Die Katze, die rückwärts lesen konnte - Band 1 - Lilian Jackson Braun - E-Book
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Die Katze, die rückwärts lesen konnte - Band 1 E-Book

Lilian Jackson Braun

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Beschreibung

Vor dieser Spürnase ist kein Mörder sicher: „Die Katze, die rückwärts lesen konnte“ von Lilian Jackson Braun jetzt als eBook bei dotbooks. Gerade noch Polizei-Reporter, jetzt Journalist bei einer Lokalzeitung – Jim Qwilleran geht davon aus, dass ihm ein langweiliger Job bevorsteht. Doch schon sein erster Auftrag ist unverhofft spannend: Der Leiter einer Kunstgalerie wird tot aufgefunden, erstochen mit einem Meißel! Sofort wittert Jim eine brandheiße Story. Bei seinen Recherchen erhält er unerwartete Hilfe, denn Koko, der schlaue Siamkater des Opfers, scheint fest entschlossen, den Mörder zu überführen. Und dank seines feinen Spürsinns findet er Hinweise, die den Menschen verborgen bleiben … „Lilian Jackson Braun ist eine Meisterin ihres Fachs: Sie weiß immer ganz genau, wann sie die Katze aus dem Sack lassen muss.“ New York Daily News Die Krimi-Serie mit Suchtpotenzial! Der erste Fall für Reporter Jim und Siamkater Koko – jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Katze, die rückwärts lesen konnte“ von Bestsellerautorin Lilian Jackson Braun. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 263

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Über dieses Buch:

Gerade noch Polizei-Reporter, jetzt Journalist bei einer Lokalzeitung – Jim Qwilleran geht davon aus, dass ihm ein langweiliger Job bevorsteht. Doch schon sein erster Auftrag ist unverhofft spannend: Der Leiter einer Kunstgalerie wird tot aufgefunden, erstochen mit einem Meißel! Sofort wittert Jim eine brandheiße Story. Bei seinen Recherchen erhält er unerwartete Hilfe, denn Koko, der schlaue Siamkater des Opfers, scheint fest entschlossen, den Mörder zu überführen. Und dank seines feinen Spürsinns findet er Hinweise, die den Menschen verborgen bleiben …

»Lilian Jackson Braun ist eine Meisterin ihres Fachs: Sie weiß immer ganz genau, wann sie die Katze aus dem Sack lassen muss.« New York Daily News

Über die Autorin:

Lilian Jackson Braun (1913–2011) wurde in Massachusetts geboren. Nach der Highschool arbeitete sie als Journalistin und in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihre Katzenkrimis wurden in 16 Sprachen übersetzt und standen regelmäßig auf der »New York Times«-Bestsellerliste.

Bei dotbooks erscheinen alle Bände der Erfolgsserie. Eine vollständige Übersicht finden Sie am Ende dieses eBooks.

***

eBook-Neuausgabe Juli 2016

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1966 Lilian Jackson Braun

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1966 unter dem Titel »The Cat Who Could Read Backwards«.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1991 Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Forewer und Pavian

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-829-8

***

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Lilian Jackson Braun

Die Katze, die rückwärts lesen konnte

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Christine Pavesicz

dotbooks.

Kapitel 1

Jim Qwilleran, dessen Name zwei Jahrzehnte lang Setzer und Lektoren zur Verzweiflung getrieben hatte, kam fünfzehn Minuten zu früh zu seinem Termin mit dem Chefredakteur des Daily Fluxion.

Im Vorzimmer nahm er ein Exemplar der Morgenausgabe zur Hand und studierte die Titelseite. Er las die Wettervorhersage (ungewöhnlich warm für die Jahreszeit), die Auflagenhöhe (472 463) und den hochtrabend in Latein gedruckten Slogan des Verlags (Fiat Flux).

Er las die Titelgeschichte über einen Mordprozeß und eine zweite groß aufgemachte Story über den Gouverneurs-Wahlkampf, in der er zwei Druckfehler entdeckte. Er erfuhr, daß dem Kunstmuseum der Zuschuß von einer Million Dollar gestrichen worden war, übersprang jedoch die Einzelheiten. Einen weiteren Beitrag über ein Kätzchen, das sich in einem Abflußrohr verfangen hatte, ließ er ebenfalls aus. Sonst las er jedoch alles:

Rowdy nach Schießerei mit Polizei geschnappt. Stripper-Fehde in der Altstadt. Steuerverhandlungen: Demokraten sauer – Aktien steigen.

Hinter einer verglasten Tür konnte Qwilleran vertraute Laute hören – Schreibmaschinen klapperten, Fernschreiber ratterten, Telefone schrillten. Bei diesen Geräuschen sträubte sich sein buschiger, graumelierter Schnurrbart, und er strich ihn mit den Fingerknöcheln glatt. Er sehnte sich danach, einen Blick auf das geschäftige Treiben und das Durcheinander zu werfen, das in einer Lokalredaktion vor Redaktionsschluß herrscht, und ging zur Tür, um durch das Glas zu spähen.

