Die Schöne aus der Stadt - Anni Lechner - E-Book

Die Schöne aus der Stadt E-Book

Anni Lechner

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Beschreibung

Alois Kress plant seinen Sohn Peter endlich zu verheiraten. Da kommt es ihm gerade Recht, dass die in Saling neu zugezogene Familie Huber eine schöne Tochter hat. Doch Peter kann sich für die Münchnerin Simone zuerst überhaupt nicht erwärmen. Ob sein Vater ihn doch noch vom Gegenteil überzeugen kann? Dieser und die zwei weiteren spannenden Romane „Irrende Herzen“ und „Liebe hat ihre eigenen Gesetze“ sind in diesem Buch enthalten.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Anni Lechner

Die Schöne aus der Stadt Irrende Herzen

Anni Lechner: Band 7, Die schöne aus der Stadt ... und zwei weitere spannende Romane

Copyright © by Anni Lechner

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Verlagsagentur Lianne Kolf.

Überarbeitete Neuausgabe © 2017 by Open Publishing Verlag

Covergestaltung: Open Publishing GmbH – Mathias Beeh

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Erlaubnis des Verlags wiedergegeben werden.

eBook-Produktion: Datagroup int. SRL, Timisoara

ISBN 978-3-95912-214-6

Die Schöne aus der Stadt

"Ihre Hand gehört aber nicht dorthin, Herr Wichmann!", warnte Simone mit gerade noch freundlicher Stimme. Ihr Chef ließ sich durch diesen Einwand nicht beirren und zog mit seinen Fingern die fein geschwungene Nackenlinie des Mädchens nach.

"Du bist wunderschön, Simone", raunte er ihr ins Ohr und blickte mit sichtlichem Behagen auf seine junge Aushilfssekretärin herab. Simone bot aber auch einen Anblick, bei dem es einem Mann ganz anders werden konnte. Ihre Jeans und die modische Bluse betonten ihre schlanke, wohlgeformte Figur, und ihre blonden, an den Enden dunkel getönten Haare umrahmten ein engelsgleiches Gesicht, in dem jetzt jedoch ein paar große, grüne Augen zornige Funken sprühten.

"Sie haben mich sicher ned wegen meiner sogenannten Schönheit angestellt, sondern weil Sie jemanden brauchen, der Ihren Bericht auf die Schnelle ins Reine tippt?", antwortete sie spöttisch und versuchte, Wichmanns Hand abzuschütteln.

Wichmanns Grinsen zeigte, dass er das Sträuben des Mädchens nicht ernst nahm, sondern es im Gegenteil sogar genoss. Er tastete über Simones linkes Schlüsselbein hinweg und schob seine Fingerspitzen in ihren Blusenausschnitt und begann, ihren von keinem BH verdeckten Busen zu streicheln.

"Griffeln weg!", zischte Simone und ließ die Computertastatur fahren.

"Aber, Dirndl, stell dich doch ned so an. Du gefällst mir so gut, dass ich dich als meine neue Chefsekretärin haben will. Bei der Märtens ist ja doch schon ein wenig der Lack ab."

"Bei Ihnen aber auch!", Simone entfernte resolut seine Hand aus ihrer Bluse und gab ihm eine Ohrfeige, dass es nur so klatschte.

Wichmann starrte sie verdattert an und rieb sich die gerötete Wange. "Was soll denn das? Jetzt wirst du aber sehr lieb zu mir sein, sonst fliegst du auf der Stelle!", erklärte er mit einem erwartungsvollen Grinsen.

Simone sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Ich hätt sowieso gekündigt, Herr Wichmann", erklärte sie kühl, schob die Computertastatur von sich weg und öffnet

e ihre Schreibtischschublade.

"He, was soll das?", fragte der Mann verdattert, als Simone ihre persönlichen Sachen herausnahm und in ihrem kleinen Rucksack verstaute.

"Ich pack meine Sachen, wie Sie's mir eben geraten haben, Herr Wichmann. Viel Spaß noch auf der weiteren Suche nach einer willigen Sekretärin. Hoffentlich war meine Watschn ned die letzte, die S' dabei einfangen", antwortete sie mit der süßesten Stimme der Welt.

"Und was wird aus meinem Bericht, den du ins Reine schreiben sollst?", fragte der Mann jetzt ehrlich besorgt.

"Sie hätten Ihre Finger halt bei sich behalten sollen, bis ich damit fertig gewesen wär. Jetzt können Sie sich selber an die Maschine setzen. Oder Sie rufen die Märtens an. Vielleicht ist sie so deppert und kommt am heiligen Feiertag ins Büro, um zuerst Ihren Bericht zu schreiben und danach lieb zu Ihnen zu sein?", spöttelte Simone, obwohl ihr eigentlich alles andere als zum Scherzen zumute war. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie sich von ihrem Chef mit dem Versprechen einer Extraprämie am Fronleichnamstag in die Firma hatte locken lassen, um einen angeblich ganz dringenden Bericht ins Reine zu tippen.

Simone hatte nicht erwartet, dass der sonst so überkorrekte Wichmann aufdringlich werden könnte. Zufrieden bemerkte sie, dass sich noch immer die Abdrücke ihrer fünf Finger auf seiner Wange abzeichneten. Diese waren jedoch bald wieder verschwunden, und auch sein etwas erschüttertes Selbstgefühl würde sich spätestens dann wieder einrenken, wenn er eine Frau fand, die sich als Dank für ihren Job von ihm vernaschen ließ. Sie aber stand jetzt wieder einmal ohne Lohn und Brot auf der Straße. Simone hörte schon das Jammern ihrer Mutter in den Ohren, denn diese hatte schließlich ganz fest mit ihrem Gehalt gerechnet. Aber auch ihrer Mutter zuliebe war sie nicht bereit, ein Verhältnis mit Wichmann einzugehen. Zum Glück steht wenigstens der Papa auf meiner Seite, dachte sie aufatmend. Dies machte es für sie leichter, diesem pensionsreifen Möchtegerncasanova den Job vor die Füße zu werfen.

