Heimweh nach Schloss Hohenfels - Jutta von Kampen - E-Book

Heimweh nach Schloss Hohenfels E-Book

Jutta von Kampen

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »Du hast mich rufen lassen, Vater?« Graf Egon Hohenfels schien seine Tochter nicht zu hören. Er saß hinter seinem großen Renaissanceschreibtisch, auf dem sich Stöße von Akten und Briefen häuften, und starrte mit gesenktem Kopf auf seine müßig im Schoß gefalteten Hände. Wie unglücklich er heute wieder aussah! Sandra tat das Herz weh. Sie wusste nur zu gut um seine Sorgen. Diese Briefe …, alles Rechnungen, die zu bezahlen das Geld fehlte! Dabei lebten sie beide so sparsam. Doch was half es? Das riesige Schloss verschlang, was immer auf dem kleinen Gut erarbeitet werden mochte. Nach dem Vorbild seines Vaters hatte auch Egon Hohenfels seine Frau in erster Linie danach ausgewählt, ob ihre Mitgift den Familiensitz retten könnte. Und wie sein Vater war er einer jungen Dame aus bester Familie begegnet, die, schön und traditionsbewusst, seine Liebe zur Heimat verstehen und teilen konnte. Aus einer Vernunftheirat wurde eine Liebes-Ehe. Aber Sandras Mutter starb bei der Geburt der Tochter. Und die Schwiegereltern wollten nichts mehr von den getroffenen Vereinbarungen wissen, nachdem das einzige Kind nur ein Mädchen war. Graf Egon hatte gehofft, Sandra wäre großzügig im Testament ihrer reichen Großeltern bedacht. Doch alles, was sie ihrer Enkelin hinterließen, war eine Eigentumswohnung in der Stadt und einen monatlichen Zuschuss von tausend Euro bis zur Beendigung ihrer Berufsausbildung. Die letzte Hoffnung war geschwunden. Graf Egon Hohenfels sah nur mehr eine einzige Möglichkeit, und diese musste er jetzt mit seiner Tochter besprechen. Sandra fühlte, wie schwer es dem Vater wurde, mit ihr über seine Sorgen zu reden. Sie war zwanzig Jahre, und es war ihr natürlich

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Fürstenkrone – 105–

Heimweh nach Schloss Hohenfels

Findet Sandra zu dem Mann, der sie liebt?

Jutta von Kampen

»Du hast mich rufen lassen, Vater?«

Graf Egon Hohenfels schien seine Tochter nicht zu hören. Er saß hinter seinem großen Renaissanceschreibtisch, auf dem sich Stöße von Akten und Briefen häuften, und starrte mit gesenktem Kopf auf seine müßig im Schoß gefalteten Hände.

Wie unglücklich er heute wieder aussah! Sandra tat das Herz weh. Sie wusste nur zu gut um seine Sorgen.

Diese Briefe …, alles Rechnungen, die zu bezahlen das Geld fehlte!

Dabei lebten sie beide so sparsam. Doch was half es? Das riesige Schloss verschlang, was immer auf dem kleinen Gut erarbeitet werden mochte.

Nach dem Vorbild seines Vaters hatte auch Egon Hohenfels seine Frau in erster Linie danach ausgewählt, ob ihre Mitgift den Familiensitz retten könnte. Und wie sein Vater war er einer jungen Dame aus bester Familie begegnet, die, schön und traditionsbewusst, seine Liebe zur Heimat verstehen und teilen konnte. Aus einer Vernunftheirat wurde eine Liebes-Ehe.

Aber Sandras Mutter starb bei der Geburt der Tochter.

Und die Schwiegereltern wollten nichts mehr von den getroffenen Vereinbarungen wissen, nachdem das einzige Kind nur ein Mädchen war.

Graf Egon hatte gehofft, Sandra wäre großzügig im Testament ihrer reichen Großeltern bedacht. Doch alles, was sie ihrer Enkelin hinterließen, war eine Eigentumswohnung in der Stadt und einen monatlichen Zuschuss von tausend Euro bis zur Beendigung ihrer Berufsausbildung.

