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Nachdem Stella den Entführern entkommen ist, scheint sie zunächst in Sicherheit. Jetzt freut sie sich auf ein paar ruhige Tage mit ihrem Geliebten. Doch sie ahnt nicht, dass Gaston ihr noch lange nicht die ganze Wahrheit über sich gesagt hat. Und so bringt die Liebe zu diesem Mann Stella erneut in große Gefahren...
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2014
Cover
Impressum
Gefährliche Liebe
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / conrado
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-0411-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Gefährliche Liebe
Von O. S. Winterfield
Nachdem Stella mit der Hilfe von Gaston Germain endlich Cannes erreicht hatte, wo sie nach ihrer tot geglaubten Mutter suchen wollte, fand sie eine weitere Spur. Sie lernte den Maler Philippe Armand kennen, zu dem ihre Mutter einst von Ferrymoore Castle geflohen war. Von ihm erhielt sie die nächste schwarze Perle und den Hinweis, dass ihre Mutter sich in der Gesellschaft eines Generals Sutton befunden hatte, als Philippe sie vor sechzehn Jahren das letzte Mal gesehen hatte.
Mit den wenigen Anhaltspunkten, die sie hat, begibt sich Stella auf die Suche nach dem General. Immer an ihrer Seite ist Gaston Germain, der ihr versprochen hat, sie zu beschützen. Für Stella ist Gaston die erste große Liebe. Doch es gibt etwas, was der Mann ihr verheimlicht …
Stella Douglas stand auf der Terrasse des kleinen Ferienhauses in Antibes und blickte nachdenklich zu den Bergen hinüber.
Gaston Germain lehnte an der Terrassentür und betrachtete die junge Frau. Er lächelte stolz. Dieses wunderschöne Mädchen gehörte ihm. Es war seine über alles geliebte kleine Lady.
Jetzt ging er zu ihr hinüber und küsste sie mit überströmender Zärtlichkeit. Dann zog er sie in das kleine Ferienhaus. »Komm, beeile dich ein wenig, Stella. Ich habe schon ein Taxi gerufen. Der Zug nach Paris fährt sonst ohne uns ab.«
»Ich muss auch noch in die Bank, Gaston. Meine Reisetasche muss noch dort sein. Ich habe sie doch bei dem Überfall stehen lassen. Und ich will mein Geld abholen. Inzwischen wird Notar McFadden es sicher überwiesen haben.« Stella nahm ihre Handtasche und einen kleinen Koffer und ging zum Ausgang. »Eigentlich wäre ich noch gern in das Hotel Splendid gegangen, Gaston. Vielleicht hätte mir der Empfangschef schon jemanden nennen können, der meine Mutter oder General Sutton gekannt hat.«
»Der Empfangschef hat dir gesagt, du sollst ein paar Tage warten, Stella. Daran wollen wir uns halten. Nicht nur, um ihn nicht zu bedrängen, sondern auch, damit du dich erst einmal erholst. Sobald du jemanden finden würdest, der dir von deiner Mutter erzählen könnte, müsste ich auf deine Begleitung nach Paris verzichten.«
»Ja«, bekannte Stella, »ich würde auch der kleinsten Spur sofort nachgehen.«
»Das wusste ich doch. Ich will dir aber erst einmal Paris zeigen, meine Heimatstadt, auf die ich sehr stolz bin. Und ich möchte dich zeigen, kleine Lady, bei meinen Bekannten. Weil ich auch auf dich stolz bin.«
»Vor diesen Besuchen habe ich ein bisschen Angst, Gaston. Was ist, wenn ich ihnen nicht gefalle?« Stella sah zu ihm auf.
Obwohl er wirklich eine Unsicherheit in Ihren Augen feststellen konnte, scherzte er: »Du wirst allmählich kokett, Stella. Möchtest du ununterbrochen Komplimente von mir hören? Das kannst du haben. Auf der ganzen langen Fahrt nach Paris.«
***
Als Stella und Gaston gegen zehn Uhr bei Gastons Freund und Anwalt Jean Galazyn in Paris ankamen, machte Gaston schon Pläne, wo überall sie die nächsten Abende verbringen würden. Er wollte mit Stella durch Paris bummeln, zum Essen gehen, Bekannte besuchen und Stella seinem Freund Pierre Fortune vorstellen, der eine kleine Gesellschaft geben wollte. Gaston machte immer neue Vorschläge.
»Wenn wir das alles tun, Gaston, müssen wir zwei Wochen in Paris bleiben«, protestierte Stella schließlich.
