Fluch der Gewalt - Frank Wells - E-Book

Fluch der Gewalt E-Book

Frank Wells

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Der dritte Tag des Rodeos brachte den Höhepunkt. Nach den langwierigen Ausscheidungskämpfen, in denen mutige Männer ihre Knochen riskiert hatten, reifte nun die Entscheidung heran. Mehr als hundert Cowboys des ganzen weiten Rinderlandes hatten sich zu Beginn des Rodeos zum Kampf gestellt. Manche waren Hunderte von Meilen geritten oder gefahren, um die Krone des Sieges zu erringen – jetzt saßen oder standen sie zwischen der vieltausendköpfigen Zuschauermenge und hatten ihre Chance verspielt. Die meisten hatten irgend etwas abgekriegt, die einen nur Beulen, die anderen hinkten, und wieder andere trugen einen Arm in der Schlinge oder einen Verband am Kopf. Der Kampf mit ungezähmten Mustangs verlangte den härtesten Einsatz härtester Männer. »Als lustige Einlage bringen wir das Schnellmelken wilder Kühe!« schrie der Mann mit der Flüstertüte. Mehrere Cowboys versammelten sich vor dem Preisgericht und wurden der erwartungsvollen Menge vorgestellt. Sie waren mit Lassos und Eimern bewaffnet. Das Preisgericht hielt die Uhren bereit, und schon kam aus einer Box am Rande der Arena eine Kuh ge­saust, vollführte einige Bocksprünge und betrachtete dann verwundert die Kopf an Kopf sitzende oder stehende Menge, dieses farbenprächtige Bild, das sich aus bunten Kleidern und Cowboyhemden zusammensetzte. Es gab nur wenige, die dem humoristischen Schauspiel kein Interesse abgewannen. Rock Clift gehörte zu ihnen. Er hockte am Rande des Sammelplatzes auf einer Haltestange und ließ die Beine baumeln. Den schwarzen Stetson hatte er ins Genick geschoben. Er rauchte und starrte mit der zähen Geduld eines Mannes, der warten gelernt hatte, vor sich in das zertrampelte dürre Gras. Er hob auch kaum den Kopf, als sich von der Seite ein Mann an ihn heranschob. »Sie sind verteufelt gut im Sattel, Clift«, sagte der Mann, während er eine Zigarette drehte. »Man tut, was man kann, Mister.«

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Die großen Western – 310 –

Fluch der Gewalt

Frank Wells

Der dritte Tag des Rodeos brachte den Höhepunkt. Nach den langwierigen Ausscheidungskämpfen, in denen mutige Männer ihre Knochen riskiert hatten, reifte nun die Entscheidung heran. Mehr als hundert Cowboys des ganzen weiten Rinderlandes hatten sich zu Beginn des Rodeos zum Kampf gestellt. Manche waren Hunderte von Meilen geritten oder gefahren, um die Krone des Sieges zu erringen – jetzt saßen oder standen sie zwischen der vieltausendköpfigen Zuschauermenge und hatten ihre Chance verspielt. Die meisten hatten irgend etwas abgekriegt, die einen nur Beulen, die anderen hinkten, und wieder andere trugen einen Arm in der Schlinge oder einen Verband am Kopf. Der Kampf mit ungezähmten Mustangs verlangte den härtesten Einsatz härtester Männer.

»Als lustige Einlage bringen wir das Schnellmelken wilder Kühe!« schrie der Mann mit der Flüstertüte.

Mehrere Cowboys versammelten sich vor dem Preisgericht und wurden der erwartungsvollen Menge vorgestellt. Sie waren mit Lassos und Eimern bewaffnet. Das Preisgericht hielt die Uhren bereit, und schon kam aus einer Box am Rande der Arena eine Kuh ge­saust, vollführte einige Bocksprünge und betrachtete dann verwundert die Kopf an Kopf sitzende oder stehende Menge, dieses farbenprächtige Bild, das sich aus bunten Kleidern und Cowboyhemden zusammensetzte.