Der Lärm war authentisch; der Anblick hingegen – wie er feststellen mußte – ganz und gar nicht. Die Jalousien hingen gerade. Die Schreibtische waren sauber aufgeräumt und nicht zerkratzt. Zerknülltes Papier und zerfetzte Zeitungen lagen nicht auf dem Fußboden, sondern ordentlich in Papierkörben aus Draht. Als er so dastand und bestürzt auf diese Szene blickte, drang ein fremdartiger Laut an sein Ohr, der überhaupt nicht zu den Hintergrundgeräuschen einer typischen Lokalredaktion, wie er sie kannte, paßte. Und dann entdeckte er einen Laufburschen, der gelbe Bleistifte in eine kleine, dröhnende Apparatur einspeiste. Qwilleran starrte das Ding an. Ein elektrischer Bleistiftspitzer! Nie hätte er gedacht, daß es so weit kommen würde. Jetzt merkte er erst, wie lange er fern vom Schuß gewesen war.

Ein anderer Laufbursche in Tennisschuhen kam mit schnellen Schritten aus der Lokalredaktion und sagte: »Mr. Qwilleran? Sie können jetzt hereinkommen.«

Qwilleran folgte ihm in das kleine Glasbüro, wo er von einem jungen Chefredakteur mit einem aufrichtigen Händedruck und einem aufrichtigen Lächeln erwartet wurde. »Sie sind also Jim Qwilleran! Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«

Qwilleran fragte sich, wieviel – und wie schlimm das gewesen sein mochte. In seinem Bewerbungsschreiben an den Daily Fluxion nahm sich der Verlauf seiner Karriere etwas fragwürdig aus: Sportreporter, Polizeireporter, Kriegsberichterstatter, Gewinner des Verlegerpreises, Autor eines Buches über Großstadtkriminalität. Danach eine Reihe von Jobs bei immer kleineren Zeitungen, immer nur für kurze Zeit, gefolgt von einer langen Periode, in der er arbeitslos gewesen war – oder Jobs gehabt hatte, die es sich nicht lohnte anzuführen.

Der Chefredakteur sagte: »Ich erinnere mich an Ihre Berichterstattung über den Prozeß, für die Sie den Verlegerpreis bekamen. Ich war damals ein junger, unerfahrener Reporter und ein großer Bewunderer von Ihnen.«

Am Alter und dem geschulten Benehmen des Mannes erkannte Qwilleran in ihm den neuen Typ des Chefredakteurs – einen Vertreter der präzisen, perfekt geschulten Generation, für die eine Zeitung eher eine Wissenschaft ist als eine heilige Sache. Qwilleran hatte immer für den anderen Typ gearbeitet – die altmodischen, ungehobelten Kreuzzügler.

Der Chefredakteur sagte: »Mit Ihrem Hintergrund sind Sie vielleicht von der Stelle, die wir anzubieten haben, enttäuscht. Wir haben nur einen Schreibtisch in der Feuilletonabteilung für Sie, aber wir würden uns freuen, wenn Sie die Stelle annehmen, bis sich in der Lokalredaktion etwas findet.«

»Und bis ich bewiesen habe, daß ich die Arbeit nicht hinschmeiße?« sagte Qwilleran und sah dem Mann in die Augen. Er hatte einiges an Erniedrigung hinter sich; jetzt kam es darauf an, den richtigen Ton – eine Mischung aus Demut und Selbstvertrauen – anzuschlagen.

»Das versteht sich von selbst. Wie läuft es denn?«

»So weit, so gut. Das Wichtigste ist, wieder bei einer Zeitung unterzukommen. In einigen Städten habe ich meinen Vertrauensvorschuß überstrapaziert, bevor ich endlich kapitulierte. Deshalb wollte ich auch hierherkommen. Eine fremde Stadt – eine dynamische Zeitung – eine neue Herausforderung. Ich glaube, ich kann es schaffen.«

»Aber sicher!« sagte der Chefredakteur und machte ein resolutes Gesicht. »Also, wir haben uns folgendes für Sie vorgestellt: Wir brauchen einen Kulturredakteur.«

»Einen Kulturredakteur!« Qwilleran zuckte zurück und verfaßte im Geist eine Schlagzeile: Gnadenbrot für abgetakelten Journalisten.

»Kennen Sie sich mit Kunst aus?«

Qwilleran war ehrlich. Er sagte: »Ich kann die Venus von Milo nicht von der Freiheitsstatue unterscheiden.«

»Dann sind Sie genau der richtige Mann für uns! Je weniger Sie wissen, umso unbefangener ist Ihre Meinung. Wir haben gerade einen Kunstboom in dieser Stadt, und wir müssen mehr darüber bringen. Unser Kunstkritiker schreibt zweimal die Woche eine Kolumne, aber wir brauchen einen erfahrenen Journalisten, der sich nach Storys über die Künstler selbst umschaut. An Material mangelt es nicht. Heutzutage gibt es, wie Sie wissen, mehr Künstler als Hunde und Katzen.«

Qwilleran strich sich mit den Knöcheln über den Schnurrbart.

