Die Katze, die Shakespeare kannte - Band 7 - Lilian Jackson Braun - E-Book
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Die Katze, die Shakespeare kannte - Band 7 E-Book

Lilian Jackson Braun

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Beschreibung

Mord oder nicht Mord, das ist hier die Frage: „Die Katze, die Shakespeare kannte“ von Lilian Jackson Braun jetzt als eBook bei dotbooks. Jim Qwilleran staunt sehr: Was hat Koko plötzlich gegen Shakespeare? Immer wieder schubst der Siamkater die gesammelten Werke des großen Dichters vom Bücherregal. Jim kennt seinen vierbeinigen Freund gut genug, um zu wissen, dass das kein Zufall sein kann. Will Koko ihm damit etwa einen Hinweis auf den mysteriösen Tod des Verlegers Senior Goodwinter geben? Wenn es um ungelöste Kriminalfälle ging, konnte sich der ehemalige Polizei-Reporter bisher stets auf die Spürnase seines schlauen Katers verlassen … „Mrs. Braun hat einen beschwingten Stil und die Katzen sind wirklich clever!“ New York Times Book Review Die Krimi-Serie mit Suchtpotenzial! Der siebte Fall für Reporter Jim und Siamkater Koko – jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Katze, die Shakespeare kannte“ von Lilian Jackson Braun. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Jim Qwilleran staunt sehr: Was hat Koko plötzlich gegen Shakespeare? Immer wieder schubst der Siamkater die gesammelten Werke des großen Dichters vom Bücherregal. Jim kennt seinen vierbeinigen Freund gut genug, um zu wissen, dass das kein Zufall sein kann. Will Koko ihm damit etwa einen Hinweis auf den mysteriösen Tod des Verlegers Senior Goodwinter geben? Wenn es um ungelöste Kriminalfälle ging, konnte sich der ehemalige Polizei-Reporter bisher stets auf die Spürnase seines schlauen Katers verlassen …

»Mrs. Braun hat einen beschwingten Stil und die Katzen sind wirklich clever!« New York Times Book Review

Über die Autorin:

Lilian Jackson Braun (1913–2011) wurde in Massachusetts geboren. Nach der Highschool arbeitete sie als Journalistin und in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihre Katzenkrimis wurden in 16 Sprachen übersetzt und standen regelmäßig auf der »New York Times«-Bestsellerliste.

Bei dotbooks erscheinen alle Bände der Erfolgsserie. Eine vollständige Übersicht finden Sie am Ende dieses eBooks.

***

eBook-Neuausgabe August 2016

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1988 Lilian Jackson Braun

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1987 unter dem Titel »The Cat Who Knew Shakespeare«.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1992 Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Forewer und Koksharov Dmitry

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-826-7

***

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Lilian Jackson Braun

Die Katze, die Shakespeare kannte

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Christine Pavesicz

dotbooks.

1. Kapitel

In Moose County, vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt, beginnt es immer im November zu schneien, und dann schneit es – und es schneit – und schneit.

Zuerst verschwinden alle Eingangsstufen unter einem halben Meter Schnee. Dann sind die Zäune und Sträucher nicht mehr zu sehen. Die Strommasten werden immer kürzer, bis man unter den Kabeln Limbo tanzen könnte. Die stündlichen Wetterberichte im Radio zu verfolgen ist praktisch der Wintersport der Leute in Moose County, und Schneeräumen wird zum wichtigsten Wirtschaftszweig. Schneepflüge und Schneefräsen türmen wahre Gebirge auf, hinter denen ganze Gebäude verschwinden, so daß die Bewohner sich einen Tunnel zur Straße graben müssen. In Pickax City, der Bezirksstadt, sind Langlaufski in den Einkaufsstraßen der Innenstadt keine Seltenheit. Wenn der Flughafen gesperrt ist – und das ist er oft – wird Moose County zu einer Insel aus Schnee und Eis. Das alles beginnt im November mit einem Wintereinbruch, den die Einwohner den ›Großen Sturm‹ nennen.

Am Abend des fünften November saß Jim Qwilleran in Gesellschaft seiner Freunde gemütlich in seiner komfortablen Bibliothek. Es herrschte eine zufriedene Stimmung. Sie hatten gut gespeist – die Haushälterin hatte Muschelsuppe und Kalbsschnitzel Casimir serviert. Der Hausarbeiter hatte duftende Apfelholzscheite im Kamin aufgeschichtet, und die Glut warf tanzende Lichtflecken auf die ledergebundenen Bücher, die die Regale an den vier Wänden der Bibliothek füllten. Das Licht – von Lampenschirmen gedämpft – verbreitete einen goldenen Schein, der warm auf die Ledermöbel und die Buchara-Teppiche fiel.

Qwilleran, ein großer Mann mittleren Alters mit einem buschigen Schnurrbart, saß an seinem antiken englischen Schreibtisch und schaltete den Neun-Uhr-Wetterbericht im Radio ein – einem der zahllosen tragbaren Geräte, die zu diesem Zweck im ganzen Haus aufgestellt waren.

