Die Frau Karl - Franzobel - E-Book

Die Frau Karl E-Book

Franzobel

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Beschreibung

Die resche fünfzigjährige Valentina Karl unterhält sich mit ihrer türkischstämmigen Reinigungsfrau Stummerl über Österreich und macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Von Hermann Nitsch bis zu Jörg Haider, H.C. Strache und Frank Stronach entblättert sie die Aufreger der jüngsten Zeitgeschichte. In blasierter und gnadenlos sich selbst entlarvender Manier zieht diese Frau Karl vom Leder, dass es eine Freude ist. Und am Schluss wartet eine ordentliche Überraschung.

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Seitenzahl: 46

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Franzobel

Die Frau Karl

Oder die letzte Österreicherin

Für Maxi Blaha

Stück für zwei Schauspielerinnen

VALENTINA KARL, eine resche bürgerliche Dame um die fünfzig in einem Dirndl des Modengeschäfts von Gexi Tostmann. Sie schluckt ständig Pillen.

STUMMERL, eine jüngere, wahrscheinlich türkischstämmige Reinigungskraft, die nichts zu sagen hat und nicht unbedingt gesehen werden muss.

VALENTINA KARL: So geht das nicht, so nicht, Sie müssen das ordentlich abwischen. Ordentlich! Schauen Sie her, so macht man das. So. Damit fangen Sie an. Erst das Bild abstauben, dann Küche, Bad, gut den Spiegel putzen. Was ich nicht leiden kann, sind Haare in der Badewanne, dann Staubsaugen, Boden wischen. Aber zuerst das Bild abstauben. Arbeiten müssen Sie hier schon, Erholung ist das keine. Mir ist auch nie etwas geschenkt worden.

Wissen Sie überhaupt, wer das ist? Natürlich nicht. Das ist der HC Strache, unser künftiger Regierungschef. Weiß nicht, was ich von ihm halten soll, aber blaue Augen hat der, blau wie Eiszuckerl, wie von einem Husky. Er bleibt, weil meine Eltern haben ihn geliebt. Für meine Mama und meinen Papa war er der Schlittenhund, der den Karren aus dem Dreck zieht.

Der wird dafür sorgen, dass die Türken wieder nach Hause dürfen. Ich hab nichts gegen die, wirklich nicht, war sogar in dem neuen Lokal unten am Platz. Das hat ein Türk gekauft, ein Türk, kein Dirk, aber statt dass er es Istanbul oder Anatolien nennt, heißt es Pizzeria Venezia. Pizzeria Venezia! Das mag ich nicht, diese Verlogenheit, dieses Falsche. Ist ja nicht die Donna Leon … Und auf einmal sind da Spielautomaten. Die spielen ja alle, haben nichts zu verlieren. Alkohol dürfens’ nicht … Jedenfalls war ich dort und hab eine Pizza bestellt – mit Speck. Gar nicht schlecht. Nachher hab ich dem gesagt, Sie als Moslem dürfen das doch gar nicht angreifen, den Speck. Ist da nicht der Ofen verunreinigt? Muss man da nicht das ganze Lokal ausräuchern? Lacht der nur. Sehen Sie, genau das mag ich nicht, diese Verlogenheit, dieses Falsche … Ich bin ja tolerant, aber die Türken … Die sind sauber und fleißig, da gibt es nichts. Noch verhalten sie sich still, aber sobald die in der Mehrheit sind, kommt die Scharia, und dann heißt es Burka tragen oder Hand ab. Dann ist es vorbei mit Speck und Alkohol und Kronen Zeitung, dann wird man uns umbenennen in Üstürrüch … Weil’s wahr ist. Sie schluckt Pillen. Für den Blutdruck.

Bis der Strache kommt, können Sie hier putzen, fünf Euro die Stunde, aber schwarz. Bringt keinem was, wenn wir das offiziell machen – außer dem Finanzminister. Diesen unfähigen Politikern, die immer sagen: Wir können, wir müssen, wir werden. Und wir zahlen’s. Wofür? Dafür, dass sie zusehen, wie uns die Türken überrennen. Unsere Volksvertreter sind ja entweder schon mit dem Parteibuch auf die Welt gekommen, oder es sind Quereinsteiger. Lauter ehemalige Nachrichtensprecher. Wir haben ja einen Heidenrespekt vor Leuten, die reden können. Deswegen verehren und hassen wir die Nordösterreicher … die Deutschen. Ist’s nicht so? Aber ich werd Ihnen eines sagen, die Deutschen kennen keine Untertöne. Und wir sind voller Untertöne, ganz Österreich ist ein einziger Unterton.

So passen Sie doch auf! Was machen Sie denn da? Das sind Pellets, kein Fischfutter. Ich werd das alles einmal zusammenräumen und verschenken. Hab mich schon erkundigt, die Caritas … die Caritas bekommt es nicht, weil das ist die reinste Mafia. Ich gebe es der Lebenshilfe, das wär zwar den Eltern nicht recht, weil die waren Schwarze, bis der Haider kommen ist. Aber momentan befindet sich das Haus sowieso in einer Trauerphase. Momentan …

Wegen der Versicherung? Anmelden kann ich mir nicht leisten. Unmöglich. Wissen Sie, wir Österreicher sind ehrlich, aber das Land funktioniert nur so. Untertöne, Schwarzarbeit. Ohne Pfusch würde das Land zusammenbrechen, die ganze EU, die Weltwirtschaft. Der österreichische Pfusch ist quasi ein Garant für die Währungsstabilität. Kein Wirt, der nicht die Hälfte seiner Weine schwarz beim Weinbauern kauft. Kein Bauherr, der nicht im Pfusch baut, kein Lehrer, der nicht Nachhilfe gibt. Ist’s nicht so? Praktisch alle Österreicher gehen pfuschen. Maurer, Installateure, Ärzte, Fußpflegerinnen, Hebammen, Bestatter. Sogar die Pfuscher pfuschen. Da werden wir zwei nicht aus der Reihe tanzen. Sie schluckt Pillen. Entwässerung!

Darum verstehe ich nicht, wieso die den Schöfinaz, den schönsten Finanzminister aller Zeiten, nicht in Ruhe lassen? Das ist der Neid, der was ein Hund ist. Der Neid ist so etwas von grauslich. Dabei hat das Tradition. Die österreichischen Politiker und Bankgeneraldirektoren haben immer zuerst auf sich geschaut. Wir können, wir müssen, wir werden. Ich weiß vom Generaldirektor einer großen Bank, der sich einen unterirdischen Geheimgang ins nächste Bordell bauen hat lassen. Während seiner kerzerlschluckenden Frau, Mitglied in der katholischen Frauenbewegung, Mitglied in der Goldhaubengruppe, die Gebete bei den Ohren außagspritzt sind, war der Herr Generaldirektor im Bordell. Der hat das Wort Ostöffnung völlig falsch verstanden. Die Damen wollten trotzdem nicht mit ihm, weil er so ein Ungustl war, so ein Machtmensch. Priesterzögling, das sind die Schlimmsten. Ein anderer hat seinen Mitarbeitern verboten, am Nachmittag den Lift zu benützen. Warum? Weil er da Siesta hielt. Das waren Fürsten. Fürsten! Na ja, die Banken sind natürlich eh alle eingegangen.