Der Chefredakteur fuhr zuversichtlich fort: »Sie sind dem Feuilletonredakteur unterstellt, können sich aber aussuchen, worüber Sie schreiben wollen. Wir erwarten von Ihnen, daß Sie in Ihrem Bereich herumkommen, viele Künstler kennenlernen, ein paar Hände schütteln und der Zeitung Freunde bringen.«

Qwilleran verfaßte lautlos eine weitere Schlagzeile: Abstieg eines Journalisten zum Händeschüttler. Aber er brauchte den Job. Die Not kämpfte mit dem Gewissen. »Nun«, sagte er, »ich weiß nicht…«

»Es ist ein nettes, sauberes Ressort, und Sie werden zur Abwechslung mal ein paar anständige Menschen kennenlernen. Von Verbrechern und Schwindlern haben Sie vermutlich schon die Nase voll.«

Qwillerans zuckender Schnurrbart brachte zum Ausdruck ›Wer zum Teufel will schon ein nettes, sauberes Ressort‹, doch sein Besitzer schaffte es, diplomatisch zu schweigen.

Der Chefredakteur sah auf die Uhr und stand auf. »Gehen Sie doch einfach hinauf und besprechen Sie alles mit Arch Riker. Er kann …«

»Arch Riker! Was macht der denn hier?«

»Er ist der Leiter der Feuilletonredaktion. Kennen Sie ihn?«

»Wir haben in Chicago zusammengearbeitet – vor Jahren.«

»Gut! Von ihm erfahren Sie alle Einzelheiten. Und ich hoffe, Sie entschließen sich, beim Flux mitzuarbeiten.« Der Chefredakteur hielt ihm die Hand hin und schenkte ihm ein maßvolles Lächeln.

Qwilleran spazierte wieder durch die Lokalredaktion hinaus – vorbei an den Reihen weißer Hemden mit aufgekrempelten Ärmeln, vorbei an den Köpfen, die völlig versunken über Schreibmaschinen gebeugt waren, vorbei an der unvermeidlichen Reporterin. Sie war die einzige, die ihm einen neugierigen Blick zuwarf, und er richtete sich zu seiner vollen Länge von einem Meter achtundachtzig auf, zog die überflüssigen zehn Pfund ein, die an seiner Gürtelschnalle zerrten, und glättete mit der Hand sein Haar. Wie sein Schnurrbart hatte auch sein Kopfhaar noch drei Viertel schwarze und nur ein Viertel graue Haare aufzuweisen.

Im ersten Stock fand er Arch Riker, der über einen ganzen Saal voll Schreibtische, Schreibmaschinen und Telefone herrschte – alles im selben Erbsengrün.

»Ziemlich ausgefallen, was?« sagte Arch entschuldigend. »Sie nennen das ein augenberuhigendes Olivgrün. Heutzutage muß ein jeder gehätschelt werden. Ich persönlich finde, es sieht eher gallegrün aus.« Die Feuilletonredaktion war eine kleine Ausgabe der Lokalredaktion – ohne die Atmosphäre der Dringlichkeit. Heitere Gelassenheit erfüllte den Raum wie Nebel. Jeder hier wirkte zehn Jahre älter als die Leute in der Lokalredaktion, und Arch selbst war beleibter und kahler als früher.

»Jim, es ist toll, dich wiederzusehen«, sagte er. »Schreibst du dich noch immer mit dem lächerlichen W?«

»Es ist eine ehrbare schottische Schreibweise«, hielt ihm Qwilleran entgegen.

»Und wie ich sehe, hast du auch diesen struppigen Schnurrbart nicht abgelegt.«

»Er ist mein einziges Andenken an den Krieg.« Die Knöchel strichen ihn liebevoll glatt.

»Wie geht’s deiner Frau, Jim?«

»Du meinst, meiner Ex-Frau?«

»Oh, das wußte ich nicht. Tut mir leid.«

»Lassen wir das … Was ist das für ein Job, den ihr für mich habt?«

»Ein Kinderspiel. Du kannst einen Sonntagsbeitrag für uns schreiben, wenn du gleich heute anfangen willst.«

»Ich habe noch nicht gesagt, daß ich den Job nehme.«

»Du wirst ihn nehmen«, sagte Arch. »Er ist genau das richtige für dich.«

»In Anbetracht des Rufes, den ich in letzter Zeit habe, meinst du?«

»Willst du jetzt empfindlich sein? Hör auf damit. Laß das Selbstzerfleischen.«

Qwilleran zog gedankenverloren einen Scheitel durch seinen Schnurrbart. »Ich nehme an, ich könnte es versuchen. Soll ich einen Probeartikel schreiben?«

»Wie du willst.«

»Hast du einen Tipp?«

»Ja.« Arch Riker zog ein rosa Blatt Papier aus einem Ordner. »Wieviel hat dir der Chef gesagt?«

»Er hat mir überhaupt nichts gesagt«, antwortete Qwilleran, »außer, daß er publikumswirksame Sachen über Künstler will.«

»Nun, er hat eine rosa Mitteilung heraufgeschickt, in der er eine Story über einen Typen namens Cal Halapay vorschlägt.«

»Und?«

»Hier beim Flux haben wir einen Farb-Code. Eine blaue Mitteilung bedeutet ›Zur Information‹. Gelb heißt ›Unverbindlicher Vorschlag‹. Rosa hingegen bedeutet ›Nichts wie ran, Mann‹.«

»Was ist an Cal Halapay so Dringendes?«

»Unter Umständen ist es vielleicht besser, wenn du den Hintergrund nicht kennst. Spring einfach ins kalte Wasser, sprich mit diesem Halapay, und schreib etwas Lesbares. Du bist ja ein alter Hase.«

»Wo finde ich ihn?«

»Du mußt in seinem Büro anrufen, nehme ich an. Er ist ein kommerzieller Künstler und hat eine erfolgreiche Agentur, aber in seiner Freizeit malt er Ölbilder. Er malt Kinder. Seine Bilder sind sehr beliebt. Kinder mit lockigem Haar und rosigen Wangen. Sie sehen aus, als würde sie jeden Moment der Schlag treffen, aber die Leute kaufen sie anscheinend … Sag, willst du Mittagessen? Wir könnten in den Presseclub gehen.«

Qwillerans Schnurrbart richtete sich erwartungsvoll auf. Es hatte eine Zeit gegeben, da waren Presseclubs sein Leben gewesen, seine ganze Liebe, sein Hobby, sein Heim, seine Inspiration.