Die letzte Hoffnung war geschwunden.

Graf Egon Hohenfels sah nur mehr eine einzige Möglichkeit, und diese musste er jetzt mit seiner Tochter besprechen.

Sandra fühlte, wie schwer es dem Vater wurde, mit ihr über seine Sorgen zu reden. Sie war zwanzig Jahre, und es war ihr natürlich nicht entgangen, dass ihr geliebter Paps große finanzielle Probleme hatte.

Warum nur hatten ihre Großeltern sich so schäbig benommen? Ein Mädchen war doch nicht schlechter als ein Junge!

Wie gut und vornehm er aussieht, dachte sie zärtlich. Tausendmal aristokratischer als mancher, der reich und wohlgenährt auf seinen Besitzungen saß.

Egon Hohenfels war noch keine fünfzig Jahre alt, und schon war sein Haar schlohweiß. Weiß war auch der kurz geschnittene Bart, der das schmale Gesicht noch länger erscheinen ließ. Nur die buschigen Brauen auf der hohen, tiefgefurchten Stirn zeigten noch die ursprünglich dunkle Farbe. Von der großen, gebogenen Nase zogen sich tiefe Kerben zu den Mundwinkeln. Die großen grauen Augen lagen tief in den Höhlen.

Er sieht aus, als wäre er weit über sechzig, schoss es Sandra durch den Kopf, und das Herz tat ihr weh bei diesem Gedanken.

»Paps«, sagte sie zärtlich. Mit ein paar Schritten war sie neben seinem Sessel und legte die Arme um die vornübergesunkenen Schultern.

»Lieber Paps, so schlimm kann es doch gar nicht sein, wenn nur wir beide uns haben!«

Graf Egon gab sich einen Ruck. Er richtete sich auf und versuchte, seine Tochter anzulächeln.

»Du hast recht, mein Liebes. Als Vater einer so bezaubernden und klugen Tochter dürfte man nicht unglücklich sein. Und doch – mir ist das Herz so schwer. Gerade deinetwegen, mein Liebes.«

Sandra bekam große, erschrockene Augen. »Paps, bitte sag, was geschehen ist!«

Er strich ihr mit einem unglücklichen Lächeln über das weiche Haar.

»Deshalb habe ich dich rufen lassen, Sandra. Setz dich dort drüben hin, und höre mir ruhig zu.«

Sandra gehorchte und setzte sich ihm gegenüber auf die andere Seite des Schreibtisches.

Graf Hohenfels atmete schwer, dann richtete er sich auf, und ohne sich unterbrechen zu lassen, berichtete er über die Lage.

»Schon vor einem halben Jahr war mir völlig klar, dass ich das Haus nur mehr erhalten könnte, wenn ich mindestens die Hälfte des Gutsbetriebes verkaufe. Doch auch dies würde nur ein Hinausschieben des Unvermeidlichen sein. Die ohnehin viel zu großen, ungenutzten Gutsgebäude würden noch weiter verfallen, und in einigen Jahren wäre ich wieder so weit wie heute. Dann könnte ich allmählich die kostbaren Gemälde, Gobelins, Möbel versteigern lassen, und wir beide würden uns durch einige weitere Jahre schwindeln – bis endlich nichts von allem mehr da wäre. Alles zerstört, aller ehemalige Glanz verflogen.«

»Paps, meine Wohnung …«, begann Sandra mit zittriger Stimme.

Er lachte traurig. »Deine Wohnung … Sie reicht kaum, um die Hälfte des Schlossdaches neu zu decken. Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich habe es erwogen …«

»Aber das ist doch selbstverständlich, Paps. Wir sind doch beide Hohenfelser. Wir lieben doch unser Stammschloss, die Wälder um es herum, die schönen alten – und leider auch nicht mehr sehr praktischen Gutsgebäude. Ach, Paps, was sollen wir nur tun?«

Der Graf sah sie zärtlich an. Auch wenn er alles verlor, was an ehemalige Größe erinnerte – das Beste blieb ihm: Sandra.