Es gab nur wenige, die dem humoristischen Schauspiel kein Interesse abgewannen. Rock Clift gehörte zu ihnen. Er hockte am Rande des Sammelplatzes auf einer Haltestange und ließ die Beine baumeln. Den schwarzen Stetson hatte er ins Genick geschoben. Er rauchte und starrte mit der zähen Geduld eines Mannes, der warten gelernt hatte, vor sich in das zertrampelte dürre Gras. Er hob auch kaum den Kopf, als sich von der Seite ein Mann an ihn heranschob.

»Sie sind verteufelt gut im Sattel, Clift«, sagte der Mann, während er eine Zigarette drehte.

»Man tut, was man kann, Mister.«

»Sicher. Ich glaube, Sie sind noch besser als vor zwei Jahren in San Antonio, Clift.«

Rock wandte den Blick ganz dem Mann an seiner Seite zu. Er war überrascht, unangenehm überrascht, aber die Überraschung zeigte sich nur in einem kurzen Aufblitzen seiner rauchgrauen Augen. Er schwieg.

»Ich entsinne mich noch deutlich, wie Sie den ersten Preis gewannen, Clift«, fuhr der Mann mit seiner langsamen knarrenden Stimme fort. »Einigen Leuten war das gar nicht angenehm. Ich habe übrigens später Ihren Namen noch einmal in der Zeitung gelesen…«

Rock Clift straffte sich in den Schultern und warf den Zigarettenstummel weg.

»Spucken Sie aus, was Sie wollen!«

»Oh, nichts Besonderes, Clift. Sehen Sie, mich interessieren solche Leute, die gut mit wilden Mustangs und noch besser mit dem Revolver umgehen können. Der Krieg der Zäuneschneider in Texas hat ziemlichen Staub aufgewirbelt, nicht wahr?«

Da war es heraus. Die Erinnerung an bittere Tage, an Pulverdampf und Blut wurde jäh in Rock Clift heraufbeschworen. Er war tausend Meilen geritten, um es zu vergessen, um einen neuen Start zu finden nach jenem schrecklichen Zusammenbruch aller Hoffnungen. Und nun stand dieser Mann mit den giftigen Augen vor ihm und rührte an den alten Wunden: »Sie sind gut orientiert, Mister…«, dehnte Rock. Seine Wangenmuskeln spielten. Er war gespannt wie eine Bogensehne, aber er verriet es nicht. Worauf wollte der andere hinaus?

»Ich heiße Jill Copper, aber der Name wird Ihnen nichts sagen«, lächelte der Mann dünn. Er trug keine Waffe, weil es verboten war, den Festplatz mit einem Colt im Halfter zu betreten. Aber das Leder der Hose war an der rechten Seite abgewetzt. Und Jill Copper schien die Waffe ziemlich tief zu tragen.

»Ich kenne Sie nicht«, sagte Rock. »Ich habe Texas vergessen und will nicht mehr daran erinnert werden.«

»Andere vergessen nicht so schnell wie Sie, Clift. Zum Beispiel Jim Slogan.«

»Das riß Rock von seinem Sitz. Jim Slogan – der Name allein war ein rotes Tuch für ihn. Jim Slogan, dem er eine Kugel in den Rücken zu verdanken hatte, den er tot glaubte… Jim Slogan sollte leben?

»Was ist mit Slogan? Reden Sie nicht in Kreuzworträtseln, Mann!«

Jill Copper schnippte die Zigarette weg und begann sofort eine neue zu drehen. Seine weißen Finger bewegten sich unglaublich schnell. Sie sahen aus wie die Krallen einer großen Katze.

»Lassen wir das, Clift«, warf er lässig hin. »Slogan ist weit von hier. Sie werden ihm kaum noch einmal begegnen.«

»Weil er tot ist. Meine Freunde haben gesehen, wie er fiel.«

»Er lebt. Manche Menschen sind zäher als Katzen. Well, begraben wir das Thema. Sie haben gute Chancen, auch heute den ersten Preis zu gewinnen. Tausend Dollar für den König der Cowboys, eine nette Stange Geld. Mancher muß lange dafür arbeiten.«

»Sicher.«

»Ich habe gehört, daß Sie für eine Ranch sparen. Dazu braucht man natürlich Geld, viel Geld.«

Rock schwieg. Dieser Copper schien allerhand zu wissen, beinahe unheimlich viel.

