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Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Ihre Durchlaucht, Fürstin Mechthild von Rabenhorst, eine geborene Hoheit aus ehemals regierendem Haus, saß in dem runden Turmzimmer, dessen große, verglaste Flügeltüren auf einen rosenumrankten Söller führten. Sie waren weit geöffnet, und der Duft der Rosen und der Gesang der Vögel drang ins Zimmer und erfüllte es mit Licht und Frühling. Eigentlich mochte die Fürstin diesen Raum am wenigsten von den sechsundsiebzig Zimmern des Schlosses. Er war ihr nicht repräsentativ genug. Aber – leider – war ihr einziger Sohn, der jetzige Fürst Gordian, nicht so standesbewußt und stolz wie sie selbst. Das hatte er von seinem verstorbenen Vater, wie auch seine elegante Erscheinung: groß, schlank, dunkel, ein schmales Gesicht mit aristokratisch gebogener Nase, einen aufregend schönen, für den Geschmack der Fürstin etwas zu weichen Mund, und Augen, denen keine Frau widerstehen konnte: groß, fast schwarz, unter langen dichten Wimpern und dichten Brauen. Ach Gott, ja, deshalb hatte sie sich auch herabgelassen und unter ihrem Stand geheiratet: nur einen Fürsten, keine Hoheit. Die Fürstin erlaubte sich eine kurze, sentimentale Regung. Sie gestand sich ein, daß sie trotzdem sehr glücklich und verliebt gewesen war! Mit ihren sechsundfünfzig Jahren war sie auch heute noch eine ausgesprochen attraktive Erscheinung: überschlank, überaus gepflegt, das Gesicht klassisch, vielleicht etwas hart –, was aber ihr schönes, reiches, inzwischen silbergraues Haar milderte. Sie trug einen fliederfarbenen Twinset, der hervorragend mit ihren scharfen Augen harmonierte, den Rock einen Ton dunkler in der gleichen Farbe aus schwerer Seide, eine lange Kette aus haselnußgroßen Perlen, mit antikem Diamantschloß, passende Ohrstecker und Ringe und die im Adel so geschätzten goldenen Panzerarmbänder, natürlich antik. Nicht diese protzigen Halbpfünder, die Neureichs bevorzugten. Man hatte es nicht nötig, den Wohlstand zur Schau zu stellen! Das Frühstücksgeschirr stand noch auf dem Tisch –, vielleicht hatte ja Gordian Lust auf eine Tasse Kaffee. den. Er wurde demnächst dreißig – und hatte noch immer keinen Erben für Titel und Besitz! Da war zwar die süße kleine Paschalis aus seiner Ehe mit Gertrud. Aber die unglücklche junge Frau war kurz nach der Geburt gestorben. Sie hatte die Schwiegertochter sehr geschätzt, da sie auch aus regierendem Haus stammte: eine Lichtenhof! Leider war das Kind nur ein Mädchen!
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Seitenzahl: 112
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Ihre Durchlaucht, Fürstin Mechthild von Rabenhorst, eine geborene Hoheit aus ehemals regierendem Haus, saß in dem runden Turmzimmer, dessen große, verglaste Flügeltüren auf einen rosenumrankten Söller führten. Sie waren weit geöffnet, und der Duft der Rosen und der Gesang der Vögel drang ins Zimmer und erfüllte es mit Licht und Frühling.
Eigentlich mochte die Fürstin diesen Raum am wenigsten von den sechsundsiebzig Zimmern des Schlosses. Er war ihr nicht repräsentativ genug. Aber – leider – war ihr einziger Sohn, der jetzige Fürst Gordian, nicht so standesbewußt und stolz wie sie selbst. Das hatte er von seinem verstorbenen Vater, wie auch seine elegante Erscheinung: groß, schlank, dunkel, ein schmales Gesicht mit aristokratisch gebogener Nase, einen aufregend schönen, für den Geschmack der Fürstin etwas zu weichen Mund, und Augen, denen keine Frau widerstehen konnte: groß, fast schwarz, unter langen dichten Wimpern und dichten Brauen. Dazu dieser Blick, der so überwältigend verträumt sein konnte…
Ach Gott, ja, deshalb hatte sie sich auch herabgelassen und unter ihrem Stand geheiratet: nur einen Fürsten, keine Hoheit.