Sandra Komtess Hohenfels war ein auffallend schönes Mädchen. Sie war groß, schlank und schmal gebaut, mit Händen, die trotz der schweren Arbeit, von der sie nicht verschont blieb und es auch nicht bleiben wollte, an die einer überzüchteten Märchenprinzessin erinnerten.

Ihr üppiges braunes Haar trug sie kurz geschnitten wie ein Junge, sodass die elegante Biegung ihres langen Halses voll zur Geltung kam, ebenso die schöne, edle Form ihres Kopfes.

Sie hatte einen sehr sensiblen und leidenschaftlichen, vollen Mund, gesunde weiße Zähne, eine schmale, leicht gebogene Nase, die, verkleinert, an die ihres Vaters erinnerte, und sie besaß auch seine schönen grauen Augen. Nur strahlten die ihrigen von jugendlichem Optimismus, während die des Grafen trüb und resigniert blickten.

»Wir können, wie ich dir eben sagte, einfach drauflosleben und in kürzerer oder längerer Zeit Hohenfels stückweise verkaufen oder …«

»Oder?«, fragte Sandra ängstlich und hoffnungsvoll zugleich.

»Wir verkaufen jetzt, so wie es ist, an einen Menschen, der Verständnis für Kunst und Kultur hat und bereit ist, verbindlich zu erklären, dass er nichts auseinanderreißt, nichts verändert, dass alles so bleibt, wie es jetzt ist. Natürlich muss er alles renovieren und restaurieren.«

Sandra sah ihn ungläubig an.

»Du meinst, es findet sich jemand, der bereit ist, Hohenfels nicht zu verändern, sondern nur zu verbessern?«

»Ich habe ein entsprechendes Angebot.«

»Und wer ist das?«

»Es ist ein Dr. Karl von Fichten. Besitzer der Fichtenwerke.«

Sandra zuckte die Achseln. Das sagte ihr gar nichts.

»Sie stellen Motorenteile für Flugzeuge her. Ein einträgliches Geschäft. Sein Urgroßvater war ein berühmter Erfinder um die Jahrhundertwende.«

»Industrieadel!« Sandra rümpfte das feine Näschen.

»Das möchte ich nicht gehört haben«, erwiderte der Graf tadelnd. »Genauso gut könntest du sagen: Intelligenzadel. Das trifft mehr zu und klingt weniger dumm und snobistisch.«

»Ich mag ihn nicht«, entgegnete Sandra bockig.

Graf Hohenfels musste lachen trotz allen Kummers.

»Du kennst ihn ja nicht! Er ist noch jung, dreißig glaube ich, aber eine unerhörte Persönlichkeit. Es ist ungerecht, ihm unser persönliches Unglück zur Last zu legen.«

»Du hast ja recht, Paps.« Sandra betrachtete ihre Fingernägel, ohne sie zu sehen. »Aber du musst doch verstehen.«

»Ich verstehe dich ja! Was meinst du, wie ich mich zusammennehmen muss, um nicht ungerecht gegen ihn zu sein, sondern wirklichen Qualitäten gegenüber objektiv zu bleiben!«

»Warum muss er ausgerechnet unser Schloss haben?«, fragte Sandra in aggressivem Ton.

»Seine Urgroßmutter mütterlicherseits war eine Hohenfels. Deshalb interessiert er sich dafür.«

»Hach, klar, er will sich aufwerten!«, spottete Sandra, und ein bitterer Zug erschien um ihren sonst so weichen Mund.

»Sandra«, mahnte der Graf, »diesen hässlichen Ton will ich nicht mehr hören! Er ist einer Komtess Hohenfels unwürdig. Aber wenn du nicht damit einverstanden bist, dass ich an ihn verkaufe, dann brauchst du es nur zu sagen. Es bleibt uns immer noch die erste Möglichkeit.«

»Oh, Paps!« Sandra sprang von ihrem Sessel auf und lief um den Tisch herum. Sie kniete neben ihrem Vater nieder und barg das Gesicht in seinem Schoß. »Ich bin schrecklich traurig, aber ich teile deine Ansicht. Es wäre entsetzlich, alles das auseinanderzureißen, was in Jahrhunderten zusammengetragen wurde. Nur bitte! Ich will diesem Fichten nie begegnen! Ich will nie etwas mit ihm zu tun haben.«

Verzweifelt bemühte sie sich, die Tränen zurückzuhalten.