»Zweitausend«, fuhr Copper langsam fort, »zweitausend sind mehr als eintausend. Sie könnten sie schnell verdienen.«

»Ich? Und was wäre dafür zu tun?«

»Nicht viel. Im Grunde genommen gar nichts, Sie brauchen nur den Entscheidungskampf zu verlieren. Zweiter im Rodeo werden Sie sowieso. Dann kriegen Sie immer noch fünfhundert Dollar, zusammen also zweitausendfünfhundert. Ist das ein Geschäft oder nicht?«

Rock Clift schaute sein Gegenüber lange an. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht mit einem solchen Vorschlag.

»Wer schickt Sie, Copper?« fragte er kalt.

»Das tut nichts zur Sache. Wenn Sie einverstanden sind, zahle ich Ihnen die zweitausend Dollar sofort aus. Bar auf die Hand.«

Rock lachte grimmig: »Verschwinden Sie! Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Menschen betrogen, und dies ist Betrug. Es gibt unter den Zuschauern einige, die auf mich gewettet haben. Sie würden ihr Geld verlieren. Aber vor allem: Haben Sie schon einmal etwas von Fairness gehört? Die Entscheidung wird in der Arena ausgefochten und nicht mit lumpigen Geldscheinen. Verschwinden Sie, und lassen Sie sich besser nie wieder vor mir blicken.«

Jill Copper zuckte die Achseln. Sein Gesicht blieb unergründlich, aber in seinen grünen Augen schwelte ein tückisches Feuer. Plötzlich machte er kehrt und ging wortlos davon.

Die Zuschauermenge auf den weiten Rängen brüllte vor Lachen. Anscheinend hatte wieder eine Kuh nicht so gewollt wie ihr Bändiger. Dann beendete die Stimme des Ansagers das heitere Zwischenspiel. Und während noch einmal Applaus aufklang, drängte sich ein kleiner krummbeiniger Mann auf den Sammelplatz und hüpfte in grotesken Sprüngen zu jener Haltestange, an der Rock Clift noch immer lehnte.

»Rock, mach dich fertig. Es ist soweit. Du, ich habe die beiden Bestien gesehen, auf die sie euch loslassen wollen. Die eine sieht sogar wie ’n Pferd aus, aber die andere ist ’ne Mischung zwischen Klapperschlange, Grizzly und Puma. He, Rock, du hörst ja gar nicht zu!«

»Doch, doch, Moses. Was ist mit dem Puma?«

»Also, der Gaul hat gelbe Augen, ’ne Ramsnase und vier weiße Strümpfe. Außerdem ist es ein Pinto. Mann des Himmels, wenn du den Schinder mit dem Los erwischst, aber der andere ist auch nicht viel besser. Ein Rappe, schwarz wie die Nacht, mit roten Augen. Gut gebaut, bloß zu kurz. Ich wette, der springt wie ein Ziegenbock.«

»So, so.«

Moses, der krummbeinige kleine Gefährte Rock Clifts, schüttelte verwundert den Kopf.

»Was hat dir denn die Petersilie verhagelt, he? Hast du Bauchkneifen? Tut dir sonst was weh? Du siehst aus, als wäre dir ein Gespenst über den Weg gelaufen, am hellen Nachmittag.«

»Vielleicht war es ein Gespenst, Moses.«

Vom Platz herüber kam die Stimme des Ansagers durchs Megaphon: »Für die Entscheidung im Bronco-Bustin haben sich qualifiziert Clark Gilbert und Rock Clift. Clark Gilbert und Rock Clift bitte zum Schiedsgericht!«

»Er hat ein Gespenst gesehen«, murmelte Moses. »Fünf Minuten vor dem Entscheidungsritt ein Gespenst. Na, so was.«

Rock Clift schnallt den Leibriemen ein Loch enger und betrat die Arena.

*

Für Evelyn Lowell bedeuteten diese Tage des Rodeo ein in seiner Farbigkeit unerwartetes Erlebnis. Vor kaum einer Woche waren sie in Cheyenne angekommen, ihr Bruder Thomas und sie. Nach der mörderisch langen und unbequemen Bahnfahrt durch ein ödes und unwirtliches Land, hatte sie in den ersten Tagen diese Stadt mit geradezu feindseligen Augen betrachtet.