Die Fürstin erlaubte sich eine kurze, sentimentale Regung. Sie gestand sich ein, daß sie trotzdem sehr glücklich und verliebt gewesen war!
Mit ihren sechsundfünfzig Jahren war sie auch heute noch eine ausgesprochen attraktive Erscheinung: überschlank, überaus gepflegt, das Gesicht klassisch, vielleicht etwas hart –, was aber ihr schönes, reiches, inzwischen silbergraues Haar milderte. Sie trug einen fliederfarbenen Twinset, der hervorragend mit ihren scharfen Augen harmonierte, den Rock einen Ton dunkler in der gleichen Farbe aus schwerer Seide, eine lange Kette aus haselnußgroßen Perlen, mit antikem Diamantschloß, passende Ohrstecker und Ringe und die im Adel so geschätzten goldenen Panzerarmbänder, natürlich antik. Nicht diese protzigen Halbpfünder, die Neureichs bevorzugten. Man hatte es nicht nötig, den Wohlstand zur Schau zu stellen!
Das Frühstücksgeschirr stand noch auf dem Tisch –, vielleicht hatte ja Gordian Lust auf eine Tasse Kaffee. Er war in der Frühe auf einen starken Bock gegangen, und sie hoffte, daß er bald zurück war, denn sie hatte vor, ihm wieder einmal ins Gewisen zu re- den.
Er wurde demnächst dreißig – und hatte noch immer keinen Erben für Titel und Besitz!
Da war zwar die süße kleine Paschalis aus seiner Ehe mit Gertrud. Aber die unglücklche junge Frau war kurz nach der Geburt gestorben. Sie hatte die Schwiegertochter sehr geschätzt, da sie auch aus regierendem Haus stammte: eine Lichtenhof! Leider war das Kind nur ein Mädchen! Aber sie war zweifellos entzückend.
Sie erinnerte die Fürstin an Kinderbilder von ihr selbst: so ein hübsches, vornehmes kleines Mädchen. Inzwischen war sie drei Jahre alt –, und das war weiß Gott eine genügend lange Trauerzeit, fand Fürstin Mechthild, auch um eine geborene Hoheit!
Natürlich würde Gordian auch in zehn Jahren keine Schwierigkeiten haben, eine Frau zu finden! Aber sie sollte schließlich jung sein und imstande, Kinder, vor allem Söhne, zu bringen! Und selbstverständlich aus allererster Familie.
Das würde bedeuten, daß sie noch einige Jahre die Pflichten der Hausfrau übernehmen würde, damit die junge Fürstin sich um den Nachwuchs kümmern konnte. Natürlich mit Hilfe von Kinderschwestern und Erziehern.
Dann war sie vermutlich Mitte Sechzig und wahrscheinlich froh, wenn sie nicht mehr so viele Aufgaben hatte! Obwohl sie sich das jetzt beim besten Willen noch nicht vorstellen konnte: nur mehr Bridge und Wohltätigkeit… Aber das war nun einmal das Los einer Dame ihres Standes.
Fürstin Mechthild überlegte, ob sie die kleine Paschalis bringen lassen sollte. Vielleicht würde der Anblick dieses reizenden Kindes Gordian dazu ermutigen, sich noch mehr Nachwuchs zu wünschen. Aber bevor sie nach der Klingel aus Elfenbein mit dem Klingelknopf aus Türkis greifen konnte, die an einer weißseidenen Kordel von der Decke hing, flog die Tür auf und der Gegenstand ihrer Sorgen, aber auch ihres mütterlichen Stolzes, kam herein.
»Guten Morgen, Mama! Du siehst phantastisch aus!« rief er und warf seinen Hut mit dem Eichenbruch auf einen Sessel. »Wunderbar! Ich habe rasenden Hunger!« Er küßte sie auf die Wange und setzte sich ihr gegenüber.