»Temperaturrückgang in der kommenden Nacht, Tiefstwerte um minus vier Grad«, sagte der Meteorologe vom Sender WPKX voraus. »Wind in hohen Luftschichten; heute Nacht und morgen kann mit Schnee gerechnet werden.«

Qwilleran schaltete das Radio aus. »Wenn ihr nichts dagegen habt«, sagte er zu den beiden anderen, »möchte ich ein paar Tage wegfahren. Es ist jetzt sechs Monate her, seit ich das letzte Mal unten im Süden war, und meine Kumpel bei der Zeitung halten mich schon für tot. Missis Cobb wird euch die Mahlzeiten servieren, und ich bin zurück, bevor der Schnee kommt – hoffe ich. Haltet mir die Pfoten.«

Bei dieser Ankündigung wurden vier braune Ohren aufmerksam gespitzt. Zwei braune Gesichtsmasken mit langen weißen Schnurrhaaren und unglaublich blauen Augen wandten sich von den glühenden Scheiten ab und dem Mann am Schreibtisch zu.

Je mehr man mit Katzen spricht, umso klüger werden sie, hatte Qwilleran gehört. Ab und zu ›braves Kätzchen‹ zu sagen, das hat keinen meßbaren Erfolg; dazu bedarf es schon intelligenterer Konversation.

Das System schien zu funktionieren, fand er; die beiden Siamkatzen auf dem Kaminvorleger reagierten, als wüßten sie genau, was er sagte. Yum Yum, die liebevolle kleine Katze, sah ihn mit fast vorwurfsvoller Miene an. Koko, der prachtvolle, muskulöse Kater, erhob sich aus seiner eleganten, majestätischen Stellung, ging steifbeinig zum Schreibtisch und schalt ihn mit durchdringendem Geheul. »Yau-au-AU!«

»Ich habe ein bißchen mehr Verständnis und Rücksichtnahme erwartet«, sagte er zu dem Kater.

Im Alter von etwa fünfzig Jahren erlebte Qwilleran eine Midlife-Krise, die einzigartig war. Er, der sein ganzes Leben in Großstädten zugebracht hatte, wohnte jetzt in Pickax City, einer 3000-Seelen-Gemeinde. Als schwer arbeitender Journalist hatte er immer mit einem bescheidenen Gehalt auskommen müssen, und jetzt war er Millionär – oder Billionär; er wußte es nicht genau. Jedenfalls war er der Alleinerbe des Klingenschoen-Vermögens, dessen Grundstein im neunzehnten Jahrhundert in Moose County gelegt worden war. Das Vermächtnis umfaßte ein Herrenhaus auf der Main Street, drei Angestellte, eine Garage für vier Autos und eine Luxuslimousine. Selbst nach über einem Jahr hatte er sich nicht an diesen Lebensstil gewöhnt. Als Zeitungsreporter war er in erster Linie daran interessiert gewesen, seine Story zu bekommen, die Fakten zu überprüfen, den Redaktionsschluß zu schaffen und seine Informationsquellen geheimzuhalten. Jetzt schien er, wie jeder andere Erwachsene in Moose County, vor allem am Wetter interessiert zu sein, besonders im November.

Als die Siamkatzen negativ auf seine Ankündigung reagierten, strich er einen Augenblick lang nachdenklich über seinen Schnurrbart. »Trotzdem«, sagte er, »muß ich fahren. Arch Riker hört beim Daily Fluxion auf, und ich bin Gastgeber bei seiner Pensionierungsfeier am Freitagabend.«

Als genügsamer Junggeselle in seiner Einzimmer-Wohnung hatte sich Qwilleran niemals nach Geld oder Besitz gesehnt, und er war bei seinen Kollegen nicht unbedingt als spendierfreudig bekannt. Doch als der Klingenschoen-Besitz endlich durch die Mühlen des Nachlaßgerichts war, versetzte er die westliche Medienwelt in Erstaunen, indem er die gesamte Belegschaft des Daily Fluxion zu einem Abendessen im Presseclub einlud.

Er hatte vor, einen Gast mitzunehmen: Junior Goodwinter, den jungen Chefredakteur des Pickax Picayune, der einzigen Zeitung von Moose County. Er wählte die Nummer der Zeitungsredaktion und sagte: »Hallo, Junior! Was hältst du davon, ein paar Tage blau zu machen und zu einer Party in den Süden hinunter zu fliegen? Auf meine Rechnung. Cocktails und Abendessen im Presseclub.«

»He, das klingt toll! Einen Presseclub kenne ich nur aus Filmen!« sagte der Chefredakteur. »Könnten wir auch die Redaktionsbüros des Daily Fluxion besuchen?«

Junior sah aus und kleidete sich wie ein Junge von der High-School, und er legte eine unschuldige Begeisterung an den Tag, die für einen Journalisten mit Summa-cum-laude-Universitätsabschluß ungewöhnlich war.