Dieser hier befand sich gegenüber der neuen Polizeizentrale, in einer rußgeschwärzten Kalksteinfestung mit vergitterten Fenstern, die früher einmal das Bezirksgefängnis gewesen war. In den Mulden der alten und ausgetretenen steinernen Stufen standen Pfützen, der Beweis für das für Februar ungewöhnliche Tauwetter. Der Vorraum war mit altehrwürdigem rotem Holz getäfelt, das unter unzähligen Lackschichten glänzte.

»Wir können in der Bar essen«, sagte Arch, »oder wir können hinauf in den Speisesaal gehen. Da oben haben sie Tischtücher.«

»Essen wir unten«, sagte Qwilleran.

In der Bar war es düster und laut. Lautstarke Gespräche mit vertraulichen Untertönen – Qwilleran war das alles wohlvertraut. Es bedeutete, daß Gerüchte herumschwirrten, Kampagnen gestartet wurden und über einem Bier und einem Hamburger so mancher Fall inoffiziell gelöst wurde.

Sie fanden zwei freie Plätze an der Theke und sahen sich einem Barkeeper mit einer roten Weste und einem verschwörerischen Lächeln gegenüber, das beinahe barst vor Insider-Informationen. Qwilleran erinnerte sich, daß er einige seiner besten Geschichten Tipps von Barkeepern in Presseclubs zu verdanken hatte.

»Scotch und Wasser«, bestellte Arch.

Qwilleran sagte: »Einen doppelten Tomatensaft mit Eis.«

»Tom-Tom on the Rocks«, sagte der Barkeeper. »Wollen Sie einen Spritzer Limonensaft und einen Schuß Worcestershire- Sauce?«

»Nein, danke.«

»So mache ich ihn für meinen Freund, den Bürgermeister, wenn er hierher kommt.« Das gebieterische Lächeln wurde stärker.

»Nein, danke.«

»Und wie wäre es mit einem Tropfen Tabasco? Das gibt ihm Biß.«

»Nein, ganz einfach nur pur.«

Die Mundwinkel des Barkeepers zogen sich nach unten, und Arch sagte zu ihm: »Das ist Jim Qwilleran, er ist neu bei uns. Er weiß nicht, daß du ein Künstler bist. … Jim, das ist Bruno. Er verleiht seinen Drinks eine sehr persönliche Note.«

Hinter Qwilleran sagte eine ohrenbetäubende Stimme: »Für mich bitte weniger Note und mehr Schnaps. He, Bruno, mach mir einen Martini, und laß den Mist weg. Keine Olive, keine Zitrone, keine Anchovis und keine eingelegte ungeborene Tomate.«

Qwilleran drehte sich um und sah sich einer Zigarre gegenüber, die zwischen grinsenden Zähnen steckte und völlig überdimensioniert wirkte, zumindest im Vergleich zu dem schlanken jungen Mann, der sie rauchte. Die schwarze Kordel, die von seiner Brusttasche baumelte, gehörte offenbar zu einem Belichtungsmesser. Qwilleran mochte ihn auf Anhieb.

»Dieser Clown«, sagte Arch zu Qwilleran, »ist Odd Bunsen vom Fotolabor. … Odd, das ist Jim Qwilleran, ein alter Freund von mir. Wir hoffen, daß er zum Flux-Team stößt.«

Die Hand des Fotografen schnellte vor. »Freut mich, Jim. Wollen Sie eine Zigarre?«

»Ich rauche Pfeife. Trotzdem, vielen Dank.«

Odd betrachtete interessiert Qwillerans üppigen Schnurrbart. »Dieses Gestrüpp wird bald alles überwuchern. Haben Sie keine Angst vor einem Buschbrand?«

Arch sagte zu Qwilleran: »Mit dieser schwarzen Schnur, die aus Mr. Bunsens Tasche hängt, binden wir normalerweise seinen Kopf fest. Aber er ist ein nützlicher Mann. Er hat mehr Informationen als die Nachschlagebibliothek. Vielleicht kann er dir etwas über Cal Halapay erzählen.«

»Klar«, sagte der Fotograf. »Was wollen Sie wissen? Seine Frau sieht scharf aus, 86-56-81.«

»Wer ist denn dieser Halapay überhaupt?« wollte Qwilleran wissen.