Sie nahm sein Kompliment lächelnd entgegen und hätte es fast erwidert – die lässige Jagdkleidung stand ihm so wahnsinnig gut! Aber eigentlich traf das für alles zu! –, doch sie wollte nicht vom eigentlichen Grund ihrer dringenden Bitte, sie aufzusuchen, abweichen.
Gordian grinste und schenkte sich selbst den Kaffee aus der schönen Silberkanne mit dem fürstlichen Wappen in die zarte Nymphenburger Tasse mit dem Schlösserdesign. Eine Serie dieser Prozellanmanufaktur, die eigentlich nicht bezahlbar war.
»Ich habe den Bock erwischt. Fast tat er mir leid! So ein prächtiger Kerl. Blattschuß. Er mußte wenigstens nicht leiden.«
»Weidmannsheil!« gratulierte seine Mutter. Zu allen anderen Vorzügen war Gordian auch noch ein erstklassiger Schütze, ein fabelhafter Reiter und auch ausgezeichnet in anderen, nicht so standesgemäßen Sportarten. Sie wollte ansetzen, etwas zu sagen, doch Gordian ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Mama, ich weiß, was du sagen willst. Ich bin auch bereit zu heiraten – aber nur, wenn ich eine Frau treffe, die ich wirklich lieben kann. Du weißt, daß ich Gertrud sehr gern hatte – ich will auch ein zweites Mal nicht nur heiraten, um dir einen standesgemäßen Enkel zu schenken. Wolodja Pronski hat mich zur Hirschbrunft eingeladen.«
»Ach, wie reizend!« fand seine Mutter. Dort verkehrten sicher ebenso schöne wie vornehme Damen des polnischen Hochadels. Jagden waren ja fast immer in erster Linie gesellschaftliche Ereignisse.
»Und sollte ich da noch nicht fündig werden, fahre ich über Wien und Salzburg zurück«, setzte Gordian hinzu und grinste noch mehr. Er war sich ziemlich sicher, daß seine Mutter sofort alle in Frage kommenden Mütter und Tanten über seine Reise informieren würde. Er hatte nichts dagegen. Er sah selber ein, daß er einen Erben brauchte. Und das Herumflirten in der Gegend machte auch nur in Grenzen Spaß, da man ja immer Rücksicht auf den Ruf der adeligen jungen Damen nehmen mußte.
Außerdem war Paschalis so verzogen und verwöhnt von seiner Mutter und dem gesamten Personal, daß es höchste Zeit wurde, daß sie ein paar Geschwister bekam, mit denen sie sich die Liebe aller teilen mußte.
Jetzt hörte man auf dem Gang das Trippeln von kleinen Füßen, und Gordian sprang auf, um seiner Tochter die Tür zu öffnen. Das Kindermädchen schickte er weg.
»Ich bringe Ihnen Paschalis später wieder«, sagte er und hob das Prinzeßchen auf, das ein weißes Spitzenkleid trug. Sie sah süß aus mit ihren silberblonden Löckchen, den hellblauen Augen und dem feinen Näschen: fast zu fein für ein Kindergesicht! dachte Gordian. Aber wenn die Nase allzu spitz wurde – nun, es gab genügend exzellente kosmetische Chirurgen. Und Geld würde bei Paschalis nie eine Rolle spielen.
»Hast du den Bock umgebracht, Papa?« fragte Paschalis.
»Das kling ja scheußlich, so wie du es sagst!« fand Gordian und lachte. »Begrüße erst einmal deine Großmama, dann gehen wir in den Kühlraum, wo Franz – (das war der Jäger, der ihn begleitet hatte) – den Bock aus der Decke schlägt und ihn zerwirkt.«
»Was hat er denn für eine Decke?« wollte Paschalis wissen.
»So nennt man in der Jägersprache sein Fell«, erklärte Gor-dian und dachte bei sich, daß er seine Tochter nicht weniger verwöhnte als alle anderen. »Aber du solltest etwas anderes anziehen. Ein weißes Spitzenkleid paßt nicht an einem gewöhnlichen Werktag!«
»Ich will aber kein anderes Kleid!« Paschalis stampfte mit dem Fuß auf.
