Die Katze, die Berge versetzte - Band 13 - Lilian Jackson Braun - E-Book
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Die Katze, die Berge versetzte - Band 13 E-Book

Lilian Jackson Braun

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Beschreibung

Samtpfote Koko entgeht nichts! „Die Katze, die Berge versetzte“ von Bestsellerautorin Lilian Jackson Braun jetzt als eBook bei dotbooks. Jim Qwilleran möchte Urlaub in den Bergen machen. Die idyllischen Potatoe Mountains scheinen dafür das perfekte Ziel zu sein. Gemeinsam mit seinen Siamkatzen Koko und Yum Yum mietet er ein einsames Haus auf dem Berggipfel. Doch schon bald findet Jim heraus, dass der ehemalige Besitzer ermordet wurde. Das seltsame Verhalten des eigenbrötlerischen Bergvolks lässt ihn daran zweifeln, dass tatsächlich der wahre Täter verhaftet wurde. Und dann entdeckt der schlaue Kater Koko eine verborgene Tür … „Lilian Jackson Braun liefert beste Unterhaltung von Anfang bis Ende.“ Los Angeles Times Die Krimi-Serie mit Suchtpotenzial! Der dreizehnte Fall für Reporter Jim und Siamkater Koko – jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Katze, die Berge versetzte“ von Lilian Jackson Braun. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Jim Qwilleran möchte Urlaub in den Bergen machen. Die idyllischen Potatoe Mountains scheinen dafür das perfekte Ziel zu sein. Gemeinsam mit seinen Siamkatzen Koko und Yum Yum mietet er ein einsames Haus auf dem Berggipfel. Doch schon bald findet Jim heraus, dass der ehemalige Besitzer ermordet wurde. Das seltsame Verhalten des eigenbrötlerischen Bergvolks lässt ihn daran zweifeln, dass tatsächlich der wahre Täter verhaftet wurde. Und dann entdeckt der schlaue Kater Koko eine verborgene Tür …

»Lilian Jackson Braun liefert beste Unterhaltung von Anfang bis Ende.« Los Angeles Times

Über die Autorin:

Lilian Jackson Braun (1913–2011) wurde in Massachusetts geboren. Nach der Highschool arbeitete sie als Journalistin und in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihre Katzenkrimis wurden in 16 Sprachen übersetzt und standen regelmäßig auf der »New York Times«-Bestsellerliste.

Bei dotbooks erscheinen alle Bände der Erfolgsserie. Eine vollständige Übersicht finden Sie am Ende dieses eBooks.

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eBook-Neuausgabe Oktober 2016

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1992

Lilian Jackson Braun

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel »The Cat Who Moved A Mountain«.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1994 Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Forewer und Aniskova Yulia

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-855-7

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Lilian Jackson Braun

Die Katze, die Berge versetzte

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Christine Pavesicz

dotbooks.

Kapitel 1

Ein Mann mittleren Alters mit einem großen, herabhängenden Schnurrbart und melancholischen Augen saß angespannt am Steuer seines Autos. Krampfhaft hielt er das Lenkrad fest, während er den Wagen über eine enge, unbefestigte, gewundene Bergstraße hinaufmanövrierte. Er war das Fahren auf Bergstraßen nicht gewohnt und empfand es als entsetzliche Strapaze. An einem Straßenrand erhob sich eine zerklüftete Felswand; auf der anderen Seite fiel der Berg steil ab. Die Straße war durch kein Geländer gesichert und wurde von Geröll, das am Fuß der Felswand lag, noch weiter verschmälert. Der Fahrer hielt sich in der Straßenmitte, biß bei jeder Haarnadelkurve die Zähne zusammen und überlegte, was passieren würde, wenn ein anderes Fahrzeug in der Gegenrichtung um die unübersichtliche Kurve gebraust käme. Würde es zu einem Frontalzusammenstoß kommen? Würde er gegen den Felsen krachen? Oder in die Schlucht stürzen? Verschlimmert wurde die gespannte Atmosphäre noch von den beiden Passagieren auf dem Rücksitz, die lautstark protestierten, wie es nur Siamkatzen können.

Es war schon spät, und der Benzintank war nur noch viertelvoll. Seit fast zwei Stunden fuhr Jim Qwilleran jetzt über Bergpässe, schlängelte sich durch dreifache S-Kurven, hupte vor jeder Haarnadelkurve und traf an jeder Weggabelung die falsche Entscheidung. Es gab keine Hinweisschilder, keine Wohnhäuser, in denen er sich erkundigen konnte, keine Autofahrer, die er anhalten und um Hilfe bitten konnte, keine Ausweichstellen, wo er stehenbleiben konnte, um sich zu orientieren und sich wieder zu fangen. Die Situation hatte alle Merkmale eines Alptraumes, doch Qwilleran war vollkommen wach und ebenso die beiden Passagiere auf dem Rücksitz, die bei der schlingernden, holprigen Fahrt in ihrem Tragekorb herumgerüttelt wurden, wogegen sie ununterbrochen mit durchdringendem Maunzen und nervenzerfetzendem Kreischen protestierten.

»Haltet den Mund!« brüllte er sie an, was aber nur zur Folge hatte, daß das Geschrei noch lauter wurde. »Wir haben uns verirrt! Wo sind wir? Warum sind wir überhaupt zu diesem verdammten Berg gefahren?«

Das war eine gute Frage, und eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, sollte er die Antwort wissen. Inzwischen aber setzte er verzweifelt seine endlose Fahrt ins Ungewisse fort.

Zwei Wochen vorher hatte Qwilleran ein plötzliches Bedürfnis verspürt, in die Berge zu fahren. Er lebte in Moose County, einer angenehm flachen Gegend im nördlichen Teil des achtundvierzigsten Breitengrades; im Umkreis von tausend Meilen gab es nichts, das höher war als ein Hügel. Er hatte diese Eingebung, während er ein bedeutsames Ereignis in seinem Leben feierte: Nachdem er aufgrund einer Testamentsverfügung fünf Jahre in Moose County hatte leben müssen, war er nun offiziell zum Erben des Klingenschoen-Vermögens erklärt worden und somit auch offiziell ein Milliardär mit Besitzungen, die sich von New Jersey bis Nevada erstreckten.

Während seiner fünf Jahre in Pickax City, der Bezirksstadt, hatte er die Einwohner mit seinem angenehmen Wesen und seiner Großzügigkeit, von der die Allgemeinheit permanent profitierte, für sich gewonnen. Fremde, die ihn auf der Straße trafen, gingen nach Hause und erzählten ihren Familien, daß Mister Qwilleran guten Morgen gesagt und freundlich die Hand zum Gruß erhoben hatte. Die Männer saßen gerne mit ihm in den Bars zusammen. Die Frauen schwärmten von seinem prächtigen Schnurrbart und verspürten einen wohligen Schauer beim Anblick seiner traurigen Augen unter den schweren Lidern; sie fragten sich, welch tragisches Schicksal wohl für den schwermütigen Ausdruck verantwortlich war.