Odd Bunsen zog kurz den Rauch seiner Zigarre zu Rate. »Kommerzieller Künstler. Hat eine große Werbeagentur. Ist selbst ein paar Millionen schwer. Wohnt in Lost Lake Hills. Tolles Haus, großes Studio, wo er malt, zwei Swimmingpools. Zwei, haben Sie gehört? Bei dem Wassermangel füllt er vermutlich einen mit Bourbon.«

»Familie?«

»Zwei oder drei Kinder. Tolle Frau. Halapay besitzt eine Insel in der Karibik und eine Ranch in Oregon und ein paar Privatflugzeuge. Alles, was man mit Geld kaufen kann. Und er ist nicht knauserig. Der Typ ist in Ordnung.«

»Was ist mit den Bildern, die er malt?«

»Scharf! Echt scharf«, sagte Odd. »Ich habe eins in meinem Wohnzimmer hängen. Als ich Halapays Frau im letzten Herbst beim Wohltätigkeitsball fotografiert hatte, gab er mir ein Gemälde. Ein paar Kinder mit lockigen Haaren … Also, ich muß jetzt was essen gehen. Um eins habe ich einen Termin.«

Arch trank sein Glas aus und sagte zu Qwilleran: »Rede mit Halapay und überlege dir, was für Fotos wir machen könnten, und dann versuchen wir, Odd Bunsen dafür zu kriegen. Er ist unser bester Mann. Vielleicht könnte er ein paar Farbfotos machen. Wäre nicht schlecht, die Seite in Farbe zu bringen.«

»Diese rosa Mitteilung macht dich nervös, nicht wahr?« sagte Qwilleran. »Was hat Halapay mit dem Daily Fluxion zu tun?«

»Ich nehme noch einen«, sagte Arch. »Willst du noch einen Tomatensaft?«

Qwilleran ließ seine vorherige Frage im Raum stehen, meinte jedoch: »Gib mir nur eine einzige klare Antwort, Arch. Warum bieten sie mir das Kulturressort an? Ausgerechnet mir?«

»Weil das bei Zeitungen so üblich ist. Man engagiert Baseball- Experten als Theaterkritiker und Leute von der Kirchenseite als Nachtklub-Spezialisten. Das weißt du genauso gut wie ich.«

Qwilleran nickte und strich traurig über seinen Schnurrbart. Dann sagte er: »Was ist mit diesem Kunstkritiker, der für euch schreibt? Wenn ich den Job annehme, arbeite ich dann mit ihm zusammen?«

»Er schreibt Kritiken«, sagte Arch, »und du wirst richtige Reportagen machen und Personality-Storys. Ich glaube nicht, daß ihr euch in die Quere kommt.«

»Arbeitet er in unserer Redaktion?«

»Nein, er kommt niemals ins Büro. Er verfaßt seine Kolumne zu Hause, spricht sie auf Band und schickt sie ein- oder zweimal die Woche per Boten her. Wir müssen sie abtippen. Sehr lästig.«

»Weshalb kommt er nicht her? Hat er nichts übrig für Erbsengrün?«

»Frag mich nicht. Das hat er mit der Chefetage so vereinbart. Er hat einen phantastischen Vertrag mit dem Flux.«

»Wie ist er?«

»Unnahbar. Eigenwillig. Ist nicht sehr leicht, mit ihm auszukommen.«

»Wie nett. Ist er jung oder alt?«

»Irgendwas dazwischen. Er lebt alleine – mit einer Katze, stell dir das mal vor! Viele Leute glauben, daß die Katze die Kolumne schreibt, und vielleicht haben sie recht.«

»Ist das, was er schreibt, gut?«

»Er glaubt es. Und unsere Brötchengeber offenbar auch.« Arch rutschte auf dem Barhocker herum, während er seine nächsten Worte abwog.

»Es gibt ein Gerücht, daß der Flux den Typen hoch versichert hat.«

»Was ist an einem Kunstkritiker so wertvoll?«

»Der da hat dieses gewisse Etwas, das die Zeitungen so lieben: Er ist kontrovers! Seine Kolumne bringt Hunderte Leserbriefe pro Woche. Nein, Tausende!«

»Was für Briefe?«

»Zornige. Zuckersüße. Hysterische. Die kunstbeflissenen Leser verabscheuen ihn; die anderen halten ihn für den Größten, und dann fangen sie untereinander zu streiten an. Er schafft es, die ganze Stadt ständig in Aufruhr zu versetzen. Weißt du, was unsere letzte Umfrage erbracht hat? Die Kulturseite hat eine größere Leserschaft als der Sportteil! Und du weißt so gut wie ich, daß das eine unnatürliche Situation ist.«

»Ihr müßt eine Menge Kunst-Freaks in der Stadt haben«, meinte Qwilleran.

»Man braucht sich nichts aus Kunst zu machen, um auf unsere Kunst-Kolumne zu stehen; man muß nur gerne Blut sehen.«

»Aber worüber streiten sie sich denn?«

»Das wirst du schon noch merken.«

»Kontroversen im Sport und in der Politik kann ich verstehen, aber Kunst ist Kunst, oder?«

»Das habe ich auch geglaubt«, sagte Arch. »Als ich die Feuilletonabteilung übernahm, hatte ich die naive Vorstellung, daß Kunst etwas Wertvolles sei – etwas für schöne Menschen mit schönen Gedanken. Mann, diese Idee habe ich mir aber schnell abgeschminkt! Die Kunst ist demokratisch geworden. In dieser Stadt ist Kunst der beliebteste Zeitvertreib seit der Erfindung von Canasta, und jeder kann mitspielen. Die Leute kaufen jetzt Gemälde statt Swimmingpools.«