Aber jetzt war sie begeistert. Jeder dieser Cowboys, der dort unten in der Arena seine Kunst zeigte, schien eine Art Artist zu sein. Die Gesetze der Schwerkraft schien es für diese Männer nicht zu geben, die auf ungezähmten Pferden oder gar Stieren dahinjagten.

»Nun«, sagte ihr Bruder, »auf wen hast du dein Geld gewettet? Auf den Schwarzen oder den Blonden?«

Evelyn lachte.

»Auf den Blonden!« antwortete sie. »Er ist in den Vorkämpfen nicht ein einziges Mal aus dem Sattel geworfen worden.«

»Er gefällt dir wohl, dieser Rock Clift, wie?«

»Ach du. Ich kenne weder den noch den anderen. Und in diesen Tagen habe ich so viele prächtig gewachsene Männer gesehen, wie in meinem ganzen Leben vorher nicht.«

»Na also. Such dir einen aus. Übrigens habe ich auf Clark Gilbert gewettet, auf den Schwarzen. Ich glaube, er hat noch nicht alles gezeigt, was er kann. Und außerdem… Aber das verrate ich noch nicht.«

»Ein Geheimnis?«

»Es hat nichts mit dem Kampf zu tun, wohl aber mit dem Mann dort unten, mit Clark Gilbert. Ich glaube, ich kann dich heute noch mit ihm bekanntmachen. Gefällt er dir?«

»Also Thomas, das ist denn doch… Du tust gerade so, als wäre dies ein Heiratsmarkt.«

Thomas Lowell lächelte. Dann schüttelte er den Kopf: »So ist es nicht gemeint. Es handelt sich um ein Geschäft – vielleicht.«

»Und davon weiß ich nichts? Kaum bist du in dieser Stadt, und schon denkst du wieder an Geschäfte. Ohne…«

»Psst, der Kampf geht los. Ich erzähle es dir nachher.«

Das Summen der Menge wich langsam gespanntem Schweigen. Aller Augen hingen an den beiden Männern dort unten, die gleich um die Krone des Sieges kämpfen sollten. Rock Clift, in abgewetzter Lederhose, mit schwar­zem Hemd, roter Bandana und schwarzem Hut auf der blonden Haarbürste, stand locker hinter der Barriere vor dem Richtertisch. Er war ernst und gesammelt, ohne irgendwelche Erregung zu verraten.

Clark Gilbert auf der anderen Seite lachte immer wieder in die Menschenmenge und schwenkte seinen Hut. Er trug die prächtigste Reitkleidung, die sich denken ließ. Sein helles Hemd aus weichem Leder war kunstvoll bestickt und mit silbernen Knöpfen versehen.

Sie hatten das Los gezogen. Clark Gilbert würde den schwarzen Mustang reiten, Rock Clift den Pinto, den rammnasigen Schinder, wie Moses ihn genannt hatte. Nun, die beiden Gäule würden sich an Bösartigkeit nicht viel nehmen.

»Machen Sie sich fertig, Gents«, sagte der Leiter des Schiedsgerichts.

Und oben auf der Tribüne sah Evelyn Lowell, sahen die tausend Leute, wie die beiden Männer sich die Hände reichten und gemeinsam zu den beiden nebeneinander liegenden Boxen schritten. Es sah aus, als wären sie Freunde. Beide etwa gleich groß, beide prächtig gebaut, beide mit dem wiegenden Gang des Reiters. Der eine ernst, der andere immer noch mit dem Hut winkend.

So kletterte jeder von ihnen auf die Brüstung der Boxen, in denen die Pferde eingesperrt waren. Die Mustangs trugen noch die Binden vor den Augen, die erst im letzten Augenblick vor dem Start gelöst wurden, erst dann, wenn die Schiebetür vor den Boxen beiseite gezogen wurde.

Beide ließen sich hinabgleiten auf die Pferde. Sie prüften kurz die Sattelgurte und die Zügel.

Dann hallte wieder die Stimme des Ansagers über den Platz. Es kam das Kommando zum Start. Die Binden wurden den Mustangs von den Augen gerissen, die Tore flogen auf – und zwei vierbeinige Raketen kamen hinaus in die blendende Sonne und den wirbelnden Staub geschossen.