Mehr als zweihundert Freunde und Bewunderer versammelten sich im Ballsaal der schäbigen alten Herberge, die sich ›New‹ Pickax Hotel nannte, um die Erbschaft zu feiern. Qwilleran spazierte freundlich zwischen ihnen herum, klimperte mit den Eiswürfeln in seinem Glas Ginger Ale, nahm Glückwünsche entgegen und machte häufige Abstecher zu den Tischen, auf denen angeboten wurde, was das Hotel unter einem Partybüffet verstand. Er war ein Mann, der aus der Menge hervorstach; eins achtundachtzig groß und gut gebaut, mit vollem, an den Schläfen graumeliertem Haar und einem üppigen graumelierten Schnurrbart, der ein Eigenleben zu besitzen schien.

Die wichtigsten Gratulanten waren Polly Duncan, die Leiterin der Bücherei von Pickax; Arch Riker, der Verleger des Moose County Dingsbums; und Osmond Hasselrich von Hasselrich, Bennett & Barter, den Anwälten des Klingenschoen- Imperiums. Der Bürgermeister, Mitglieder des Stadtrats, der Polizeichef und der Schulrat waren da, wie auch andere Menschen, die in den letzten Jahren eine Rolle in Qwillerans Leben gespielt hatten: Larry und Carol Lanspeak, Dr. Halifax Goodwinter, Mildred Hanstable, Eddington Smith. Fran Brodie – die Liste war länger, als der Ehrengast gedacht hatte. Keiner von ihnen wagte zu hoffen, daß der frischgebackene Milliardär, der in der Großstadt geboren und aufgewachsen war, weiterhin in einer Gegend bleiben würde, die von den Politikern in den Städten als ›ländliches Ödland‹ bezeichnet wurde. Niemand wußte, was er als nächstes tun oder wo er letztendlich leben würde. Bevor ihn das Schicksal nach Moose County geführt hatte, hatte er als preisgekrönter Journalist in diversen großen Städten gelebt. Wie konnte man da erwarten, daß er in Pickax City bleiben würde?

Kip MacDiarmid, der die Tageszeitung im Nachbarbezirk herausgab, stellte als erster die Frage, die alle beschäftigte. »Jetzt, wo Sie alles Geld der Welt und noch fünfundzwanzig Jahre vor sich haben, Qwill, was für Pläne haben Sie?«

Als Qwilleran zögerte, versuchte sein langjähriger Freund Arch Riker zu raten: »Er wird ein Zeitungsimperium und einen Fernsehsender kaufen und eine Medienrevolution auslösen.«

»Oder ein Schloß in Schottland kaufen und sich dem Vogelbeobachten widmen«, schlug Larry Lanspeak ironisch vor.

»Nicht sehr wahrscheinlich«, sagte Polly Duncan, die Qwilleran vergeblich ein Vogelbuch und ein Fernglas geschenkt hatte. »Er wird sich eine Insel in der Karibik kaufen und das Buch schreiben, von dem er ständig redet.« Sie sprach in munterem Tonfall, um ihre Gefühle zu verbergen; Polly war in den letzten Jahren die wichtigste Frau in Qwillerans Leben gewesen und würde es am heftigsten bedauern, wenn er aus dem Norden wegzog.

Qwilleran lachte über ihre Vorschläge. »Spaß beiseite«, sagte er, als er sich den Teller zum dritten Mal mit Cocktailwürstchen aus der Dose und Schmelzkäsescheiben belud, »die letzten paar Jahre waren die erfülltesten in meinem ganzen Leben, und das ist mein voller Ernst! Bevor ich hierherkam, habe ich immer in Städten mit mindestens zwei Millionen Einwohnern gelebt. Jetzt lebe ich in einer Stadt mit dreitausend Einwohnern, vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt, und bin sehr zufrieden. Und doch…«

»Kannst du nicht alle deine Fähigkeiten ausschöpfen«, ergänzte Polly tapfer.

»Das meine ich nicht, aber eines kann ich euch sagen: Nichtstun entspricht nicht meiner Vorstellung von einem erfüllten Leben. Ich spiele nicht Golf. Ich würde lieber ins Gefängnis gehen als angeln. Für teure Autos und maßgeschneiderte Anzüge habe ich nichts übrig. Was ich brauche, ist ein Ziel – etwas, das meinem Leben Sinn gibt.«

»Haben Sie mal daran gedacht, zu heiraten?« fragte Moira MacDiarmid.

»Nein!« antwortete Qwilleran vehement.

»Es wäre noch nicht zu spät, Erben in die Welt zu setzen.«

Geduldig erklärte er, wie bereits viele Male zuvor: »Ich habe vor etlichen Jahren entdeckt, daß ich als Ehemann nichts tauge, und das ist eine Tatsache, die ich akzeptieren muß. Was die Erben anlangt – ich habe den Klingenschoen-Fonds gegründet, der mein Geld ausgibt – sowohl zu meinen Lebzeiten als auch nach meinem Tod. Aber…« Er strich sich nachdenklich über den Schnurrbart, »ich würde gerne mal eine Zeitlang richtig abschalten und mir über den Sinn und Zweck meines Lebens klarwerden – irgendwo auf einem Berggipfel – oder auf einer einsamen Insel, falls es noch welche gibt, auf der keine Touristen sind.«

»Was ist mit Ihren Katzen?« fragte Carol Lanspeak. »Larry und ich wären sehr gerne bereit, sie inzwischen aufzunehmen und mit dem Luxus zu umgeben, den sie gewohnt sind.«

»Ich würde sie mitnehmen. Die Anwesenheit einer Katze ist der Meditation förderlich.«

»Mögen Sie die Berge?« fragte Kip MacDiarmid.

»Ehrlich gesagt, habe ich nicht viel Erfahrung mit Bergen. Die Alpen haben mich sehr beeindruckt, als mich meine Zeitung mal für einen Auftrag in die Schweiz schickte, und meine Flitterwochen habe ich im schottischen Hochland verbracht… Ja, der Gedanke an Berge gefällt mir. Berge haben etwas Geheimnisvolles, ob man nun oben steht und hinuntersieht oder von unten hinaufschaut.«

Moira sagte: »Letzten Sommer verbrachten wir einen tollen Urlaub in den sogenannten ›Kartoffelbergen‹, den Potato Mountains – nicht wahr, Kip? Wir sind mit den Kindern im Wohnmobil hingefahren. Phantastische Landschaft! Wunderbare Bergluft! Und so friedlich! Sogar mit vier Kindern und zwei Hunden war es noch friedlich.«

»ich habe noch nie von den Potato Mountains gehört«, sagte Qwilleran.