»Vielleicht können wir auch ein Hockey-Match und ein paar Shows unterbringen«, sagte Qwilleran, »aber wir müssen den Wetterbericht im Auge behalten und zurückfliegen, bevor der Schnee kommt.«

»Ein Tief aus Kanada zieht zu uns herunter, aber ich glaube, eine Zeitlang sind wir noch sicher«, sagte Junior. »Was ist das für eine Party?«

»Eine Abschiedsfeier für Arch Riker, der in Pension geht. Ich möchte, daß du folgendes tust: Nimm einen Zeitungssack vom Picayune und hundert Exemplare eurer letzten Ausgabe mit. Nach dem Abendessen sage ich ein paar Worte über Moose County und den Picayune, und bei diesem Stichwort springst du auf und verteilst die Zeitung.«

»Ich setze eine Baseballmütze auf, ziehe den Schirm übers Ohr und schreie ›Extrablatt! Extrablatt!‹. Meinen Sie etwas in der Art?«

»Du hast es erfaßt!« sagte Qwilleran. »Aber die richtige Aussprache ist ›Äääkstrablatt!‹ Sieh zu, daß du Freitagmorgen um neun Uhr fertig bist. Ich hole dich von der Redaktion ab.«

Der morgendliche Wetterbericht am Freitag war nicht ermutigend: »Eine Tiefdruckfront über Kanada läßt für heute und morgen starken Schneefall erwarten. Wind nach Nordost drehend.«

Qwillerans Haushälterin äußerte ihre Ängste. »Was tun Sie, Mister Qwilleran, wenn Sie nicht zurückfliegen können, bevor der Schnee kommt? Wenn das der große Sturm ist, dann bleibt der Flughafen wer weiß wie lange gesperrt.«

»Also, Missis Cobb, ich sage Ihnen, was ich tun werde. Ich miete mir einen Hundeschlitten und ein paar Schlittenhunde und lasse mich nach Pickax ziehen.«

»Ach, Mister Qwilleran!« meinte sie kichernd. »Ich weiß nie, ob ich Ihnen glauben soll oder nicht.«

Sie richtete gerade gebratene Hühnerleber, garniert mit hartgekochtem Dotter und Speckcroutons, sehr appetitlich auf einem Teller an und stellte ihn auf den Boden. Yum Yum schlang ihren Teil hungrig hinunter, doch Koko weigerte sich zu fressen. Irgend etwas beunruhigte ihn.

Beide Katzen hatten das sandfarbene Fell der reinrassigen Siam Seal-point in all seinen Schattierungen, dazu die typischen dunkelbraunen Abzeichen: braune Gesichtsmasken, die das Blau ihrer Augen hervorhoben; aufmerksame braune Ohren, die sie stolz wie eine Krone trugen; braune Beine, die lang und schlank und elegant waren; braune Schwänze, die peitschten und sich ringelten und wedelten und so Gefühle und Meinungen ausdrückten. Doch Koko hatte noch mehr: ein beunruhigendes Maß an Intelligenz und eine geradezu unheimliche Fähigkeit zu wissen, wenn irgend etwas… faul war!

An jenem Morgen hatte er in der Bibliothek ein Buch von einem Regal gestoßen.

»Das gehört sich nicht!« hatte Qwilleran zu ihm gesagt und an seine Intelligenz appelliert. »Das sind alte, seltene und wertvolle Bücher – die muß man mit Respekt behandeln, wenn nicht sogar mit Ehrerbietung.« Er sah sich das Buch an. Es war eine dünne, ledergebundene Ausgabe von Der Sturm – einer von siebenunddreißig Bänden mit den Dramen von Shakespeare, die er mitsamt dem Haus geerbt hatte.

Leise Bedenken meldeten sich, während Qwilleran das Buch auf das Regal zurückstellte. Der Titel war etwas unglücklich gewählt. Dennoch war er fest entschlossen, zu der Party in den Süden hinunter zu reisen, Koko und Missis Cobb und dem Meteorologen von WPKX zum Trotz.

Eine Stunde vor Abflug fuhr er mit seinem benzinsparenden Mittelklassewagen zur Redaktion des Picayune, um Junior mit dem Sack Zeitungen abzuholen. Alle Gebäude an der Main Street waren über ein Jahrhundert alt, aus grauem Stein und in einer Vielfalt von architektonischen Stilen gebaut. Das Picayune-Gebäude – eingeklemmt zwischen dem Innungshaus, das aussah wie ein Wiener Palais, und dem Postamt im altrömischen Stil – erinnerte an ein altes spanisches Kloster.

In den Redaktionsräumen roch es erwartungsgemäß nach Druckerschwärze, doch ansonsten sah hier alles aus wie einbalsamiert – wie ein Museum. An dem zerschrammten Tisch am Eingang saß keine aufmerksame, lächelnde Anzeigendame – es gab nur eine Glocke, die man läuten konnte, wenn man etwas wollte.

Qwilleran ließ das stille Bild auf sich wirken: hölzerne Aktenschränke und abgenutzte Schreibtische aus Färbereiche … gefährlich aussehende Metallspieße, auf denen Anzeigen- und Abonnementaufträge aufgespießt wurden … alte Exemplare des Picayune – gelb und brüchig – auf Wände geklebt, die seit der Depression der dreißiger Jahre nicht mehr gestrichen worden waren. Hinter der niedrigen Trennwand aus Färbereiche und ungeputztem Glas befand sich die Setzerei. Ein einsamer Mann stand vor den Setzkästen, blind für alles, außer für die Zeile, die er gerade mit ruckartigen Handbewegungen setzte.