»Und?«, fragte Gaston. »Wäre das schlimm?«
Stella sah ihn ein wenig vorwurfsvoll an. »Du weißt, warum ich bald nach Cannes zurückfahren möchte.«
Als Jean Galazyn sie etwas verwundert ansah, erzählte sie auch ihm, dass sie wieder eine Spur von ihrer Mutter gefunden hatte.
Dieses Thema füllte den Abend bis zum Schlafengehen.
Erst als Stella zu Bett gegangen war, sagte Jean Galazyn: »Weißt du, wer ausgerechnet heute hier war, um sich nach dir zu erkundigen, Gaston?«
Gastons Gesicht verdüsterte sich. »Etwa Pascal?«
»Ja. Wieso errätst du das sofort, Gaston?«
Gaston drückte ärgerlich seine Zigarette aus. »Weil er schon in Antibes versucht hat, mich zu erreichen. Ich finde sein Vorgehen reichlich unverschämt. Er hat Stella mit seinen Drohungen maßlos erschreckt.«
Jean Galazyn wurde unruhig. »Setzen wir uns noch ein Viertelstündchen, Gaston«, bat er. »Vielleicht finden wir morgen keine Gelegenheit, ungestört miteinander zu sprechen.«
Etwas widerwillig ließ sich Gaston noch einmal nieder.
»Gaston, mir ist im letzten Jahr aufgefallen, dass du mich nicht mehr in all deine Geschäfte einweihst. Bin ich dir zu alt, vielleicht zu wenig wagemutig?«
Gaston sah Jean Galazyn betroffen an. Dann wich er seinem forschenden Blick aus. »Ja, ungefähr so war es. Jean, ich bin dreißig. In diesem Alter möchte man nicht immer unter Aufsicht stehen.«
Jean Galazyn schüttelte den Kopf. »Ich habe Verträge über deine Geschäfte abgeschlossen, ich habe dich juristisch und auch ein wenig väterlich beraten. Ich habe auch ein Auge zugedrückt, wenn mir manches, was du angingst, zu riskant aussah. Du hattest also keinen Grund, mich als deinen Berater auszuschalten. Es sei denn, du musstest fürchten, von mir einer … kriminellen Handlung beschuldigt zu werden.«
Gaston zuckte zusammen. Es brauchte eine Weile, bis er, der sonst so sicher war, sich wieder gefangen hatte.
»Gut, ich werde dir sagen, was Pascal von mir will. Ich hatte den Transport einer Waffenlieferung in den Fernen Osten übernommen. Pascal hatte mir dieses Geschäft vermittelt. Wir wollten den Gewinn teilen. Aber die Lieferung ist nie an ihrem Ziel angekommen, und ich weiß noch immer nicht, wo sie geblieben ist. Mir sind die Hände bei Nachforschungen gebunden. Es könnte ja sein, dass man nur darauf wartet, mich zu überführen. Pascal aber beschuldigt mich, ich wolle ihn nur um seinen Anteil bringen.« Gaston lehnte sich zurück.
In Jean Galazyns Augen stand Erregung. »Das ist schlimmer, als ich befürchtet habe, Gaston. Wie willst du aus dieser Sache herauskommen?«
Gaston zuckte mit den Schultern. »Indem ich Pascal abfinde, obwohl ihm nichts zusteht. Aber dazu bin ich noch nicht in der Lage. Du kennst meine Vermögensverhältnisse. Ich bin kein armer Mann. Aber die Summe, die Pascal fordert, geht weit über meine finanziellen Mittel hinaus.«
Jean Galazyn stand auf und begann, durch das Zimmer zu laufen. »Das ist ja eine verteufelte Geschichte. Gerade mit Pascal muss sie dir passieren. Der Bursche ist zu fürchten. Es war ein Verhängnis, dass du dich mit ihm angefreundet hast.«
»Ja, das war es. Aber er hatte Lunte gerochen, als es mir einige Male geglückt war, schottischen Whisky nach Frankreich zu schmuggeln.«
»Also doch!« Jean Galazyn presste die Hände an den Kopf. »Ich habe es geahnt, dass du nicht per Zufall auf der Saint Claude warst.«
»Konnte ich dir die Wahrheit sagen, Jean? Ich bin heilfroh, dass Stella so unerfahren ist. Sie hätte am ehesten merken müssen, dass ich mit dem Whiskyschmuggel etwas zu tun hatte. Aber siehst du, Jean, so spielt das Schicksal, hätte ich mit Kapitän Dupont keine Geschäfte gemacht, wäre ich nie auf sein Schiff gekommen und …«
»… dann hättest du deine Stella nicht kennengelernt. Aber meinst du wirklich, dass es für das Mädchen ein Glück ist, dir begegnet zu sein? Hat es nicht genug Sorgen?«