»Sie werden gerade erst erschlossen. Sie sollten hinfahren, bevor die Touristenströme einfallen«, riet Kip. »Wenn Sie wollen, können Sie sich gerne ein paar Wochen unser Wohnmobil ausleihen.«

Arch Riker sagte: »Ich kann mir Qwill nicht in einem Wohnmobil vorstellen, es sei denn, es gibt rund um die Uhr Zimmerservice. Wir waren zusammen bei den Pfadfindern, und er war der einzige Junge, der das Übernachten und Kochen im Freien haßte.«

Qwilleran krümmte sich innerlich bei dem Gedanken an das beengte Leben mit zwei ruhelosen Zimmerkatzen in einem Wohnmobil. »Vielen Dank für das Angebot«, sagte er, »aber für mich wäre es besser, ein paar Monate eine Hütte zu mieten – irgend etwas Wildromantisches, aber schon mit Bad und WC. Ich brauche keinen Luxus, nur die nötigsten Annehmlichkeiten.«

»In den Potato Mountains werden Hütten vermietet«.

erzählte Moira. »Wir haben viele Schilder mit der Aufschrift Zu vermieten gesehen – nicht wahr, Kip? Und im Tal ist eine hübsche kleine Stadt mit Restaurants und Geschäften. Die Kinder sind dort ins Kino und in die Videoläden gegangen.«

»Gibt es eine öffentliche Bücherei? Glauben Sie, es gibt auch einen Tierarzt?«

»Sicher«, sagte Kip. »Es gibt ein Amtshaus, also ist das offenbar die Bezirksstadt. Netter kleiner Ort! Direkt neben der Hauptstraße verläuft ein Fluß.«

»Wie heißt die Stadt?«

»Spudsboro!« antworteten die MacDiarmids unisono mit einem breiten Grinsen und warteten auf Qwillerans ungläubige Reaktion.

»Das ist kein Scherz«, erklärte Moira. »So steht es auf der Landkarte. Sie befindet sich mitten zwischen zwei Bergketten. Wir haben in einem Nationalpark in den West Potatoes kampiert. Im Osten sind der Big Potato Mountain und der Little Potato Mountain.«

»Und ich nehme an, durch das Tal fließt der Bratensaftfluß«, scherzte Qwilleran.

»So leid es mir tut, der Fluß heißt Yellyhoo«, sagte Kip. »Er eignet sich gut zum Wildwasser-Rafting – natürlich kein Vergleich zum Colorado, aber die Kinder waren begeistert. Es gibt auch Höhlen, wenn Sie gerne Höhlen erforschen, aber die Einheimischen raten davon ab, und Moira ist sowieso ein Angsthase.«

»Woher haben die Potato Mountains ihren Namen?«

Die MacDiarmids sahen einander fragend an. »Nun«, meinte Moira, »sie sind irgendwie rund und knubbelig, wie Kartoffeln. Es sind freundliche Berge, wissen Sie – nicht so ehrfurchtgebietend wie die Rocky Mountains.«

»Der Big Potato wird gerade erschlossen«, ergänzte ihr Mann. »Der Little Potato ist bewohnt, aber noch naturbelassen. In den zwanziger Jahren war er ein Paradies für Schwarzbrenner, heißt es, weil die Leute von der Steuerfahndung sie in dem dichtbewaldeten Gebiet nicht finden konnten.«

Moira erklärte: »Auf dem Little Potato gibt es viele Künstler, die verschiedenes Kunsthandwerk verkaufen. Wir haben ein paar aufregende Keramiken und Korbwaren erstanden.«

»Ja«, sagte Kip, »und ein Mädchen dort stellt diese Wandteppiche her, die Sie so mögen, Qwill.« Als ihn seine Frau anstieß, wiederholte er: »Eine junge Frau dort stellt diese Wandteppiche her, die Sie so mögen… Wie schafft ihr Junggesellen das bloß, Qwill, ohne eine Ehefrau, die einem ständig sagt, was gut und richtig ist?«

»Dieses Kreuz muß ich wohl tragen«, erwiderte Qwilleran mit einer demütigen Verbeugung.

»Wenn Sie sich wirklich für die Berge interessieren, dann rufe ich den Herausgeber der Spudsboro Gazette an. Wir waren als Studenten Zimmerkollegen, und er hat vorigen Sommer die Zeitung dort gekauft. So haben wir von den Potatoes erfahren. Colin Carmichael heißt er. Wenn Sie da hinunterfahren, sollten sie ihn besuchen. Er ist ein toller Bursche. Ich sage ihm, er soll veranlassen, daß sich ein Makler mit Ihnen in Verbindung setzt. Das Fremdenverkehrsamt in Spudsboro ist voll auf Zack.«

»Stellen Sie mich bloß nicht als einen Rockefeller hin, Kip, sonst erhöhen sie sofort die Preise. Ich will etwas ganz Einfaches, und ich möchte kein Aufsehen erregen.«

»Klar. Ich verstehe.«

»Wie ist das Wetter in den Potatoes?«

»Fabelhaft! Während wir dort waren, hat es nicht ein einziges Mal geregnet.«

Den Rest des Abends wirkte Qwilleran abwesend; er befühlte ständig seinen Schnurrbart, eine nervöse Angewohnheit, die er an den Tag legte, wenn er den Drang hatte, etwas zu tun. Er traf rasche Entscheidungen, und jetzt sagte ihm sein Gefühl, daß er sich in die Potato Mountains zurückziehen und sein Dilemma lösen sollte. Warum ihn ausgerechnet diese spezielle Bergkette anzog, konnte er nicht erklären, abgesehen von der Tatsache, daß der Name appetitlich klang und er den Tafelfreuden, wie er es nannte, nicht abgeneigt war.

Als er nach der Feier heimkam, wurde er an der Tür von zwei Siamkatzen mit erwartungsvoll gespitzten Ohren und erhobenem Schwanz begrüßt. Er gab jeder Katze ein vom Büffet geklautes Cocktailwürstchen, und nachdem sie diesen Leckerbissen begeistert hinuntergeschlungen und sich dann sorgfältig geputzt hatten, machte er seine Ankündigung: »Es wird euch beiden nicht gefallen, aber wir werden den Sommer in den Bergen verbringen.« Er unterhielt sich stets mit ihnen, als wären sie Menschen mit einem annehmbaren Intelligenzquotienten. Oft fragte er sich sogar, wie er so viele Jahre hatte allein leben können, ohne zwei intelligente Lebewesen, die ihm aufmerksam zuhörten und ermutigend maunzten oder teilnahmsvoll die Augen zukniffen.

Sie hießen Koko und Yum Yum und waren Sealpoint-Siamkatzen; sie hatten dunkelbraune Gesichtsmasken mit hypnotischen blauen Augen und sandfarbene Körper, die in braune Extremitäten übergingen. Das Weibchen war ein reizendes Schoßkätzchen, das von Qwillerans Schnurrbart fasziniert war und alle möglichen katzenhaften Listen anwandte, um ihren Willen durchzusetzen. Das Männchen war mehr als außergewöhnlich – ein hoch entwickeltes Tier, das unter bestimmten Umständen einen unglaublichen Spürsinn an den Tag legte und manchmal gewisse Dinge geradezu vorausahnte. Der Kater hieß eigentlich Kao K’o Kung, und er besaß eine Würde, die seinem illustren Namensvetter angemessen war. Qwilleran bildete sich Kokos Heldentaten nicht ein; der nüchterne, zynische Journalist hatte sie über einen Zeitraum von mehreren Jahren dokumentiert und beabsichtigte, einmal ein Buch darüber zu schreiben.

Schon bevor er seinen beiden Mitbewohnern die Neuigkeit mitteilte, erwartete er eine negative Reaktion. Sie konnten seine Gedanken lesen, wenn sie auch seine Worte nicht verstanden, und er wußte, daß sie Umzüge haßten. Wie erwartet, saß Yum Yum wie ein kompaktes Bündel da, die Beine unter den Körper geschoben, und sah ihn mit einem vorwurfsvollen Ausdruck in ihren blauen, ins Violette gehende Augen an. Koko hingegen schien überraschenderweise von der Aussicht begeistert zu sein und sprang auf seinen langen, eleganten Beinen hin und her.

