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Es hätte alles so schön sein können für Bauer Roman Reiter. Mit seiner jungen Magd Erika hatte er die perfekte Braut für seinen Sohn Peter eigentlich schon gefunden. Doch dann bringt Peter die hübsche Städterin Anita auf den Hof. Neben ihr erscheint Erika wie ein Mauerblümchen. Hat sie überhaupt eine Chance gegen die Schönheit aus Rosenheim? Dieser und die zwei weiteren spannenden Romane „Die schöne Intrigantin“ und „Das kranke Herz“ sind in diesem Buch enthalten.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Anni Lechner
Verirrung des HerzensDie schöne IntrigantinDas kranke Herz
Roman
Anni Lechner: Band 10, Verirrung des Herzens ... und zwei weitere spannende Romane
Copyright © by Anni Lechner
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Verlagsagentur Lianne Kolf.
Überarbeitete Neuausgabe © 2017 by Open Publishing Verlag
Covergestaltung: Open Publishing GmbH – Mathias Beeh
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Erlaubnis des Verlags wiedergegeben werden.
eBook-Produktion: Datagroup int. SRL, Timisoara
ISBN 978-3-95912-217-7
»Gut hast du heut wieder gekocht, Erika. Das muss einmal gesagt werden!«, lobte der Altbauer Roman Reiter beim Mittagessen und holte sich dabei ein weiteres Stück Braten auf den Teller.
Die junge Magd errötete bei seinen Worten bis unter die Haarwurzeln und schenkte ihm einen dankbaren Blick. Dann schaute sie rasch zu dessen Sohn Peter hin.
Dieser beachtete sie jedoch nicht, sondern nahm sich den vierten Knödel und tränkte ihn mit viel duftender Bratensoße.
»Sag doch auch was, du Stoffel!«, forderte ihn sein Vater etwas verärgert auf.
»Was hast du gesagt?«, fuhr Peter aus seinen Gedanken hoch.
»Ich hab erklärt, dass sich die Erika heut beim Kochen wieder einmal selbst übertroffen hat und wollt wissen, ob's dir genauso gut schmeckt wie mir«, erklärte Roman etwas schärfer als eigentlich gewollt.
»Doch, doch, man kann's schon essen«, erwiderte sein Filius noch etwas abwesend und kaute etwas übertrieben auf einem Bratenstück herum. »Ja, eigentlich schmeckt's mir sogar ganz gut«, meinte er zuletzt.
»So gut hat's mir nimmer geschmeckt, seit deine Mutter, meine Vevi, von uns gehen hat müssen«, erklärte der Altbauer in einem Ton, der jeden Widerstand ausschloss. »Aber dein Gaumen ist wahrscheinlich durch das Hamburgerglump und die Pommes Frittes, die du alleweil in der Stadt frisst, so verdorben, dass du nimmer weißt, wie ein richtiger Kalbsbraten schmeckt!«, setzte er hinzu und nahm rasch den letzten Knödel aus der Schüssel, bevor ihn sich sein Sohn aneignen konnte.
»Du hast wohl letzte Woch die Hamburgerschachtel im Auto gefunden, die ich dort liegen lassen hab«, erwiderte sein Sohn lachend. »Da hab ich einen Moment auf die Anita warten müssen und hab mir halt einmal einen Hamburger gekauft. Aber ich kann dich beruhigen, ein gescheiter Schweinsbraten mit Knödeln ist mir alleweil noch lieber wie das letscherte Zeug.«
»Das wird auch gut sein. Weißt du, diese städtischen Moden seh ich nämlich ned so gern«, sagte Roman grimmig.
»Ich glaub eher, dass du städtische Madln ned so gern siehst«, entgegnete Peter mit einer gewissen Schärfe. »Aber ich lass mir mein Glück ned von deinem Vorurteil kaputtmachen. Die Anita ist ein sauberes Dirndl und außerdem ein Pfundstyp, mit dem man Ross stehlen kann!«
»Schad, dass wir ned im Wilden Westen sind. Da werden Pferdediebe im Allgemeinen aufgehängt«, antwortete Roman mit einem Groll, der seine ganze Abneigung gegen die neueste Flamme seines Sohnes ausdrückte.
»Was willst du denn, Vater? Sei doch froh, dass ich überhaupt ein Madl gefunden hab. Es ist heutzutage nimmer leicht, eine Bäuerin zu finden«, entgegnete Peter leicht gereizt.
»So weit bist du also schon mit ihr, dass ihr ans Heiraten denkt? Das ist aber schnell gegangen. Ich denk, ihr kennt euch erst ein paar Wochen«, sagte der Bauer knurrig.
»Kennen tun wir uns schon länger«, verteidigte Peter seine Gefühle für das Mädchen aus der Stadt. »Wir haben uns im letzten Jahr beim Herbstfest in Rosenheim kennengelernt und uns später öfters beim Tanzen getroffen. Ich hab sofort gewusst, dass sie die Richtige für mich ist. Es hat halt ein bisserl gedauert, bis sie auf das erste Rendezvous eingegangen ist. Aber es ist gewiss kein Fehler, wenn ein Madl ned sofort mit einem Burschen anbandeln will.«
»Wegen mir hätt sie überhaupt ned mit dir anbandeln brauchen. Wenn sie wenigstens aus dem Bauernstand kommen tät. Aber soviel ich weiß, ist die Anita eine Beamtentochter und hat ned die geringste Ahnung vom Leben auf einem Bauernhof. Dabei gäb's so viele andere Dirndln vom Fach, die dich mit Kusshand nehmen täten!« Romans Blick streifte dabei Erika, die noch verlegener als vorhin auf ihrem Stuhl saß und ihre Hände unter der Tischplatte verkrampfte.