Qwilleran kaute die Eiswürfel aus seinem Tomatensaft und grübelte über die Geheimnisse des Ressorts nach, das der Daily Fluxion ihm da anbot. »Übrigens«, sagte er, »wie heißt der Kritiker?«

»George Bonifield Mountclemens.«

»Sag das noch mal, bitte.«

»George Bonifield Mountclemens – der Dritte!«

»Das ist ja ein dicker Hund! Verwendet er wirklich alle drei Namen?«

»Alle drei Namen, alle sieben Silben, alle siebenundzwanzig Buchstaben – und die Ziffern! Zweimal die Woche versuchen wir, seinen Namen in Standard-Kolumnenbreite unterzubringen. Es ist unmöglich, außer senkrecht. Und er gestattet keine Abkürzungen, Bindestriche oder Verstümmelungen!«

Qwilleran warf Arch einen scharfen Blick zu. »Du magst ihn nicht besonders, was?«

Arch zuckte die Schultern. »Ich habe keine große Wahl. Tatsache ist, daß ich den Typen nie zu Gesicht kriege. Ich sehe nur die Künstler, die in die Redaktion kommen und ihm die Zähne einschlagen wollen.«

»George Bonifield Mountclemens III.!« Qwilleran schüttelte verwundert den Kopf.

»Selbst sein Name versetzt einige unserer Leser in Wut«, sagte Arch. »Sie wollen wissen, für wen er sich eigentlich hält.«

»Rede nur weiter. So langsam wird mir dieser Job sympathisch. Der Chef sagte, es wäre ein nettes, anständiges Ressort, und ich hatte schon Angst, ich würde mit einem Haufen Heiliger Zusammenarbeiten.«

»Laß dich nicht von ihm verschaukeln. Alle Künstler in dieser Stadt hassen einander, und alle Kunstliebhaber ergreifen Partei. Und dann werden sie alle grob. Es ist wie Football, nur gemeiner. Unflätige Beschimpfungen, Verleumdungen, Verrat und Betrug …« Arch rutschte von seinem Hocker. »Komm, holen wir uns ein Cornedbeef-Sandwich.«

Das Blut einiger alter Schlachtrosse, das durch Qwillerans Adern floß, machte sich bemerkbar. Sein Schnurrbart lächelte fast. »Okay, ich nehme an«, sagte er. »Ich nehme den Job.«

Kapitel 2

Es war Qwillerans erster Arbeitstag beim Daily Fluxion. Er belegte einen der erbsengrünen Schreibtische in der Feuilletonredaktion und holte sich einen Vorrat an gelben Bleistiften. Auf dem erbsengrünen Telefon entdeckte er eine mit Schablone gemalte offizielle Aufforderung: Sei nett zu den Leuten! Er tippte probeweise ›Viele Morde werden nach Mitternacht begangen‹ auf der erbsengrünen Schreibmaschine. Dann rief er den Fuhrpark des Fluxion an, um einen Dienstwagen für die Fahrt nach Lost Lake Hills anzufordern.

Der Weg in den eleganten Vorort fünfzehn Meilen außerhalb der Stadt führte Qwilleran durch selbstgefällige Vorstadtbezirke, vorbei an winterbraunen Farmen mit vereinzelten verschneiten Flecken. Er hatte viel Zeit, um über dieses Interview mit Cal Halapay nachzudenken, und er fragte sich, ob die Qwilleran-Methode wohl noch immer funktionierte. Früher war er berühmt gewesen für die brüderliche Art, mit der er seinen Interviewpartnern die Befangenheit nahm. Sie bestand aus zwei Teilen Wohlwollen, zwei Teilen beruflicher Neugier und einem Teil niedrigem Blutdruck, und sie hatte ihm das Vertrauen alter Damen, jugendlicher Delinquenten, hübscher Mädchen, College-Präsidenten und kleiner Gauner eingebracht.

Nichtsdestotrotz hatte er im Hinblick auf den Halapay-Auftrag seine Bedenken. Es war lange her, seit er ein Interview gemacht hatte, und Künstler waren nicht gerade seine Spezialität. Er vermutete, daß sie eine Geheimsprache hatten. Andererseits war Halapay ein Werbemanager, und es war genauso gut möglich, daß er ihm die Kopie einer Presseaussendung in die Hand drückte, die von seiner Public-Relations-Abteilung vorbereitet worden war. Qwillerans Schnurrbart schauderte.

Er hatte sich angewöhnt, den ersten Absatz seiner Story im Voraus zu entwerfen. Es funktionierte nie, aber er tat es, um sich aufzuwärmen. Jetzt – auf der Straße nach Lost Lake Hills – versuchte er sich an ein paar Formulierungen für die Einleitung der Halapay-Story.

Vielleicht könnte er schreiben: ›Wenn Cal Halapay am Ende des Arbeitstages seine feudalen Büroräume verläßt, vergißt er den mörderischen Konkurrenzkampf in der Werbebranche und entspannt sich mit …‹ Nein, das war abgedroschen.

Er versuchte es noch einmal. ›Ein Multimillionär der Werbebranche mit einer schönen Frau (86-56-82) und zwei Swimmingpools (einer davon angeblich mit Champagner gefüllt) gesteht, ein Doppelleben zu führen. Indem er rührende Kinderporträts malt, entkommt er … ‹ Nein, das war Sensationsjournalismus.