»Eigentlich sollte man sie jetzt tadeln«, stellte Gordian fest und sah seiner Tochter lächelnd in das trotzige Gesichtchen.
Fürstin Mechthild lachte. Sie war als Kind genauso gewesen.
»Es ist gut, daß sie einen so starken Willen hat«, fand sie. »Komm zu deiner Großmama!« Und sie breitete die Arme aus, und Paschalis lief zu ihr hin. Sie wußte ganz genau, daß sie bei der lieben Großmama alles durchsetzen konnte.
*
»Heute abend haben wir frei!« sagte Nikolai Fürst Pronski, als sein Gast etwas übernächtigt zum Frühstück kam. Er war ein eleganter Herr in Gordians Alter, blond, mit einem verwegenen Schnurrbart. Er lachte, daß seine weißen Zähne mit den blauen Augen um die Wette blitzten. »Du Armer! Die Qual der Wahl!« Und er schlug sich vergnügt auf die Schenkel.
Seine hübsche blonde Frau, die mit ihrem vierten Kind schwanger ging, lachte mit.
»Du bist wirklich zu bemitleiden, Gordian! Aber warum hast du dich auch auf so eine Heiratstour schicken lassen. Gibt es in Deutschland keine schönen Prinzessinnen?«
»Du kommst mir vor wie ein zum Abschuß freigegebenes Stück Wild«, zog ihn Nikolai weiter auf. »Aber den heutigen Abend habe ich für uns beide frei gehalten. Meine geliebte Ilena hat nichts dagegen, daß ich mit dir in eine der neu eröffneten Bars gehe. Dort singt ein junges Mädchen. Es gibt niemanden, der nicht in sie verliebt ist!«
»Vielleicht ist ja sie die Richtige«, brummte Gordian und schenkte sich die zweite Tasse ein, um den Kopf frei zu kriegen. »Nie wieder Champagner«, erklärte er. »Nur mehr Obstsäfte!«
Ilena und Nikolai lachten wieder.
»Gib dich keinen Hoffnungen hin: sie geht mit niemandem aus und kommt auch zu keinem an den Tisch –, egal, wie viele Wagenladungen Blumen oder auch Kostbareres du ihr schickst«, erzählte Nikolai. »Aber sie hat eine wunderbare Stimme und singt die alten Volkslieder, modisch aufgepeppt –, einfach toll. Zudem ist sie eine reine Augenweide.«
»Nikolai hat recht. Sie ist wirklich reizend. Sie studiert Innenarchitektur und verdient sich so ihr Studium«, berichtete Ilena nun. »Ich habe mit ihr gesprochen –, vor ein paar Monaten, als ich noch unter Menschen ging. Sie ist sehr sympathisch. Aber sie weist alle ab. Sogar meine Einladung, sich zu uns zu setzen, wies sie zurück: sonst würde der Besitzer der Bar verlangen, daß sie sich auch zu anderen setzt, wenn sie einmal eine Ausnahme macht.«
»Aha«, brummte Gordian, noch immer nicht begeistert. »Meinst du wirklich, daß das zur Erholung dann das Richtige ist?«
»Pfui!« schalt Ilena und tat schockiert. »Was hast du dir denn zur Abwechslung erwartet?«
»In Anbetracht der Tatsache, daß dein Baby ein kleines Mädchen ist, beantworte ich die Frage nicht«, erwiderte Gordian todernst.
Trotzdem war er einverstanden, als Nikolai abends mit ihm in den besagten Nachtclub fuhr.
Das Clubhaus war das ehemalige Stadtpalais eines polnischen Grafen und überraschend feudal eingerichtet. Pronski und Rabenhorst waren im Smoking, aber auch die anderen männlichen Gäste waren in Abendkleidung.
Die Mädchen, die an der Bar saßen und offensichtlich darauf warteten, zum Tanzen oder zu einem Glas Champagner aufgefordert zu werden, waren ausnahmslos Schönheiten und hochelegant. Eigentlich nicht von den Damen, die in Begleitung ihrer Kavaliere oder Ehemänner das Lokal besuchten, zu unterscheiden. Ausgenommen, was den Schmuck anging.