Simone warf sich ihren Rucksack über den Rücken und ging zur Tür. "Ach ja, bevor ich es vergesse, ein Zeugnis brauchen S' mir ned zu schreiben. Damit hoffentlich auf Nimmerwiedersehen!" Ohne den Mann noch einmal anzusehen, verließ sie die Geschäftsräume der Firma Wichmann und stürmte Augenblicke später auf die sonnenüberflutete Leopoldstraße hinaus.

*

"Ja, grüß dich, Alois, das ist aber schön, dass man dich auch wieder einmal sieht! Wie geht's dir denn? Was macht dein Arm?", Fragen über Fragen prasselten auf Alois Kress, den Vorderbauern von Saling nieder, als er zum ersten Mal seit seinem Unfall wieder den Gruberwirt betrat.

Kress lachte den Männern an den Tischen fröhlich zu und zeigte auf seinen rechten Arm, der bis über die Schulter hoch in einem festen Gipsverband steckte. "Mir geht's gut, aber von meinem Flügel kann ich das noch ned sagen!"

"Sei froh, dass du bloß den Arm gebrochen hast. Es hätt alles Mögliche passieren können, als du vom Heustock gefallen bist", rief ihm der Bauunternehmer Josef Hugauer zu.

"Da hast du recht, Sepp. Und wer recht hat ..."

"... zahlt eine Maß, willst du sagen. Die zahl ich dir gern, denn mich freut's, dass du so schnell wieder zum Stammtisch gekommen bist", meinte Hugauer lachend.

Alois Kress ging zu seinem angestammten Platz am Honoratioren-Tisch weiter und fand diesen zu seiner Verwunderung besetzt. Sein Nachbar Ignaz Groier, der sonst am Ende des Tisches in der Ecke saß, hatte es sich dort gemütlich gemacht. Erst als sich Kress hörbar räusperte, stand er zögerlich auf und trollte sich an seinen eigenen Platz.

"Weißt du, Alois, ich hab mir halt denkt, ich setz mich auf deinen Platz, solang du fort bist. Seit der Hugauer so feist geworden ist, ist's nämlich ein wengerl eng auf der Bank. Ich hab ja ned wissen können, dass du heut schon wieder kommst. Dein Peter hat auf alle Fälle nix davon gesagt." Man sah Groier deutlich an, wie es ihn wurmte, sich bei seinem Nachbarn rechtfertigen zu müssen.

"Ist schon gut", wehrte Kress ab und setzte sich auf den geräumten Stuhl. Sepp Hugauer, ein zugegebenermaßen recht stattlicher Mann, war jedoch nicht bereit, Groiers Worte ohne Widerrede hinzunehmen.

"Was heißt da feist? Ich bin froh, dass ich keine so dürre Latte bin wie du. Du weißt ja, bei uns in Bayern ist ein Mann ohne Bauch ein Krüppel!"

"Leute, müsst ihr euch denn streiten? Lasst's lieber eure Krüge neu einschenken, damit ich mit euch anstoßen kann!", Alois Kress winkte die Bedienung Susi heran und bestellte eine Halbe. Hugauer und die anderen leerten rasch ihre Krüge und reichten sie der Frau. Nur Groier hielt seinen Krug so fest, als hätte er Angst, dass man ihn wegnehmen könnte. Hugauer stieß einen hörbaren Schnaufer aus und schüttelte den Kopf.

"Ich frag mich alleweil wieder, wie ein Mensch bloß so knickrig sein kann, Groier. Du verhungerst ja noch auf deinem Hof."

"Mit der Landwirtschaft ist heutzutag kaum mehr was zu verdienen. Da heißt es sparen, damit man über die Runden kommt", antwortete Groier bissig.

"Mit Sparen hat dein Geiz wirklich nimmer viel zu tun", beschied ihn Hugauer lachend. "Schau dir den Kress an. Das ist auch ein Bauer, aber der tut ned so, als käm er auf den Gant, wenn er beim Stammtisch eine zweite Halbe Bier trinkt!"

"Der Kress hat einen großen Hof und überdies noch den meisten Grund von den Leuten gepachtet, welche die Landwirtschaft aufgegeben haben. Den kannst du ned mit mir vergleichen!", erklärte Groier zornig. Er erntete jedoch nur Gelächter dafür, denn die anderen kannten ihn gut genug, um zu wissen, dass er den Kleinbauern einfach einen zu geringen Pachtzins für ihre Äcker und Wiesen geboten hatte. Alois Kress hingegen zahlte reelle Preise und war damit bisher recht gut gefahren. Während er vor etlichen Jahren einen kaum größeren Hof als Groier besaß, war er nun der größte und einflussreichste Bauer im weiten Umkreis geworden.

Nachdem Susi die frisch gefüllten Krüge auf den Tisch gestellt und die Männer Prost getrunken hatten, unterhielten sie sich über die wirtschaftliche Lage und über Politik, die Themen, die sie am meisten interessierten. Groier, der sich darüber ärgerte, wie ein Schulbub von Kress` Platz gescheucht worden zu sein, gab sich große Mühe, Position gegen den Vorderbauern zu beziehen. Diesen ödete das aufgezwungene Streitgespräch rasch an, und er schüttelte verärgert den Kopf.