»Mir gefällt halt einmal die Anita«, erwiderte Peter patzig und schob den Teller mit einem heftigen Ruck zurück. »So, jetzt ist mir der Appetit vergangen. Ich werd mir in der Stadt einen Hamburger kaufen. Da hab ich wenigsten meine Ruh vor deinen Hetzereien, Vater.«
»Guten Appetit«, wünschte ihm Roman sarkastisch und bedachte seinen Sprössling dabei mit einem vernichtenden Blick, aber auch mit einer gewissen Portion Stolz. Peter sah nämlich alles andere als wie ein Bauerntrampel aus. Er war groß, schlank und hatte die gebräunte Haut eines Mannes, der sich viel im Freien aufhielt. Er besaß ein energisch wirkendes Gesicht mit einer leicht gebogenen Nase und grauen Augen, die ihm das Aussehen eines Falken verliehen. Das dunkelblonde Haar war modisch kurz geschnitten, und er trug einen goldenen Ring im rechten Ohr. Roman mochte solche neumodischen Sitten zwar nicht, aber auch er fand, dass Peter ein schmucker Bursche war, nach dem sich die Mädchen einfach umsehen mussten.
Warum muss die Erika nur so ein unscheinbares Mäuserl sein, seufzte der Bauer in Gedanken und musterte dabei die junge Magd. Eine gute Figur besaß sie ja, das musste er zugeben. Sie war vielleicht ein wenig stämmiger gebaut als diese Anita, passte damit jedoch besser auf einen Bauernhof. Ihre Kittelschürzen und die einfachen Kleider, die sie meistens anhatte, ließen sie jedoch wie einen Weibstrampel aus dem Bauerntheater erscheinen, während Anita sowohl in Jeans wie auch im Dirndlkleid immer tipptopp aussah.
Dazu kam, dass Erika immer ein wenig verschreckt in die Welt hineinschaute, so als müsse sie sich für ihre eigene Existenz entschuldigen. Dabei wirkte ihr Gesicht mit ihrem runden Kinn, dem weich geschwungenen Mund und dem kurzen, geraden Näschen eigentlich recht angenehm. Der altjüngferliche Knoten, zu dem sie ihr Haar gebunden hatte und ihre riesigen Kopftücher nahmen ihrem Gesicht und ihren großen, samtblauen Augen jedoch jede Wirkung. Dabei entsprach Erika in allem den drei F's, die Roman bei seiner Schwiegertochter voraussetzte. Sie war fromm, freundlich und fleißig und unterschied sich damit sehr von Anita, die seiner Meinung nach viel zu städtisch war.
»Magst du noch was essen, Bauer, oder kann ich abräumen?«, fragte Erika schüchtern.
»Ich bin satt, Dirndl. Dank schön noch einmal, dass du so gut gekocht hast. Du kannst mir später vielleicht eine Halbe Bier auf die Terrasse bringen. Bring dir ein Glaserl Wein mit. Du hast es verdient!«
»Aber wir haben keine offene Flasche mehr, Bauer«, wandte das Mädchen ein.
»Dann mach eine neue auf. Oder glaubst du, der Hof geht daran zugrund? Besser, wir zwei versaufen ihn, als dass ihn Peters Stadtmadam einmal auf den Gant bringt!«
»Vater, wenn du so weitermachst, rücken wir zwei noch einmal ernsthaft aneinander«, warnte ihn Peter eindringlich. »Außerdem mag ich's ned, wenn du mit den Dienstboten mein Privatleben durchhechelst!«
»Verschwind und beglück deine Beamtentochter, bevor ich mit dir zusammenrück!«, erwiderte der Bauer grollend.
Peter sah aus, als wollte er noch etwas sagen. Doch dann hieb er mit der rechten Hand ärgerlich durch die Luft und ging ohne Gruß davon. Sein Vater sah ihm zornig nach und schüttelte den Kopf.
»Ich weiß wirklich ned, wem der Stoffel nachgeraten ist. Mir mit Sicherheit ned und meiner Vevi auch ned!«
»Aber, Bauer, so hart darfst du mit dem Peter ned ins Gericht gehen. Wenn er die Anita nun einmal lieb hat!«, wandte Erika leise und mit bebenden Lippen ein.
»Lieb haben? Der hat sich doch bloß in ihr Gesicht, ihren Vorbau und ihren strammen Hintern vergafft. Sie zeigt ja auch alles recht freizügig herum. Eine richtige Liebr ist für mich was anderes, so wie damals bei mir und der Vevi!« Der Bauer schwieg und wischte sich eine Träne aus den Augen, als ihn die Erinnerung an seine verstorbene Frau übermannte.
»Jetzt ist mir doch glatt eine Muckn ins Aug geflogen«, meinte er zu Erika, als diese ihm ein Taschentuch reichte. »Ach, es ist ja auch zum Närrischwerden mit dem Deppen!«, setzte er hinzu und überlegte verzweifelt, wie er Erika dazu bringen könnte, sich etwas gefälliger zu kleiden.
*
Peter hatte seinen Ärger über seinen Vater schnell vergessen. Dafür freute er sich viel zu sehr auf den Sonntagnachmittag mit Anita. Er fuhr im forschen Tempo die Bundesstraße entlang und bog schon nach kurzer Zeit in das Neubaugebiet in Rosenheim ein, in dem seine Angebetete wohnte.
Daheim in Reichenhardt hätte er sich mit einem kräftigen Hupen bemerkbar gemacht. Da in der Stadt jedoch andere Sitten herrschten, suchte er sich einen Parkplatz und eilte mit raschen Schritten zu dem Wohnblock. Obwohl hier gut fünfzig Mietparteien lebten, fand er Anitas Klingelschild auf Anhieb. Es dauerte etwas, bis sie Antwort gab und die Schließanlage betätigte.