»Habe ich die richtige Entscheidung getroffen?« fragte Qwilleran.

»Yau!« lautete Kokos lebhafte Antwort.

Während der folgenden Tage nahm Qwilleran die Verwirklichung seiner Pläne in Angriff: er traf Vorbereitungen für die Zeit seiner Abwesenheit, stellte eine Reiseroute zusammen, wählte Motels aus und verfaßte eine Liste aller Dinge, die er mitnehmen mußte. Für gutes Wetter und ein ruhiges Leben würde er nur leichte, legere Sommerkleidung brauchen. Er kam gar nicht auf die Idee, Regenschutz mitzunehmen.

Bald begann die Post aus Spudsboro einzutrudeln. Der erste Prospekt lud ihn ein, sich auf Time-sharing-Basis in derzeit noch im Bau befindliche Eigentumswohnungen einzukaufen. Ein Immobilienmakler bot ihm diverse Baugrundstücke und Grünland zum Kauf an. Ein Bauunternehmer erbot sich, Qwillerans Traumhaus zu bauen. Etliche Makler schickten Listen der Hütten und Sommerhäuser, die vermietet wurden; nirgendwo waren Haustiere erlaubt. Die Katzen sahen besorgt zu, wie ein Brief nach dem anderen geöffnet und in den Papierkorb geworfen wurde. Doch je enttäuschender die Angebote waren, desto entschlossener war Qwilleran, in die Potatoes zu fahren.

Mit einem Telefonanruf aus Spudsboro verbesserte sich die Lage schlagartig. Die Anruferin war freundlich und enthusiastisch. »Mister Qwilleran, hier ist Dolly Lessmore von Lessmore Immobilien. Colin Carmichael hat uns gesagt, daß Sie für den ganzen Sommer ein Refugium in den Bergen suchen.«

Es war eine rauhe, tiefe Stimme, die Stimme einer Frau, die zuviel rauchte. Vor seinem geistigen Auge sah er eine eher kleine und stämmige Frau mit einer hochtoupierten Frisur, einem Hang zu leuchtenden Farben, einem Zigarettenkonsum von drei Päckchen pro Tag und einer Schachtel Pfefferminzpastillen in der Handtasche. Er war stolz auf seine Fähigkeiten, sich einen Menschen nach der Stimme genau vorstellen zu können. Ja, antwortete er, er denke daran, eventuell einen Urlaub in den Bergen zu verbringen.

»Ich dachte, ich rufe lieber mal an und erkundige mich genau, welche Art Unterkunft Sie sich vorstellen«, erklärte sie. »Wir haben viele Objekte zu vermieten. Aber zuerst mal, wollen Sie auf der Innenseite oder auf der Außenseite des Berges wohnen?«

Diese Frage verwirrte ihn nur eine Sekunde lang. »Auf der Außenseite. Die Innenseite überlasse ich den Trollen.«

»Ich erkläre Ihnen das«, sagte die Anruferin lachend. »Der Hang an der Innenseite zeigt ins Tal, mit Blick auf Spudsboro und auf spektakuläre Sonnenuntergänge. Die Außenseite ist den östlichen Gebirgsausläufern zugewandt, und man hat einen unglaublichen Fernblick. Außerdem hat man dort Morgensonne.«

»Haben Sie etwas auf dem Gipfel?« fragte er.

»Gut gedacht! Sie wollen beides! Also, wenn Sie mir Ihr Geburtsdatum sagen, kann ich das Passende für Sie suchen.«

»Vierundzwanzigster Mai. Blutgruppe null, Schuhgröße sechsundvierzig.«

»Hm, Sie sind Zwilling, in der ersten Dekade. Sie brauchen etwas, das individuell, aber praktisch ist.«

»Das stimmt. Etwas Rustikales und Abgeschiedenes, aber mit Strom und Bad und WC.«

»Ich glaube, das läßt sich machen«, sagte sie fröhlich.

»Ich brauche ein stabiles Bett, vorzugsweise überlang.«

»Ich notiere es mir.«

»Und mindestens zwei Schlafzimmer.«

»Für wie viele Personen, wenn ich fragen darf?«

»Ich habe zwei Mitbewohner, einen männlichen und einen weiblichen, beide Siamkatzen.«

»Oh – oh! Das stellt uns vor ein Problem«, sagte sie.

»Sie sind gut erzogen und machen überhaupt nichts kaputt. Dafür kann ich mich verbürgen«, versprach er. Dann fiel ihm ein, daß Koko einmal eine Vase im Wert von zehntausend Dollar zerbrochen hatte, und daß Yum Yum alles stahl, was nicht niet- und nagelfest war, und er fügte hinzu: »Ich wäre auch bereit, eine Kaution zu hinterlegen.«

»Nun… das könnte klappen. Lassen Sie mich nachdenken… Es gibt eine Möglichkeit, aber das muß ich noch überprüfen. Das Haus, an das ich denke, ist ziemlich groß –«

»Ich hatte eigentlich gehofft, etwas Kleines zu bekommen«, unterbrach sie Qwilleran, »aber unter den gegebenen Umständen wäre ich zu einem Kompromiß bereit und würde auch etwas Großes nehmen.« Im Augenblick wohnte er in einer umgebauten Apfelscheune, die drei Stockwerke hoch war und in jedem Stockwerk Galerien hatte. »Was verstehen Sie unter groß?«

»Ich meine damit wirklich sehr groß! Das Haus war ursprünglich ein kleines Landgasthaus. Es wurde vor einiger Zeit in ein Wohnhaus für die Familie Hawkinfield umgebaut. Es hat sechs Schlafzimmer. Die Letzte der Hawkinfields will es eigentlich verkaufen – nicht vermieten –, und es würde sich hervorragend als Frühstückspension eignen. Wenn Sie Ihr Interesse bekunden, das Haus eventuell später als Pension zu führen, wäre Mrs. Hawkinfield vielleicht bereit, es den Sommer über zu vermieten. Was sagen Sie dazu?«

»Wollen Sie mich zu einer Falschaussage verleiten? Ich bin nicht an einer Frühstückspension interessiert… weder jetzt noch irgendwann in der Zukunft.«

»Das alles ist natürlich jetzt nur so spontan dahingesagt. Ich habe keinerlei Befugnisse. Mrs. Hawkinfield lebt in einem anderen Staat. Ich muß das alles mit ihr besprechen und mich dann wieder mit Ihnen in Verbindung setzen.«

»Tun Sie das«, forderte sie Qwilleran auf. »So bald wie möglich.«

»Übrigens, wir haben noch nicht über die Miete gesprochen. Wie hoch wollen Sie gehen?«

»Sagen Sie mir, wieviel sie will, und dann reden wir weiter. Es ist nicht schwer, sich mit mir zu einigen.«

Binnen einer Woche war das Geschäft unter Dach und Fach. Die Besitzerin, die 1,2 Millionen Dollar für das Objekt verlangte, willigte ein, das Anwesen den Sommer über voll möbliert an einen Gentleman mit Referenzen und zwei Katzen für eintausend Dollar pro Woche zu vermieten. Strom und Wasser waren in der Miete enthalten, doch die Telefonrechnung mußte er selber zahlen.