Qwilleran dachte an seine kurze Zeit bei einem Nachrichtenmagazin und startete den nächsten Versuch in jenem spröden Stil, den dieses Blatt bevorzugte. ›Im maßgeschneiderten italienischen Sporthemd mit englischer Krawatte – so verbringt der gutaussehende, graumelierte, 1,88 m große Herrscher über ein Imperium von Werbeagenturen seine Freizeit …‹

Qwilleran nahm an, daß ein Mann, der so viel erreicht hatte wie Halapay, so groß, graumeliert und imposant sein mußte. Vermutlich war er auch im Winter braungebrannt.

›Eine blaue englische Seidenkrawatte, die seine karibische Sonnenbräune zur Geltung bringt …‹

Die Lost Lake Road endete abrupt an einem massiven Eisentor, das in eine Steinmauer eingelassen war, die unbezwingbar und teuer aussah. Qwilleran bremste und sah sich nach einem Pförtner um.

Beinahe im gleichen Augenblick ertönte aus dem Torpfosten eine freundliche Lautsprecherstimme: »Drehen Sie sich bitte zu dem Pfeiler links von Ihnen und nennen Sie laut und deutlich Ihren Namen.«

Er kurbelte das Wagenfenster herunter und sagte »Qwilleran vom Daily Fluxion.«

»Danke«, murmelte der Torpfosten.

Das Tor öffnete sich, und der Reporter fuhr auf das Anwesen. Er folgte einer Straße, die sich durch hohe Kiefernwälder schlängelte und in einem winterlichen Garten endete, in dem sich ein Gartenarchitekt ausgetobt hatte – es wimmelte nur so von Kieselsteinen, Felsblöcken, immergrünen Pflanzen und gewölbten Brücken, die über kleine, gefrorene Teiche führten. In dieser frostigen, aber pittoresken Landschaft stand ein chaotisch angelegtes Haus. Es war ein moderner Bau mit sanft geschwungenem Dach und undurchsichtigen Glaswänden, die wie Reispapier aussahen. Qwilleran revidierte seinen Einleitungssatz mit dem italienischen Sporthemd. Halapay lief vermutlich in einem Seidenkimono in seiner Millionen-Dollar-Pagode herum.

An der Eingangstür, die anscheinend aus Elfenbein geschnitzt war, entdeckte Qwilleran etwas, das aussah wie eine Klingel. Er streckte die Hand danach aus, doch bevor sein Finger den Knopf berührte, leuchtete der Ring um die Klingel blaugrün auf, und drinnen erklang ein Glockenspiel. Gleich darauf hörte man einen Hund bellen, vielleicht waren es auch zwei oder drei. Ein scharfer Befehl, das Bellen verstummte gehorsam, und die Tür wurde schwungvoll aufgerissen.

»Guten Morgen. Ich bin Qwilleran vom Daily Fluxion«, sagte der Reporter zu einem Jungen mit lockigem Haar und rosigem Gesicht in Sweatshirt und Arbeitshose. Bevor er hinzufügen konnte: »Ist dein Vater zu Hause?« sagte der junge Mann liebenswürdig: »Kommen Sie herein, Sir. Hier ist Ihr Paß.« Er drückte ihm einen verschwommenen Schnappschuß in die Hand, auf dem ein Gesicht mit einem riesigen Schnurrbart zu sehen war, das besorgt aus einem Autofenster blickte.

»Das bin ja ich!« rief Qwilleran erstaunt.

»Am Tor aufgenommen, bevor Sie hereinfuhren«, sagte der junge Mann offensichtlich erfreut. »Ganz schön unheimlich, nicht wahr? Kommen Sie, ich hänge Ihren Mantel auf. Ich hoffe, Sie haben keine Angst vor den Hunden. Sie sind recht freundlich. Sie lieben Besucher. Das da ist die Mutter. Sie ist vier Jahre alt. Die Jungen sind aus ihrem letzten Wurf. Mögen Sie Irische Terrier?«

Qwilleran sagte: »Ich…«

»Zurzeit wollen alle Leute Yorkshire-Terrier haben, aber ich mag die irischen. Sie haben ein schönes Fell, nicht wahr? Hatten Sie Schwierigkeiten, das Haus zu finden? Wir haben auch eine Katze, aber sie ist trächtig, und sie schläft die ganze Zeit. Ich glaube, es wird Schnee geben. Ich hoffe es. Dieses Jahr war bisher miserabel zum Skifahren …«

Qwilleran, der stolz darauf war, daß er bei seinen Interviews ohne Notizen auskam, machte im Geist eine Inventur des Hauses: Foyer aus weißem Marmor mit Fischteich und einem tropischen Baum, der an die viereinhalb Meter hoch sein mochte. Deckenbeleuchtung zwei Stockwerke höher. Versenkte Wohnlandschaft, mit einem Fell bespannt, das aussah wie weißer Waschbär. Offener Kamin in glänzender schwarzer Wand. Vermutlich Onyx. Außerdem bemerkte er, daß der Junge ein Loch im Ärmel hatte und in dicken Socken herumlief.