Erst im Flur merkte Peter, dass er vergessen hatte, in welchem Stockwerk Anitas Wohnung lag. Es blieb ihm daher nichts anderes übrig, als jedes Stockwerk einzeln abzusuchen und zu hoffen, dass er ihre Wohnung rasch fand.
Schon in der ersten Etage fand er ein Türschild mit dem Namen Huber und drückte erleichtert auf die Klingel. Die Frau, die die Tür öffnete und ihn neugierig betrachtete, war jedoch weitaus älter und sicher doppelt so schwer wie Anita.
»Grüß Gott, was wollen Sie denn vor mir?«, fragte sie.
»Entschuldigen Sie, aber ich glaub, ich hab mich in der Tür geirrt. Ich wollt eigentlich zum Fräulein Anita Huber: Wissen Sie zufällig, in welchem Stock sie wohnt?«, fragte Peter hoffnungsvoll.
»Außer mir gibt's noch zwei Huber da herinnen«, meinte die Frau. »Das eine ist ein Ehepaar und das andere ein junger Maurer. Aber eine Anita kenn ich ned. Wohnt sie schon lang bei uns?«
»Da fragen Sie mich zu viel. So lang kenn ich sie noch ned«, musste Peter zugeben.
»Warten Sie einmal. Im letzten Mai ist doch der Sadlek ausgezogen. Vielleicht ist ihre Anita in die Wohnung eingezogen. Das muss im fünften oder sechsten Stock sein!«
»Dank schön«, rief Peter und sauste die Treppe hoch.
»Sie können auch den Aufzug nehmen«, rief ihm die Frau hinterher. Doch da war er schon einen Stock höher und hörte sie nicht mehr. Da er sich verzählt hatte, begann er ein Stockwerk zu früh mit der Suche. Doch schließlich stand er vor einer Wohnung, auf dessen Tür ein hübsches Keramikschild mit dem Namen Huber befestigt war und lachte über sich selbst, weil er in seiner Aufregung nicht mehr an dieses auffällige Schild gedacht hatte.
Anita wartete bereits im Wohnungsflur und öffnete die Tür, noch bevor er klingeln konnte. »Du hast dir aber Zeit gelassen«, begrüßte sie ihn leicht tadelnd.
»Tut mir leid, aber ich hab nimmer gewusst, in welchem Stockwerk du wohnst und daher bei einer verkehrten Huber geläutet«, entschuldigte er sich und nahm sie an die Arme. Sie ließ es zu, dass er sie an sich zog und küsste, beantwortete diesen Kuss jedoch mit weitaus weniger Feuer als er.
»Komm herein. Ich bin gleich fertig«, forderte sie ihn auf und löste sich aus seiner Umarmung.
»Hast du's so eilig, aus der Wohnung zu kommen?«, fragte er etwas enttäuscht, als sie in ihrem Schlafzimmer verschwand, um sich umzuziehen.
»Aber, Peter, wir wollen doch nach Herrenchiemsee fahren. Da müssen wir uns tummeln, sonst kommen wir zu spät hin«, rief sie durch die angelehnte Tür und trat einige Minuten später wieder in das Wohnzimmer. »Na, wie schau ich aus?«, fragte sie und drehte sich dabei um die eigene Achse.
Peter blieben die Worte weg, als er sie sah. Er sah sie mit weit geöffneten Augen an und hätte sie am liebsten in seine Arme gerissen, so schön fand er sie. Anita besaß eine Figur, die jeden Mann verrückt machen konnte und das Gesicht eines Engels, ein Eindruck, der von ihren gelockten, hellblonden Haaren noch verstärkt wurde.
Peter schaute verliebt in Anitas ebenmäßiges Gesicht mit den lockenden, rehbraunen Augen und fühlte sich als der glücklichste Mann der Welt. »Du bist einfach perfekt«, erklärte er gerade noch schnell genug, bevor sie verärgert sein konnte, und streckte die Arme nach ihr aus.
»Ned so stürmisch, Peter. Du machst mir sonst noch meine Frisur kaputt«, erwiderte sie und wich ihm spielerisch aus. Da sie ihm gleichzeitig mit der rechten Hand über die Wange strich, nahm er ihr die Ablehnung nicht übel, sondern sah sie bettelnd an.
»Müssen wir wirklich zu diesem depperten Herrenchiemsee fahren? Ich tät lieber mit dir hierbleiben«, raunte er ihr ins Ohr und versuchte, sie erneut zu küssen. Anita schob ihn jedoch zurück und öffnete die Tür.
»Aber ich ned«, erklärte sie ihm zwar freundlich, aber resolut und trat auf den Flur. Peter folgte ihr und drückte auf den Aufzugknopf, während Anita ihre Wohnungstür zusperrte.
Im Erdgeschoss angekommen, wollten sie das Haus verlassen, als ihnen eine ältere Frau entgegenkam. Anita ging mit einem verächtlichen Schnauben an ihr vorbei, während Peter stehen blieb.
»Grüß Gott, Frau Haller. Wie geht's denn so?«, grüßte er die Frau freundlich.
»Grüß dich, Peter, wie kommst denn du da herein. Ach so, wegen der da«, erwiderte sie mit einem verkniffenen Blick auf Anita und ging schnell weiter. Peter schüttelte verwundert den Kopf und folgte Anita ins Freie.
»Woher kennst denn du die alt Hex?«, fragte diese verwundert.
»Du meinst die Hallerin? Aber das ist doch unsere Krämerin in Reichenhardt«, klärte er sie auf.
»Das wär die Letzte, von der ich was kaufen würd«, fauchte Anita bissig. »Die Begegnung mit dem alten Schandmaul hat mir jetzt den ganzen schönen Sonntagnachmittag versaut!«
»Das will ich doch ned hoffen, Anita«, rief Peter sichtlich erschrocken. »Wo er doch so schön angefangen hat! Es wird gewiss schön am Chiemsee. Außerdem hab ich heut frei und muss ned zur Stallarbeit heim«, setzte er in der Hoffnung hinzu, von ihr für später in die Wohnung eingeladen zu werden.