Während der Daily Fluxion als Großstadtzeitung eine Auflage von fast einer Million hatte, produzierten die antiquierten Druckpressen des Picayune rasselnd und ratternd je Ausgabe ganze dreitausendzweihundert Exemplare. Während der Fluxion jeden technischen Fortschritt und jeden journalistischen Trend mitmachte, ähnelte der Picayune noch immer der Zeitung, die Juniors Urgroßvater gegründet hatte. Vier handgesetzte Seiten, und auf der Titelseite Kleinanzeigen und Gesellschaftsklatsch. Einladungen zum Pfannkuchen-Frühstück; Eiscreme-Feten und Begräbnisse wurden in allen Einzelheiten beschrieben, während kurze Berichte über lokalpolitische Themen, die Polizeiberichterstattung und Berichte über Unfälle auf die letzte Seite verbannt oder gar nicht gebracht wurden.

Qwilleran schlug mit der Faust auf die Glocke, und Junior Goodwinter kam vom Büro des Chefredakteurs im ersten Stock die Holztreppe heruntergestürzt, gefolgt von einer großen weißen Katze.

»Wer ist denn dein wohlgenährter Freund?« fragte Qwilleran.

»Das ist William Allen, unser Mäusefänger vom Dienst«, sagte Junior so beiläufig, als würde jede Zeitungsredaktion einen Mäusefänger beschäftigen.

Als Chefredakteur schrieb er die meisten Artikel und verkaufte den Großteil der Anzeigen. Senior Goodwinter, der Eigentümer und Verleger, verbrachte seine Zeit mit einer Lederschürze und einem viereckigen Papierhut aus alten Zeitungen in der Setzerei, wo er mit einem konzentrierten und verzückten Gesichtsausdruck Bleilettern in einen Setzwinkel setzte. Er hatte schon als Achtjähriger mit dem Setzen angefangen.

Junior rief ihm zu: »Bis dann, Dad. Bin in ein paar Tagen zurück.«

Der in seine Tätigkeit vertiefte Mann in der Setzerei drehte sich um und sagte freundlich: »Viel Spaß, Junior, und paß gut auf dich auf.«

»Wenn du meinen Jaguar fahren willst, während ich weg bin, die Schlüssel liegen auf meinem Schreibtisch.«

»Danke, mein Sohn, aber ich glaube nicht, daß ich ihn brauchen werde. Die Werkstatt hat gesagt, mein Auto sollte um fünf Uhr fertig sein. Also, paß gut auf dich auf.«

»Okay, Dad, und du paß gut auf dich auf!«

Die beiden wechselten einen Blick voll Wärme und gegenseitiger Wertschätzung, und Qwilleran bedauerte einen Augenblick, daß er keinen Sohn hatte. Er hätte sich einen Sohn wie Junior gewünscht. Vielleicht ein bißchen größer und ein bißchen kräftiger.

Junior nahm einen Sack mit Zeitungen und seinen Seesack, und die zwei Männer fuhren zum Flughafen. Die beiden sahen aus wie der personifizierte Generationsunterschied: Qwilleran mit seinem ernsten Gesicht und graumeliertem Haar, dem buschigen Schnurrbart und traurigen Augen; daneben Junior mit dem lebhaften Gesicht, ein aufgeregter Junge in Laufschuhen. Junior begann die Unterhaltung mit einer unvermittelten Frage:

»Glauben Sie, daß ich zu jung aussehe, Qwill?«

»Zu jung wofür?«

»Ich meine, Jody glaubt, daß mich kein Mensch jemals ernst nehmen wird.«

»Mit deinem Körperbau und deinem jugendlichen Gesicht wirst du noch mit fünfundsiebzig aussehen wie vierzehn«, sagte Qwilleran, »und das ist gar nicht schlecht. Danach wirst du dich über Nacht ändern und plötzlich aussehen wie hundertzwei.«

»Jody glaubt, es würde etwas nützen, wenn ich mir einen Bart wachsen ließe.«

»Keine schlechte Idee! Dein Mädchen hat manchmal recht gute Einfälle.«

»Meine Großmutter sagt, dann würde ich aussehen wie einer von den sieben Zwergen.«

»Deine Großmutter hört sich ja reizend an, Junior.«

»Grandma Gage ist schon eine tolle Nummer! Sie ist die Mutter meiner Mutter, wissen Sie. Sie haben sie sicher schon in der Stadt gesehen. Sie fährt einen Mercedes und hupt an jeder Kreuzung. Statt zu halten, versteht sich.«

Qwilleran zeigte sich nicht überrascht. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß die alteingesessenen Bewohner von Moose County militante Individualisten waren.

»Haben Sie etwas von Melinda gehört, seit sie aus Pickax weggegangen ist?« fragte Junior.

»Ein paarmal. Sie ist schwer beschäftigt im Krankenhaus. In Boston wird es ihr besser gehen. Dort kann sie sich spezialisieren.«

»Melinda wollte niemals ernsthaft Landärztin werden, aber sie war scharf darauf, Sie zu heiraten, Qwill, und in Ihr Herrenhaus zu ziehen.«

»Tut mir leid, aber ich tauge nicht zum Ehemann. Das habe ich schon einmal festgestellt, und es wäre Melinda gegenüber nicht fair, denselben Fehler noch einmal zu begehen. Ich hoffe, sie begegnet in Boston einem netten Mann in ihrem Alter.«

»Ich höre, Sie haben jetzt etwas mit der Bibliothekarin laufen.«

Qwilleran blies ärgerlich in seinen graumelierten Schnurrbart. »Ich weiß nicht, was du mit deiner pittoresken Ausdrucksweise andeuten willst; ich möchte dazu nur sagen, daß ich mich in Missis Duncans Gesellschaft wohlfühle. Heutzutage, wo sich alles nur noch um Videos dreht, ist es schön, jemanden zu treffen, der mein Interesse für Literatur teilt. Wir setzen uns zusammen und lesen einander laut vor.«

»Natürlich«, sagte der Jüngere mit einem breiten Grinsen.