»Es war nicht leicht, sie zu überreden, aber ich habe es geschafft!« verkündete Dolly Lessmore stolz.

Qwilleran, der noch immer nicht an unbeschränkten Reichtum gewöhnt war, fand die Miete unverschämt hoch, aber er war entschlossen, in die Potatoes zu fahren und erklärte sich daher einverstanden, das Gasthaus drei Monate zu mieten und die halbe Miete im Voraus zu zahlen. Später sollte er sich fragen, warum er nicht ein Foto von dem Haus verlangt hatte. Statt dessen hatte er sich von der überschäumenden Begeisterung der Mäklerin anstecken lassen: »Es ist direkt auf der Spitze des Big Potato! Man hat von jedem Fenster eine phantastische Aussicht, und Sie werden herrliche Sonnenuntergänge sehen! Es hat breite Veranden, acht Badezimmer, eine große Küche und einen eigenen See! Die Hawkinfields haben ihn mit Fischen bevölkert. Angeln sie gerne? Und im Wald gibt es zauberhafte Wanderwege…«

Koko saß in der Nähe des Telefons und hörte zu. Als das Gespräch beendet war, sagte Qwilleran zu ihm: »Du wirst unter sechs Schlafzimmern und acht Badezimmern wählen können, alle mit einer phantastischen Aussicht. Was sagst du dazu?«

»Yau«, machte Koko und putzte sich erwartungsvoll die Pfote. Yum Yum war nirgendwo zu sehen. Sie schmollte schon seit Tagen – gab vor, keinen Hunger zu haben, drehte Qwilleran den Rücken zu, wenn sie sich hinsetzte, entschlüpfte ihm, wenn er sie streicheln wollte.

»Frauen!« sagte er zu Koko. »Sie sind und bleiben eine Rätsel!«

Als er den Vertrag unterschrieben und die Kaution hinterlegt hatte, stattete er der Kanzlei Hasselrich, Bennett & Barter mit ihrer Nußholztäfelung und ihren Samtvorhängen einen Besuch ab, um mit dem ehrwürdigen Seniorpartner zu sprechen. Eine Besprechung mit Osmond Hasselrich begann immer mit der obligaten Tasse Kaffee, die mit der Förmlichkeit einer japanischen Teezeremonie serviert wurde. Der Anwalt schenkte den Kaffee persönlich aus einer silbernen Kaffeekanne (einem Erbstück) in Wedgwood-Tassen (ebenfalls Erbstücke), wobei seine alten Hände zitterten und die Tassen auf den Untertassen klirrten. In den zierlichen Henkeln blieb man leicht mit den Fingern hängen, und Qwilleran war immer froh, wenn er das Ritual hinter sich gebracht hatte. Als das Silbertablett weggestellt worden war und ihm der Anwalt schließlich mit gefalteten Händen hinter dem Schreibtisch gegenübersaß, begann Qwilleran:

»Mister Hasselrich, nach langem Überlegen habe ich mich entschlossen, den Sommer über wegzufahren.« Obwohl sie seit fünf Jahren geschäftlich und gesellschaftlich miteinander zu tun hatten, redeten die beiden Männer einander noch immer sehr formell an. »Ich habe die Absicht, mich vollkommen aus Moose County zurückzuziehen, um meine Zukunft zu planen. Die freundlichen Menschen hier üben eine magnetische Wirkung auf mich aus, und ich muß mich eine Zeitlang aus ihrem Bann lösen, um objektiv denken zu können.«

Der Anwalt nickte weise.

»Ich fahre in die Potato Mountains.« Qwilleran schwieg, bis die anwaltlichen Lider zu flattern aufhörten. Flatternde Augenlieder waren die Standardreaktion des alten Mannes auf zweifelhafte Informationen. »Nur Sie werden meine Adresse haben. Ich breche drei Monate lang alle Verbindungen ab. Mister O’Dell wird sich wie gewohnt um meine Wohnung kümmern. Lori Bamba bearbeitet meine Post und wird dringende Dinge an Sie weiterleiten. Alle meine finanziellen Angelegenheiten werden von Ihnen geregelt, also erwarte ich keine Probleme.«

»Wie wollen Sie Ihre laufenden Kosten während Ihres Aufenthalts bestreiten, Mister Qwilleran?«

»Abgesehen vom Essen wird es kaum Kosten geben. Ich werde vorübergehend ein Girokonto eröffnen, und Sie können je nach Bedarf Geld an die dortige Bank überweisen. Es handelt sich um die First Potato National in Spudsboro.« Qwilleran wartete, bis die Lider zu flattern und die Hängebäckchen zu zittern aufhörten. »Sobald ich meine Postanschrift und Telefonnummer weiß, werde ich sie Ihrer Kanzlei übermitteln. Ich habe vor, am Dienstag wegzufahren und am Freitag in den Potatoes anzukommen.«

Obwohl Hasselrich oft von Qwillerans auf den ersten Blick exzentrisch wirkenden Einfällen beunruhigt war, bewunderte er die klare, wohlorganisierte Art, mit der er die Dinge in Angriff nahm, ohne zu merken, daß sein Klient es einfach nur eilig hatte, aus einer erdrückenden Umgebung wegzukommen.

Am Montag schüttelte ihm Arch Riker die Hand und wünschte ihm eine gute Reise, nachdem Qwilleran versprochen hatte, tausend Worte für den Moose County Dingsbums zu schreiben, wann immer sich ein gutes Thema bot. Am Montagabend führte er Polly Duncan zu einem Abendessen in die ›Old Stone Mill‹, dem ein gefühlvoller Abschied in ihrer Wohnung folgte.

Und am Dienstagmorgen lud Qwilleran das Gepäck in seinen drei Jahre alten, in zwei verschiedenen Grautönen gehaltenen vierzylindrigen Wagen, den er aus zweiter Hand gekauft hatte. Obwohl er jetzt reich war, gab er nur ungern Geld für ein Fahrzeug aus. Er nahm auch seine Schreibmaschine und seine vollautomatische Kaffeemaschine mit, sowie einen Karton mit Büchern und die persönlichen Sachen der Katzen. Die Tiere sahen genau zu, wie er alles einpackte, und sobald ihre Wasserschüssel und das Kistchen mit der Katzenstreu durch die Hintertür verschwanden, lösten sie sich auf der Stelle in Luft auf.

