Die Rückkehr der Nautilus: Operation Nautilus – Zwölfter Roman - Wolfgang Hohlbein - E-Book

Die Rückkehr der Nautilus: Operation Nautilus – Zwölfter Roman E-Book

Wolfgang Hohlbein

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Beschreibung

Mit Karacho durch die Zeit: der Abenteuer-Roman »Die Rückkehr der Nautilus« von Wolfgang Hohlbein jetzt als eBook bei jumpbooks. Ein Torpedo rast in atemberaubender Geschwindigkeit auf ein vollbesetztes Passagierschiff zu. Um die Menschen an Bord zu retten, steuern sich die Freunde von der NAUTILUS in letzter Sekunde in die Schussbahn. Schwer getroffen sinkt das U-Boot auf den Meeresgrund – und viele Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit: Ist eine Zeitreisemaschine der alten Atlanter schuld daran? Für Mike und seine Freunde beginnt eine abenteuerliche Reise durch alle Zeitalter der Erde … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das zwölfte Abenteuer aus Wolfgang Hohlbeins »Operation Nautilus«-Reihe für Leser ab 8 Jahren erlebt ihr »Die Rückkehr der Nautilus« hautnah mit. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

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Seitenzahl: 413

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Über dieses Buch:

Ein Torpedo rast in atemberaubender Geschwindigkeit auf ein vollbesetztes Passagierschiff zu. Um die Menschen an Bord zu retten, steuern sich die Freunde von der NAUTILUS in letzter Sekunde in die Schussbahn. Schwer getroffen sinkt das U-Boot auf den Meeresgrund – und viele Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit: Ist eine Zeitreisemaschine der alten Atlanter schuld daran? Für Mike und seine Freunde beginnt eine abenteuerliche Reise durch alle Zeitalter der Erde …

Über den Autor:

Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist Deutschlands erfolgreichster Fantasy-Autor. Der Durchbruch gelang ihm 1983 mit dem preisgekrönten Jugendbuch MÄRCHENMOND. Inzwischen hat er 150 Bestseller mit einer Gesamtauflage von über 44 Millionen Büchern verfasst. 2012 erhielt er den internationalen Literaturpreis NUX.

Der Autor im Internet: www.hohlbein.de

Die Romane der Operation-Nautilus-Reihe:

Die vergessene Insel – Erster Roman

Das Mädchen von Atlantis – Zweiter Roman

Die Herren der Tiefe – Dritter Roman

Im Tal der Giganten – Vierter Roman

Das Meeresfeuer – Fünfter Roman

Die schwarze Bruderschaft – Sechster Roman

Die steinerne Pest – Siebter Roman

Die grauen Wächter – Achter Roman

Die Stadt der Verlorenen – Neunter Roman

Die Insel der Vulkane – Zehnter Roman

Die Stadt unter dem Eis – Elfter Roman

Die Rückkehr der Nautilus – Zwölfter Roman

Bei jumpbooks erscheint von Wolfgang Hohlbein außerdem: Der weiße Ritter – Erster Roman: Wolfsnebel Der weiße Ritter – Zweiter Roman: Schattentanz Nach dem großen Feuer

Teufelchen Schandmäulchens Abenteuer

Ithaka Der Drachentöter

Saint Nick – Der Tag, an dem der Weihnachtsmann durchdrehte

NORG – Erster Roman: Im verbotenen Land

NORG – Zweiter Roman: Im Tal des Ungeheuers

***

eBook-Neuausgabe Dezember 2018

Copyright © der Originalausgabe 2002 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2018 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Computer Earth, camilkuo

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)

ISBN 978-3-96053-259-0

***

Damit der Lesespaß sofort weitergeht, empfehlen wir dir gern weitere Bücher aus unserem Programm. Schick einfach eine eMail mit dem Stichwort Operation Nautilus 12 an: [email protected] (Wir nutzen deine an uns übermittelten Daten nur, um deine Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

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Wolfgang Hohlbein

Die Rückkehr der Nautilus

Operation Nautilus – Zwölfter Roman

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Weißt du, was komisch ist?, flüsterte Astaroths lautlose Stimme direkt in Mikes Gedanken hinein.

»Ja«, antwortete Mike laut – obwohl es gar nicht notwendig gewesen wäre. Der einäugige Meerkater war durchaus in der Lage, auch eine Antwort zu verstehen, die nicht laut ausgesprochen, sondern nur gedacht wurde. Aber in Gedanken wäre es Mike schwer gefallen, seiner Stimme einen so verärgerten Unterton zu verleihen. »Dass wir hier auf einem der größten Unterseeboote der Welt sind, wenn nicht dem größten überhaupt, und es trotzdem unmöglich zu sein scheint, auch nur eine einzige Minute allein zu sein. Das finde ich komisch.«

Trautman, antwortete Astaroth ungerührt – was Mike nicht überraschte, denn das war genau Astaroths Art. Nicht nur in diesem Punkt ähnelte der Kater seinen an Land lebenden Brüdern und Schwestern: Was er nicht hören oder sehen wollte, das hörte und sah er auch nicht.

»Trautman?«, wiederholte Mike, während er widerwillig die Augen öffnete. Augenblicklich verflog sein Ärger auf Astaroth, als er in die smaragdfarbene Unendlichkeit auf der anderen Seite des Bullauges hinaussah, die nichts anderes als das Meer dreißig Meter unter der Oberfläche war, unter der die NAUTILUS schnell wie ein Pfeil dahinschoss.

Hier unten war von dem rasenden Tempo, mit dem sich die NAUTILUS seit vier Tagen bewegte, nichts zu bemerken. Das Meer schien vollkommen reglos vor dem mannshohen Bullauge aus fünf Zentimetern dickem Quarzglas zu liegen und abgesehen von einem ganz sachten Vibrieren der eisernen Bodenplatten war es hier vollkommen still. Mike kam gerne hier herauf in den Turm der NAUTILUS. Der Anblick der schweigenden Ewigkeit dort draußen übte eine ungemein beruhigende Wirkung auf ihn aus und erfüllte ihn mit einem Gefühl des Friedens, das er in letzter Zeit schmerzlich vermisst hatte.

Das ist unhöflich, wisperte Astaroths Stimme in seinen Gedanken.

Mike resignierte. Auch das war etwas, worin Astaroth seinen irdischen Verwandten mehr ähnelte, als er selbst zugab: Wenn sich der Kater einmal in den Kopf gesetzt hatte, etwas zu tun, dann tat er es. »Was ist unhöflich?«, seufzte Mike.

An etwas anderes zu denken, wenn ein Freund kommt, um ein ernsthaftes Gespräch zu führen, antwortete Astaroth.

»Freund?« Mike riss seinen Blick endgültig von dem Bild vor sich los und sah stirnrunzelnd auf den einäugigen schwarzen Meerkater hinab. Astaroth glich auf den ersten Blick tatsächlich einer ganz normalen, irdischen Katze, wenn auch einem reichlich zerrupften Exemplar dieser Gattung – er hatte nur noch ein Auge, das linke Ohr sah aus wie angefressen und überall unter seinem schwarzen Fell waren die Spuren überstandener Kämpfe und Raufereien zu sehen. Aber Astaroth war alles andere als ein »ganz normaler« Kater. Er war überhaupt kein Kater. Um ehrlich zu sein, niemand an Bord – Serena eingeschlossen – wusste, was Astaroth wirklich war.

»Freund?«, fragte Mike noch einmal. Er schüttelte den Kopf. »Ein Freund stört seine Freunde nicht, wenn sie allein sein wollen, du Mäuseschreck.«

Irgendwie brachte Astaroth das Kunststück fertig, einen beleidigten Ausdruck auf sein Katzengesicht zu zaubern. Mike resignierte endgültig.

»Also gut«, seufzte Mike. »Was wolltest du mir über Trautman erzählen?«

Nur, wenn du ein Geheimnis für dich behalten kannst, sagte Astaroth.

»Ich schon«, antwortete Mike betont. »Schließlich schnüffle ich ja auch nicht ständig in fremden Gedanken herum.«

Astaroth blinzelte ihn aus seinem einen Auge an, aber das war auch der einzige Hinweis darauf, dass er den Seitenhieb verstanden hatte.