»Möchten Sie im Wohnzimmer Platz nehmen, Mr. Qwilleran? Oder wollen Sie gleich ins Studio gehen? Im Studio ist es gemütlicher, wenn Ihnen der Geruch nichts ausmacht. Es gibt Leute, die sind gegen Terpentin allergisch. Allergien sind etwas Komisches. Ich bin allergisch gegen Krustentiere. Das macht mich rasend, denn ich bin ganz verrückt auf Hummer.«

Qwilleran wartete noch immer auf eine Gelegenheit, zu fragen: ›Ist dein Vater zu Hause?‹, als der junge Mann sagte: »Meine Sekretärin sagt, Sie wollen einen Artikel über meine Bilder schreiben. Gehen wir in mein Studio. Wollen Sie Fragen stellen, oder soll ich einfach reden?«

Qwilleran schluckte und sagte: »Ehrlich gesagt habe ich erwartet, daß Sie viel älter …«

»Ich bin ein Wunderkind«, sagte Halapay, ohne zu lächeln. »Ich habe meine erste Million gemacht, bevor ich einundzwanzig war. Jetzt bin ich neunundzwanzig. Wie es scheint, habe ich ein geniales Talent, Geld zu machen. Glauben Sie, daß es so etwas wie ein Genie gibt? Es ist unheimlich, ehrlich. Hier ist ein Bild von meiner Hochzeit. Meine Frau sieht sehr orientalisch aus, nicht wahr? Sie ist heute Vormittag nicht hier, weil sie Kunstunterricht nimmt, aber Sie werden sie nach dem Mittagessen kennenlernen. Wir haben das Haus so entworfen, daß es zu ihrem Aussehen paßt. Möchten Sie Kaffee? Ich rufe den Hausburschen, wenn Sie Kaffee wollen. Seien wir ehrlich, ich sehe jungenhaft aus, und so wird es auch bleiben. Im Studio ist auch eine Bar, wenn Sie lieber etwas Härteres wollen.«

Im Studio roch es nach Farben; es herrschte ziemliche Unordnung. Eine gläserne Wand ging auf einen weißen, zugefrorenen See hinaus. Halapay betätigte einen Schalter, und von der Decke entfaltete sich ein hauchdünnes Material, welches das grelle Licht ausblendete. Er drückte auf einen weiteren Knopf, worauf Türen auseinanderglitten und mehr alkoholische Getränke enthüllten, als die Bar des Presseclubs vorrätig hatte.

Qwilleran sagte, er hätte lieber Kaffee, also drückte Halapay auf einen Knopf und gab seine Bestellung durch ein Messinggitter an der Wand weiter. Außerdem reichte er Qwilleran eine seltsam geformte Flasche von der Bar.

»Das ist ein Likör, den ich aus Südamerika mitgebracht habe«, sagte er. »Hier bekommt man ihn nicht. Nehmen Sie ihn mit nach Hause. Wie gefällt Ihnen der Ausblick von diesem Fenster? Sensationell, nicht wahr? Das ist ein künstlich angelegter See. Die Landschaftsgestaltung allein hat mich eine halbe Million gekostet. Wollen Sie einen Doughnut zu Ihrem Kaffee? Das da an der Wand sind meine Bilder. Gefallen sie Ihnen?«

Die Studiowände waren von gerahmten Bildern bedeckt – Porträts von kleinen Jungen und Mädchen mit lockigem Haar und roten Apfelbäckchen. Wohin Qwilleran auch sah, überall rote Äpfelchen.

»Suchen Sie sich ein Bild aus«, sagte Halapay, »und nehmen Sie es mit – mit den besten Empfehlungen des Künstlers. Die großen sind fünfhundert Dollar wert. Nehmen Sie ein großes. Haben Sie Kinder? Wir haben zwei Mädchen. Das ist ihr Bild dort auf der Stereoanlage. Cindy ist acht, und Susan ist sechs.«

Qwilleran betrachtete das Foto von Halapays Töchtern. Wie ihre Mutter hatten sie Mandelaugen und klassisch glattes Haar. Er sagte: »Wieso malen Sie nur Kinder mit lockigem Haar und rosigen Wangen?«

»Sie sollten am Samstagabend zum Valentins-Ball gehen. Wir haben eine tolle Jazzband. Wissen Sie von dem Ball? Der Kunstclub veranstaltet alljährlich einen Ball zum Valentinstag. Wir gehen alle in Kostümen, die berühmte Liebespaare darstellen. Wollen Sie kommen? Sie brauchen sich nicht zu verkleiden, wenn Ihnen das keinen Spaß macht. Der Eintrittspreis ist zwanzig Dollar für jedes Paar. Hier, da sind zwei Karten für Sie.«

»Um auf Ihre Bilder zurückzukommen«, sagte Qwilleran, »es interessiert mich, warum Sie sich auf Kinder spezialisiert haben. Warum nicht Landschaften?«

»Ich finde, Sie sollten in Ihrer Kolumne über den Ball berichten«, sagte Halapay. »Es ist das größte Ereignis des Jahres im Club. Ich habe den Vorsitz, und meine Frau ist sehr fotogen. Mögen Sie Kunst? Jeder, der mit Kunst zu tun hat, wird dort sein.«

»Einschließlich George Bonifield Mountclemens HL, nehme ich an«, sagte Qwilleran in einem Ton, der scherzhaft sein sollte.