Anita ging jedoch nicht darauf ein, sondern trug ihre schlechte Laune deutlich sichtbar herum. Der Chiemsee grüßte bereits aus der Ferne, als sie endlich ihr beredtes Schweigen beendete und sich ihm wieder zuwandte.
»Es tut mir leid, dass ich so angefressen reagiert hab. Aber ich kann dieses Weibsstück nun einmal ned ausstehen. Reden wir nimmer drüber, sondern freuen wir uns auf unseren Ausflug.«
*
»Weißt du, Erika. Ich wollt schon lang einmal mit dir reden«, versuchte Roman Reiter die Unterhaltung in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken.
»Aber, Bauer, wir reden doch die ganze Zeit miteinander«, erwiderte die Magd verwirrt.
»Ja, das schon, aber da geht’s um die Arbeit oder um irgendwelche Nichtigkeiten«, brummte er mürrisch. »Aber ich will einmal über dich reden!«
»Über mich?«, fragte das Mädchen erschrocken. »Hab ich denn was angestellt?«
»Gott bewahre. Du bist das bravste Dirndl, das ich seit meiner Vevi kennengelernt hab«, beruhigte Roman sie. »Du bist immer freundlich, fleißig wie keine Zweite und gehst am Sonntag in die Kirch, wie's sich gehört. Außerdem kochst du, wie höchstens noch meine Frau kochen hat können. Na, mir geht's um was anderes. Ich frag mich nämlich, ob ich dir ned zu wenig Lohn zahl, weil du dir eigentlich nie ein neues Gewand kaufst. Dabei tät dir ein neues Dirndl gewiss gut stehen. Heut am Sonntag bräuchtest du wirklich ned mit dem einfachen Kleidl herumlaufen müssen, das du jetzt anhast!«
»Aber ich muss doch ned, Bauer. Es ist mir so lieber, weil ich damit auch was arbeiten kann. Bei einem Dirndlkleid hätt ich doch bloß Angst, es dreckig zu machen«, erwiderte Erika verständnislos.
»Heut ist Sonntag. Da wirst du doch wohl eine Stund ohne Arbeit dasitzen können. Übertreiben brauchst du es wirklich ned«, erklärte der Bauer etwas gereizt, weil sie einfach nicht begreifen wollte, worauf er hinzielte.
»Aber, Bauer, warum soll ich für eine Stunde was anderes anziehen, wenn wir eh unter uns sind«, erwiderte Erika und sah Roman etwas misstrauisch an. Für einen Augenblick befürchtete sie, er könnte sich in sie verliebt haben, oder auch nur zu versuchen, sie ins Bett zu bekommen. Erika ärgerte sich über diesen Gedanken, denn sie hatte den Bauern bisher nie anders als freundlich und angenehm empfunden. Doch wenn er mehr von ihr wollte, dann war hier kein Bleiben mehr für sie. Vielleicht ist es eh besser, wenn ich gehe, dachte sie und schloss die Augen, damit Roman ihre Tränen nicht sehen konnte.
»Aber, Dirndl, was hast du denn. Ich hab's doch ned bös gemeint!« Der Bauer stand auf, kam um den Tisch herum zu ihr hin und legte ihr den Arm um die Schulter.
Also doch, schoss es dem Mädchen durch den Kopf, und sie zuckte sichtlich zusammen, während ihr die Tränen lautlos über die Wangen liefen.
Roman zog umständlich sein Taschentuch aus der Hosentasche und versuchte die Tränen zu trocken. »Weißt du, Erika, so wohl wie jetzt hab ich mich seit dem Tod meiner Vevi nimmer gefühlt. Ich hätt gern, dass es so bleibt. Aber wenn der Peter seinen Stadtkittel auf den Hof bringt, wird die alles durcheinanderbringen. Na, das ist ned die Schwiegertochter, die ich mir wünsch. Da wär mir so ein braves Dirndl wie du schon viel lieber!«
Erika sah zu ihm auf, als könnte sie das Ganze nicht recht begreifen. »Du willst mich als Schwiegertochter, Bauer?«, fragte sie voller Staunen, aber auch Beschämung, weil sie seine Absichten derart missverstanden hatte.
»Ja, genau das. Ich könnt mir keine bessere vorstellen. Aber leider hab ned ich das zu entscheiden, sondern mein Trottel von Sohn. Und der ist nun einmal für sichtbarere Vorzüge als ein verständnisvolles Herz und ein angenehmes Wesen entflammt. Darum hab ich mir halt gedacht, dass ich dir ein bisserl Geld geb, damit du dir ein paar neue Kleidln kaufen und auch einmal zum Friseur gehen kannst.«
»Aber, Bauer, das solltest du ned tun«, wehrte Erika seinen Vorschlag ab. »Wenn die Leut davon erfahren, würden sie uns gewiss nix Gescheites nachreden!«
»Da hast du auch wieder recht. Dabei wär's mir doch lieb, wenn du ein bisserl mehr aus dir machen würdest. Wenn der Peter unbedingt in einen Ausschnitt glotzen will, ist es mir lieber, er tut das bei dir als bei seiner Stadtmadam.«
»Ganz so arm bin ich auch ned, dass ich mir ned ein neues Gewand kaufen könnt, Bauer. Ich hab's bloß ned getan, damit die Leut ned glauben sollen, dass ich mir den Peter angeln will!«, erwiderte Erika tapfer.
»Wegen mir kannst du ihn dir jederzeit angeln. Notfalls sogar mit einer Harpune«, rief Roman kriegerisch. »Die Hauptsach, mir kommt das Beamtengewächs aus Rosenheim ned über die Schwelle!«
»Ich weiß ned so recht. Wenn der Peter die Anita liebt, wird er mich kaum ansehen, und wenn ich die Claudia Schiffer persönlich wär«, wagte sie zu widersprechen.