Jetzt stand Gaston auf. In seinen dunklen Augen flackerte es. »Ist das deine ganze Freundschaft, Jean, dass du mich jetzt in die Enge treibst? Meinst du, es belastet mich nicht genug, dass ich Stella in Gefahr bringe? Aber ich schaffe es nicht, mich von ihr zu trennen. Ich liebe sie, Jean. Das ist vielleicht das größte Verhängnis. Mit allem anderen würde ich fertigwerden.«
Jean Galazyn fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn. Vor Erregung war ihm der Schweiß ausgebrochen. »Dann rede noch einmal mit Pascal, Gaston. Es hat keinen Zweck, dass du ihm aus dem Weg gehst … Hat er übrigens keine Angst, dass er sich selbst mit in die Nesseln setzt, wenn er dich hochgehen lässt?«
Gaston ging an die Tür. »Pascal setzt sich nie in die Nesseln. Keiner hat so ein gutes Gespür für Gefahren wie er. Aber mach dir nicht zu viele Sorgen. Auch ich bin hellwach, wenn ich bedrängt werde. Gute Nacht, Jean.«
***
Im Haus des Industriellen Pierre Fortune herrschte größerer Trubel, als Stella recht war. Sie kam sich ein wenig verloren vor unter den vielen fremden Menschen. Die bewundernden Blicke der Männer machten sie verlegen. Immer wieder flüchtete sie zu Gaston, wenn sie voneinander getrennt worden waren.
Viele der weiblichen Gäste sahen Stella neidisch nach. Gaston Germain war immer ein begehrter Partner gewesen. Allerdings auch ein unzuverlässiger. Aber nur selten hatte das eine Frau davon abgehalten, seine Geliebte zu werden.
Auch Pierre Fortune war ein begehrter Mann: groß, breitschultrig und sportlich. Sein volles weißes Haar stand im Kontrast zu dem sonnengebräunten Gesicht und den blauen Augen. Außerdem war er reich und hatte einen guten Namen. Trotzdem war er unglücklich. Vor drei Jahren hatte er seine junge Frau und seinen kleinen Jungen bei einem Autounfall verloren. Er selbst hatte am Steuer gesessen.
Seit diesem furchtbaren Unglück hatte er sich sehr verändert. Früher hatte er nur seine Familie und sein chemisch-pharmazeutisches Werk draußen vor der Stadt gekannt. Jetzt war er die meiste Zeit mit seiner Jacht Morgana unterwegs.
Viele Frauen hätten Pierre geheiratet, aber er wollte davon nichts wissen.
»Kleine Lady, darf ich bitten?« Gaston nahm Stella bei der Hand und zog sie auf die Tanzfläche. Er sah sie verliebt an. »Weißt du, dass ich sehr stolz auf dich bin? Alle Männer beneiden mich um dich. Keine kann mit dir konkurrieren. Sieh dich nur um.«
Plötzlich sah er völlig verstört über Stella hinweg. Sie folgte überrascht seinem Blick.
Neben Pierre Fortune stand ein mittelgroßer, dunkelhaariger Mann. Er schien an der Unterhaltung mit dem Hausherrn nicht interessiert zu sein, sondern blickte finster zu Gaston herüber.
»Gaston!« Stella stieß ihn ein wenig an. »Was hast du auf einmal?«
»Nichts.« Er legte die Arme fester um sie und tanzte weiter. »Ich glaube, ich bin schon ein bisschen müde. Du siehst auch erhitzt aus. Komm, wir gehen in den Wintergarten und trinken ein Glas Champagner.« Er führte sie von der Tanzfläche, schob ihr im Wintergarten einen Sessel zurecht und winkte einen der Hausdiener heran. »Bitte, bringen Sie uns zwei Gläser Champagner.«
Noch immer beobachtete Stella verwundert, wie seltsam sich Gaston plötzlich benahm. Immer wieder sah er mit diesem merkwürdigen Blick zu der breiten Tür des Wintergartens hinüber.
Dort stand wieder der mittelgroße Mann mit dem hageren Gesicht.
»Wer ist das, Gaston?«, fragte Stella leise.
»Kann ich jeden Freund Pierres kennen?« Gaston schob seinen Stuhl abrupt zur Seite, sodass er der Eingangstür den Rücken zukehrte.
»Ein Freund Pierre Fortunes?«, fragte Stella. »Ich kann mir nicht denken, dass sich Pierre mit solchen Männern abgibt.«
»Wie meinst du das?«, fragte Gaston. Er wirkte noch immer verstört.