»Und, nicht wahr, einige von unseren Möbeln dürfen wir mitnehmen in unsere Wohnung, gell?«

Der Graf streichelte das weiche Haar. Er musste sich räuspern, bevor er antworten konnte.

»Natürlich, Liebes. Wir können unsere ganze Wohnung mit den Dingen, an denen wir besonders hängen, möblieren. Ich sagte dir ja, er ist ein Gentleman.«

Sandra presste die Lippen aufeinander. Sie schluckte an den Tränen, die ihr wie ein Kloß im Hals saßen.

»Wann?«, stieß sie endlich heraus.

»Ich sagte ihm, ich wollte nur mehr mit dir über alles sprechen. Du kannst es dir auch noch überlegen, Sandra.«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Paps, wenn wir uns schon entschlossen haben, dann ist es umso besser, je schneller alles geht. Ein klarer Schnitt soll ja nicht so schmerzhaft sein –, heißt es.« Und dann verlor sie doch die Fassung und begann bitterlich zu weinen.

Hohenfels verkrampfte die Hände ineinander. Er hatte gewusst, wie schwer es ihr fallen würde. Deshalb hatte er ihr erst von den Verhandlungen erzählt, als die Sache perfekt war und es nur noch seiner und ihrer endgültigen Entscheidung bedurfte.

Verzweifelt überlegte er, was er ihr Tröstliches sagen könnte.

»Übrigens, dieser Fichten ist ein großer Reiter. Er will die Ställe wieder für Pferde herrichten. Nur Pferde und Grünlandwirtschaft.«

»So?« Sandra schniefte. Aber es interessierte sie doch! Schließlich hatte sie bis vor Kurzem ein Pferd besessen. Es war ein Geschenk der reichen Großeltern gewesen.

Vor drei Jahren war es krank geworden, es hatte ununterbrochen gehustet. Man hatte es töten müssen. Seitdem war Sandra nicht mehr geritten. Die Großeltern, die ihr ein neues Reitpferd hätten finanzieren können, waren inzwischen gestorben, und der Onkel, der Erbe des Riesenvermögens, stellte sich schon auf das Schäbigste an, wenn er nur den monatlichen Beitrag zu Sandras Berufsausbildung zahlen musste.

Nicht jeder Adlige benahm sich aristokratisch. Und nicht jeder Neureiche war protzig und schäbig, wie dieser Fichten bewies.

Trotzdem, sie wollte ihn nicht sehen, sie wollte bei all den Verhandlungen nicht dabei sein. Sie wollte einfach so tun, als hätten sie nie stattgefunden.

»Er ist wirklich anständig und großzügig«, fuhr Egon Hohenfels fort. »Er behält zum Beispiel Ten mit seiner Familie, Frau und Tochter, ihn als Pferdepfleger und sie als Zugehfrau. Auch unsere Anna hätte er übernommen. Doch sie will nicht.«

»Brave Anna«, murmelte Sandra.

»Sie geht als Köchin zu ihrem Bruder, der Pfarrer in ihrem Heimatdorf ist. Und ehrlich gesagt, ich glaube auch nicht, dass sie in ihrem Alter noch dem großen Haushalt vorstehen könnte, den dieser Dr. von Fichten sicher führen wird.«

»Ist er verheiratet?«, wollte Sandra wissen.