»Wann wollt ihr beide, du und Jody, denn heiraten?«

»Bei dem Gehalt, das Dad mir zahlt, kann ich mir keine eigene Wohnung leisten. Sie wissen doch, ich wohne noch immer bei meinen Eltern im Farmhaus. Jody verdient doppelt soviel wie ich, und dabei ist sie nur zahnärztliche Assistentin.«

»Aber du besitzt einen Jaguar.«

»Den hat mir Grandma Gage zum Studienabschluß geschenkt. Sie ist die einzige in der Familie, die noch Geld hat. Ich werde es erben, wenn sie stirbt, aber bis dahin ist es noch lange. Mit ihren zweiundachtzig Jahren macht sie noch jeden Tag ihre Kopfstände, und bei den Liegestützen schlägt sie mich. Von Unfällen abgesehen, werden die Leute hier sehr alt. Einer meiner Vorfahren kam um, als sein Pferd vor einem großen Schwarm Amseln scheute. Mein Großvater Gage wurde von einem Blitz erschlagen. Eine Tante und ein Onkel von mir starben, als ihnen ein Reh ins Auto lief. Das war im November – Brunftzeit, wissen Sie – und dieser Achtender kam direkt durch die Windschutzscheibe. Der Sheriff sagte, es sah aus, als seien sie von einem Amateur mit einer Axt erschlagen worden. Zur Zeit gibt es nach offiziellen Schätzungen etwa zehntausend Stück Wild in Moose County.«

Qwilleran ging vom Gas herunter und begann nach Wild Ausschau zu halten.

»Jetzt ist Saison für die Jagd mit Pfeil und Bogen, und die Jäger machen die Tiere nervös«, fuhr Junior fort. »Früh am Morgen oder in der Abenddämmerung, da überquert das Wild die Straßen.«

»Alle zehntausend Stück?« Qwilleran ging auf siebzig Stundenkilometer herunter.

»Heute ist wirklich ein düsterer Tag«, meinte Junior. »Die Wolken hängen sehr tief.«

»Wann kommt denn der Schnee frühestens?«

»Der früheste Sturm, der dokumentiert ist, war am 2. November 1919, aber der große Sturm kommt normalerweise nicht vor der Mitte des Monats. Der schlimmste, von dem man weiß, war am 13. November 1931. Drei Tiefdruckfronten – von Alaska, den Rocky Mountains und vom Golf – sind direkt über Moose County ineinandergekracht. Viele Leute wurden schneeblind, verloren die Orientierung und sind erfroren. Wenn der große Sturm kommt, bleiben Sie besser im Haus! Oder, wenn Sie im Auto überrascht werden, verlassen Sie bloß nicht den Wagen.«

Trotz der Gefahren hier oben im Norden begann Qwilleran die Einheimischen zu beneiden. Sie hatten Wurzeln! Familien wie die Goodwinters konnten auf fünf Generationen zurückblicken – bis zu der Zeit, als man mit Bergbau und Holzwirtschaft noch ein Vermögen machen konnte. Die wichtigsten Institutionen in Pickax waren die historische Gesellschaft und der genealogische Club. Die Straße zum Flughafen führte über geschichtsträchtigen Boden: Man sah verlassene Hütten und Schlackenhalden auf dem Gelände der alten Bergwerke… Geisterstädte, die nur noch durch ein paar einsame steinerne Rauchfänge zu erkennen waren … einen verfallenden Bahnhof mitten in der Einöde… dürre, von Waldbränden geschwärzte Überreste von Bäumen.

Sie schwiegen ein paar Minuten, dann stellte Qwilleran Junior eine persönliche Frage. »Was denkst du, als Publizist mit cum-laude-Abschluß, über den Picayune? Kannst du hier alle deine Fähigkeiten einsetzen? Hältst du es für richtig, ihn wie im neunzehnten Jahrhundert zu produzieren?«

»Machen Sie Witze? Ich möchte den Pic zu einer richtigen Tageszeitung machen«, sagte Junior, »aber Dad will, daß alles bleibt wie vor hundert Jahren. Er hat darauf gezählt, daß wir Kinder die Tradition fortsetzen, doch mein Bruder ist nach Kalifornien in die Werbung gegangen, und meine Schwester hat einen Rancher in Montana geheiratet, also bleibt alles an mir hängen.«

»Der Bezirk könnte eine richtige Tageszeitung brauchen. Warum gibst du nicht eine eigene heraus und läßt deinem Vater den Picayune als Hobby? Du wärst keine Konkurrenz: Der Pic ist eine Klasse für sich. Hast du schon mal an etwas in der Art gedacht?«

Junior warf ihm einen entsetzten Blick zu und sprudelte heraus: »Mit meinem Geld könnte ich nicht mal einen Limonadenstand aufmachen! Wir sind pleite! Deshalb arbeite ich ja für ein Butterbrot… Von Jahr zu Jahr sitzen wir tiefer in der Tinte. Dad verkauft schon seit einiger Zeit unser Farmland, und jetzt hat er eine Hypothek auf die Farm aufgenommen … Ich sollte Ihnen das gar nicht erzählen… Mutter setzt ihm schon lange zu, daß er die Zeitung abstoßen soll… Sie regt sich wirklich auf! Aber Dad hört nicht auf sie. Er arbeitet einfach weiter jeden Tag in der Setzerei und verschuldet sich immer mehr. Er sagt, das ist sein Leben – sein Lebensinhalt… Haben Sie ihn schon einmal beim Setzen gesehen? Er kann mehr als fünfunddreißig Lettern in der Minute setzen, ohne auch nur einmal auf den Setzkasten zu schauen.« Auf Juniors Gesicht spiegelte sich seine Bewunderung.