"Dann schreib doch nach München, wenn dir die Politik der Landesregierung ned passt, Groier. Ich komm ins Wirtshaus, um eine Halbe mit meinem Freund zu trinken und ned, um dir den Sündenbock für die echten und angeblichen Fehler des Ministerpräsidenten zu spielen. Schad, dass ich mit meiner kaputten Hand noch keine Karten halten kann. Sonst könnten wir jetzt Schafkopf spielen", setzte er an Hugauer und zwei andere gerichtet hinzu.

"Soll ich die Karten für dich halten, Vater?" Von Alois Kress unbemerkt war sein Sohn Peter an den Tisch getreten und sah besorgt auf ihn nieder.

"Geh ruhig wieder zum Schießen, Peter. Ich komm schon zurecht. Wenn es nötig ist, kann mir ja die Susi die Karten halten!", antwortete Kress lächelnd.

"Nur die Karten?", stichelte Hugauer grinsend, erhielt aber nur ein gemurmeltes "Depp!" als Antwort dafür. Die anderen lachten darüber, nur Peter ließ sich davon nicht anstecken.

"Meinst du ned, dass du ein bisserl arg früh ins Wirtshaus gekommen bist, Vater? Der Doktor hat extra gesagt, dass du dich schonen sollst. Ich werd mit der Ursel schimpfen müssen, weil sie dich gehen hat lassen", sagte er mit tadelndem Unterton.

"Was geht es die Ursel an, ob ich ins Wirtshaus geh oder ned. Ich hab sie schließlich als Haushälterin angestellt und ned als meine Kinderfrau", erwiderte sein Vater etwas schärfer als gewollt. Peter zuckte ein wenig zusammen.

"Ich weiß ned, was du gegen die Ursel hast. Sie macht ihre Sach doch gut. Du kannst ihr doch ned zum Vorwurf machen, dass sie auf deine Gesundheit achtgibt", verteidigte er die Haushälterin.

"Dafür zahl ich sie ned. Sie soll ihre Arbeit machen, und damit hat sich's. Und du schaust, dass du wieder zu deinen Schützenbrüdern kommst. Sonst glauben meine Freund womöglich noch, dass ihr zwei mich unter Kuratel gestellt habt!" Nun klang Alois Kress doch ernsthaft böse.

"Vater!", rief Peter empört.

"Ist doch wahr! Da freu ich mich auf meine erste Halbe in der Wirtschaft und muss mich zuerst über den Groier und sein saudummes G`red und jetzt auch noch über dich Gluckhenne ärgern!"

"Es tut dem Heilprozess in deinem Arm aber ned gut, wenn du zu viel Bier trinkst!", mahnte Peter sanft.

"Hab ich gesagt, dass ich wie ein Pfingstochs saufen will? Ich trink eine Maß Bier, und danach soll mir die Susi meinetwegen ein Wasser bringen. Bist du damit zufrieden?"

"Ich mein's ja nur gut mit dir, Vater!" Mit diesen Worten kehrte Peter zu den Schützen im Nebenraum zurück.

Im Gegensatz zu seinen harschen Worten sah Alois Kress seinem Sohn recht zufrieden nach. Schlank und groß gewachsen, mit welligem dunklen Haar und dem gebräunten Gesicht, aus dem ein paar kühne Blauaugen funkelten, war Peter der schmuckste Bursch von Saling und Umgebung. Auch die Mädchen fanden dies, so dass er eigentlich nur zugreifen musste, um sich eine Bäuerin auf den Vorderhof zu holen. Zu Kress` Unwillen war Peter jedoch arg anspruchsvoll, was seine Zukünftige betraf.

"Wie alt ist der Peter eigentlich, Alois, fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig? Glaubst du ned, dass es für ihn langsam an der Zeit wird, zu heiraten?" Ausgerechnet der Hugauer, sein bester Freund, stocherte jetzt in der Wunde herum, die Alois Kress mehr schmerzte als sein gebrochener Arm.

"Aber, Hugauer, der Peter hat schon so gut wie eine Bäuerin. Die Spatzen pfeifen's doch vom Dach, dass er sich mit der Ursel so gut wie einig ist", warf Groier eifrig ein.

"Mit der Mureder Ursula, eurer Haushälterin?", fragte Hugauer Alois verwundert. "Na ja, die meine wär's grad ned. Aber man muss ihr zugutehalten, dass sie etwas von der Landwirtschaft versteht. Sie hat halt eine Goschn wie fünf Pfund Gift", meinte er mit einem leichten Schaudern.

"Du darfst ned so vom Alois seiner zukünftigen Schwiegertochter reden, Hugauer. Die ist auf dem Vorderhof ganz brav geworden. Und eine Stimm hat's, wie ein Zeisig, sag ich dir. Da geht es den ganzen Tag nur, darf ich dir eine Halbe Bier bringen, Bauer ... willst du ein Kissen für deinen Arm, Bauer ... was darf ich dir denn heut zum Mittag kochen, Bauer ... und so weiter!"

"Der Ursel sticht wohl der schöne Hof ins Aug", meinte Hugauer lachend.

"Der Peter natürlich auch. Einen fescheren Burschen wie ihn gibt's im weiten Umkreis ned. Aber der Alois scheint mit der Wahl seines Sohnes ned so recht zufrieden zu sein. Die Ursel ist halt ein armes Dirndl und hat keine Mitgift und kein Geld", erklärte Groier laut genug, dass es die meisten in der Wirtsstube hören konnten.

"Heiß ich Groier?", antwortete Alois Kress grollend. "Wegen mir braucht der Peter kein Madl mit goldenen Pantoffeln heiraten. Hauptsache, sie passt auf den Hof!"