»So ein langhaxertes Gstell ging mir grad noch ab«, meinte Roman brummig und blickte Erika streng an. »Dir fehlt's ganz offensichtlich am Selbstvertrauen. Aber das kommt schon noch mit der Zeit. Ich verlang ja auch ned von dir, dass du dich beim Peter so anstellst wie die Slalome beim alten Herodes. Du sollst bloß bereitstehen, wenn er sich mit seiner Städterin verkracht hat und Trost sucht.«
»Salome, Bauer. Das Madl hat Salome geheißen, ned Slalome«, korrigierte ihn Erika lächelnd, obwohl ihr eher zum Weinen zumute war. Wie stellte sich Roman Reiter das nur vor, fragte sie sich. Sollte sie sich Peter an den Hals werfen und ihn mit Gewalt in ihr Schlafzimmer zerren. Denn anders, als mit so einem dramatischen Auftritt, würde sie seine Aufmerksamkeit gewiss nicht auf sich lenken können.
»Es ist doch wurscht, wie die Schleiertänzerin geheißen hat. Es war halt die, die den Herodes dazu gebracht hat, dass er dem heiligen Johannes den Kopf abschlagen hat lassen. Aber jetzt schlagen wir zwei einer Flasche Wein den Kopf ab und trinken auf ein gutes Gelingen unseres Planes!«, entgegnete der Bauer selbstzufrieden.
*
Obwohl der Ausflug nach Herrenchiemsee doch noch ein voller Erfolg geworden war, war Peter danach ein wenig enttäuscht. Anita hatte ihn zum Abschluss zwar ausgiebig geküsst, ihn aber nicht mit in ihre Wohnung hochgenommen, wie er gehofft hatte. Dabei kribbelte es ihm in den Fingern, mehr mit ihr zu tun, als nur seine Lippen auf die ihren zu pressen.
Das kommt auch noch, tröstete er sich in Gedanken und träumte mit offenen Augen von Anitas toller Figur. Heute war zum Beispiel ihre Bluse ein wenig verrutscht, und er hatte etwas mehr sehen können als nur ihren normalen Ausschnitt. Da sie keinen BH getragen hatte, war ihm dabei ganz schön heiß geworden. Wenn es so weiterging, würde er sich daheim mit einer kalten Dusche abkühlen müssen, dachte er grinsend und bog von der Hauptstraße in den väterlichen Hof ein.
Zu seiner Verwunderung brannte im Wohnzimmer noch Licht. Dabei zeigte ihm ein Blick auf den Leuchtanzeiger seiner Armbanduhr, dass es nur noch eine Stunde bis Mitternacht war. Peter öffnete die Haustür und trat neugierig ins Wohnzimmer. Sein Vater saß, ein halb volles Glas Wein in der einen Hand auf dem Kanapee und dirigierte mit der anderen das Orchester, das im Radio zu hören war.
Peter sah auf dem ersten Blick, dass sein Vater nicht mehr der Nüchternste war. Roman Reiter gegenüber schmiegte sich Erika schläfrig in ihren Sessel. Ihre roten Bäckchen und die glänzenden Augen zeigten, dass auch sie an ihrem Glas nicht nur genippt hatte. Sie sah überrascht auf, als sie ihn erkannte und prostete ihm zu.
»Auf dein Wohl, Peter. Du bist heut aber früh daheim.«
»Was, der Peter ist schon da? Was ist, hat dich dein Stadtpflanzerl vor die Tür gesetzt?«, meldete sich sein Vater mit schwerer Zunge.
»Ihr zwei seid ja lustig. Es ist bald Mitternacht. Da könnt ich euch schon eher fragen, warum ihr noch ned in den Federn seid«, erwiderte Peter kopfschüttelnd.
»Soweit ist's noch ned gekommen, dass ich dir Lackl eine Rechtfertigung schuldig bin«, antwortete der Alte knurrig. Er stand unsicher auf und wankte zur Tür. »Gute Nacht, Erika. Es hat mich gefreut, dass du dir heut Zeit für mich genommen hast. Wenn's nach meinem Herrn Sohn ging, könnt ich ja vor Einsamkeit schier eingehen!« Mit diesen Worten stiefelte er los und merkte erst im Hausflur, dass er noch das Weinglas in der Hand hielt. Er stellte es in der Garderobe ab und verschwand im Badezimmer.
»Ihr zwei habt es euch aber gut gehen lassen«, meinte Peter zu Erika, die mit verlegenem Gesicht vor ihm stand und anscheinend nicht genau wusste, ob sie davonlaufen oder bleiben sollte.
»Der Bauer und ich, wir haben am Nachmittag zusammen ein Flascherl Wein getrunken. Als wir zwei dann mit der Stallarbeit fertig waren, hat er halt gemeint, dass wir uns ein zweites verdient hätten«, erwiderte sie leise.
»Du und der Vater habt die Kühe allein gemolken? Wo war denn der Wastl?«, fragte Peter verwundert nach dem Knecht.
»Der Wastl hat doch heut frei gehabt«, klärte ich Erika auf.
»Sakra, das hab ich ganz vergessen gehabt, sonst ... war der Vater arg bös, weil ich ned zur Stallarbeit heimgekommen bin?«, stotterte Peter etwas betroffen.
»Ach geh, der Bauer hat bloß gelacht und gemeint, dass er auch einmal jung und dumm gewesen ist. Das wollt ich fei ned sagen, das mit dem dumm«, erschrak Erika über ihre eigenen Worte.
»Du hast es ja ned gesagt, sondern der Vater«, beruhigte Peter sie und meinte nach einem Blick auf die Uhr, dass es höchste Zeit wäre, ins Bett zu gehen.
