das FBI stellt nur extrem konservative Leute ein. Menschen, die nicht an Geister und Kobolde und diesen Mist glauben, wegen dem ich Sie rufe. Sie behaupten, die Morde seien von den Angehörigen eines Kults oder einem Rudel Geisteskranker begangen worden. Die Täter hätten aus Wolfszähnen und Krallen Waffen hergestellt und symbolische Pfotenabdrücke hinterlassen. Das sei auch der Grund dafür, dass die Spuren und Abdrücke nicht zueinanderpassten. Ich habe Carmichael bei Ihnen anrufen lassen, Harry, aber Ihr Telefondienst sagte, Sie seien auf Dienstreise in Minnesota.«

»Ja, jemand hatte dort etwas in einem See gesehen«, bestätigte ich. »Was ist danach passiert?«

»Der Teufel war los. Drei Penner in Burnham Park am nächsten Abend. Sie waren allerdings nicht einfach nur tot, sondern sie sahen aus wie Hackfleisch. Schlimmer als der Kerl von heute Abend. In der letzten Vollmondnacht traf es einen alten Mann vor einem Schnapsladen. Am Abend danach wurden ein Geschäftsmann und sein Fahrer in ihrer Garage zerfleischt. Die Dienstaufsicht hat mir die ganze Zeit im Nacken gesessen und alles überwacht.« Sie schüttelte den Kopf und schnitt eine Grimasse.

»Die letzten Opfer fallen aus dem Rahmen, alle anderen wurden draußen und in Slumvierteln angegriffen. Ein Geschäftsmann in einer Garage, das passt nicht ins Muster.«

»Ja«, bestätigte Murphy. »James Harding III. Einer der letzten Großindustriellen. Er und John Marcone sind Geschäftspartner bei irgendwelchen Bauprojekten im Nordwesten.«

»Und heute Abend hatten wir ein weiteres Opfer mit Verbindungen zu Marcone.«

Murphy nickte. »Ich weiß nicht genau, was mir mehr Angst macht – die Vorstellung, es handele sich um Angriffe gewöhnlicher Tiere, dass es eine Gruppe von Irren mit Waffen aus Wolfszähnen ist oder dass wir es mit organisierten Werwölfen zu tun haben.« Sie lachte nervös. »Das klingt sogar in meinen Ohren verrückt. Ja, Euer Ehren, das Opfer wurde von einem Werwolf zerfleischt.«

»Lassen Sie mich raten – sobald der Mond wieder abnahm, wurde es ruhig.«

»Ja, niemand ist mehr gestorben. Bis heute Abend. Vor uns liegen noch vier weitere Nächte mit hellem Mondschein, falls die Täter genauso vorgehen wie beim letzten Mal.«

»Sind Sie sicher, dass es mehr als einer ist?«, fragte ich.

»Die Bisswunden oder die bissähnlichen Spuren stammen von mindestens drei verschiedenen … Waffen, wie Agent Denton meint. Den Leuten im Labor nach könnten es mehrere Täter sein, aber ganz sicher sind sie nicht.«

»Es sei denn, wir haben es mit echten Werwölfen zu tun. Dann gehört jeder Abdruck zu einem anderen Gebiss, weil ein ganzes Rudel unterwegs ist.«

Murphy nickte. »Das kann ich denen aber schlecht erzählen. Damit würde ich meiner Karriere den Todesstoß versetzen.«

»Also ist auch noch Ihr Job in Gefahr.«

Sie schnitt eine Grimasse. »Die brauchen nur noch einen einzigen Grund, um mich an die Luft zu setzen. Wenn ich die Täter nicht fasse, wer sie auch sind, bin ich für die Politiker der Sündenbock. Danach ist es kein Problem, mir etwas anzuhängen. Wahrscheinlich wollen sie dann auch noch Ihnen an den Kragen. Harry, wir müssen den oder die Mörder schnappen, sonst bin ich geliefert.«

»Haben Sie an einem der Tatorte Blut oder Haare entdeckt?«, fragte ich.

»So einige«, sagte Murphy.

»Und Speichel?«

Sie sah mich fragend an.

»Speichel. Den müsste man in Bisswunden eigentlich finden.«

Sie schüttelte den Kopf. »Falls sie so was entdeckt haben, haben sie es mir gegenüber nicht erwähnt. Die ganzen Spuren nützen uns ohnehin nicht viel, wenn wir keinen Verdächtigen haben, dem wir sie zuschreiben können.«

»Es nützt Ihnen