"Dann ist ja alles in Ordnung, denn schließlich ist die Ursel schon seit drei Jahren bei euch. Da ändert sich nimmer viel, wenn der Peter sie heiratet. Höchstens, dass er nimmer die Stiege hochsteigen muss, wenn er zu ihr unter die Bettdecke schlüpfen will", stichelte Groier weiter.

Alois Kress überlegte, ob er grob werden sollte, beschloss dann jedoch, das Gekläff seines Nachbarn zu ignorieren. Er wusste, dass sich Groier und seine Frau Adelheid den Mund über alles zerrissen, was im Dorf geschah und ihre Erkenntnisse auch gerne weitertrugen. Außerdem war die Ursel weitschichtig mit ihnen verwandt und tratschte ihrerseits gern, wobei sie auch nicht immer mit der Wahrheit im Bunde war. Obwohl seine Haushälterin ansonsten durchaus tüchtig war, konnte Alois Kress nicht mit ihr warm werden. Ihn störte die beinahe sklavische Ergebenheit, die sie auf dem Hof zeigte, mehr, als dass sie ihn von ihren Qualitäten überzeugte. Zu seinem großen Unwillen schien Peter jedoch auf sie hereinzufallen. Er hatte schon mehrmals erwähnt, dass sie eigentlich eine gute Bäuerin abgeben würde. Nun ja, wenn er es nicht besser will, dachte Alois Kress und trank zornig seinen Krug leer. Während er die Bedienung heranwinkte, merkte er, dass das Gespräch am Tisch während seines Schweigens eine andere Richtung eingeschlagen hatte.

"Also, Groier, wenn du noch ein einziges Mal so jammerst, dann bitt ich unsern Hochwürden, dass er am Sonntag den Klingelbeutel für dich herumgehen lassen soll. Du tust ja, als wenn du mit einem Bein im Schuldturm steckst!", Hugauers Stimme klang gleichermaßen spöttisch wie verärgert.

"Aber, Sepp, was redest du. Der Groier müsst eigentlich eine Runde ausgeben, wo er doch geerbt hat!", rief der Bernwieser vom Nebentisch herüber.

"Was sagst du, der Groier hat geerbt? Davon weiß ich ja gar nix?", fragte Hugauer mit einer Miene, die allen zeigte, wie wenig er dem anderen eine Erbschaft gönnte.

"Und ned zu knapp. Die alte Meier Liesl hat ihm nämlich ihr Anwesen vermacht."

"Die hätt für ihr Haus gewiss auch einen besseren Erben finden können als den Groier!", kommentierte Hugauer kopfschüttelnd.

"Jetzt werd ned neidisch, Hugauer. Ich war schließlich ihr nächster Verwandter", erklärte Groier zornig.

"Wegen mir kannst du erben, was du willst. Was willst du übrigens mit der Hütte anfangen?"

"Dir geb ich gleich eine Hütte. Das Haus ist im besten Zustand, das müsstest du doch wissen. Schließlich haben es deine Maurer erst im letzten Jahr von Grund auf renoviert!", biss Groier zurück.

"Was willst du mit dem Haus denn jetzt anfangen?", bohrte Hugauer nach. Groier ruckte ein wenig auf seinem Platz herum und sah anschließend triumphierend in die Runde.

"Verkaufen will ich's ned, denn Grund und Immobilien behalten immer ihren Wert. Also werd ich's wohl vermieten."

"Vermieten, das ist ned schlecht. Du, Groier, da wüsst ich dir vielleicht einen Mieter. Meine Nichte, die Schiller Anita will im Herbst heiraten und sucht in der Gegend eine Wohnung", meldete sich der Gemeindesekretär Haslinger.

"Wie viel will deine Nichte denn zahlen?", fragte Groier interessiert.

"Das weiß ich doch ned. Da muss ich sie erst einmal fragen", antwortete Haslinger etwas hilflos.

"Ich hab in der Zeitung gelesen, dass man für so ein Haus gut und gern anderthalbtausend Euro im Monat verlangen kann", stocherte Groier nach.

"Anderthalbtausend? Du hast doch nimmer alle fünf Sinne zusammen. Wer soll denn das zahlen? Ausgerechnet bei uns in Saling. Ja, wenn wir ein Feriengebiet wären!", Haslinger war ganz empört über Groiers Vorstellungen. Auch die anderen schüttelten ablehnend den Kopf.

"Ich darf halt keinen der hiesigen Bauernbüffel nehmen, sondern muss mir einen Mieter aus der Stadt suchen. Die schlecken mir für das Haus die Hände bis zu den Ellenbogen ab. Die sind nämlich noch ganz andere Mieten gewohnt!", trumpfte Groier auf.

"Ruach! Du wirst wirklich noch einmal verhungern, so wie es der Hugauer vorhin gesagt hat", schnaubte Haslinger verächtlich.

*

Simone ärgerte sich noch immer über Wichmanns Verhalten und das ihr dadurch entgehende Gehalt, als sie in Grünwald aus dem Bus stieg und auf die große Villa zuging, die sie mit ihren Eltern bewohnte. Obwohl es Feiertag war, putzte Edith Huber die Wohnzimmerfenster, da sich eine Nachbarin am Vorabend kritisch über deren Glanz geäußert hatte. Beim Anblick ihrer Tochter hielt sie inne und schaute verwundert auf die Uhr.

"Du kommst aber früh, Simone!"

Simone grüßte ihre Mutter knapp und feuerte ihren Rucksack mit einem wütenden Ausruf in die Ecke.

"Ist etwas geschehen, Simone?", fragte Edith Huber ahnungsvoll und legte das Fensterleder beiseite.