Es geht um seinen Sohn, antwortete er, um Thomas.

»Und?«, fragte Mike. »Verdammt, Astaroth, lass dir nicht jedes einzelne Wort aus der Nase ziehen! Du bist hierher gekommen, um mit mir zu reden. Also rede endlich!«

Astaroth wich mit gespieltem Erschrecken ein paar Schritte vor Mike zurück und augenblicklich meldete sich dessen schlechtes Gewissen.

Es war nicht das erste Mal, dass er sich selbst dabei ertappte, ungewohnt gereizt und aggressiv zu sein. Das war auch der Grund gewesen, aus dem er an diesem Morgen hier heraufgekommen war.

»Entschuldige«, sagte er. »Also: Was ist komisch an Trautman und seinem Sohn?«

Astaroth wäre nicht Astaroth gewesen, wenn er nicht einige Augenblicke lang beleidigt geschmollt hätte. Aber schließlich antwortete er doch: Wie lange sind wir jetzt zusammen? Über fünf Jahre, nicht wahr?

»Ja«, bestätigte Mike. Er runzelte die Stirn. »Warum?«

Oh, ich meine ja nur, antwortete Astaroth. Also, ich weiß ja nicht, wie ihr Menschen mit eurer Brut umgeht –

»Kinder«, verbesserte ihn Mike. »Wir Menschen nennen unsere Brut im Allgemeinen Kinder, weißt du?«

Nicht alle, antwortete Astaroth schnippisch. Du wärst überrascht, was manche von euch von euren ... Kindern halten. Aber das ist jetzt egal. Eines finde ich aber sonderbar. Keiner von uns hat bisher gewusst, dass er überhaupt einen Sohn hat. Ist es bei euch normal, niemals über eure Kinder zu sprechen?

»Eigentlich nicht«, gestand Mike. »Aber du hast Thomas kennen gelernt. Ich glaube nicht, dass Trautman sehr stolz auf seinen Sohn ist.«

Ich an seiner Stelle wäre das auch nicht, bestätigte Astaroth. Aber komisch ist es trotzdem. Weißt du, dass er in den ganzen Jahren nicht ein einziges Mal an ihn gedacht hat?

»Würdest du das, bei so einem missratenen Sohn?«, fragte Mike.

Du verstehst mich nicht, beharrte Astaroth mit typisch kätzischer Sturheit. Ich meine: kein einziges Mal. Er hat in fünf Jahren nicht einmal an seinen Sohn gedacht. Wenn es nicht so komisch klingen würde, dann könnte man fast glauben, dass er vor ein paar Tagen noch gar nicht gewusst hat, dass es ihn gibt.

»Was für ein Unsinn!«, sagte Mike laut und hinter ihm fragte eine Stimme:

»Was ist Unsinn?«

Mike fuhr zusammen und drehte sich so hastig herum, dass Astaroth einen Satz zur Seite machte und mit einem verärgerten Fauchen ein paar Schritte davonlief. Serena war in den Turm gekommen und wie üblich hatte sie sich so leise bewegt, dass selbst Astaroth darauf neidisch gewesen wäre. Wie immer in letzter Zeit, wenn er Serena sah, machte Mikes Herz einen erfreuten Sprung und schlug ein wenig schneller und aufgeregter weiter. Aber zugleich war es ihm auch fast unangenehm, sie so urplötzlich hinter sich auftauchen zu sehen. Er fragte sich, wie viel von seinem einseitigen Gespräch mit Astaroth Serena mitbekommen hatte.

»Äh ... nichts«, antwortete er verwirrt. »Astaroth und ich haben ... haben über Mäusejagd gesprochen.«

Mäusejagd?, fragte Astaroth fast entsetzt.

Wäre es dir lieber, wenn ich Serena erzähle, dass du in Trautmans Gedanken herumschnüffelst?, gab Mike auf dieselbe, lautlose Weise zurück.

Astaroth war klug genug, nicht darauf zu antworten. Er bedachte Mike nur mit einem letzten, vorwurfsvollen Blick und trollte sich dann. Serena sah ihm stirnrunzelnd nach, während er zwischen ihren Beinen hindurchflitzte und die eiserne Wendeltreppe hinunterpolterte. Erst dann drehte sie sich kopfschüttelnd wieder zu Mike herum und sagte noch einmal: »Mäuse. Dreißig Meter unter dem Meer.«

»Die ... die gibt es«, behauptete Mike. »Ich wundere mich, dass du noch nie davon gehört hast. Wassermäuse. Sie sind wie Wasserratten, weißt du, nur viel kleiner.«

Serena grinste. »Schon gut. Wenn du es mir nicht verraten willst, ist das in Ordnung. Ich weiß schon, dass ihr Männer eure kleinen Geheimnisse habt«

Mike hob nur die Schultern; die klügste Antwort, die ihm im Moment einfiel. Er wollte weder Astaroth in Verlegenheit bringen noch sich den Rest von guter Laune auch noch vermiesen, der ihm geblieben war.

Jetzt müsstest du auf Serena eigentlich auch schlecht zu sprechen sein, erklang Astaroths Stimme in seinen Gedanken. Immerhin stört sie dich ja auch in deiner Meditation. Aber bei deinem Prinzesschen ist das natürlich was anderes, nicht wahr?

»Ach, halt die Klappe!«, maulte Mike.

Serena blinzelte. »Wie?«

»Das ... das galt nicht dir!«, sagte Mike hastig. »Ich war ... nur in Gedanken.«

»Ach so.« Serena warf einen kurzen Blick in die Richtung, in der Astaroth verschwunden war, zuckte mit den Schultern und zwang dann ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Trautman möchte, dass wir alle in einer halben Stunde im Salon sind.« Sie sah auf die Uhr und verbesserte sich. »In zwanzig Minuten.«

»Warum?«

»Ich weiß es nicht.« Serena hob die Schultern. »Aber es scheint wohl wichtig zu sein.«

So wie in letzter Zeit ja alles ungeheuer wichtig und dringend ist, dachte Mike griesgrämig. Seit sie die Gewässer um Grönland verlassen hatten, herrschte an Bord des gewaltigen Unterseebootes nicht nur Hektik und Aufregung, sondern auch eine Spannung, die sich auf die Stimmung der gesamten Besatzung auswirkte. Mike hatte sich allein in den letzten beiden Tagen dreimal mit Ben gestritten; nicht die kaum ernst gemeinten kleinen Sticheleien, wie sie seit dem ersten Tag zwischen ihnen üblich waren, sondern ernsthafte Auseinandersetzungen, die um ein Haar in eine handfeste Rauferei ausgeartet wären, hätte sich Singh nicht eingemischt und die Kampfhähne getrennt. Mike konnte nicht einmal mehr sagen, worum es gegangen war.

Statt jedoch irgendetwas davon auszusprechen, hob er nur die Schultern und drehte sich wieder zu dem großen Bullauge um. Es hatte schließlich keinen Zweck, Serena auch noch die Laune zu verderben. »Dann haben wir ja noch ein wenig Zeit«, sagte er.

»Ja.« Serena zögerte einen Moment, aber dann trat sie neben ihn, hakte sich bei ihm unter und lehnte den Kopf an seine Schulter.