»Ich weiß nicht, dieser Mann wirkt so anrüchig.« Stella fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Er hat so ein verschlagenes, brutales Gesicht wie einer der Bankräuber. Aber ich sehe vielleicht Gespenster, und wir sind nur beide übermüdet.«
»Ja, weil wir uns zu viel vorgenommen haben. Ich war rücksichtslos, Stella, verzeih …«
»Jetzt ist er gegangen«, unterbrach Stella ihren Geliebten.
Am liebsten wäre Gaston sofort mit Stella nach Hause gefahren. Er musste zwar mit Pascal sprechen, aber hier auf der Gesellschaft und vor Stella durfte das nicht sein. Gaston spürte, dass er aus der Angst heraus, Stella zu verlieren, immer unsicherer wurde.
Als sie wieder in die Gesellschaftsräume zurückgingen, sah er sich nervös um. Er konnte Pascal nirgends entdecken, nahm aber nicht an, dass er das Haus schon verlassen hatte.
Da kam Pierre Fortune auf Stella und Gaston zu. Er lud sie zu einer Fahrt auf seiner Jacht ein. Pierre sah Stella bittend an.
»Kommen Sie mit, Mademoiselle. Es würde mich sehr freuen. Meine Jacht Morgana liegt im Hafen von Nantes. Ich habe einige Freunde zu einer Fahrt in den Golf von Biskaya eingeladen. Übermorgen müsstet ihr am Nachmittag in Nantes sein, um an Bord zu gehen. Wir wollen etwa eine Woche unterwegs sein.«
Obwohl Stella ein zweifelndes Gesicht machte, sagte Gaston sofort zu. Er empfand diese Einladung als Rettungsanker, um endlich ungestört mit Stella zusammen sein zu können. Mit Pascal konnte er später reden.
Gastons Stimmung hob sich wieder. Selbst als er Pascal an einem Tisch bei anderen Gästen sitzen sah, ließ er sich nicht mehr durcheinanderbringen. Aber er verabschiedete sich bald mit Stella.
***
Am nächsten Morgen fuhren sie nach Nantes. Gaston war bester Stimmung und malte Stella aus, was für schöne Tage sie vor sich hatten.
Als sie die Jacht Morgana im Hafen von Nantes erreichten, waren die anderen Gäste schon an Bord.
Pierre begrüßte die beiden erfreut. »Bitte, kommt mit, ich zeige euch eure Kabinen. Natürlich nebeneinander.« Er zwinkerte dem jungen Paar zu.
Stella war überrascht, wie komfortabel alles war. Pierre Fortune erklärte ihr, dass die Motorjacht hochseefähig sei und dass er besonderen Wert auf die Ausstattung gelegt habe.
»Ich wünsche mir, dass Sie sich hier wohlfühlen«, sagte er und aus seinen Worten klang echte Herzlichkeit. »Wir legen in wenigen Minuten ab. Wenn Sie in einer Viertelstunde zur Kaffeetafel kommen, kann ich Sie mit meinen anderen Gästen bekannt machen, Mademoiselle. Vertrauen Sie sich Gaston an, er ist auf der Morgana kein Fremder.«
Gaston kam gerade aus seiner Kabine. »Wie viele Gäste hast du noch an Bord, Pierre?«, fragte er.
»Leider nur vier. Zwei Ehepaare haben im letzten Augenblick absagen müssen. Es tut mir leid, dadurch wird es weniger betriebsam als sonst hier sein.«
»Ich bedaure das nicht.« Gaston lachte. »Stella und ich freuen uns, wenn wir etwas zur Ruhe kommen.«
Auch Pierre Fortune lächelte. »Das sind ja ganz neue Töne. Früher konnte es dir nicht bunt genug zugehen, Gaston.«
Gaston legte den Finger auf den Mund. »Pst, alter Freund, erzähle nicht zu viel von früher, sonst machst du Stella noch kopfscheu.« Dann wandte er sich an Stella. »Komm, gehen wir in den Kaffeeraum.«
An der Kaffeetafel saßen zwei Herren, ungefähr in Pierres Alter. Sie stellten sich als Joseph Clary und Charles Persson vor. Gaston hatte sie bisher nicht gekannt. Er nahm an, dass es Geschäftsfreunde Pierres waren.
Als Stella und Gaston sich schon an den ovalen Tisch gesetzt hatten, wurde die Tür des Kaffeeraumes geöffnet. Stella hörte es nur, sie saß mit dem Rücken zur Tür. Gaston saß ihr gegenüber, und sie konnte in sein Gesicht sehen. Er war leichenblass geworden. Sein Blick war starr auf die Tür gerichtet.