Ihre Tochter nickte so heftig, dass ihre Locken stoben. "Das kannst du laut sagen! Da wär doch der Wichmann glatt liebesbedürftig geworden. Aber dem hab ich eine Watschn gegeben, dass es nur so geschnalzt hat."

"Der Wichmann?", wunderte sich ihre Mutter. "Das kann ich ja fast ned glauben. Der ist doch immer als ein braver und fürsorglicher Ehemann aufgetreten. Kannst du ned seine Absichten missverstanden haben? Er wollte vielleicht bloß ein bisserl freundlich zu dir sein, wo du doch am heutigen Feiertag in die Firma bist, um für ihn zu arbeiten."

"Da schau her, der Kerl hat mir so in den Busen gekniffen, dass ich einen blauen Fleck hab", rief Simone und lüftete empört ihre Bluse.

"Und was ist mit deinem Job?", fragte ihre Mutter, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.

"Den hab ich ihm vor die Füße geworfen!", erklärte Simone wütend. "Oder hätt ich vielleicht sein Betthaserl spielen sollen?" Das Letzte klang so giftig, dass Edith Huber zusammenzuckte.

"Natürlich ned! Aber ein Unglück ist es trotzdem. Wo ich doch so fest mit dem Geld gerechnet hab", jammerte sie geknickt.

"Wenn du und der Papa ein bisserl was gespart hättet, als er gut verdient hat, und das Geld ned mit beiden Händen zum Fenster hinausgeworfen hättet, müsstest du jetzt ned mit den paar Euro rechnen, die ich als Büroaushilfe verdien. Aber ihr habt ja immer mit den großen Hunden pinkeln müssen", antwortete Simone grollend.

"Simone! So darfst du ned daherreden. Der Papa hat als höherer Beamter im Ministerium nun einmal seine gesellschaftlichen Verpflichtungen gehabt", versuchte sich Edith Huber für ihren Lebensstil zu rechtfertigen.

Simone, welche die Vorliebe ihrer Mutter für schicke Kleidung und teure Urlaubsreisen ebenso kannte wie die väterliche Leidenschaft für große, schnelle Autos und ausgefallene Sportarten, zuckte jedoch nur mit den Schultern.

"Ihr hättet wenigstens nach Papas Unfall damit aufhören können", erklärte sie leise und ohne Hoffnung, ihre Mutter damit überzeugen zu können. Sie nahm ihren Rucksack auf und wollte in ihr Zimmer hochgehen, als ein Auto mit heulendem Motor auf das Haus zuschoss und mit quietschenden Reifen davor anhielt. Sekunden später wurde die Fahrertür mit einer Vehemenz zugeworfen, dass es im Haus widerhallte. Edith sah ihre Tochter erschrocken an, als ihr Ehemann durch die Tür hereinhumpelte und seine Tennistasche in die Ecke feuerte.

"Günter, was hast du denn?", rief seine Frau erschrocken.

"Geärgert hab ich mich", schnaubte ihr Mann wütend zurück.

"Aber deswegen darfst du doch ned so mit der Tasche umgehen. Du weißt doch, dass du den Schläger von der Simone mitgenommen hast", wies ihn Edith zurecht, um sich dann ihrer Tochter zuzuwenden.

"Ich hoffe, du hast nix dagegen, weil ich dem Papa dein Racket mitgegeben hab. Aber bei dem seinen ist wieder einmal eine Saite gerissen."

"Wie lang soll das denn noch weitergehen, Mama? Beim letzten Mal hast du vier Wochen einen Tennisarm vorgeschoben, damit der Papa deinen Schläger benützen hat können. Jetzt ist auch der deine kaputt und so, wie der Papa ihn behandelt, wird auch meiner sicher nimmer lang leben", meinte Simone kopfschüttelnd.

"Sobald ich das Geld hab, lass ich die Schläger ja neu bespannen", antwortete ihre Mutter ohne große Überzeugungskraft.

"Und wann wär das?", fragte Simone bissig. "Am St. Nimmerleinstag oder wenn's über München Hunderteuroscheine regnet und wir genug davon erwischen können?"

Als sie das unglückliche Gesicht ihrer Mutter sah, tat ihr der Ausbruch sofort wieder leid. Sie nahm ihre Mutter in den Arm und streichelte ihre Wange.

"Ich hab's ned so gemeint, Mama", entschuldigte sie sich.

"Ist schon gut, Dirndl. Wir haben halt kein leichtes Leben, seit Papa nach seinem Unfall seine Stelle verloren hat und wir mit den paar Euro Frührente auskommen müssen, die er jetzt bekommt", antwortete Edith Huber in dem verzweifelten Versuch, ihre Tränen zurückzuhalten. Als es ihr nicht gelang, reichte ihr Simone ein Taschentuch und setzte sich dann rittlings auf einen Küchenstuhl.

"Wir hätten es leichter haben können, wenn wir uns gleich nach Papas Frühpensionierung eine billigere Wohnung gesucht hätten!"

"Das hast du schon ein paar Mal gesagt, Simone. Aber ...", begann ihre Mutter.

"Kein Aber, Edith. Die Simone hat schon recht gehabt. Wir zwei sind die Deppen, weil wir ned auf den Vorschlag eingegangen sind", wurde sie zu ihrer Überraschung von ihrem Mann unterbrochen. Auch Simone blickte verwundert auf. Schließlich hatte ihr Vater bisher immer so getan, als könnte er ohne seine gewohnte feudale Umgebung und seine teuren Hobbys nicht leben.

"Wie meinst du denn das jetzt, Papa?", fragte sie neugierig und musste dabei einige bissige Bemerkungen zurückhalten, die ihr über die Lippen wollten.