Mike konnte gerade noch ein erschrockenes Zusammenzucken unterdrücken, sodass Serena nichts bemerkte, sondern sich noch enger an ihn schmiegte und für einen Moment die Augen schloss. »Es ist schön hier, nicht wahr?«, fragte sie. »Ich kann verstehen, dass du so gerne hier bist.«

»Es ist so friedlich«, bestätigte Mike. »Man kann fast vergessen, wo man ist«

»Weißt du es denn?« Serena nahm den Kopf von seiner Schulter, um ihm ins Gesicht zu sehen. »Ich habe nämlich nicht die geringste Ahnung.« Sie zuckte mit den Achseln. »Und die anderen auch nicht – außer Trautman vielleicht. Und der schweigt wie ein Grab.«

»Ben meint, er wüsste es auch nicht, und fährt seit einer Woche Zickzack, damit wir es nicht merken«, bestätigte Mike, innerlich froh, dass Serena ihm diese goldene Brücke gebaut hatte, um auf ein unverfänglicheres Thema zu kommen. »Vielleicht hat er ja sogar Recht.«

»Meinst du?« Serena löste sich endgültig aus seiner Umarmung und zögerte, gerade lang genug, um ihm die Gelegenheit zu geben, erneut den Arm um sie zu legen. Als er es nicht tat, trat sie an das zweite der beiden riesigen Bullaugen, die dem Turm der NAUTILUS von außen das Aussehen eines glotzäugigen Ungeheuers verliehen. Sie sah nach draußen, als sie weitersprach, und das schwache dunkelgrüne Licht, das sich auf ihrem Gesicht spiegelte, ließ sie noch exotischer und geheimnisvoller aussehen. Es fiel Mike für einen Moment schwer, sich bei diesem Anblick auf ihr Gespräch zu konzentrieren.

»Hast du schon einmal darüber nachgedacht, was wir tun sollen, wenn wir Trautmans Sohn und die WOTAN wirklich einholen?«

»Ununterbrochen«, antwortete Mike – und damit war seine gute Laune endgültig dahin. Es war praktisch keine Stunde vergangen, in der er sich diese Frage nicht mindestens einmal gestellt hatte – wie vermutlich jedermann an Bord – und zu keinem Ergebnis gekommen war.

»Gehen wir nach unten«, schlug er vor. »Die anderen warten bestimmt schon auf uns.«

Serena drehte sich zu ihm herum. Sie sah eindeutig enttäuscht drein und setzte zu einer Antwort an (die Mike ganz bestimmt nicht gefallen würde), aber er gab ihr keine Gelegenheit dazu, sondern drehte sich mit einem Ruck herum und lief die gewendelte Metalltreppe hinunter, so schnell er konnte.

Sie waren tatsächlich die Letzten, die im Salon eintrafen – abgesehen von Trautman selbst, der pünktlich auf die Sekunde erschien. Er wirkte übernächtigt und nervös, aber das war ein Anblick, an den sich Mike und die anderen im Laufe der zurückliegenden beiden Wochen bereits gewöhnt hatten. Seit sie Grönland verlassen und die Suche nach dem Schwesterschiff der NAUTILUS aufgenommen hatten, schien Trautman jeden Tag unruhiger zu werden – und einsilbiger. Seit einer Woche hatte Mike zusammengenommen wohl kaum mehr als drei Sätze mit ihm gewechselt.

Auch jetzt benahm er sich nicht wie der Trautman, den sie alle seit fünf Jahren kannten. Er marschierte mit steinernem Gesicht herein, sah jeden Einzelnen kurz an und nahm dann am Kopfende des großen Tisches Platz. Mike tauschte einen fragenden Blick mit Ben, erntete aber nur ein hilfloses Achselzucken, und als er Singh ansah, wandte der Inder rasch den Kopf zur Seite. Auch Juan und Chris sahen so verwirrt und beunruhigt drein, wie auch Mike sich fühlte. Nur ein einziges Besatzungsmitglied fehlte jetzt noch, doch als wäre dieser Gedanke ein Stichwort gewesen (wahrscheinlich war er das, im wortwörtlichen Sinne), kam Astaroth in diesem Moment herein, sprang mit einem Satz auf den Tisch und rollte sich unmittelbar vor Trautman zusammen. Der alte deutsche Seemann streckte die Hand aus und begann Astaroth hinter den Ohren zu kraulen, woraufhin der Meerkater sein einziges verbliebenes Auge schloss und lautstark zu schnurren begann. Auch das war ungewöhnlich. Trautman mochte Astaroth sehr, aber er war der Meinung, dass Katzen nichts auf dem Tisch zu suchen hatten.

»Schön, dass ihr alle gekommen seid«, begann Trautman. Ben machte ein Gesicht, als hätte er in einen saftigen Apfel gebissen und zu spät bemerkt, dass ein Wurm mitsamt seiner Familie darin eingezogen war.

»Ich hatte gerade nichts Besseres vor, wissen Sie?«, sagte er. »Aber es ist trotzdem gut, dass Sie uns Bescheid gegeben haben. Ich hätte mich sonst möglicherweise verlaufen.«

Mike warf Ben einen strafenden Blick zu, aber er konnte ihn durchaus verstehen. Dass Trautman sie zu einer Versammlung einlud, war nicht nur ungewöhnlich, sondern auch gänzlich überflüssig. Mit ihren guten hundert Metern Länge war die NAUTILUS zwar ein gewaltiges Schiff, aber doch noch lange nicht so groß, dass man einen Termin vereinbaren musste, um sie alle zusammen an einen Tisch zu bekommen. Aber vielleicht war es gerade das, was Mike so beunruhigte, denn es machte ihm auch klar, wie ernst das war, was Trautman ihnen mitzuteilen hatte.

Dieser ignorierte Bens spitze Bemerkung auch und legte nur eine kleine Pause ein, in der er wieder einen nach dem anderen mit diesem sonderbaren Blick maß. Dann fuhr er fort: »Ich möchte noch einmal kurz zusammenfassen, was in den vergangenen zwei Wochen geschehen ist.«

»Nur für den Fall, dass es einer von uns nicht mitbekommen hat«, knurrte Ben.

Trautman ignorierte ihn weiter. »Wir sind vor mittlerweile fünfzehn Tagen von der grönländischen Küste ausgelaufen um die WOTAN zu suchen, das Schwesterschiff der NAUTILUS. Es ähnelt diesem Schiff zum Verwechseln, was kein Wunder ist –«

»– weil es aus derselben Werft stammt und von den Bewohnern des untergegangenen Atlantis gebaut wurde«, fiel ihm Ben ins Wort. »Warum erzählen Sie uns etwas, das wir alle ganz genau wissen?«

»Weil es da ein paar Dinge gibt, die ihr noch nicht wisst«, antwortete Trautman ernst.

»Sie meinen, Sie haben uns wieder einmal etwas verschwiegen«, knurrte Ben. »Allmählich wird das zu einer schlechten Angewohnheit. Ich dachte, wir vertrauen einander.«

»Ben!«, sagte Mike scharf, aber Trautman hob rasch die Hand und machte eine besänftigende Geste.

»Lass ihn, Mike. Er hat Recht. Es gibt ein paar Dinge, die ich euch nicht gesagt habe, aber ich hatte gute Gründe dafür.«

»Es hat mit Ihrem Sohn zu tun«, vermutete Chris.

Von dessen Existenz er vor zwei Wochen anscheinend noch gar nichts gewusst hat, fügte Mike in Gedanken hinzu. Astaroth öffnete träge das Auge und sah ihn durchdringend an und Trautman nickte.

»Manchmal gibt es Dinge, die man nicht wahrhaben will«, sagte er traurig. »Auch wenn man im Grunde ganz genau weiß, dass es so ist.«

»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Ben. Sein Ton war ein wenig freundlicher geworden.

»Mir ist nicht ganz klar, was Thomas jetzt vorhat«, antwortete Trautman. »Er spielt seit zwei Wochen Katz und Maus mit uns, und wenn er sich mit der WOTAN auch nur halb so gut auskennt wie wir mit der NAUTILUS, dann kann er dieses Spielchen auch noch eine ganze Weile weitertreiben.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte Serena. »Ich dachte, die Lemuren hätten die NAUTILUS gründlich überholt, sodass sie jetzt viel schneller und leistungsfähiger ist als vorher. Wieso können wir die WOTAN dann nicht einholen?«

»Schnelligkeit allein nutzt nichts, wenn man nicht weiß, wo man zu suchen hat«, antwortete Trautman. »Du hast vollkommen Recht: Die NAUTILUS ist mindestens doppelt so schnell wie die WOTAN, sie kann tiefer tauchen, ist manövrierfähiger und was all die anderen Apparate noch können, die unsere Freunde aus Lemuria eingebaut haben, das wage ich mir kaum vorzustellen. Aber der Ozean ist gigantisch und ich habe nicht die geringste Ahnung, wo wir suchen sollen. Thomas kann sich noch Monate vor uns verstecken, wenn er will.« Er seufzte. »Trotzdem werden wir ihn irgendwann kriegen.«

»Wieso?«, fragte Ben.