Kapitel 2

Als der viertürige Mittelklassewagen von der Apfelscheune wegfuhr, waren beide Katzen auf dem Rücksitz in ihrem Tragekorb, wo sie auf einem Kissen lagen, wie es ihrem königlichen Stand angemessen war. Qwilleran saß am Steuer und dachte über das neue Abenteuer nach, das vielleicht sein Leben verändern würde. Er hatte vor, ein Reisetagebuch zu führen, und zwar mit Hilfe des kleinen Kassettenrecorders, der immer in seiner Tasche steckte. Er würde seine Gedanken und Eindrücke während der Fahrt samt den gemaunzten Kommentaren vom Rücksitz aufzeichnen, und abends in den Motels konnte er weitere Erläuterungen hinzufügen. Und das war der Tonbandbericht:

DIENSTAG … Sind um halb elf aus Pickax weggefahren, eine halbe Stunde später als geplant. Das Auto war beladen, und ich war abfahrbereit, als die Katzen plötzlich verschwanden. Nichts kann einen mehr zur Verzweiflung treiben, als wenn sich alles verzögert, weil man in letzter Minute die Katzen suchen muß. Zuerst entdeckte ich Koko auf einem Bücherregal, wo er hinter den Biographien den Vogel Strauß spielte – aber ein fünfzehn Zentimeter langes Stück Schwanz aus seinem Versteck hervorlugte. Für ihn war es ein Spiel, und der Schwanz sollte ein Hinweis sein, doch Yum Yum war es todernst. Sie kauerte auf einem Balken unter dem Dach, der nur mit einer zwölf Meter langen Leiter zu erreichen war. Ich habe geflucht! Statt die Freiwillige Feuerwehr zu holen, öffnete ich eine Dose Cocktailshrimps, wobei ich demonstrativ mit den Küchengeräten klapperte und Dinge sagte wie: »Das ist einfach köstlich! Möchtest du einen Leckerbissen, Koko?« In unserem Haushalt ist dieses Wort tabu, außer, es gibt wirklich einen Leckerbissen, daher funktioniert es immer. Nach einer Minute oder so hörte ich, daß die Prinzessin von ihrem Elfenbeinturm herunterkam.

Nach ihrem improvisierten Festmahl sprangen sie in den Korb, bereit, auf die Reise zu gehen. Habe ich gesagt, improvisiert? Ich glaube eigentlich, daß die ganze Episode von den zwei ausgemachten Schlitzohren geplant war!

Um meine Passagiere, die nur achtzig Quadratzentimeter weichgepolsterten Luxus zur Verfügung haben, nicht zu überfordern, möchte ich jeden Tag nur eine bestimmte Strecke fahren. Wenn ich eine Rast einlege, lasse ich sie aus ihrem Korb heraus, damit sie sich ein wenig im Wagen bewegen, einen Schluck Wasser trinken und ihr Kistchen benutzen können, das vor dem Rücksitz auf dem Boden steht. Zumindest steht es dort bereit; gewöhnlich ignorieren sie ihr Kistchen, bis wir in einem Motel angekommen sind. Heute fahren wir bis zum ›Country Life Inn‹, das nicht nur Haustiere aufnimmt, sondern auch eine freundliche Katze zur Verfügung stellt, wenn ein Gast über Nacht die Gesellschaft einer Katze wünscht. Das wird natürlich extra berechnet.

DIENSTAG ABEND … Da sind wir also, in Zimmer Nummer siebzehn des ›Country Life Inn‹. Ich habe ein Zweibettzimmer genommen, und die Katzen haben sich sofort zum Schlafen auf das Bett gelegt, das ich für mich wollte. Inzwischen bin ich ausgegangen und habe in einem sogenannten Familienrestaurant, in dem die Serviererinnen diese altmodischen rüschenbesetzten Kleider tragen, ein anständiges Steak gegessen. Heutzutage essen viel mehr Familien auswärts. Ich war umgeben von vier oder sechs Kids, die schrien, Getränke verschütteten, zwischen den Tischen herumrasten, mit dem Essen warfen und sich auch sonst ganz wie zu Hause fühlten. Ein Löffelvoll Kartoffelpüree mit Bratensaft verfehlte knapp mein linkes Ohr, und ich habe auf der Stelle beschlossen, Familienrestaurants mit Hausmannskost zu boykottieren und statt dessen obskure Bars zu frequentieren, wo die Serviererinnen Miniröcke und Netzstrumpfhosen tragen, wo zwielichtige Typen herumhängen, und wo es Kartoffeln nur in Form von Pommes frites gibt.

MITTWOCH… Nach einem Frühstück, das aus Buchweizenpfannkuchen, Eiern und Landwürstchen bestand (wir haben bessere Würstchen in Moose County) habe ich getankt und bin losgefahren. Als ich gestern nacht das Licht löschte, begannen die Katzen herumzustreifen. Ich konnte ihre Krallen in der Badewanne herumtrippeln hören, und ich nahm an, daß sie sich balgten und ihren Spaß hatten. Erst später entdeckte ich, daß es mit der Tollerei mehr auf sich hatte, als ich vermutet hatte… Jedenfalls schlief ich ein und hörte keinen Laut mehr, bis um sieben Uhr die ersten Autotüren zugeknallt wurden; ich öffnete ein Auge und schaute hinüber auf das andere Bett. Es war leer. Beide Katzen und eine tote Maus waren mit mir im selben Bett! Heute abend nehmen wir getrennte Zimmer!

Wir nähern uns jetzt städtischen Gebieten und fahren auf Autobahnen, und die gleichmäßige Geschwindigkeit und das Dröhnen des Verkehrs scheint die beiden Pelztierchen einzuschläfern. Vielleicht sind sie aber auch betäubt von den Dieselabgasen und was auf der Autobahn sonst noch alles in die Luft gepulvert wird.

Zum Mittagessen hielt ich bei einem Schnellrestaurant. Ich parkte den Wagen hinter dem Haus, in der Nähe der Mülltonnen, damit sich die Katzen während meiner Abwesenheit am Duft der Küchenabfälle erfreuen konnten. Ich ließ sie aus ihrem Korb heraus, öffnete die Fenster einen Spalt, damit sie frische Luft bekamen und schloß alle vier Türen ab, bevor ich auf einen schnellen Hamburger und Pommes frites ins Lokal ging. Als ich fünfzehn Minuten später herauskam, konnte ich eine Hupe hören – den unangenehmen, durchdringenden Dauerton einer Hupe, die hängengeblieben ist – aufgrund eines Kurzschlusses wahrscheinlich. Man stelle sich vor, wie peinlich es mir war, als ich entdeckte, daß es mein eigenes Auto war! Koko, dieser Schlingel, stand auf den Hinterbeinen hinter dem Lenkrad und drückte die Vorderpfoten fest auf die Hupe. Sobald er mich sah, sprang der Halunke auf den Rücksitz. Ich sagte: »Sehr clever, mein Bester, aber wir könnten alle wegen Ruhestörung verhaftet werden.«

Ich legte den Sicherheitsgurt an und startete das Auto, und da bemerkte ich erst einen Gegenstand auf dem Boden, der nicht dort hingehörte. Er lag unter dem Beifahrerfenster. Erst als ich das Ding aufhob, erkannte ich, was es war: Ein gebogenes Stück Draht von einem Kleiderbügel. Autodiebe – oder, noch schlimmer, Katzendiebe – hatten versucht, den Wagen aufzubrechen! Ich entschuldigte mich bei Koko … War das ein Zufall? Oder fungiert er jetzt auch als Alarmanlage? Bei diesem Kater kenne ich mich wirklich nie aus!

MITTWOCH ABEND… Wir kamen um halb fünf in unserem Motel an. Diesmal nahm ich zwei Zimmer, beides Einbettzimmer. Wir verbringen den Abend gemeinsam in Nummer 37, die Katzen kuscheln sich auf dem Bett zusammen und sehen fern (ohne Ton), während ich einen Roman von Thomas Mann anfange, den ich seit dem College nicht mehr gelesen habe. Wenn es Zeit zum Schlafengehen ist, werde ich das Licht ausmachen und ins Zimmer Nummer 38 schlüpfen.