Rock Clift spreizte die Beine in den Steigbügeln weit von sich. Er hieb die Rechte mit dem Sombrero auf die Flanken des Pintos, der tatsächlich wie ein Ziegenbock sprang, just so, wie Moses prophezeit hatte. Von der Box bis zur Mitte der Arena war der Gaul nicht ein einziges Mal auf allen vieren. Meistens hatte er den Kopf zwischen den Vorderbeinen, und Rock mußte sein ganzes Gewicht nach hinten werfen, um nicht mitsamt dem Gaul einen Überschlag vorwärts in den Sand zu machen.

Merkwürdigerweise dachte Rock Clift gar nicht an diesen Kampf. Er hörte auch nicht das Gebrüll der Menge oder doch nur aus weiter Ferne, so, als ginge es ihn gar nichts an. Seine Gedanken waren unterwegs in die Vergangenheit.

Damals, vor zwei Jahren in San Antonio, hatte es begonnen. Dort hatte er den ersten Preis geholt, war König der Cowboys geworden. Und mitten im Triumph des Sieges hatte ihn die Hiobsbotschaft erreicht, daß in der Heimat die Hölle los war. Mitten aus friedlichem Wettstreit waren sie in den blutigen Kampf gezogen, und als sie den Sieg schon sicher zu haben glaubten, war ihm die Kugel in den Rücken gefahren.

Was nutzte es, daß der feige Heckenschütze Jim Slogan von seinen Gefährten gefaßt und bestraft wurde? Am Ende hatten sie doch weichen müssen, waren heimatlos geworden und stromerten nun irgendwo in der Weltgeschichte herum. Moses und Grady, Terence und Charly, und der Himmel möchte wissen, wohin der Wind die anderen geweht hatte.

Der Pinto warf plötzlich den Schädel hoch. Gerade noch rechtzeitig warf Rock seinen Körper nach vorn, sonst hätte der Gaul sich rückwärts überschlagen. Rock tat es rein instinktiv. Und wahrscheinlich wäre es ihm nicht gelungen, wenn er mit den Gedanken bei der Sache gewesen wäre. Er wußte nicht, wie lange er schon im Sattel saß, wie es seinem Gegner ging, ob er auch noch oben saß oder schon im Staube lag. Er nahm den Pinto schärfer an die Kandare und balancierte mit Mühe und Not einen jähen Seitensprung aus.

Dabei bekam er Clark Gilbert auf dem Rappen zu Gesicht. Nur für einen flüchtigen Augenblick, aber er sah, daß Gilbert seinen Hut verloren hatte, daß ihm das schwarze Haar schweißverklebt in der Stirn hing und daß seine Wangenknochen weiß hervorstachen vor Anstrengung. Auch schien es, als wäre der Sattel seines Konkurrenten gerutscht.

Der Kampf ging weiter. Das Publikum stand schon auf den Bänken und schrie sich die Lungen aus dem Halse. Sie schrien: »Rock! Rock! Rock!« oder »Clark! Clark! Clark!« je nachdem, wie sie gewettet hatten oder wem ihre Sympathien galten. Dann rissen die Schreie plötzlich ab, ein oder zwei Sekunden lang wurde es beinahe still, und dann ging der Aufschrei durch die Menge, der ankündigte, daß der Kampf zu Ende war. Denn Clark Gilbert verlor zuerst einen Steigbügel und wurde schon im nächsten Augenblick seitlich aus dem Sattel in den Staub geschleudert. Und während ein paar lassoschwingende Cowboys herbeieilten, um den schwarzen Mustang einzufangen, kämpfte Rock Clift noch immer gegen die Tücken des Pinto, hockte immer noch wie eine Klette auf dem Ziegenbock.

Bis er das Jubelgebrüll der Menge richtig aufnahm und einen schrägen Seitenblick auf seinen Gegner riskierte. Er sah, wie Clark Gilbert sich hinkend erhob und mit verzerrtem Gesicht dem Ausgang zustrebte. Da klatschte Rock sich den Stetson auf den Kopf und schwang sich mit weitem Sprung von dem bockenden Pinto herab.

*

Er hatte gesiegt. Der König der Cow­boys hieß für dieses Jahr und in diesem Land Rock Clift.