Der Graf überlegte. »Er hat nie von seiner Frau gesprochen. Auch nie eine Dame in seiner Begleitung mitgebracht. Aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Immerhin ist er schon dreißig!«

»Es ist ein Jammer«, Sandra hatte sich zu Füßen des Vaters auf den schönen, aber sehr abgetretenen Teppich gesetzt, »dass das Medizinstudium so endlos lang ist. Als Ärztin kann ich doch einmal sehr gut verdienen, wenn wir es nur noch zehn Jahre aushielten.«

»Wir halten es keine zehn Jahre mehr aus. Und als Ärztin würdest du vor Mitte dreißig auch kaum gut verdienen. Bis dahin hast du nämlich erst deinen Facharzt.«

»Ich habe nur laut geträumt«, erwiderte Sandra. »Ich weiß ja, dass es so am besten ist. Sonst hättest du dich nicht dafür entschieden.«

Wieder strich ihr der Graf übers Haar. Er fürchtete, seine Stimme nicht in der Gewalt zu haben, deshalb schwieg er.

Abrupt stand Sandra auf.

»Ich gehe jetzt auf mein Zimmer, Paps. Dann kannst du diesen Fichten anrufen. Morgen suchen wir dann zusammen die Möbel aus. Und dann gehen wir nochmals spazieren in den Wäldern und auf dem Betrieb. Nur wir zwei – so lange er noch uns gehört. Nicht wahr, Paps?«

Hohenfels nickte. Er sah an Sandra vorbei.

»Ich glaube, ich komme dann nicht mehr heraus. Es ist mein letztes Wochenende. Du verstehst das, nicht wahr? Und wir wollen nicht mehr über alles sprechen. Nur uns daran erfreuen, wie schön es hier ist. Und es uns ganz fest ins Gedächtnis prägen. Oh, Paps!« Und sie stürzte aus dem Zimmer, um ihre Tränen vor ihm zu verbergen.

Draußen vor der Tür blieb sie stehen. Sie schloss ganz fest die Augen und presste die Nägel ihrer Finger in die Handballen. Dann ging sie langsam durch den langen Flur.

Die Bilder ihrer Vorfahren sahen auf sie herab, und es war ihr, als spürte sie die Blicke der einzelnen streng und durchbohrend.

»Haltung, Alexandra Hohenfels! Es geht niemanden etwas an, was du fühlst. Gib den Leuten keinen Grund zu reden!«, so sagten diese ernsten Bilder.

Selbst die charmant und lieblich lächelnden Rokoko- und Biedermeierdamen schienen ihr zuzuflüstern: »Was weißt du, was wir hinter unserem Lächeln alles verborgen haben? Wie viel Schmerzen und Enttäuschungen? Haltung, Komtess Hohenfels! Du bist eine von uns!«

Und Sandra schritt hoch und stolz aufgerichtet durch die weiten Räume und Hallen. Sie sah jedes Bild noch einmal an, betrachtete jedes Möbelstück, jeden Einrichtungsgegenstand noch einmal. Die meisten Dinge waren auch für eine geräumige Dreizimmerwohnung zu groß. Vor allem die Teppiche, Gobelins und Bilder. Und die Ahnengalerie erst! Das ging nicht an!

Abschied nehmen – Abschied nehmen, klang es in Sandra.

Ihre Hände glitten liebkosend über einen besonders schönen Eichenschrank, riesig und hoch war er.

»Leb wohl!«, flüsterte sie und versuchte nicht daran zu denken, wie oft sie sich als Kind in ihm versteckt hatte, wenn sie mit den Kindern der benachbarten Bauern und der Gutsarbeiter gespielt hatte.

»Trotzdem, es ist besser, alles bleibt wie es ist«, sagte sie halblaut, während sie weiter ihre einsame Runde durch die vielen Räume des Schlosses machte.

Oben, in seinem Arbeitszimmer, telefonierte Hohenfels währenddessen mit Dr. von Fichten.

»Ja, ich habe inzwischen mit meiner Tochter gesprochen. Sie findet auch, man solle nicht alles auseinanderreißen. Es bleibt also bei unserer Abmachung. – Nein, dieses Wochenende haben wir keine Zeit. – Ab Montag, Herr von Fichten. Ja, ich will so schnell wie möglich übergeben. – Selbstverständlich ist es mir recht, wenn Sie mit Ihrem Rechtsberater kommen. Montag um vier Uhr, gut. Einverstanden. Auf Wiederhören!«