DONNERSTAG… Jetzt haben wir die Autobahnen hinter uns gelassen. Die Landschaft ist malerischer, aber die bewaldeten Hügel werden von Reklametafeln verschandelt, auf denen für Diskontläden und Großmärkte geworben wird. In einer Stadt namens Pauper’s Cove bin ich in so einen Markt gegangen und habe mir ein paar Hausschuhe gekauft, weil ich meine in Pickax vergessen habe. Sie hatten zweitausend Paar Hausschuhe, aber nur eines in Größe sechsundvierzig. Sie hatten nicht die Farbe, die ich wollte, aber sie waren unwahrscheinlich billig. Dann ging ich zum Lunch in ein kleines, traditionelles Lokal und bekam eine sehr gute Gemüsesuppe und Maisbrot. Während ich beim Essen saß, stürzte ein Mann herein und rief irgend etwas, und auf der Stelle leerte sich das ganze Lokal – die Kunden, die Kassiererin, der Koch, alle liefen hinaus! Ich folgte ihnen, weil ich dachte, es gäbe ein Erdbeben oder einen Waldbrand. Aber weit gefehlt! Sie standen alle um mein Auto herum und schauten hinein auf die Katzen, die graziös herumsprangen und wirkungsvoll posierten. Die beiden sind schamlose Exhibitionisten, wenn sie wissen, daß sie ein Publikum haben.

Bevor ich weiterfuhr, ging ich noch in einen anderen Diskontladen, nur um mich mal umzusehen. Sie hatten sehr preiswerte Autofahrerhandschuhe, also nahm ich ein Paar mit, für den nächsten Winter in Moose County – das heißt, wenn ich im nächsten Winter noch in Moose County bin. Das wird sich zeigen. Vielleicht bin ich auch in Alaska. Oder auf den Kanarischen Inseln.

DONNERSTAG ABEND… Heute habe ich im ›Mountain Charm Motel‹ zwei Zimmer genommen, denen bessere Installationen und Matratzen und weniger Plüsch zum Vorteil gereichen würden. Als ich meine neuen Hausschuhe anzog, entdeckte ich, daß zwar der eine, den ich im Geschäft probiert hatte, Größe sechsundvierzig war, der andere aber Größe fünfundvierzig. Das veranlaßte mich, mir auch die Handschuhe genauer anzusehen. Sie sind beide für die rechte Hand! Das gefällt mir so an Moose County: Alle Leute sind grundehrlich …

Morgen kommen wir ins Potato-Land.

FREITAG … Der letzte Abschnitt unserer Reise. Koko und Yum Yum haben soeben zum ersten Mal einen Tunnel durch einen Berg erlebt. Sie haben einen Höllenlärm veranstaltet, bis wir wieder ans Tageslicht kamen … Langsam werden sie aufgeregt. Sie wissen, daß wir fast am Ziel sind.

Jetzt, wo ich die Straßenschilder hier sehe, glaube ich allmählich, daß Spudsboro wirklich existiert. Die violettgetönten Gebirgskämme in der Feme verwandeln sich langsam in abgerundete, rauchig-blaue Berge, und die Straße führt in das Tal zwischen ihnen. Ab und zu verläuft sie neben dem Yellyhoo River… Habe gerade Kiefern gerochen, die auf einem Lastwagen transportiert wurden, der aus den Bergen kam … Hier hat es geregnet; ich sehe einen Regenbogen… Wir passieren gerade einen gutgepflegten Golfplatz, ein neues Krankenhaus, drei Schnellimbißläden, ein großes Einkaufszentrum. Wenn man nach der Anzahl der Autohändler geht, ist Spudsboro eine florierende Stadt!… Jetzt sind wir an der Stadtgrenze – ich muß aufhören zu reden und mich auf das Autofahren konzentrieren.

Als Qwilleran in die kleine, aber blühende Metropole Spudsboro kam, sah er, daß sie nur einige wenige Häuserblocks breiter und ein paar Meilen langer Streifen war, der sich zwischen zwei Bergketten drängte. Drei oder vier gewundene, aber in etwa parallel verlaufende Straßen und Eisenbahnschienen waren auf terrassenförmig abgestuften Niveaus – wie auf Regalbrettern – gebaut und folgten dem Lauf des Flusses. Auf einer Terrasse drohten eine Lokomotive und einige Güterwagen auf die darunterliegenden Häuser hinunterzustürzen. Qwilleran konnte sich vorstellen, daß bei einem starken Regen die ganze Stadt den Fluß hinuntergeschwemmt werden konnte.

Ein Teil der Hauptstraße war ein Wohnviertel; es bestand aus einer Ansammlung von viktorianischen Cottages, modernen Zweifamilienhäusern und etwas älteren Bungalows, die friedlich nebeneinander existierten – mit den üblichen Blumenkistchen auf der Veranda, Dreirädern auf dem Rasen und Basketballkörben an der Garagenwand. Danach kam das Geschäftsviertel: Läden, Bars, Tankstellen, kleine Bürogebäude, Friseure, zwei Banken und eine Verkehrsampel. Natürlich entdeckte Qwilleran sofort die Zeitungsredaktion, die Tierklinik und die öffentliche Bücherei. Im Stadtzentrum gab es einen winzigen Park, um den herum das Rathaus, das Feuerwehrhaus, das Bezirksamt und das Postamt standen. Vor dem Amtshaus, das eine goldene Kuppel hatte, die viel zu bombastisch für ein Gebäude von so bescheidener Größe war, marschierten Leute mit Transparenten im Kreis, und ein Polizist stellte gerade einen Strafzettel aus. Alles in allem war es für Qwilleran eine wohlvertraute Kleinstadtszene, abgesehen von den Bergen, die sich auf beiden Seiten des Tals erhoben.

Irgendwo da oben, sagte er sich die ganze Zeit, war das Refugium, in dem er in den nächsten drei Monaten leben und meditieren würde. Es war tröstlich zu wissen, daß er auf die Hilfe der Polizei und der Feuerwehr zählen konnte; daß er seine Katzen zum Tierarzt und sein Auto in die Werkstatt bringen konnte; daß er seine Haare schneiden und seinen Schnurrbart trimmen lassen konnte. Zwar wollte er mal von allem wegkommen, doch allzuweit nun auch wieder nicht!

Vor dem Büro von Lessmore & Lessmore auf der Hauptstraße stellte er den Wagen schräg zur Gehsteigkante ab, kurbelte die Fenster fünf Zentimeter hinunter und versperrte alle Türen; er war sicher, daß er bei seiner Rückkehr diesmal keinen verbogenen Kleiderbügel vorfinden würde.

In dem Gebäude waren zwei Unternehmen untergebracht: ein Immobilienmakler und eine Investitionsberatung. Im Büro der Immobilienfirma sprach gerade eine Frau mit einer rauchigen Stimme an zwei Telefonapparaten gleichzeitig. Sie war nicht mehr ganz jung, klein und ziemlich pummelig, in leuchtendes Grün gekleidet und hatte Unmengen flauschiger Löckchen. Auf ihrem Schreibtisch stand ein Schild, das Qwillerans vorgefaßte Meinung von Dolly Lessmore zerstörte: DANKE; DASS SIE NICHT RAUCHEN.