Erst am Abend, bei der Siegesfeier, sah Rock seinen Konkurrenten Clark Gilbert wieder. Nach dem Kampf war Gilbert spurlos untergetaucht, ohne dem Sieger Rock Clift die Hand zu schütteln und den üblichen Glückwunsch auszusprechen. Vielleicht hatte ihm der Sturz weh getan, vielleicht war er auch ein schlechter Verlierer.

Rock trug auch jetzt, als die Festlichkeit im Crystal-Palast ihren Anfang nahm, die abgenutzte Kleidung des Weidereiters. Er hatte sie lediglich von Staub gesäubert, sein Hemd gegen ein sauberes eingetauscht, den Hals mit einem prächtigen roten Halstuch verziert und die hochhackigen Reitstiefel geputzt.

Und da, als er mit dem Siegerkranz auf der Bühne stand, die sonst den hübschen Beinen von Tanzgirls vorbehalten blieb, da sah er Clark Gilbert wieder. Der schwarzhaarige, breitschultrige und sehr hübsche Boy mit den glänzenden Augen sah blendend aus. Er kam mit strahlendem Lächeln und ausgestreckten Händen auf Rock zu und sagte: »Sie waren besser als ich, Rock. Noch nie hat es einen würdigeren König der Cowboys gegeben als Sie. Meinen herzlichen Glückwunsch.«

Rock schüttelte leicht erstaunt die dargebotene Hand und murmelte seinen Dank, der im tosenden Beifall der Festversammlung unterging. Hand in Hand stellten die beiden Kontrahenten sich dem Publikum, bis der Vorsitzende der Ranchervereinigung von Wyoming das Podium betrat und eine schwungvolle Rede hielt.

Rock war froh, daß er sich den tausend Augen entziehen konnte. Er ging zur Bar und kippte schnell einen Scharfen.

Plötzlich flog die Vordertür des Barraumes auf und herein kamen drei über und über mit Staub bedeckte Männer.

»Rock!« schrie der erste mit wahrer Stentorstimme, die seinem riesigen Körperbau angemessen war. »Du verdammter Hundesohn spülst dir die Gurgel, während ehrliche Männer sich schinden müssen. Verdammt will ich sein…«

»Pssst!« machte Rock und grinste, denn mehrere hundert Köpfe im Saal ruckten herum und suchten nach dem Störenfried.

Grady Ball, der Hüne, furchte die Stirn und versuchte zu flüstern. Aber es klang immer noch wie fernes Donnergrollen, denn es war ihm noch nie möglich gewesen, leise zu sprechen.

»Gibst du einen aus?« flötete er. »Oder muß ich dir erst ’ne Ansprache halten?«

Gradys mächtige Pranke krachte auf Rocks Schulter. Mit dieser Hand hatte der Riese einmal eine vierspännige Postkutsche an der Hinterachse festgehalten, und der Kutscher hatte sich mächtig gewundert, wieso seine Gäule den Wagen nicht von der Stelle brachten, obwohl sie sich aus Leibeskräften ins Geschirr legten.

So einer war Grady Ball, und niemand hätte vermutet, daß die beiden Männer an seiner Seite seine Brüder waren, denn Terence und Charly erreichten nur Mittelmaß, wobei Charly sehr schmächtig wirkte.

Grady bemutterte die beiden wie eine Glucke. Er tat immer so, als wären sie Babies.

»Ich wundere mich, daß ihr schon zurück seid«, sagte Rock, während er eine Flasche anrollen ließ.

»Grady hatte Sorge, du könntest die tausend Dollar allein kaputt machen«, kicherte Terence.

»Und wenn ich sie nicht gewonnen hätte?«

»Pah«, grollte Grady, »du bist ja bloß ’ne halbe Portion, aber von Gäulen und Schießeisen verstehst du was. Oder hast du vielleicht nicht gewonnen?«

»Ich habe.«

»Na also«, nickte Charly, der nur selten den Mund öffnete. Und Terence fügte hinzu: »Wieviel haben wir jetzt, wenn wir die ganzen Moneten auf einen Haufen legen?«

»Knapp achttausend. Es reicht noch nicht für eine Ranch«, seufzte Rock. »Wir brauchen einen guten Job.«

»Ich weiß einen«, knurrte Grady. »Wir gehen in die Bank und räumen den Tresor leer.«