"Ich mein, dass wir deinen Rat, nimmer so viel Geld zum Fenster rauszuschmeißen, endlich befolgen sollten", antwortete Günter Huber so düster, als spräche er damit sein eigenes Verdammungsurteil aus. Seine Frau kreischte entsetzt auf, während Simone ein grimmiges "Endlich" entfuhr.

"Wie kommst du ausgerechnet heut auf den Gedanken, Papa?", fragte sie schließlich.

"Mir macht das Tennisspielen im Club einfach keinen Spaß mehr. Außerdem hab ich mich geärgert", erklärte ihr Vater grollend.

"Geärgert, worüber denn?", fragte Edith besorgt.

"Über den Stemmer. Fragt der mich doch heute vor allen Leuten, wann wir endlich unseren ausstehenden Clubbeitrag zahlen würden! Als wenn wir bisher einen Euro schuldig geblieben wären. Und die anderen haben auch noch dazu gelacht!"

Es klang so verletzt, dass Edith, die nach Ansicht ihrer Tochter eh viel zu nah am Wasser gebaut hatte, erneut in Tränen ausbrach.

"Ich wollt das Geld sofort überweisen, sobald Simones nächstes Gehalt gekommen wäre. Aber das wird sie jetzt nimmer kriegen", schluchzte sie und sah ihren Mann dabei wie ein getretener Hund an.

"Bist du wieder einmal rausgeflogen?", fragte Günter seine Tochter eher amüsiert als ärgerlich.

"Der Wichmann hat geglaubt, dass er die Anlagen zu einem Lustmolch hätt. Diesen Zahn hab ich ihm aber rasch gezogen", antwortete Simone und erzählte ihm, was geschehen war.

"Du bist halt auch ein besonders hübsches Dirndl, Simone. So etwas Feines kriegt auch der Wichmann ned jeden Tag zu sehen", meinte Günter voller väterlichem Stolz.

Seine Frau trauerte hingegen dem entgangenen Geld nach. "Du solltest den Wichmann anrufen, Günter. Schließlich steht der Simone noch das restliche Gehalt für den begonnenen Monat zu. Vielleicht rückt er auch ein bisserl was als Schmerzensgeld heraus?"

"Mama, jetzt reicht's! Du gibst doch so viel auf die Leute. Was meinst du, wie die sich das Maul zerreißen, wenn sie davon erfahren", fuhr Simone auf.

"Du meinst, der Wichmann wär so gemein, die Sach herumzutratschen? Da tät ihm seine Frau aber gewiss was anderes erzählen!", erklärte Edith und sah dabei ihren Mann Zustimmung heischend an.

"Sag doch du auch etwas, Günter!"

"Die Simone hat recht. Obwohl mich Wichmanns Verhalten ebenfalls wurmt, sollten wir das Ganze auf sich beruhen lassen. Ich bin mir nämlich sicher, Wichmann würde im anderen Fall alle möglichen Lügen verbreiten, um unser Dirndl und ihre Moral in ein sehr schlechtes Licht zu setzen. Er müsst es schon wegen seiner Alten tun, denn der kann er mit der Wahrheit wirklich ned kommen."

"So ein schlechter Mensch, den müsst man ja direkt einsperren!", rief Edith zornig. "Dieser Lustgreis darf ungestraft junge Dirndln belästigen, und uns geht dadurch das Geld durch die Lappen, das die Simone sonst verdient hätt!"

"So ungestraft ist der Wichmann schon ned davongekommen, denn die Simone schreibt eine ziemlich kräftige Handschrift", kommentierte Günter und grinste seiner Tochter dabei verschwörerisch zu.

Simone sah erleichtert, dass sich die Zorneswolken auf seiner Stirn aufgelöst hatten, und hoffte, ihn für ihre weiteren Sparvorschläge gewinnen zu können.

"Papa, du hast vorhin gesagt, dass dir das Tennisspielen keinen Spaß mehr macht. Da könnten wir uns das Geld für den Clubbeitrag doch auch sparen."

"Es ist ja ned nur der Beitrag allein, es geht auch um den diesjährigen Tennisurlaub vom Club. Sie wollen heuer nach Kreta fliegen", setzte Günter leise hinzu.

"Und wie viel soll es kosten?", fragte Edith interessiert.

"Anderthalbtausend pro Person, nur Übernachtung und Frühstück", antwortete ihr Mann mit einem grimmigen Auflachen.

"Ich wär gern noch einmal nach Kreta geflogen. Glaubst du ned, dass wir das Geld doch irgendwie aufbringen könnten?" Ediths Stimme klang wie die eines bettelnden kleinen Kindes.

"Ich hab's ned!" Günter Huber schüttelte genervt den Kopf und drehte demonstrativ seine Hosentaschen nach außen.

"Vielleicht kriegt die Simone schnell wieder einen Job und verdient neues Geld", hoffte Edith.

"Dann geb ich's dir aber gewiss ned dafür, dass du es auf Kreta verjubeln kannst", erklärte ihre Tochter kühl.

"Aber, Simone. Das Tennis ist doch eine der wenigen Gelegenheiten, wo der Papa noch mit seinen alten Kollegen zusammenkommt. Die dürfen wir ihm nicht nehmen", protestierte ihre Mutter sofort.

"Die Banditen können mir gestohlen bleiben", erklärte Günter mit einem Groll, der sowohl Frau und Tochter verwunderte.

"Hat dich das mit dem Stemmer so geärgert?", fragte ihn Simone.