»Ja, ich habe ihm zugesehen, und er hat mich sehr beeindruckt«, sagte Qwilleran. »Ich habe auch eure Druckpressen im Keller gesehen. Ein paar von den Geräten sehen aus wie zu Gutenbergs Zeiten.«

»Dad sammelt alte Druckpressen. Er hat eine ganze Scheune voll. Die erste Druckpresse meines Urgroßvaters wurde mit einem Trittbrett betrieben, wie eine alte Nähmaschine.«

»Würde dir deine reiche Großmutter finanziell unter die Arme greifen, wenn du eine Zeitung herausgeben wolltest?«

»Grandma Gage rückt keinen Kies mehr heraus. Sie hat schon ein paarmal für uns gebürgt und unsere Versicherungsprämien gezahlt und uns drei aufs College geschickt… He, warum gründen Sie nicht eine Zeitung, Qwilleran? Sie schwimmen doch in Geld!«

»Ich habe absolut kein Interesse an geschäftlichen Dingen, und ich eigne mich auch nicht dafür, Junior. Deshalb habe ich die Klingenschoen-Stiftung gegründet. Die Verwalter kümmern sich um alles und geben mir ein kleines Taschengeld. Ich hatte fünfundzwanzig Jahre mit Zeitungen zu tun, und jetzt will ich nichts anderes als Zeit und Ruhe, um ein bißchen zu schreiben.«

»Wie geht's mit Ihrem Buch voran?«

»Ganz gut«, sagte Qwilleran und dachte an seine vernachlässigte Schreibmaschine und das Durcheinander auf seinem Schreibtisch und in seinen Notizen.

Am Flughafen stellten sie das Auto auf dem offenen Feld ab, das als Langzeit-Parkplatz diente. Das Flughafengebäude war kaum mehr als eine Hütte, und der Leiter des Flughafens – der auch als Ticketverkäufer, Mechaniker und Teilzeit-Pilot fungierte – kehrte gerade den Fußboden. »Kommt jetzt der große Sturm?« fragte er fröhlich.

Während des ersten Abschnitts ihrer Reise in der zweimotorigen Maschine waren die beiden Journalisten klug genug, jede persönliche Unterhaltung zu vermeiden. Außer ihnen befanden sich noch fünfzehn andere Passagiere an Bord, und dreißig Ohren hörten zu. Die Gerüchtebörse von Moose County kolportierte mehr Neuigkeiten als der Picayune, und schneller als der WPKX-Sender. Qwilleran und Junior unterhielten sich daher wohlweislich über Sport, bis sie nach der holprigen Landung in Minneapolis in einen Jet umstiegen.

»Ich hoffe, es gibt Mittagessen an Bord«, sagte Junior. »Was gibt's denn zum Abendessen im Presseclub?«

»Ich habe französische Zwiebelsuppe bestellt, Rippenstücke und danach Apfelkuchen.«

»Mmh, lecker!«

Sie hatten einen Aufenthalt in Chicago, bevor sie zum letzten Teil ihrer Reise starteten. Nach der Landung nahmen sie den Bus ins Hotel Stilton und hörten sich den Wetterbericht an, und dann war es auch schon Zeit, zum Presseclub zu fahren.

»Werden auch die Sportjournalisten da sein?« fragte Junior.

»Alle werden da sein – vom Chefredakteur bis zum jüngsten Laufburschen. Ich nehme an, man nennt sie jetzt Redaktionshilfen.«

»Werden Sie mich für sentimental und altmodisch halten, wenn ich sie um Autogramme bitte?«

»Sie werden geschmeichelt sein«, sagte Qwilleran.

Im Club wurde Qwilleran als heimkehrender Held behandelt, doch er sagte sich, daß wohl jeder ein Held wäre, der die gesamte Belegschaft zum Abendessen einlud und mit Getränken freihielt. Ein Fotograf stieß ihn kumpelhaft in die Rippen und fragte ihn, wie man sich als Millionär fühle.

»Das sage ich Ihnen nächstes Jahr im April, wenn ich meine Steuererklärung mache«, erwiderte Qwilleran.

Der Reiseredakteur wollte wissen, wie ihm das Leben im Hinterland gefiel. »Liegt Moose County nicht im Schneegürtel?«

»Und ob! Es ist praktisch das Zentrum dieses Schneegürtels.«

»Nun, auf jeden Fall bist du Glückspilz der Gewalt und den Verbrechen der Großstadt entkommen.«

»Gewalt haben wir genug da oben im Norden«, teilte ihm Qwilleran mit. »Tornados, Blitzschlag, Hurrikans,

Waldbrände, wilde Tiere, umstürzende Bäume, Frühjahrsüberschwemmungen! Aber die Gewalt der Natur ist leichter hinzunehmen als menschliche Gewalt. Bei uns knallen keine Heckenschützen Kinder im Schulbus ab, wie das letzte Woche hier passiert ist.«

»Hast du noch immer die Katze, die klüger ist als du?«

Im Presseclub stand Qwilleran im Ruf, Amateurdetektiv zu sein; ebenso war bekannt, daß seine Erfolge zu einem gewissen Grad Koko zu verdanken waren.