»Weil es noch einen Unterschied zwischen der WOTAN und der NAUTILUS gibt«, sagte Trautman. »Einen sehr wichtigen. Die NAUTILUS ist in der Lage, jahrelang auf See zu bleiben, wenn es sein muss. Die WOTAN kann das nicht. Sie muss irgendwann zu ihrer Basis zurückkehren, um aufzutanken, die Batterien aufzuladen, Lebensmittel zu bunkern ...« Er machte eine flatternde Handbewegung, wohl um anzudeuten, dass er diese Aufzählung noch beliebig lange fortsetzen könnte. Sie wussten alle, was er damit meinte.

Und offensichtlich war Mike auch nicht der Einzige, dem der Fehler in Trautmans Argumentation auffiel, denn Ben fragte: »Woher wissen Sie das?«

»Ich ... habe mit Thomas gesprochen, als er mich im Lazarett besucht hat«, antwortete Trautman. Die Worte klangen nicht besonders überzeugend, fand Mike, und Trautman wirkte plötzlich wieder sehr nervös. »Außerdem ist die WOTAN praktisch ein eineiiger Zwilling der NAUTILUS. Sie kommt aus derselben Werft. Und ich weiß, wozu die NAUTILUS fähig war, bevor wir angefangen haben, an ihr herumzubasteln – und vor allem, wo ihre Grenzen waren.« Er schüttelte entschieden den Kopf. »In spätestens zwei oder drei Monaten muss er seinen Heimathafen anlaufen.«

»Aber der existiert doch gar nicht mehr«, sagte Juan. »Wir haben ihn zerstört.«

»Eben«, sagte Ben. »Dann müssen wir nur drei Monate warten und er ist erledigt.«

»Ich fürchte, so einfach ist das nicht«, seufzte Trautman. »Thomas ist nicht dumm. Er ist vielleicht gewissenlos, aber er ist kein Dummkopf.«

»Und was genau bedeutet das?«, fragte Serena.

»Er wird sich irgendwo neue Verbündete suchen«, sagte Trautman leise. »Ein neuer Heimathafen. Ingenieure, Techniker ...«

»Niemand kann ein Schiff wie die WOTAN warten«, sagte Ben. »Die Technik der alten Atlanter ist der jedes Landes auf dieser Welt um Jahrhunderte voraus.«

»Ich weiß«, murmelte Trautman. »Und es herrscht Krieg.«

Serena zog erschrocken die Luft ein. »Sie meinen –?«

»Ich meine«, sagte Trautman, »dass Thomas bis zum letzten Moment versuchen wird, eine andere Lösung zu finden. Es gibt noch andere Stationen der Atlanter. Die unterseeische Kuppel, in der wir Serena gefunden haben, und der Eishafen auf Grönland waren nicht die einzigen.«

»Aber Thomas weiß nicht, wo sie sind und wo er nach ihnen suchen soll«, sagte Chris.

»Wie gesagt – er wird bis zum letzten Moment versuchen, seine Unabhängigkeit zu bewahren«, fuhr Trautman fort »Aber bevor er aufgibt und die WOTAN versenkt, wird er versuchen, neue Verbündete zu finden. Thomas kennt die WOTAN sicher nicht so gut wie ich die NAUTILUS, aber er weiß genau, dass dieses Schiff allein in der Lage ist, den Krieg zu entscheiden.«

»Die Deutschen«, hauchte Ben entsetzt.

»Das Kaiserreich, ja«, sagte Trautman düster. »Im Moment kämpft die deutsche Kriegsmarine verzweifelt um die Vorherrschaft auf dem Meer, aber sie werden Seemeile für Seemeile zurückgedrängt. Der Moment ist abzusehen, an dem sie endgültig geschlagen werden.«

»Warum erzählen Sie uns das?«, fragte Ben misstrauisch. »Wir waren übereingekommen, uns aus dem Krieg herauszuhalten, wenn ich mich richtig erinnere.«

»Wir«, bestätigte Trautman. »Thomas leider nicht. Und ich fürchte, er hat sich bereits eingemischt.« Er machte eine Kopfbewegung auf die geschlossene Irisblende vor dem Bullauge, das fast eine ganze Wand des großen Raumes einnahm. »Du hast leider Recht, Ben. Ich habe euch etwas verschwiegen. Ich habe in den letzten beiden Wochen sehr aufmerksam den Funkverkehr abgehört. Eine Anzahl britischer und französischer Frachtschiffe ist versenkt worden. Angeblich von einem geheimnisvollen Unterseeboot, das blitzschnell auftaucht und zuschlägt und wieder verschwindet, bevor Besatzung und Kapitän auch nur richtig begreifen, wie ihnen geschieht.«

»Die WOTAN«, vermutete Chris.

Trautman nickte. »Bisher hat er noch keine Kriegs- oder Passagierschiffe angegriffen und gottlob sind noch keine Menschenleben zu beklagen. Aber wenn er tatsächlich gezwungen sein sollte, mit dem Kaiserreich zu kooperieren, dann hat er bereits bewiesen, auf welcher Seite er steht.«

»Und was geht uns das an?«, fragte Ben. »Sie haben es selbst gesagt: Dieser Krieg ist nicht unser Problem.«

»Ist er doch, Klotzkopf«, sagte Chris unfreundlich. »Thomas hat ihn dazu gemacht, weißt du?«

Bens Augen wurden schmal. »Was können wir denn dafür, wenn dieser Irre Amok läuft?«, schnappte er. Dann fuhr er zusammen und warf einen fast schuldbewussten Blick zu Trautman hin. Immerhin war der Irre, von dem er sprach, Trautmans Sohn.

Aber Trautman war nicht beleidigt. »Ich fürchte, eine ganze Menge, Ben«, sagte er. »Indem wir seine Heimatbasis zerstört haben, haben wir ihm praktisch keine andere Wahl mehr gelassen, als sich neue Verbündete zu suchen. Du kannst nicht ernsthaft erwarten, dass ich die Hände in den Schoß lege und zusehe, wie Thomas mit Hilfe der WOTAN die Weltgeschichte verändert.«

»Also müssen wir ihn finden«, sagte Serena.

»Nein«, widersprach Trautman. »Nicht wir.« Er atmete hörbar ein und sein Gesicht verdüsterte sich. »Ich.«

»Was soll das heißen?« Ben richtete sich kerzengerade auf.

»Ich werde Thomas und die WOTAN suchen«, sagte Trautman. »Ich bin sicher, dass ich ihn früher oder später finde. Aber ich bin auch ebenso sicher, dass er nicht so einfach aufgeben wird. Möglicherweise ...« Er schwieg einen Moment und in seinen Augen erschien ein Ausdruck, der Mike einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ. Als er weitersprach, zitterte seine Stimme. »Wenn es sein muss, werde ich die WOTAN versenken. Aber Thomas wird nicht kampflos aufgeben und sein Schiff ist der NAUTILUS durchaus gewachsen. Es wird gefährlich. Lebensgefährlich vielleicht Ich kann und will euch dieser Gefahr nicht aussetzen.« Er wiederholte seine Geste zum Fenster. »Wir sind auf dem Weg zur indischen Südküste. Ihr werdet dort von Bord gehen.«

»Wie bitte?«, murmelte Juan.

»Kommt gar nicht in Frage!«, sagte Ben.

»Wieso denn Indien?«, wollte Chris wissen.