»Sonst bist du morgen früh müd und versalzt uns den Kaffee«, setzte er hinzu, obwohl ihm eigentlich gar nicht zum Spaßen zumute war. Er war im Gegenteil sogar ziemlich besorgt. Peter war zwar der Letzte, der von einem kerngesunden, gerade mal sechsundfünfzig Jahre alten Witwer wie seinem Vater erwartete, wie ein Mönch zu leben. Schließlich gab es genug gut erhaltene Frauen im entsprechenden Alter, die für eine Ehe in Frage kamen. Er hätte auch eine diskrete Liebesbeziehung mit einer Fremden toleriert. Es ging ihm jedoch gegen den Strich, wenn sein Vater sein Verhältnis mit der eigenen Magd beginnen wollte, die zudem noch jung genug war, um seine Tochter zu sein.
Während Peter seinen eigenen Gedanken nachhing, war Erika still aus dem Raum geschlüpft und in ihr Zimmer gelaufen. Ihr Herz schlug laut und schmerzhaft gegen ihre Rippen, und sie verwünschte das Versprechen, das ihr Roman Reiter abgenötigt hatte. Sie warf einen entsagungsvollen Blick in den Spiegel und fand sich so unscheinbar, dass sie sich schon mit Leuchtfarbe hätte anmalen müssen, um Peter aufzufallen.
Sie wusste aber auch, dass sie nicht mehr zurückkonnte. Nicht nur ihr Versprechen, auch ihre eigenen Gefühle für Peter ließen es nicht mehr zu. Wenn er sie nur ansah, wurden ihre Knie bereits weich wie Butter, und ihre Antworten auf seine Fragen gerieten zu einem hilflosen Gestammel. Erika beneidete Anita glühend um ihr gutes Aussehen und ihre Selbstsicherheit. Dieser fiel es gewiss leicht, einen Mann wie Peter an sich zu fesseln, während sie selbst nur in Gedanken mit ihm zärtlich sein konnte, und in ihren Träumen, die sehr oft die Grenzen dessen überschritten, was sie noch für schicklich hielt.
*
Obwohl sie müde war, schlief Erika diesmal lange nicht ein, sondern kämpfte mit den Minderwertigkeitsgefühlen, die an ihr rüttelten wie der Wind an den Blättern eines Baumes. Erst nach langen Stunden fiel sie in einen unruhigen, von Albträumen geplagten Schlaf und fühlte sich wie gerädert, als der Wecker sie am nächsten Morgen brutal weckte. Ihre gesunde Jugend und eine eiskalte Dusche brachten sie jedoch rasch wieder auf die Beine. Als sie in den Stall eilte, um beim Melken zu helfen, hatte sie sich wieder so weit in der Gewalt, dass sie Peter einen schönen guten Morgen wünschen konnte, ohne dass ihre Stimme dabei zu sehr zitterte.
Sie hatte heute mehr Arbeit als sonst, denn der Knecht Wastl blieb verschollen, und Peter stützte sich immer wieder mit offenen Augen träumend auf seine Gabel, anstatt die Tiere zu füttern. Erst als der Bauer selbst hereinkam und seinen Sohn scharf rügte, begann er sich wieder an seine Pflichten zu erinnern. Doch da war Erika mit dem Melken schon fast fertig. Sie half dem Bauern noch, die Milchtanks an die Straße zu schieben und eilte dann in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten.
Trotz Peters abendlicher Bedenken war das Essen nicht versalzen, sondern schmeckte wieder ausgezeichnet. Roman lobte Erika dafür erneut über den grünen Klee. Er erreichte damit aber nur, dass sie am liebsten im Boden versunken wäre. Peter kümmerte es nämlich überhaupt nicht, was er aß. Er hätte wahrscheinlich nicht einmal gemerkt, wenn sie ihm panierte Ziegelsteine vorgelegt hätte. Seine Gedanken weilten in Rosenheim bei Anita, die um diese Zeit gerade aufstand und ins Badezimmer ging.
Peter wäre hier gerne dabei gewesen. Doch das war ein Genuss, den er sich in absehbarer Zeit zu verschaffen hoffte. Ganz in seinen Vorstellungen eingesponnen überhörte er, wie sein Vater eine Frage an ihn richtete. Erst als der Bauer mit der flachen Hand auf den Tisch schlug, schüttelte Peter seine Traumvisionen ab.
»Was soll das, Vater?«, fragte er etwas verärgert. »Damit erschreckst du doch nur die Leut!«
»Außer dir gibt's keinen, den ich erschrecken könnt. Die Erika ist nämlich in der Küch und der Wastl ned da, was du aber wahrscheinlich noch gar ned gemerkt hast!«, erwiderte Roman grantig.
Peter merkte wirklich jetzt erst, dass der Knecht fehlte, und starrte verwundert auf dessen leeren Platz am Tisch.
»Weißt du, warum der Wastl noch ned zurück ist?«, fragte er seinen Vater.
»Dann hätt ich dich ned grad gefragt, ob der Lackl vielleicht zu dir was gesagt hat«, antwortete dieser brummig.
»Soviel ich weiß, hat er zu seiner Tante in Raubling wollen«, gab Peter zum Besten.
»Die Bekanntschaft mit der Städterin bekommt dir wirklich ned gut, sonst wüsstest du, dass dem Wastl seine Tante vor drei Monaten gestorben ist. Er kann sie also schlecht besuchen, höchstens er tut es für immer!«, erklärte sein Vater sarkastisch.
»Das hab ich wirklich vergessen gehabt«, entschuldigte sich Peter und zermarterte sein Gehirn, ob ihm der Wastl am Samstag nicht doch irgendetwas über seine Pläne erzählt hatte. Immerhin hatten sie sich am Abend zuvor doch einige Zeit miteinander unterhalten. Aber voller Vorfreude auf das Wiedersehen mit Anita hatte er nicht richtig hingehört oder es sofort wieder vergessen.