»Sehr schick«, stellte Gordian sachkundig fest und übersah das einladende Lächeln, das man ihnen beiden von der Bar, aber auch von den Tischen her, zuwarf. »Kennt man dich hier?«
Nikolai grinste.
»Du denkst doch nicht, daß ich hier ein Dauergast bin? So großzügig ist Ilena nun auch wieder nicht!«
»Das wäre auch unverzeihlich. Sie ist reizend.«
»Darum habe ich sie geheiratet«, erwiderte Nikolai selbstgefällig. »Aber was ist mit den anderen schönen Töchtern Polens?«
»Ich weiß nicht«, seufzte Gordian. »Wahrscheinlich irritiert mich, daß man sie mir so anträgt.«
»Das kann ich verstehen«, meinte Nikolai und nickte. »Aber still: da kommt Olga!«
Die junge Sängerin bekam reichlichen Auftrittsapplaus –, man kannte sie offenbar. Etwas gelangweilt wandte sich Gordian der kleinen Bühne zu – und erstarrte, wie vom Blitz getroffen.
Sie verneigte sich lächelnd und sagte etwas auf polnisch, was er nicht verstand. Dann begann sie zu singen, mit einem weichen dunklen Mezzosopran. Ihre auffallend schönen, schmalen Hände unterstrichen die Worte mit wenigen, ausdrucksvollen Bewegungen. Auch wenn Gordian sie nicht verstand –, er war wie verzaubert.
Nikolai betrachtete ihn amüsiert.
»Na, habe ich zuviel versprochen?«
»Ich muß sie kennenlernen!« war die Antwort.
»Ich sagte dir doch…«
»Ich weiß, was du gesagt hast: aber ich muß sie kennenlernen!« Er winkte einem Kellner und bat, ihm eine Blumenverkäuferin zu schicken. Der verneigte sich be-flissen, und kurz darauf erschien eine alte Frau mit einem riesigen Korb voll dunkelroter Rosen. »Den ganzen Korb zu Mademoiselle Olga!« befahl er, steckte ihr einen großen Schein zu und seine Karte.
»Es hat keinen Sinn!« meinte Nikolai spöttisch.
Gordian sah ihn an, als habe er nicht verstanden.
Nach dem dritten Lied verneigte sich Olga und verließ die Bühne. Nach einer kurzen Pause, in welcher die Gäste Gelegenheit hatten zu tanzen, kam sie wieder. Sie hatte sich eine der Rosen ins Haar gesteckt. Sie neigte leicht den Kopf in Richtung der beiden jungen Herren, dann begann sie wieder zu singen. Dieses Mal, wohl als Dank gedacht, ein deutsches Lied: »Hab’ ich nur deine Liebe –, die Treue brauch ich nicht! Die Liebe ist die Knospe ja, aus der die Treue bricht…«
»Ich werde verrückt!« murmelte Nikolai fassungslos und schüttelte den Kopf. »Das gibt es doch nicht!«
Wenig später kam die Blumenfrau und überreichte Gordian ein Kuvert.
Ich kann Sie hier nicht treffen. Zwei Straßen weiter ist ein kleines Restaurant, dort erwarte ich Sie kurz nach zwölf Uhr.
»Du brauchst nicht auf mich zu warten«, sagte Gordian und zeigte Nikolai die Karte.
»Aber ich habe das sichere Empfinden, daß ich unbedingt mitkommen sollte«, sagte der ernstlich besorgt.
»Unsinn!« wehrte Gordian ab. »Du störst nur!«
»Und wenn es eine Falle ist? Wenn irgendein Schläger auf den reichen Deutschen lauert?«
»Mach dich nicht lächerlich! Ihr habt selber gesagt, daß sie eine Studentin ist!«
»Als ob das eine Garantie für ihren Charakter wäre«, knurrte Nikolai. »Außerdem: vielleicht hat sie einen eifersüchtigen Freund!« Und weil Gordian nichts dergleichen hören wollte, gab er schließlich nach. »Aber ich warte hier, damit du es weißt. Und das Lokal schließt um vier Uhr. Lasse mich bitte nicht auf der Straße warten!«
*