»Weil ihr dort in Sicherheit seid«, antwortete Trautman mit einer Geste auf Mike. »Mikes Familie lebt dort und sie ist nach wie vor sehr einflussreich und angesehen. Ich habe zusammen mit Singh bereits alle notwendigen Vorbereitungen getroffen. Ihr werdet an der Küste abgeholt und an einen sicheren Ort gebracht Wenn alles vorbei ist, hole ich euch wieder ab – wenn ihr es wollt«

»Und wenn nicht, bleiben wir eben da, wie?«, fragte Ben wütend. »Ich wollte meinen Lebensabend nicht als Guru beschließen oder als Elefantendompteur.«

»Bitte hör mit diesem Unsinn auf«, sagte Juan leise. »Dazu ist das Thema zu ernst«

»Ach, wie schön, dass Majestät das auch schon merkt«, giftete Ben. »Ich meine es nämlich auch verdammt ernst, weißt du?« Er sprang so heftig auf, dass Astaroth erschrocken den Kopf hob und fauchte. »Wie kommen Sie überhaupt auf die Idee, über uns zu entscheiden, Trautman? Ich dachte, wir wären hier alle gleichberechtigt? Ich denke nicht daran, mich so einfach abschieben zu lassen!«

»Bitte setz dich wieder, Ben«, sagte Trautman ruhig. »Ich habe mir meine Entscheidung gründlich überlegt. Ich kann verstehen, dass ihr bei mir bleiben wollt, aber es wäre viel zu gefährlich. Die NAUTILUS könnte zerstört werden. Ihr alle könntet sterben.«

»So wie Sie«, sagte Mike.

Trautman schüttelte kurz den Kopf. »Ich werde alles tun, um Thomas zur Vernunft zu bringen, und ich bin fast sicher, dass es mir gelingt Aber falls nicht, bin ich auch zum Äußersten bereit Der Schaden, den Thomas mit der WOTAN anrichten kann, ist unermesslich. Ich muss ihn aufhalten. Aber ich werde nicht eure Leben dabei riskieren.«

»Weil Sie glauben, dass es so etwas wie eine Familienangelegenheit ist«, vermutete Serena.

»Immerhin ist er mein Sohn.«

»Aber deshalb sind Sie doch nicht für das verantwortlich, was er tut!«, widersprach Serena. »Genauso gut könnte ich mich verantwortlich fühlen! Immerhin hat mein Volk die WOTAN und die NAUTILUS gebaut!«

»Vor zehntausend Jahren«, sagte Trautman, aber dieses Argument ließ Serena nicht gelten: Sie machte eine ärgerliche Handbewegung, als wolle sie es buchstäblich vom Tisch fegen.

»Und wo ist der Unterschied?«

»Es ist ein gewaltiger Unterschied, Serena«, sagte Trautman ruhig. »Thomas ist mein Sohn. Ich fühle mich für das verantwortlich, was er tut. Er hat schon unermesslichen Schaden angerichtet und ich werde nicht zulassen, dass noch mehr geschieht. Meine Entscheidung steht fest, punktum. Ich werde nicht darüber diskutieren.«

»Sie allein hätten keine Chance gegen die WOTAN!«, behauptete Ben. »Sie brauchen eine Besatzung, wenn es wirklich zum Kampf kommt.«

»Singh wird bei mir bleiben«, antwortete Trautman. »Die NAUTILUS ist so konstruiert, dass sie zur Not von einem einzigen Menschen gesteuert werden kann – muss ich euch das wirklich noch erklären? Singh und ich sind mehr als genug.«

»Dann scheint ja wohl schon alles festzustehen, wie?«, fragte Ben. Er funkelte Trautman herausfordernd an, und als die erhoffte Reaktion ausblieb, drehte er sich zu Mike herum. »Verdammt, jetzt sag doch auch mal was!«

Mike sah ihn nur traurig an. Er schwieg.

»Ihr wisst jetzt Bescheid«, sagte Trautman nach einer Weile. »Es sind noch sechs Stunden, bis wir den Treffpunkt erreichen. Zeit genug für euch, um eure persönlichen Dinge zusammenzupacken. Nehmt nur mit, was ihr unbedingt braucht. Für Unterkunft und alles andere ist gesorgt.«

»Ich denke ja nicht daran!«, giftete Ben. »Ich bleibe hier und basta. Wenn ihr mich von Bord haben wollt, dann müsst ihr mich schon forttragen.«

Zwei der sechs Stunden, von denen Trautman gesprochen hatte, waren bereits verstrichen. Die NAUTILUS lief noch immer mit voller Kraft nach Süden, aber davon war hier, in Mikes Kabine, nichts zu bemerken. Nur ein leises Summen und ein ganz sachtes Vibrieren des Fußbodens zeugten davon, dass die geheimnisvollen Maschinen der NAUTILUS mit aller Kraft arbeiteten, aber darüber hinaus war es hier unten so still wie in einer Gruft.

Allerdings nicht annähernd so ordentlich.

Die Kajüte sah aus, als hätte eine Bombe darin eingeschlagen. Das Bett war zerwühlt, sämtliche Schubladen und Schränke waren aufgerissen und ihr Inhalt über den Raum verteilt und Mike hockte mit ziemlich unglücklichem Gesichtsausdruck inmitten des Chaos, das er selbst angerichtet hatte, und blickte den Seesack an, in den er das von seinen Habseligkeiten stopfen wollte, was er mitzunehmen gedachte.

Er wusste einfach nicht, was.

Seine Kabine war nicht besonders groß, aber seit er angefangen hatte, seine persönlichen Dinge zu sichten, wurde in ihm das Gefühl immer stärker, dass es ihm im Laufe der letzten fünf Jahre irgendwie gelungen sein musste, eines der grundlegenden Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen.

In seinen Schubladen und Schränken befand sich eindeutig mehr, als eigentlich hineinging.

Trautman hatte gesagt, dass sie nur das mitnehmen sollten, was sie unbedingt brauchten – aber diese Definition galt im Grunde für alles, was er besaß. Sah man von ein paar Kleidungsstücken ab, bestanden seine Habseligkeiten aus den gesammelten Andenken aus fünf Jahren; Kleinigkeiten zumeist, die für einen Außenstehenden kaum von Wert gewesen wären: eine Muschel, die er vom Meeresgrund aufgehoben hatte, fünftausend Meter vom Sonnenlicht entfernt, eine Dinosaurierschuppe aus dem Tal der Giganten, eine unscheinbare rostige Schraube, die aus dem Wrack der TITANIC stammte ... Es waren zahllose Dinge, zahllose Erinnerungen an fünf Jahre voller aufregender und zum Teil lebensgefährlicher Abenteuer, voller Angst und Triumph, voller Entbehrungen und Siege ...

Es wäre sowieso nicht mehr lange gut gegangen, wisperte Astaroths Stimme in seinen Gedanken. Der Meerkater lag zu einem struppigen Ball zusammengerollt auf Mikes Kopfkissen und hatte bisher geschlafen, aber jetzt hatte er das Auge geöffnet und musterte Mike mit einem Ausdruck, den man nur noch als Schadenfreude bezeichnen konnte.

»Wie meinst du das?«, fragte Mike.

Ich glaube, das weißt du ganz genau, antwortete Astaroth.

»Nimm einfach für einen Moment an, ich wäre dumm und wüsste es nicht«, sagte Mike.

Wieso annehmen?

»Astaroth!«

Schon gut, schon gut, sagte der Meerkater. Ich dachte wirklich, du wärst schon von selbst draufgekommen. Oder ist dir noch nicht aufgefallen, dass die Stimmung an Bord in den letzten Monaten immer gereizter wurde?

»Du meinst, weil ich mich ein paar Mal mit Ben gestritten habe?«

Zum Beispiel, antwortete Astaroth. Ihr seid keine Kinder mehr, weißt du?

»Und?«

Ihr werdet langsam erwachsen, fuhr Astaroth fort. Bisher war das alles hier nichts als ein großes Abenteuer für euch. Ein großer Spaß. Aber allmählich werdet ihr älter. Ihr fangt an, das Leben etwas anders zu sehen.

»Quatsch«, widersprach Mike.

Serena, meinte Astaroth.

»Serena? Was soll mit ihr sein?«

Was empfindest du für sie?, wollte Astaroth wissen.

»Sie ... sie ist eine gute Freundin«, antwortete Mike stockend.

Mach dich nicht lächerlich, sagte Astaroth. Sie ist schon lange viel mehr als eine gute Freundin für dich. Du bist in sie verknallt oder wie ihr Menschen das nennt.

»Du hast wieder in meinen Gedanken herumgeschnüffelt«, sagte Mike vorwurfsvoll.