»Langsam platzt mir der Kragen mit dem Loder. Es ist jetzt schon das vierte Mal in dem Jahr, dass er am Montag zur spät zur Arbeit kommt. Und auch sonst ist er ned grad der Fleißigste. Wenn die Erika ned so viel arbeiten tät, ging's auf unserem Hof drunter und drüber!«, erklärte Roman und wollte damit weniger über den Knecht schimpfen, als vielmehr die Vorzüge der Magd ins rechte Licht setzen. Er sah seinen Sohn dabei so durchdringend an, als wenn er ihn hypnotisieren wollte.
»Die Erika ist halt einmal ein Arbeitstier. Hoffen wir, dass sie noch lang als Magd auf unserem Hof bleibt. Die Chance haben wir ja, weil sich wohl kaum ein Mannsbild für so ein unscheinbares Mäuserl wie sie interessieren wird«, erwiderte Peter lachend und übersah dabei ganz, dass Erika in dem Moment wieder ins Zimmer zurückkehrte. Als sie diese gedankenlosen Worte hörte, wäre ihr vor Schmerz fast die Kaffeekanne aus der Hand gefallen.
Roman sah es und bedachte seinen Sohn mit einem giftigen Blick. »Wenn du weiter so über das Madl redest, wird sie's irgendwann satt sein und sich einen anderen Dienst suchen!«, warnte er Peter.
»Und wenn schon, dann holen wir uns eben eine andere, ebenfalls unansehnliche Magd auf den Hof. Du wirst sehen, die arbeitet auch ned weniger als die Erika«, meinte dieser.
»Depp!«, erwiderte sein Vater, doch in diesem einen Wort schwang eine gewaltige Menge an Wut mit.
Auch Erika war über Peters gedankenlose Worte zornig. Es tat ihr zwar weh, dass er sich nichts aus ihr machte. Aber musste er sie auch noch verspotten und ihr Aussehen und ihre Arbeitsleistung verächtlich abtun, fragte sie sich erbittert. Sie schenkte dem Bauern und sich ein und stellte die Kanne hin, ohne sich um Peter zu kümmern.
Das ist nicht gerade der Anfang, den ich mir gewünscht habe, dachte Roman und legte Erika die Hand auf den Arm, um sie zu beruhigen. Er spürte, dass sie zitterte, und hätte seinen Sohn dafür am liebsten ein paar deutliche Sätze gesagt. Da er aber keinen Streit vom Zaun brechen wollte, begnügte er sich mit einem ärgerlichen Blick und ein paar tadelnden Worten.
»Wenn du noch einmal verächtlich über die Erika redest, kriegst du es mit mir zu tun!«, knurrte er und stürzte seinen Sohn dadurch ziemlich in Verlegenheit. Peter konnte sich nämlich wirklich nicht erklären, was sein Vater an Erika fand.
»Ich sag schon nix mehr gegen sie, Vater«, erwiderte er seufzend und stand auf, um an die Arbeit zu gehen. Roman wartete, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, und wandte sich dann an Erika, die wie ein Häuflein Elend auf ihrem Stuhl hockte.
»Du darfst dir dabei nix denken, Dirndl. Der Peter wird schon noch lernen, dass die andere ein Westenknopf aus billigem Plastik ist, und du ein wahrer Diamant!«
»Du hörst es doch, Bauer. Für den Peter hab ich einfach viel zu wenig Karat«, erwiderte sie mit einem schmerzlichen Lächeln.
»Aber, Erika, du wirst doch ned vor der ersten Schlacht schon aufgeben wollen. Immerhin bin ich auch noch da. Und ich sag dir eins. Ich mach dem Peter das Leben zur Hölle, wenn er noch länger mit seinem städtischen Flederwisch herumzieht. Ich hab immerhin noch etliche Jahr bis zur Bauernrente, und wenn ich will, werden die ihm verdammt lang vorkommen!«
»Aber, Bauer, vielleicht ist die Anita gar ned so schlecht, wie du glaubst, und der Peter wird mit ihr glücklich werden«, wagte Erika einzuwenden.
»Schaf«, brummte der Alte voller Grimm. »Was ich von der gehört hab, lässt mich das Schlimmste befürchten. Du brauchst bloß einmal die Kramerin zu fragen. Die Hallerin kann dir Stückerln von der Anita erzählen, dass dir das Grausen kommt.«
»Die Hallerin redet aber auch sonst gern und nimmt's dabei mit der Wahrheit ned immer so genau!«, sagte Erika. Der Bauer ließ jedoch keinen weiteren Widerspruch gelten.
»Weißt du was, Erika. Schau nach, was du in der Küche brauchst und dann gehst du zur Hallerin zum Einkaufen. Mir kannst du dabei zwei Packerl Stumpen mitbringen. Sie weiß schon, welche Sorte ich mag!«
»Das weiß ich doch auch«, sagte Erika. Sie wurde nun doch etwas neugierig auf das, was die Krämerin über Anita zu erzählen wusste und räumte rasch den Tisch ab, um in das Dorf zu gehen. Roman zog seinen Geldbeutel und steckte ihr einen Schein zu.
»Das ist für die Stumpen. Für den Rest kaufst du dir eine Schachtel Pralinen. Das wirst du mir wohl ned abschlagen wollen.«
»Gewiss ned, Bauer. Aber eigentlich hab ich ned die Zeit dafür. Ich muss in den Jungviehstall, weil doch der Wastl ned da ist.«
»Zu was haben wir denn den Peter? Der kann auch einmal ein bisserl mehr arbeiten als sonst. Nach dem Mittagessen fährst du dann in die Stadt und kaufst in Hildegards Dirndlgeschäft ein, verstanden? Feigheit lass ich ned gelten!«
Das Mädchen fühlte sich bei den befehlenden Worten des Bauern zutiefst unwohl. Sie biss aber tapfer die Zähne zusammen und machte sich auf den Weg ins Dorf.