"Es war ned bloß der Stemmer allein. Wenn ich's recht bedenk, hat das Ganze schon angefangen, als ich aus der Rehaklinik herausgekommen bin und wieder mit dem Tennisspielen angefangen hab. Zunächst hab ich die bissigen Bemerkungen der anderen nur als Scherz aufgefasst und gedacht, ich könnt dort wieder anschließen, wo ich vor meinem Unfall aufgehört hab."

"Was waren das für Bemerkungen?", fragte Simone neugierig.

"Ach, man hat mich zum Beispiel gefragt, warum ich zwar Tennis spielen, aber ned arbeiten kann. Oder, wie ich es mir mit meiner Rente überhaupt leisten kann, meinen alten Lebensstil beizubehalten, und so weiter. Meine lieben Exkollegen haben direkt auf den Tag gelauert, an dem ich nicht mehr mit meinem jetzigen Auto, sondern mit einem gebraucht gekauften Kleinwagen fahren muss, oder wie es jetzt auch der Fall ist, nimmer mit dem Club in den Urlaub fahren kann."

"Wenn du das schon die ganze Zeit gemerkt hast, warum bist du erst heut zu deinem Entschluss gekommen, Papa? Wir hätten uns viel Geld sparen können, wenn du früher gehandelt hättest!", fragte Simone mit einem bitteren Unterton in der Stimme.

"Das liegt am sogenannten Tropfen-Fass-Effekt!"

"Am was, bitte?"

"Am letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Vorher glaubt man immer noch, dass sich alles wieder einrenken wird. Hinterher ist man halt immer schlauer", erklärte ihr Vater mit säuerlicher Miene.

"Und was willst du jetzt tun?", fragte Edith mit einer Miene, als hätte er sie eben lebenslänglich zu Wasser und Brot verurteilt.

"Als Erstes suchen wir uns eine billigere Wohnung. Die Miete für diese Villa frisst ja fast die gesamte Rente auf, die mir ausgezahlt wird."

"Aber, Günter, ich will ned nach Neuperlach oder gar zum Hasenbergl ziehen. Ich tät mich ja zu Tod schämen, wenn ich irgendeinen unserer alten Bekannten treffe!" Ediths Entsetzen war so köstlich, das Simone lauthals zu lachen anfing.

"Mama, wenn du dich jetzt nur sehen könntest! Du schaust aus wie Eva, die vom Erzengel aus dem Paradies vertrieben wurde."

"Ist doch wahr", verteidigte sich ihre Mutter.

"Jetzt seid endlich ruhig, damit ich nachdenken kann", warf Günter ungnädig ein. "Mir passt es ja auch ned, dass wir von hier fortziehen müssen. Aber ich hab einfach ned das Geld, dass wir uns die Villa noch länger leisten können. Deshalb brauchen wir aber noch lang ned ins Hasenbergl ziehen. Ich denk da eher ans Land!"

"Ans Land?", fragte Edith perplex.

"Ja genau, der Papa hat recht", rief Simone begeistert aus. "Auf dem Land können wir uns ein großes Haus für einen Bruchteil des Geldes mieten, das uns jetzt die Villa kostet. Das Leben ist dort auch billiger, so dass wir weitaus besser leben können, als du jetzt glaubst, Mama. Dort können wir gewiss wieder alle drei Tennis spielen, ohne dass jede gerissene Schlägersaite eine Katastrophe darstellt. Denk doch auch an den Papa. Auf dem Land gehört er als pensionierter Beamter im gehobenen Dienst doch zu den angesehenen Leuten, die beim Frühschoppen am Honoratioren-Tisch sitzen."

"Aber, aber, Simone, jetzt trägst du aber etwas arg dick auf", wandte ihr Vater lachend ein. Simone sah aber, dass ihm die Vorstellung durchaus gefiel, und schöpfte Hoffnung, dass sich das Leben ihrer Familie endlich wieder zum Besseren wenden würde.

"Wenn ihr nix dagegen habt, ruf ich jetzt die Zeitung an und geb eine Annonce auf, dass wir eine Wohnung auf dem Land suchen?"

"Du darfst aber kein Großstadtblatt nehmen, sondern irgendeine Bauernzeitung, Simone. Ned, dass unsere Bekannten uns damit in Verbindung bringen!" Obwohl die Stimme ihrer Mutter recht kläglich klang, fühlte Simone, dass sie sich mit der gegebenen Situation abzufinden begann. Und das war mehr, als sie hatte erwarten können.

*

Alois Kress sah seinem Sohn zu, wie dieser die Weide für den morgigen Tag mit den eisernen Weidezaunstangen absteckte, und ärgerte sich, weil er ihm nicht besser helfen konnte. Es fiel ihm jedoch schon schwer genug, den alten Traktor mit einer Hand zu bedienen. Wenigstens musste Peter das nicht auch noch tun, sprach er sich selbst Trost zu.

Peter, der eben wieder herankam, um den Weidedraht zu holen, sah jedoch nicht so aus, als ob er Trost brauchen würde. Sein Haar war wohl dunkel von dem Schweiß, der ihm in breiten Bächen über die Stirn lief, seine Augen funkelten jedoch fröhlich.

"Schau, Vater. Unser Nachbar geht nachschauen, ob sein ererbtes Häuserl noch steht. Er hat wohl Angst, es könnt ihm einer weggetragen haben!", rief er und zeigte nach vorne, wo Groier gemessenen Schrittes die Straße herankam.

"Es wird doch nix passiert sein. Der Groier hat ja mitten unter der Woch sein Feiertagsgwand angezogen", wunderte sich Alois Kress.

"He, Nachbar, was gibt's?", rief er Groier zu. Dieser stutzte, warf einen prüfenden Blick auf die Kirchturmuhr und kam dann auf sie zu.