Dazu muss man keine Gedanken lesen, behauptete Astaroth. Man müsste schon blind sein, um es nicht zu merken. Und das bin ich nicht Die anderen übrigens auch nicht

»Was soll das heißen? Du meinst, dass die anderen –«

Es wissen? Aber natürlich. Was hast du denn gedacht, warum Ben in letzter Zeit so sauer ist?

»Ben? Er ist eifersüchtig?« Das kam Mike schlichtweg lächerlich vor.

Irgendwie schon, behauptete Astaroth. Er weiß natürlich, dass er keine Chance bei Serena hätte, aber das macht nichts. Deine Gefühle für Serena machen ihm klar, dass ihr keine Kinder mehr seid, und das will er nicht wahrhaben. So seid ihr Menschen nun mal. Manchmal gehen Dinge zu Ende und das ist auch gut so. Trotzdem wollt ihr es nicht immer akzeptieren.

Mike sah den Kater zutiefst verwirrt an. Er glaubte zwar zu verstehen, was Astaroth meinte, aber nur auf einer rein gefühlsmäßigen Ebene, die sich kaum in Worte fassen ließ.

»Und Serena?«, fragte er.

Was soll mit ihr sein?

»Du hast gesagt, dass es alle gemerkt haben«, antwortete Mike. »Serena auch?«

Glaubst du, sie wäre blind?, gab der Kater zurück.

»Natürlich nicht. Aber was ... ich meine ... wie ...«

Was sie von dir hält? Astaroth klang schon wieder schadenfroh. Er schüttelte tadelnd den Kopf, was bei einem Kater einigermaßen komisch aussah. Du willst doch nicht, dass ich in ihren Gedanken herumschnüffele, oder? So etwas tut man nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, dann waren das deine eigenen Worte.

Bevor Mike etwas darauf erwidern konnte, gellte Alarm durch das Schiff.

Mike sprang so hastig auf, dass er um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte. »Was ist los?«, keuchte er und stolperte zur Tür.

Keine Ahnung, behauptete Astaroth. Aber er strafte sich schon im nächsten Augenblick selbst Lügen, denn als Mike die Tür aufriss und nach links in Richtung auf den Salon zurannte, der gleichzeitig auch die Kommandozentrale des gewaltigen Unterseebootes war, huschte er zwischen seinen Beinen hindurch und flitzte in die entgegengesetzte Richtung davon.

Wir treffen uns oben, erklang seine telepathische Stimme in Mikes Kopf. So viel zu seiner Behauptung, nicht zu wissen, was los war. Mike verschwendete jedoch keinen weiteren Gedanken daran, sondern legte den Rest des Weges so schnell zurück, wie er nur konnte. An der Tür zum Salon stieß er fast mit Ben zusammen, der vollkommen aufgelöst wirkte und außer einer dunkelblauen langen Hose nur einen einzelnen Schuh trug. Mike verzichtete jedoch auf jede entsprechende Frage, wartete voller Ungeduld, bis Ben endlich durch die Tür war, und stürmte hinter ihm in den Salon.

Abgesehen von Serena waren sie die Letzten. Singh und Juan standen hinter den Kontrollen und hantierten mit konzentrierten Gesichtern an den Instrumenten, die durch die Modifikation, die die lemurischen Ingenieure an der NAUTILUS vorgenommen hatten, noch um einiges komplizierter geworden waren, während sich Chris gerade die Kopfhörer des Funkgerätes überstülpte. Trautman lief wie ein Tiger im Käfig im Salon auf und ab und atmete erleichtert auf, als sie hereinkamen.

»Endlich!«, sagte er. »Ben, du hilfst Juan und Singh am Ruder. Wir tauchen auf, aber haltet euch bereit, im Notfall blitzschnell zu tauchen, ob wir an Bord sind oder nicht. Mike, du begleitest mich!«

»Aber –«, begann Ben.

»Wir haben keine Zeit«, unterbrach ihn Trautman. »Singh weiß Bescheid. Er hat das Kommando, bis ich zurück bin!«

»Aber was ist denn los?«, versuchte es Ben noch einmal, doch Trautman antwortete nicht und stürzte so schnell aus dem Salon, dass Mike rennen musste, um nicht den Anschluss zu verlieren. Mike sparte sich die Frage, die Ben gerade zweimal gestellt hatte, obwohl sie ihm ebenfalls auf der Zunge brannte wie allen anderen. Trautman hätte sie nicht beantwortet.

Sie stürmten den Weg zurück, den Mike gerade erst gekommen war, weiter den Gang entlang und die Wendeltreppe hinauf in den Turm. Die NAUTILUS war bereits im Auftauchen begriffen. Vor den großen Bullaugen sank der Wasserspiegel so schnell wie der Inhalt aus einer Flasche, aus der man den Boden herausgeschlagen hatte. Dahinter, auf der linken Seite, war etwas Riesiges, Dunkles zu sehen. Sie tauchten nicht weit entfernt von einem Schiff auf, was Mike erschreckte. Wenn es an Bord der NAUTILUS so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz gab, dann das, niemals in Sichtweite eines anderen Schiffes aufzutauchen. Sie hatten die letzten fünf Jahre nur überstanden, weil niemand von der Existenz des Schiffes wusste. Wenn Trautman trotzdem auftauchen ließ, musste es wirklich einen wichtigen Grund haben. Mikes Herz machte einen erschrockenen Sprung, als ihm eine ganz bestimmte Möglichkeit einfiel, aber noch während er hinter Trautman die steile Metallleiter zum Turmluk hinaufturnte, sah er genauer hin und beruhigte sich wieder. Das Schiff dort draußen war viel zu groß für die WOTAN.

Trautman hatte das obere Ende der Leiter erreicht und hielt sich jetzt nur noch mit einer Hand fest. Mit der anderen drehte er wie wild an dem großen Eisenrad, das das Turmluk verschloss. Er benutzte Schultern und Nacken, um den zentnerschweren Deckel hochzustemmen, und kletterte dann hastig weiter. Dicht hinter ihm krabbelte auch Mike auf den Turm hinaus und spreizte schnell die Beine, um auf dem nassen Metall nicht den Halt zu verlieren. Die NAUTILUS war noch immer nicht ganz aufgetaucht und schwankte wild hin und her.

Trautman marschierte breitbeinig zur Brüstung, lehnte sich schräg dagegen und bildete mit den Händen einen Trichter über dem Mund. »Ahoi, Prince of Cumberland!«, schrie er.

Mike suchte ebenfalls hastig nach Halt, bevor er sich ganz herumdrehte. Das Schiff, dem Trautmans Ruf galt, ragte backbords der NAUTILUS wie eine gewaltige, lotrechte Wand aus grau gestrichenem Stahl in die Höhe und Mike erschrak abermals, als er sah, wie riesig das Schiff im Verhältnis zur NAUTILUS war. Und noch etwas fiel ihm auf: Auf dem Rumpf des gewaltigen Frachtschiffes war zwar die Flagge des britischen Empires zu sehen, aber kein Name.

Über der mindestens fünfundzwanzig Meter über ihnen aufragenden Reling erschien eine Anzahl Gesichter, die erschrocken zu ihnen herabstarrte. Mike konnte sich lebhaft vorstellen, was der Anblick des so jäh aus dem Meer auftauchenden Unterseebootes in den einfachen Matrosen dort oben auslösen musste. Und dabei war die NAUTILUS noch nicht zur Gänze sichtbar. Nur der Turm mit den beiden riesigen halb kugeligen Bullaugen, die gewaltige Heckflosse und der gezackte Stahlkamm, der sich über den gesamten Rumpf zog, war aus dem schäumenden Meer aufgetaucht. Für die Männer dort oben musste es aussehen, als wäre unmittelbar neben ihrem Schiff ein bizarres Tiefseeungeheuer erschienen. Und wahrscheinlich dachten viele von ihnen in diesem Moment genau das.