Qwilleran sagte erklärend zu Junior: »Es ist dir vielleicht nicht aufgefallen, aber Kokos Bild hängt in der Eingangshalle, neben den Pulitzerpreisträgern. Irgendwann einmal erzähle ich dir von seinen Heldentaten. Du wirst mir nicht glauben, aber ich werde es dir trotzdem erzählen.«

Während der ersten Drinks lernte Junior die Kolumnisten und Reporter kennen, deren Beiträge er in der überregionalen Ausgabe des Fluxion gelesen hatte, und er konnte seine Aufregung kaum beherrschen. Der Ehrengast hingegen war merklich gedämpft. Arch Riker war froh, beim Fluxion aufzuhören, doch dieses Ereignis wurde durch die Tatsache getrübt, daß seine Ehe vor kurzem in die Brüche gegangen war.

»Was hast du für Pläne?« fragte Qwilleran.

»Nun, Thanksgiving werde ich bei meinem Sohn in Denver verbringen und Weihnachten bei meiner Tochter in Oregon. Danach weiß ich noch nicht.«

Nach dem Rippenstück und dem Apfelkuchen überreichte der Chefredakteur Riker eine goldene Uhr, und Qwilleran würdigte seinen langjährigen Freund in einer Rede. Er schloß mit ein paar Worten über Moose County.

»Meine Damen und Herren – die meisten von Ihnen haben noch nie von Moose County gehört. Es ist der einzige Bezirk im Staat, der ein Untergrunddasein führt. Die Kartographen vergessen manchmal, Moose County einzuzeichnen. Viele unserer Gesetzgeber glauben, daß es zu Kanada gehört. Doch vor hundert Jahren war Moose County – durch Bergbau und Holzwirtschaft – der reichste Bezirk im Staat. Heute ist es ein Urlaubsparadies für jeden, der sich für Angeln, Jagen, Rudern und Camping interessiert. Wir haben zwei einzigartige Besonderheiten, auf die ich hinweisen möchte: perfektes Wetter von Mai bis Oktober, und eine Zeitung, die seit ihrer Gründung vor hundert Jahren unverändert geblieben ist. Junior Goodwinter, der jüngste Chefredakteur abseits der freien Wildbahn, schreibt alle Beiträge selbst. Im Zeitalter der Satellitenkommunikation ist es nicht leicht, mit Tinte und Federkiel zu schreiben … Darf ich vorstellen: Junior und der Pickax Picayune!«

Junior schnappte seine Baseballmütze und den Zeitungssack, sauste durch den Speisesaal und rief: »Äääkstrablatt! Äääkstrablatt!« Dabei warf er einen Packen Zeitungen auf jeden Tisch. Die Gäste nahmen sie und begannen zu lesen – zuerst glucksend, dann brüllend vor Lachen. Auf Seite eins in der ersten Kolumne standen die Kleinanzeigen:

ZU VERKAUFEN: Gebrauchtes Staffelholz, fünf mal zehn Zentimeter, guter Zustand. Ebenso ein Brautkleid, Größe 40, nie getragen.

SCHNELL! Wenn Ihre alte Karre keinen Winter mehr schafft – in Hackpoles Gebrauchtwagenladen finden Sie vielleicht eine bessere Karre, vielleicht auch nicht. Das wissen Sie erst, wenn Sie bei uns reingeschaut haben.

GRATIS: Drei graue Kätzchen, eines weißgestiefelt. Fast stubenrein.

SOEBEN EINGETROFFEN: Lange Unterhosen. Neue Lieferung in Bills Familienladen. Die Qualität ist nicht mehr das, was sie mal war, und die Preise sind seit dem Vorjahr auch gestiegen, aber was soll's! Kaufen Sie, bevor der Schnee kommt.

Neben diesen Beispielen von ehrlicher Werbung brachte die Titelseite Neuigkeiten mit Schlagzeilen in Achtelzoll-Lettern:

BEINAHE-REKORD

75 Autos wurden letzte Woche beim Begräbnis von Captain Fugtree gezählt – der längste Trauerzug seit 1904, als 52 zweirädrige Kutschen und 37 Einspänner Ephraim Goodwinter das letzte Geleit gaben.

BRAUTGESCHENKE

Vorigen Donnerstag feierte Miss Doreen Mayfus ihre Geschenkparty. Es gab Gesellschaftsspiele und viele Preise. Die zukünftige Braut packte 24 Geschenke aus. Es wurden unter anderem Schinkenhörnchen, Paprikasandwiches und Kanapees gereicht.