"Ihr zwei seid wohl wieder fleißig, und mit deinem Arm scheint es ja wieder besser zu gehen!", erklärte er mit widerwilliger Anerkennung.

"Na ja, nächste Woche krieg ich einen leichteren Gips. Dann kann ich hoffentlich wieder mehr arbeiten. Aber mit dem Glump da bin ich so hilflos wie ein Baby", erklärte Alois Kress und zeigte neugierig auf Groiers Kleidung.

"Fesch schaust du heut aus, Nachbar. Hast du was Größeres vor?"

"Meine Mieter kommen heut aus der Stadt. Die kann ich wirklich ned im Stallgwand begrüßen", klärte ihn Groier auf.

"Deine Mieter?", fragte Kress verwundert und erinnerte sich dann an die Gerüchte, die er gehört hatte. "Hast du einen Städter gefunden, der deine Wuchermiete zahlen will?"

"Wuchermiete", empörte sich Groier. "Die waren ja direkt glücklich, als ich gestern mit ihnen telefoniert hab. So billig hab ich ihnen das Haus überlassen."

"Hoffentlich hast du Glück mit diesen Leuten. Ich hätt an deiner Stell die Nichte vom Haslinger genommen. Die stammt vom Land und hat keine Allüren!", meinte Peter lachend.

"Bist du da ned ein wenig ungerecht, Peter. Wer sagt denn, dass alle Stadtleute Allüren haben müssen?", wandte Alois Kress milde tadelnd ein.

"Recht hast du, Kress. Die meinen haben gewiss keine. Es handelt sich um einen pensionierten Beamten aus einem Ministerium, ein ganz hohes Tier, sag ich dir. Er will heut mit Frau und Tochter kommen und den Mietvertrag unterschreiben."

"Der muss ja ein Vertrauen haben, wenn er sich das Haus vorher ned einmal anschaut", meinte Peter spöttisch. Groier zuckte ein wenig schuldbewusst zusammen.

"Na ja, anschauen will er sich das Haus schon vorher. Aber ich glaub ned, dass es noch Schwierigkeiten geben wird, wo er doch den Mietpreis schon akzeptiert hat. Das ist ja schließlich das Wichtigste", verteidigte er sich.

"Für dich vielleicht. Aber schau einmal nach vorn. Ist das dort ned ein Auto mit Münchner Kennzeichen? Sakra, ist das ein Schlitten. Da fährt ja selbst ein Minister keinen größeren!", rief Peter mit bewunderndem Staunen. Auch sein Vater und Groier sahen jetzt die große Limousine, die gemächlich auf das Dorf zurollte. Schon auf die Entfernung war zu sehen, dass drei Personen im Innern saßen.

Groier rannte plötzlich grußlos davon und lief dem Auto winkend entgegen. Der Wagen hielt, und der Fahrer ließ das Fenster absinken.

"Grüß Gott, suchen Sie vielleicht den Groier, das bin nämlich ich!", sprudelte Groier heraus und verschlang dabei das Auto und seine Insassen mit seinen Blicken.

Das erstaunte Gesicht des Fahrers glättete sich, und er streckte Groier lachend die Hand durch das Autofenster entgegen. "Grüß Gott. Mein Name ist Huber. Ich glaub, ich hab gestern mit Ihnen telefoniert."

"Ja, freilich, wegen dem Haus, das ich zu vermieten hab. Es ist gleich da vorn. Sie können schon vorfahren. Ich lauf hinten nach!"

"Aber kommen Sie, die paar Meter können wir schon mitgehen.", Günter Huber lenkte seinen Wagen halb auf den Randstreifen und stieg aus. Groier und die beiden Kress` sahen einen schlanken, mittelgroßen Mann Mitte vierzig mit vollem blonden Haar und einem energischen Gesichtsausdruck. Seine Kleidung war sportlich leger und unterschied sich völlig von dem steifen Konfektionsanzug, in den sich Groier gezwängt hatte.

Edith Huber folgte ihrem Mann etwas langsamer und blickte sich erst einmal ausgiebig um. Groier vollführte eine missglückte Verbeugung und starrte die Frau dabei so ungeniert an, dass Edith an ihrem modischen lila Kleid zupfte, weil sie sich unsicher fühlte.

Simone stieg als Letzte aus. Auch sie musterte zunächst einmal die Umgebung und entdeckte dabei auch Alois Kress und Peter, die keine zwanzig Meter entfernt standen und anscheinend ihre Arbeit völlig vergessen hatten. Für einen Augenblick begegneten sich Simones und Peters Blicke. Während sie den jungen Burschen trotz seiner einfachen, verschwitzten Kleidung seltsamerweise äußerst attraktiv fand, verzog Peter verächtlich das Gesicht und drehte sich demonstrativ wieder seinem Weidezaun zu.

Das scheint ja ein arger Büffel zu sein, dachte sich Simone und wandte sich Groier zu, der auf ihren Vater wie auf eine kranke Kuh einredete.

"Sie sind also der Herr, der uns das Haus angeboten hat?", fragte sie Groier.

"Aber freilich. Ich hab's von einer Tant geerbt, und da ich's ned verkaufen hab wollen, hab ich mir halt denkt, ich such mir einen Mieter dafür!", erklärte dieser eilfertig und bekam Stielaugen bei ihrem Anblick.

"Gesucht haben eher wir. Sie haben auf unsere Annonce geantwortet", rückte Simone die Tatsachen zurecht.

"Ja, ja! Ich hab Ihre Anzeige gelesen und hab mir denkt, das sind genau die Leute, die ich für mein Häuserl such!"

"Häuserl? Sie haben gestern von einer Villa mit sechs Zimmern gesprochen!", fragte Edith Huber etwas pikiert.