Langsam drehte sich Stella um.
Unter dem Türrahmen stand jener Mann, der ihr in Pierres Villa unangenehm aufgefallen war und bei dessen Anblick sich Gaston so verändert hatte.
Nun tauchte hinter diesem Mann eine junge, blonde, sehr auffällig geschminkte Frau auf.
Das Paar musste Monsieur Persson und Monsieur Clary schon kennen, es nickte ihnen nur zu. Die junge Frau lachte jetzt so laut, dass alle ein wenig zusammenschraken. Sie lief auf Gaston zu.
»Welche Überraschung, Gaston! Was ist Pierre doch für ein Heimlichtuer. Er hat uns nicht verraten, dass wir dich endlich einmal wiedersehen werden.«
Gaston war aufgestanden. »Bonjour, Suzanne«, sagte er steif.
Die junge Frau befremdete sein kühles Verhalten nicht. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Gaston einen Kuss. Dann winkte sie dem Mann zu, der immer noch an der Tür stand.
»Willst du nicht deinen Freund Gaston begrüßen, Pascal? Ihr tut ja, als würdet ihr einander nicht kennen.«
Hatte sich Stella schon von dem aufdringlichen Getue der jungen Frau abgestoßen gefühlt, so zuckte sie jetzt so deutlich zusammen, dass jeder es sehen konnte. Pascal? Dieser Mann war Pascal? Warum hatte ihr das Gaston vorgestern nicht gesagt?
Pascal Lefabre kam jetzt langsam an den Tisch. Er reichte Gaston nicht die Hand, sondern tippte sich nur mit den Fingern zu einem lässigen Gruß an die Stirn.
»Bonjour, Gaston. Ich freue mich, dich zu sehen. Ich hätte ja vorgestern Abend schon Gelegenheit gehabt, ein paar Worte mit dir zu sprechen, aber da wollte ich dich nicht stören.« Er sah zu Stella. »Gaston, willst du uns nicht mit deiner jüngsten heißen Liebe bekannt machen? Ich meine, immerhin werden wir uns ja mehrere Tage miteinander vergnügen.« Pascal Lefabres Stimme klang ölig und anzüglich.
Gaston legte den Arm schützend um Stella. Zu gut sah er, wie verstört sie war. Und zu aufdringlich waren Pascals Worte gewesen.
»Das ist Stella Douglas«, sagte Gaston mit fester Stimme. »Du hast recht, Pascal, sie ist meine jüngste Liebe. Leider habe ich sie nicht früher kennengelernt, sonst wäre sie meine älteste Liebe.«
»Oha, Gaston Germain will vor Anker gehen«, sagte Pascal und schlug Gaston derb auf die Schulter. »Ja, wir hatten immer viele Gemeinsamkeiten. Vielleicht kommt es noch zu einer Doppelhochzeit. Suzanne und ich wollen jedenfalls nicht mehr lange warten. Bei uns kommt es nur noch auf eine winzige Kleinigkeit an.« Er machte mit Daumen und Zeigefinger die Bewegung des Geldzählens. Dabei sah er Gaston herausfordernd an. »Ohne das machen wir es nämlich nicht. Unsereins will schließlich auch nicht immer nur Gast auf so einem schmucken Kahn sein, sondern mal Kapitän.« Er neigte sich zu Stella. »Pardon, Mademoiselle, ich habe vergessen, Ihnen meine zukünftige Frau vorzustellen – Madame Suzanne. Der Familienname spielt keine Rolle. Suzanne hört ihn auch nicht sehr gern. Er erinnert sie zu stark an ihren Verflossenen.« Er zeigte auf Gaston und lachte. »Nicht an diesen, sondern an den anderen, von dem sie den Ehering hat.«
»Sei schon still, Pascal«, sagte Suzanne. »Dass du immer nur dummes Zeug reden musst.« Ihre dunklen Augen blitzten zornig.
Stella sah sich hilflos um. Was waren das für Menschen? Diesen frivolen Ton kannte sie nicht. Er peinigte sie. Und was sollte Pascals Anspielung, dass Suzanne einmal Gaston gehört hatte? Stella senkte den Kopf. Sie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an.
Gaston beugte sich zu ihr. »Stella, du wolltest sehen, wie wir den Hafen von Nantes verlassen. Merkst du, dass wir schon fahren? Komm, wir gehen an Deck. Kaffee trinken können wir nachher auch noch.«