HOCHZEITSTAG

Mister und Missis Alfred Toodle feierten ihren 70. Hochzeitstag bei einem Abendessen, zu dem sieben ihrer elf Kinder eingeladen hatten: Richard Toodle, Emil Toodle, Joseph Toodle, Conrad Toodle, Donna Toodle, Dorothy (Toodle) Fugtree und Estelle (Toodle) Campbell. Es waren 30 Enkelkinder anwesend, 82 Großenkel und 13 Urgroßenkel. Das Essen fand im Toodle-Familienrestaurant statt. Die Verzierung der Jubiläumstorte hatte Betsy Ann Toodle übernommen.

In dem Wirbel (alle lasen laut vor) drängte sich der Geschäftsführer des Presseclubs zu Qwilleran an den mittleren Tisch durch und flüsterte dem Gastgeber ins Ohr: »Ferngespräch für Sie, Qwill. In meinem Büro.«

Bevor er zum Telefon eilte, rief Qwilleran: »Danke, daß ihr alle gekommen seid! Die Bar ist geöffnet!«

Er nahm sich eben noch die Zeit, selbst ein paar Telefongespräche zu führen, und als er in den Speisesaal zurückkam, zog er Junior von einer Gruppe von Redakteuren und Reportern weg.

»Wir müssen gehen, Junior. Wir fahren heim. Ich habe die Flüge umgebucht… Arch, grüße alle von uns, ja? Es ist ein Notfall… Komm, Junior.«

»Was? … Was?« stammelte Junior.

»Ich erklär's dir später.«

»Mein Zeitungssack…«

»Vergiß ihn.«

Qwilleran schob den jungen Mann die Stufen des Presseclubs hinunter und schubste ihn in das Taxi, das mit laufendem Motor am Gehsteig wartete.

»Hotel Stilton, so schnell wie möglich«, schrie er dem Fahrer zu, als das Taxi vorwärtsschoß, »und ignorieren Sie die roten Ampeln!«

»Na, so was!« sagte Junior.

»Wie schnell kannst du deine Sachen in den Seesack werfen, Junior? Wir haben sieben Minuten Zeit, um zu packen, die Rechnung zu zahlen und zum Hubschrauberlandeplatz auf dem Hoteldach zu laufen.«

Erst als sie in den Polizeihubschrauber geklettert waren, nahm sich Qwilleran Zeit für Erklärungen. »Dringender Anruf aus Pickax«, rief er. »Der große Sturm ist im Anmarsch. Wir müssen ihm zuvorkommen – persönlicher Notfall. Mach dich fertig zum Sprinten. Sie halten das Flugzeug für uns auf.«

Als sie sich schließlich im Jet angeschnallt hatten, sagte Junior: »He, wie haben Sie das gemanagt? Ich bin noch nie mit einem Hubschrauber geflogen.«

»Es nützt etwas, wenn man mal beim Fluxion war«, erklärte Qwilleran, »und wenn man mit dem Morddezernat zusammengearbeitet und für den Witwenfonds der Polizei Reklame gemacht hat. Tut mir leid, daß unsere anderen Pläne ins Wasser fallen.«

»Das macht nichts. Alles andere war mir nicht so wichtig.«

»Wir haben in Chicago sofort Anschluß und können dann in Minneapolis die kleine TGIF-Maschine nehmen. Wir haben Glück, daß es sich so gut anläßt.«

Den restlichen Flug über war Qwilleran ziemlich schweigsam, doch Junior konnte nicht aufhören zu reden. »Die Leute waren vielleicht toll! Die Sportreporter haben gesagt, wenn ich in der Stadt bin, kann ich jederzeit von der Pressetribüne Zusehen… Der Typ, der das ›Redaktionsgeflüster‹ schreibt, bringt am Dienstag einen Artikel über den Picayune, und Sie wissen ja, der erscheint im ganzen Land. Was sagen Sie dazu? … Mister Bates sagte, ich könne jederzeit einen Job bei ihm haben, wenn ich aus Pickax weg will.«

Qwilleran verkniff sich seinen Kommentar. Ihm waren die Versprechungen des Chefredakteurs nur allzu bekannt; der Mann hatte ein schlechtes Gedächtnis.

Junior plapperte weiter. »Die haben 'ne Menge Frauen beim Fluxion, was? Als Sekretärinnen, in der Auftragsverteilung, als Redaktionsleiterinnen, Fotografinnen. Kennen Sie diese rothaarige Fotografin – die mit den grünen Strümpfen?«

Qwilleran schüttelte den Kopf. »Sie ist erst gekommen, als ich schon von der Zeitung weg war.«

»Sie ist Fotojournalistin, und sie arbeitet freiberuflich für Zeitschriften im ganzen Land. Sie kommt vielleicht im nächsten Frühjahr rauf nach Moose County und macht eine Fotoreportage über die aufgelassenen Bergwerke. Nicht schlecht!«

»Nicht schlecht«, echote Qwilleran leise.

Er war noch immer ungewöhnlich still, als sie nach Mitternacht in die winzige Maschine stiegen, die sie nach Moose County brachte. Er hatte einen Fensterplatz, und als er den Kopf wandte, um Junior zuzuhören, sah er auf der anderen Seite des Ganges einen Mann mit einer aufgeschlagenen Zeitschrift sitzen. Der Passagier starrte den ganzen Flug auf dieselbe Seite.

Der liest nicht, dachte Qwilleran. Der hört zu. Und er ist auch nicht von hier oben. Niemand in Moose County ist so formell und ruhig.

Am Flughafen ging der Fremde zum Schalter, um ein Auto zu mieten.