»Was ist los, Trautman?«, fragte Mike. »Was ist mit diesem Schiff?«

»Jetzt nicht«, antwortete Trautman hastig. Er hob wieder die Hände an den Mund. »Ahoi, Prince of Cumberland! Hier ist die NAUTILUS! Ich muss Ihren Kapitän sprechen! Es ist wirklich wichtig! Sagen Sie ihm, es geht um Leben und Tod!«

Mike fiel erst nach einem Augenblick auf, dass Trautman englisch gesprochen hatte, was auf Grund der britischen Fahne am Bug des Schiffes passte und auch zu dessen Namen. Dennoch verging noch eine geraume Weile, bis eine weitere Gestalt – diesmal in einer dunkelblauen Kapitänsuniform – zwischen den Matrosen hinter der Reling erschien. Sie sagte jedoch nichts, sondern starrte ebenfalls fassungslos zu ihnen herab.

»Bitte kommen Sie an Bord!«, schrie Trautman. »Ich garantiere für Ihre Sicherheit!«

Tatsächlich verging nur noch ein Augenblick, bis ein Fallreep über die Reling der Prince of Cumberland geworfen wurde. Allerdings machten weder der Kapitän noch sonst jemand Anstalten, zu ihnen herunterzuklettern. Trautman fluchte leise, nahm die Hände herunter und trat von der Reling zurück. Mike sog erschrocken die Luft ein, als ihm klar wurde, was Trautman vorhatte.

»Sie wollen doch nicht etwa dort hinauf?«, keuchte er.

»Er wird nicht herunterkommen«, antwortete Trautman. »Ich an seiner Stelle würde es auch nicht tun. Wahrscheinlich sind sie alle halb erstarrt vor Schrecken dort oben.« Er machte eine entsprechende Handbewegung. »Du wartest hier auf mich. Wenn ich in fünf Minuten nicht zurück bin, taucht ihr und bringt euch in Sicherheit.«

»Ich denke ja nicht daran«, antwortete Mike. »Sie gehen nicht allein dort hinauf!«

»Bitte, Mike!«, flehte Trautman. »Wir haben keine Zeit.«

»Dann sollten wir die wenige Zeit, die wir haben, nicht mit Diskussionen verschwenden«, antwortete Mike. »Gehen Sie voraus oder soll ich als Erster hochklettern?«

Trautman setzte zu einer Antwort an, beließ es aber dann bei einem Schulterzucken und eilte ohne ein weiteres Wort an Mike vorbei. Hintereinander kletterten sie vom Turm herab und gingen über das immer noch halb unter Wasser stehende Deck nach vorne, bis sie das Fallreep erreichten. Trautman griff kommentarlos nach der Leiter und stieg vor ihm in die Höhe. Wie schon vorhin musste sich Mike bemühen, um mitzukommen. Trautman brannte die Zeit wirklich auf den Nägeln, wie es aussah.

Oben angekommen, beeilte er sich über die Reling zu steigen und trat rasch an Trautmans Seite. Das Deck hatte sich mittlerweile mit Menschen gefüllt: Mindestens zwei Dutzend Matrosen und drei weitere Offiziere umlagerten Trautman und ihn. Die meisten sahen nach wie vor erschrocken drein, aber Mike entging keineswegs, dass mindestens zwei der Männer bewaffnet waren.

Trautman wandte sich an den Mann in der Kapitänsuniform. Seltsamerweise streckte er ihm nicht die Hand entgegen, sondern salutierte militärisch. Der Kapitän der Prince of Cumberland erwiderte den Gruß nicht.

»Commander McFarlane, nehme ich an?«, fragte Trautman. »Mein Name ist Trautman. Das ist Mike. Wir müssen Sie sprechen. Allein, wenn es möglich ist.«

McFarlane runzelte die Stirn. »Mein Name ist McFarlane«, sagte er im Ton leiser Verblüffung. »Aber woher wissen Sie das? Kennen wir uns? Und was ist das für ein sonderbares Schiff, von dem Sie kommen? So etwas habe ich noch nie gesehen.«

»Allein, Commander«, sagte Trautman noch einmal. »Was ich Ihnen mitzuteilen habe, ist sehr wichtig. Für Sie, Ihr Schiff und Ihre Besatzung. Aber ich glaube nicht, dass Sie das vor Ihrer Mannschaft besprechen wollen.«

McFarlane zögerte sichtlich. Aber schließlich nickte er. »Also gut. Aber Sie werden mir eine Menge Fragen beantworten müssen, Mister Trautman. Und meine Offiziere bleiben hier.«

»Einverstanden«, sagte Trautman.

McFarlane machte eine befehlende Geste. Zwei der drei Offiziere begannen Anweisungen zu brüllen, auf die hin sich die Mannschaft widerwillig zu zerstreuen begann, während der dritte demonstrativ neben seinem Kapitän Aufstellung nahm. Mike erhaschte einen kurzen Blick unter seine Jacke und stellte ohne besondere Überraschung fest, dass der Mann eine Pistole im Gürtel trug.

Es vergingen nur ein paar Augenblicke, bis die Mannschaft den Befehlen der beiden Offiziere Folge geleistet hatte und sich zumindest außer Hörweite zurückgezogen hatte. Mike nutzte die kurze Pause, um sich einen schnellen Überblick über die Prince of Cumberland zu verschaffen. Es war ein sehr großer, sichtlich betagter Frachter, der unter der Flagge der britischen Handelsmarine lief. Alles an Deck wirkte zwar alt, schien aber dennoch in tadellosem Zustand zu sein. Irgendetwas an diesem Schiff kam Mike dennoch sonderbar vor, aber er konnte das Gefühl nicht in Worte fassen. Etwas war hier ... falsch.

»Ihrem Wunsch wurde entsprochen, Kapitän Trautman«, sagte McFarlane, nachdem sich alle Matrosen außer Hörweite zurückgezogen hatten und die beiden anderen Offiziere an seine Seite getreten waren. Sie sprachen kein Wort, maßen Trautman und Mike aber auf dieselbe misstrauische Art wie der andere Offizier und Mike zweifelte auch nicht daran, dass sie ebenso wie dieser bewaffnet waren. »Wenn Sie jetzt also die Güte hätten, zu sagen, wer Sie sind und was es ist, das Sie uns so furchtbar dringend mitteilen müssen?«

»Und was ist das für ein seltsames Schiff?«, fügte einer der Offiziere hinzu. »Ein Unterseeboot?«

»Die NAUTILUS, ja«, bestätigte Trautman. Er wandte sich wieder direkt an McFarlane. »Es tut mir Leid, Commander, aber ich fürchte, für Erklärungen bleibt uns keine Zeit.«

»Wieso nennen Sie mich Commander?«, fragte McFarlane. »Ich bin nur ein einfacher Kapitän der Handelsmarine, kein Militär.«

»Sie müssen sofort Ihren Kurs ändern ... Kapitän«, antwortete Trautman, wobei er das letzte Wort auf eine Weise betonte, die klar machte, was er von McFarlanes Beteuerung hielt. »Auf der Stelle. Kehren Sie um und fahren Sie zurück, so schnell sie können.«

McFarlane tauschte einen bezeichnenden Blick mit einem seiner Offiziere. »Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht ganz, Mister Trautman. Warum sollte ich meinen Kurs ändern? Wir haben einen ziemlich engen Terminplan und –«

»Das ist mir bekannt«, unterbrach ihn Trautman. Er klang nervös. »Aber Sie werden Ihren Termin nicht halten können, wenn Sie weiterfahren. Bitte glauben Sie mir, Commander – Sie bringen sich, Ihr Schiff und Ihre gesamte Crew in Gefahr, wenn Sie Ihrem bisherigen Kurs weiter folgen. Wir haben von einem deutschen Unterseeboot gehört, das sich in diesen Gewässern herumtreibt und Jagd auf britische und französische Schiffe macht«

»Ich fürchte, ich verstehe Sie immer noch nicht, Mister Trautman«, sagte McFarlane. Er runzelte die Stirn. »Trautman – was ist das überhaupt für ein Name. Er klingt ...«

»Deutsch«, sagte Trautman. »Ich bin Deutscher. Aber ich kann Sie beruhigen: Die NAUTILUS ist vollkommen neutral. Wir haben mit diesem irrsinnigen Krieg nichts zu schaffen. Aus diesem Grund sind wir auch hier: Um Sie zu warnen. Wir sind neutral, aber ich kann und will nicht tatenlos zusehen, wie fast hundert unschuldige Matrosen in den sicheren Tod laufen.«

»Sie sind ja verrückt, Trautman«, sagte McFarlane kopfschüttelnd. »Wir sind hier nicht in der Nordsee, sondern keine hundert Meilen von der indischen Südküste entfernt und die Prince of Cumberland ist ein harmloses Frachtschiff, das Saatgut und landwirtschaftliche Maschinen geladen hat.«

»Das ist genau das, was die meisten glauben«, sagte Trautman. »Einschließlich der Mannschaft. Aber Sie, Ihre Offiziere und ich wissen es besser, nicht wahr, Commander? Unter dem Saatgut ist Munition versteckt und Ihre so genannten landwirtschaftlichen Maschinen sind in Wahrheit Tanks und zerlegte Geländewagen für das britische Expeditionskorps in Indien.«

»Was für ein Unsinn«, sagte McFarlane. Einer seiner Offiziere bewegte sich langsam zur Seite, während seine Hand unter die Jacke kroch. Die Bewegung entging weder Trautman noch Mike.