Roman brannte sich unterdessen einen Stumpen an und wanderte mit den Händen in den Hosentaschen auf dem Hof herum. Mit grimmiger Zufriedenheit sah er seinem Sohn zu, der atemlos herumwirbelte, um die Arbeit zu schaffen.
Peter warf schließlich einen schiefen Blick auf seinen Vater, der nicht im Geringsten daran dachte, ihm zu helfen. Er wusste, dass es die Strafe dafür war, weil er sich gestern mit Anita getroffen hatte. Doch er dachte nicht im Geringsten daran, seinem Vater nachzugeben. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, fuhr es ihm durch den Sinn, und er wandte sich Roman mit einem herausfordernden Lächeln zu.
»Du hast gestern wohl ein bisserl zu viel gelumpt, weil du heut so schwächelst, Vater? Oder merkst du jetzt doch langsam dein Alter?«, fragte er hinterlistig und bemerkte zufrieden das zornige Schnauben des Alten.
»Mit dir jungen Hüpfer nehm ich's noch immer auf«, rief Roman empört und packte die Gabel.
*
Erika stieg mit einem gewissen Widerstreben die Treppe zum Krämerladen hoch. Ihre Unsicherheit wuchs noch, als sie durch das Schaufenster Elisabeth Schlickenrieder erkannte, das zweitgrößte Tratschmaul im Ort nach der Krämerin. Für einen Augenblick überlegte sie sich, nur rasch einzukaufen und wieder zu gehen. Doch kaum hatte sie den Laden betreten, schoss Veronika Haller auch schon wie ein Raubvogel auf sie zu.
»Ja grüß dich nachert, Erika. Das freut mich aber, dass du grad heut zu mir kommst«, rief sie und riss ihr fast die Einkaufstasche aus der Hand. Erika wunderte sich über diesen schwungvollen Empfang und sagte der anderen erst einmal ihre Einkaufsliste auf. Veronika Haller nahm ein paar der Sachen aus dem Regal, doch dann konnte sie ihrer Lust am Tratschen nicht widerstehen.
»Dein Bauer tut mir ja wirklich leid, Erika. Seine Vevi war wirklich eine wunderbare Frau. Schad, dass sie so früh von ihm gehen hat müssen. Sie tät sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsst, was für einem Madl ihr Sohn jetzt den Hof macht!«, sprudelte sie hervor. »Oder weißt du das noch gar ned?«, fragte sie, als Erika sie nur aus großen Augen ansah.
»Soviel ich erfahren hab, geht er mit einer Angestellten aus Rosenheim. Aber was Genaues weiß ich auch ned. Der Peter trägt sein Herz ned auf der Zunge herum«, erwiderte Erika etwas abwehrend, und doch neugierig genug, um die andere zufriedenzustellen.
»Das muss ich dir unbedingt erzählen, Erika. Schließlich kenn ich das Mensch, in das sich der Peter verknallt hat. Es sind halt alles Deppen, die Männer. Sie brauchen bloß ein angetuschtes Gesicht sehen und eine freizügig präsentierte Oberweite, und sie haben ihre Gedanken nur noch unter der Gürtellinie. Aber das Erwachen kommt, sag ich dir, und es wird fürchterlich sein!«, erklärte die Krämerin mit hochgerecktem Finger.
Erika bekam es direkt mit der Angst zu tun, als sie es hörte. »Wie ist denn diese Anita eigentlich?«, fragte sie zögernd.
»Beim Preisschießen würde man so etwas wie sie einen Wanderpokal nennen«, rief Frau Haller theatralisch. »Fast jeden Monat zieht sie mit einem anderen Mannsbild herum. Aber du brauchst ned zu meinen, dass sie mit einem genug hätt. Die hat immer ein paar Deppen an der Angel. Du kannst dir gar ned vorstellen, was die für ein verdorbenes Früchterl ist. Oder weißt du einen Grund dafür, warum ein dreiundzwanzig Jahr altes Madl von daheim auszieht und sich eine eigene Wohnung nimmt, wenn's ned wegen ihren Männerbekanntschaften wär?«
»Ist die Anita wirklich so schlimm?«, rief Erika entsetzt.
Die Krämerin winkte nur mit der Hand ab. »Noch viel schlimmer! Es weiß jeder, dass sie ihr Gehalt in der Firma ned deswegen bekommt, weil sie fix beim Arbeiten ist, sondern weil sie ihrem Chef gegenüber so entgegenkommend ist. Für die ist der Peter bloß ein Spielzeug, der die Muskeln und die Potenz hat, die ihrem Chef abgehen!«
»Sie muss eine ganz Hochnäsige sein«, mischte sich Elisabeth Schlickenrieder ein. »Die hat schon manchen Burschen, der ihr auf dem Tanzboden ned gepasst hat, einen Korb gegeben, dass es bloß so gerauscht hat.«
»Den Hochmut hat sie von ihrem Vater, dem Herrn Oberinspektor im Landratsamt«, setzte Veronika Haller gehässig hinzu. »Der ist auch so ein Kotzbrocken, dass dir schlecht werden muss. Dem sein Lebensmotto heißt: Was bin ich - was kann ich noch werden? Und seine Tochter ist genauso. Die poussiert gewiss ned deswegen mit dem Peter herum, weil er so ein fescher Bursch ist, sondern weil seinem Vater einer der größten Bauernhöfe im Landkreis gehört. Vielleicht hat sie die Nase von ihrem Chef voll und will jetzt Gutsherrin spielen.«