»Mrs. Lessmore?« fragte er, als sie mit dem Telefongespräch fertig war. »Ich bin Jim Qwilleran.«

Sie sprang auf und lief voller Energie um den Schreibtisch herum und hielt ihm die Hand hin. »Willkommen in Spudsboro! Wie war die Fahrt? Wollen Sie sich nicht setzen? Wo sind die Katzen?«

»Die Fahrt war gut. Die Katzen sind im Auto. Wann haben Sie zu rauchen aufgehört?«

Sie warf ihrem Kunden einen verwirrten Blick zu. »Woher wissen Sie das? Vergangenen März hat ein charmanter junger Arzt im Krankenhaus einen Kurs abgehalten, wie man sich das Rauchen abgewöhnt.«

»Spudsboro scheint eine recht lebendige Stadt zu sein«, sagte er anerkennend, »und sehr modern.«

»Es wird Ihnen gefallen! Und von Ihrem Refugium auf dem Berg werden Sie begeistert sein! Ich bin sicher, Sie können es kaum erwarten, es zu sehen und einzuziehen, deshalb werde ich jetzt noch ein Telefongespräch führen, und dann bringe ich Sie hinauf.«

»Das ist nicht nötig. Sie haben zu tun. Sagen Sie mir nur, wo es ist.«

»Sind Sie sicher?«

»Kein Problem. Zeigen Sie mir nur, wie ich zum Big Potato komme.«

Sie deutete über die Straße. »Da ist er – direkt vor Ihnen. Der Little Potato ist weiter flußabwärts. Hier ist eine kleine Karte, die Sie haben können.« Sie faltete ein Blatt Papier auf.

»Hier ist die Hauptstraße, und da drüben ist der Hawk’s Nest Drive. Dorthin fahren Sie, obwohl es keine Straße von hier nach dort gibt – zumindest keine direkte. Wenn Sie zum Hawk’s Nest Drive kommen, fahren Sie immer nur bergauf. Die Straße ist durchgehend asphaltiert. Und wenn Sie nicht mehr weiterfahren können, sind Sie angekommen! Das Haus heißt noch immer ›Tiptop‹, das war der Name des Gasthauses, das es ursprünglich war.«

Die Karte war ein Labyrinth schwarzer Linien, die aussahen wie Würmer, und übersät mit dünngedruckten kleinen Zahlen. »Haben diese Bergstraßen denn keine Namen?« fragte Qwilleran.

»Sie brauchen keine Namen. Wir wissen immer, wo wir sind, wohin wir fahren, und wie wir hinkommen. Anfangs ist es vielleicht etwas verwirrend, aber Sie werden sich sehr rasch daran gewöhnen. Der Hawk’s Nest Drive ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt: J. J. Hawkinfield gab der Straße den Namen, als er mit der Erschließung der Tiptop-Siedlung begann.«

»Gibt es irgend etwas, was ich in Bezug auf das Haus wissen muß«

»Wasser und Strom sind angeschlossen. Bettzeug und Handtücher sind in einem Schrank im Obergeschoß. Die Küche ist komplett eingerichtet, einschließlich Kerzen für den Fall, daß der Strom ausfällt. Es gibt in jedem Zimmer Feuerlöscher, aber alle Stoffe und Teppiche sind aus schwer brennbarem Material.« Dolly Lessmore reichte ihm einen Schlüsselring mit drei Schlüsseln. »Die sind für die Vordertür, die Hintertür und die Garage. Wir haben vor Ihrer Ankunft ein paar Dinge reparieren lassen, und ein Mister Beechum wird kommen und die letzten Handgriffe machen. Er ist ein alteingesessener Bergbewohner, aber ein ausgezeichneter Arbeiter. Wenn Sie jemanden zum Putzen brauchen – die Frauen vom Berg verdienen sich gerne etwas dazu. Gestern war eine dort und hat alles abgestaubt. Ich hoffe, sie hat es ordentlich gemacht.« Beim Sprechen drehte und schaukelte Dolly ihren Schreibtischstuhl herum – ein Zeichen von überschäumender nervöser Energie.

»Wie lautet meine Postanschrift?« fragte Qwilleran.

»Auf dem Berg wird die Post nicht zugestellt. Wenn Sie wollen, können Sie am Fuß des Hawk’s Nest Drive einen Postkasten aufstellen lassen, aber da Sie nur so kurz hier sind, warum mieten Sie nicht ein Postfach?«

»Und wo kann ich Lebensmittel einkaufen?«

»Kochen Sie?«

»Nein, aber ich werde Futter für die Katzen brauchen. Ich esse meistens im Restaurant. Vielleicht könnten Sie mir ein paar gute empfehlen.«

In diesem Augenblick stürzte ein auf herbe Art gutaussehender Mann in das Investitionsberatungs-Büro, warf eine Aktentasche auf den Schreibtisch und wollte wieder zur Tür hinaus. »Ich gehe Golf spielen!« rief er Dolly Lessmore zu.

»Warte einen Moment, Liebling, ich möchte dir den Gentleman verstellen, der das Tiptop mietet. Mister Qwilleran, das ist mein Mann, Robert… Liebling, er hat nach Restaurants gefragt.«

»Gib ihm das blaue Buch«, sagte er. »Da steht alles drinnen. Mach nichts zum Abendessen, Doll. Ich esse im Club. Freut mich, Sie kennenzulernen, Mister …«

Er war bereits auf dem Gehsteig, bevor der Neuankömmling ›Qwilleran‹ sagen konnte.

»Robert ist verrückt nach Golf«, erklärte seine Frau, »und es hat in letzter Zeit so viel geregnet, daß er schon ganz frustriert war.« Sie drückte ihm eine blaue Broschüre in die Hand. »Da stehen alle Restaurants, Geschäfte und Versorgungseinrichtungen von Spudsboro drin. Wenn Sie gerne italienisch essen, probieren Sie das ›Pasta Perfect‹. Und es gibt ein Steakhaus, das vernünftige Preise hat – es heißt ›The Great Big Baked Potato‹.«

»Und wie steht’s mit Lebensmitteln?«

»Auf Ihrem Weg zum Hawk’s Nest Drive, an der Kreuzung in Five Points, gibt es einen kleinen, aber gut sortierten Supermarkt. Von hier fahren Sie die Hauptstraße hinunter bis zur nächsten Rechtskurve, dann biegen Sie am ›Valley Boy’s Club‹ nach links in eine kurvenreiche Straße ein, passieren den alten Bahnhof, der jetzt ein Antiquitätenladen ist, und fahren bergauf bis zu ›Lumpton’s Pizza‹, wo Sie links abbiegen –«

»Einen Augenblick«, sagte Qwilleran. »Mir scheint, Sie lassen mich Richtung Westen fahren, damit ich nach Osten komme. Noch einmal von vorne, bitte, damit ich es mir aufschreiben kann.«

Sie lachte. »Wenn Sie sich in den Bergen nach den Himmelsrichtungen orientieren, werden Sie verrückt. Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf links und rechts und hinauf und hinunter.« Sie wiederholte ihre Anweisungen. »Und im Supermarkt in Five Points fragen Sie, wie Sie zum Hawk’s Nest Drive kommen. Der ist sehr bekannt.«

»Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte er. »Wenn ich mich verirre, schieße ich eine Leuchtrakete ab.«