»Und selbst wenn es so wäre«, fuhr McFarlane fort, »warum sollte ich dann wohl auf Ihre Warnung hören? Ich kenne Sie nicht. Ich habe weder von Ihnen noch von Ihrem Schiff jemals gehört. Warum also sollte ich Ihnen glauben?«

»Weil ich hier bin«, antwortete Trautman. Er klang jetzt sehr aufgeregt. »Wenn ich wirklich ein deutscher Spion wäre und die NAUTILUS unter der Flagge des Kaiserreiches laufen würde, was hätte mich dann davon abhalten sollen, Ihr Schiff einfach zu versenken?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete McFarlane. »Aber ich bin sicher, dass Sie es mir gleich sagen werden, Herr Trautman.«

»Dazu ist keine Zeit!«, antwortete Trautman. »So glauben Sie mir doch! Ich verlange nichts Unmögliches von Ihnen! Ändern Sie den Kurs! Fahren Sie nur eine Stunde in die entgegengesetzte Richtung und dann machen Sie meinetwegen wieder kehrt und laufen Ihren ursprünglichen Zielhafen an!«

»Warum sollten wir das tun, Trautman?«, fragte einer der Offiziere. »Um einem deutschen U-Boot vor die Torpedorohre zu laufen, das irgendwo dort draußen wartet?«

»Ich dachte, britische Offiziere wären klüger«, mischte sich Mike ein. »Sehen Sie sich die NAUTILUS doch an! Glauben Sie wirklich, Sie würden noch hier stehen und uns mit diesen absurden Anschuldigungen überhäufen können, wenn wir Sie tatsächlich hätten versenken wollen?«

»Sich die NAUTILUS ansehen?« Der Offizier machte ein nachdenkliches Gesicht. »In der Tat, das ist ein interessanter Vorschlag. Vielleicht sollten wir genau das tun.«

»Dazu bleibt uns keine Zeit«, sagte Trautman. »Verstehen Sie doch! Wir müssen –«

McFarlane hob die Hand und zwei seiner Offiziere zogen gleichzeitig die Pistolen und richteten sie auf Trautman. »Ich fürchte, ich muss Sie bitten, bei uns zu bleiben, Herr Trautman«, sagte er. »Zumindest so lange, bis Ihre Identität – und die Ihres Bootes – zweifelsfrei geklärt worden ist.«

»Commander McFarlane, ich beschwöre Sie!«, sagte Trautman verzweifelt. »Es geht um jede Minute! Überprüfen Sie, was Sie wollen, aber zuvor ändern Sie den Kurs!«

»Das kann ich nicht machen«, antwortete McFarlane bedauernd. »Aber ich kann Sie beruhigen, Herr Trautman. Ich gebe Ihnen das Ehrenwort eines britischen Offiziers, dass Sie nichts zu befürchten haben, wenn sich Ihre Angaben als wahr herausstellen. Aber so lange« – er machte eine Geste auf den Offizier neben sich – »muss ich Sie und Ihren Begleiter bitten, an Bord der Prince of Cumberland zu bleiben.«

»Sie nehmen uns gefangen?«, fragte Trautman ungläubig.

»Der Begriff Gast wäre mir lieber«, antwortete McFarlane. »Es liegt ganz bei Ihnen.«

»Ja, ein wirklich großzügiges Angebot«, sagte Mike zornig. »Vor allem, wenn Ihre Leute dabei mit Pistolen auf uns zielen.«

McFarlane hob abermals die Hand und die beiden Offiziere steckten ihre Pistolen ein. Was hatten sie auch zu befürchten von einem alten Mann und einem Halbwüchsigen?

»Habe ich Ihr Ehrenwort, dass Sie keinen Fluchtversuch unternehmen?«, fragte McFarlane.

Trautman sagte nichts, aber nach zwei oder drei Sekunden nickte er und auf Mikes Reaktion schien niemand Wert zu legen.

»Dann folgen Sie mir bitte, Herr Trautman«, sagte McFarlane.

Die Kabine war klein, wenn man bedachte, dass es die des Kapitäns war. Neben einem schmalen Bett, einem Sekretär und dem üblichen Waschtisch gab es ein Bücherregal und einen großen Schreibtisch und an der einzigen Tür an der gegenüberliegenden Wand einen wuchtigen Tresor, der aussah, als würde er ohne Probleme selbst einem Kanonenschuss standhalten. Die wenigen Fleckchen Mauer, die frei geblieben waren, waren fast vollkommen mit großformatigen Fotografien englischer Kriegsschiffe bepflastert.

»Dieser Commander McFarlane gibt sich ja keine besondere Mühe, seine Verkleidung aufrechtzuerhalten«, sagte Mike. Sie waren jetzt seit gut zwanzig Minuten hier drinnen eingesperrt und Mike hatte ein paar Mal versucht, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber Trautman saß auf der Kante von McFarlanes Bett und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Mike rechnete damit, auch diesmal keine Antwort zu bekommen, aber plötzlich hob Trautman den Kopf und das Leben schien in seine Augen zurückzukehren.

»Wozu auch?«, fragte er. »Wenn jemand erst einmal bis hierher vorgedrungen ist, spielt es sowieso keine Rolle mehr. Außerdem sind es Fotografien von Schiffen.«

»Ausnahmslos Kriegsschiffe.«

»Und?« Trautman hob die Schultern. »Seeleute hängen sich Fotografien von Schiffen an die Wand. Daran ist nichts Ungewöhnliches.«

»So wenig wie an einem angeblichen Frachter, der Munition und zerlegte Tanks und Kanonen an Bord hat?« Mike wartete sekundenlang vergebens auf eine Antwort. Schließlich fragte en »Woher haben Sie das gewusst?«

»Ich ... ich kenne dieses Schiff«, antwortete Trautman nach kurzem Überlegen. »Ich habe es vor ein paar Jahren schon einmal gesehen, weißt du? Damals war es ein Kriegsschiff.«

Diese Antwort klang so wenig überzeugend, dass sich Mike nicht einmal die Mühe machte, darauf zu antworten. Trautman hatte eine Menge Talente, aber ein guter Lügner zu sein, hatte noch nie dazugehört.

»Und deshalb wissen Sie auch, was passieren wird, wenn das Schiff seinem bisherigen Kurs folgt, und sogar wann«, sagte er mit sanftem Spott.

Trautman sah schuldbewusst drein. »Es tut mir wirklich Leid, Mike«, sagte er. »Ich wollte nicht, dass du mit hineingezogen wirst. Ich hätte nie erlauben dürfen, dass du mit hier heraufkommst. Ich bin ein alter Dummkopf.«

»Unsinn!«, widersprach Mike. »Sie konnten nicht wissen, dass McFarlane und seine Offiziere so reagieren.«

»Doch, ich hätte es wissen müssen«, beharrte Trautman. »Geheimdienstleute reagieren selten erfreut, wenn man ihnen auf den Kopf zusagt, dass man sie durchschaut hat.«