Die schwarzen Perlen - Folge 21 - O. S. Winterfield - E-Book

Die schwarzen Perlen - Folge 21 E-Book

O. S. Winterfield

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Beschreibung

Gastons Tod und die Begegnung mit seiner Frau Leila haben Stella sehr mitgenommen. Um die schmerzhaften Erinnerungen zu verdrängen, will sie sich wieder auf die Suche nach ihrer Mutter konzentrieren.

Es ist viel Zeit vergangen, seit sie von Conte Valentino erfahren hat, dass Lady Olivia wahrscheinlich von Venedig auf die Insel Rhodos geflüchtet ist. Jetzt endlich will Stella diese Spur aufnehmen. Bevor sie jedoch weitere Nachforschungen anstellen kann, kommt es auf Rhodos zu einer seltsamen Begegnung ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Stellas Doppelgängerin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / fotogestoeber

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-1260-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Stellas Doppelgängerin

von O. S. Winterfield

Gastons Tod und die Begegnung mit seiner Frau Leila haben Stella sehr mitgenommen. Um die schmerzhaften Erinnerungen zu verdrängen, will sie sich wieder auf die Suche nach ihrer Mutter konzentrieren.

Es ist viel Zeit vergangen, seit sie von Conte Valentino erfahren hat, dass Lady Olivia wahrscheinlich von Venedig auf die Insel Rhodos geflüchtet ist. Jetzt endlich will Stella diese Spur aufnehmen. Bevor sie jedoch weitere Nachforschungen anstellen kann, kommt es auf Rhodos zu einer seltsamen Begegnung …

Stella stand im Hafen von Marseille inmitten einer Menschenmenge. Trotzdem kam es ihr so vor, als sei sie ganz allein. Sie sah zu einem weißen Schiff hinüber. In großen dunklen Lettern stand darauf: TANGER.

Das Schiff hieß nicht nur so, es fuhr auch nach Tanger. An der Reling stand eine junge, schwarz gekleidete Frau. Sie hielt ein Kind auf den Armen. Es war in eine große Decke eingehüllt.

Leila Germain fuhr in ihre Heimat zurück, in das Gärtnerhaus am Meer. Mit ihrem kleinen Jungen Gaston. Vielleicht würden sie dort glücklich werden. Vielleicht würde auch Sadid Yamani auf sie warten. Von dieser Hoffnung hatte Leila nicht sprechen wollen.

Die Schiffsmotore donnerten, die Sirene heulte, schwerfällig setzte sich die Tanger in Bewegung.

Leila Germain hob die Hand und winkte zum Kai herüber. Zu ihr, Stella Douglas, die allein zurückblieb. Gaston hatte sie beide für immer verlassen, aber Leila durfte sein Kind im Arm halten.

Stella blieb stehen, bis das Schiff so weit draußen auf dem Meer war, dass sie Leila nicht mehr erkennen konnte. Dann ging sie zum Bahnhof.

Sie fuhr nach St. Raphael. Dort hatte sie sich in einer felsigen Bucht ein kleines Haus gekauft, um ein festes Domizil an der Riviera zu haben.

Das letzte Stück musste sie mit dem Bus fahren. Er hielt in einer Ausbuchtung der Küstenstraße, ein schmaler Steig führte zwischen den Felsen zu dem kleinen Haus hinunter. Es stand einsam in einer schmalen Bucht. Das Meer reichte beinahe bis an das Haus heran, das von Pinien, Palmen und Zypressen umgeben war. Ein idyllischer Platz zum Träumen und zum Ausruhen.

Das rosa getünchte Haus hatte ein schwarzes Dach und weiße Fensterläden. Auf der Schmalseite war eine Haustür, auf die man von dem Steig aus zukam. Zu den Felsen hin gab es eine Hintertür, und zum Meer hin ließ sich eine breite Terrassentür in die Wand schieben, sodass man auch in dem gemütlichen Kaminzimmer das Gefühl hatte, im Freien zu sitzen. Die Terrasse war nur klein. Die Wellen reichten bis an sie heran.

Stella ging in die winzige, aber sehr modern eingerichtete Küche. Sie bereitete sich einen kleinen Imbiss zu und setzte sich damit auf die Terrasse. Hier kam es ihr so vor, als sitze sie mitten im Meer.

Am späten Nachmittag brachen sich die letzten Sonnenstrahlen an den Felsen, es wurde kühl.

Stella zog sich in das Kaminzimmer zurück. Hier würde sie wohl die meiste Zeit verbringen. Es gab in dem kleinen Haus sonst nur noch ihr Schlafzimmer und ein Gästezimmer.

Gästezimmer!, dachte Stella verbittert. Wen gab es wohl, den sie hätte als Gast einladen können?

Sie sah zu dem Bild ihrer Mutter auf. Es hatte auch hier einen Platz über dem Kamin gefunden. So wie im Pavillon des Malers Philippe Armand und in dem kleinen Ferienhaus in Antibes.

Stella dachte an Franco Cavallo. Das Schicksal hatte sie mit ihm auf der Geisterburg zusammengeführt und später wieder getrennt, als Gaston aufgetaucht war.

Franco fuhr wieder Autorennen, immer wieder hatte sie seinen Namen in den Schlagzeilen gelesen. Jedes Mal war das Schuldgefühl in ihr dann etwas kleiner geworden. Sie hatte Franco verlassen, aber er war daran nicht zerbrochen. Sie wusste, was ihm sein Beruf bedeutete, wie besessen er war, wenn es darum ging, Siege zu erringen.

Die Erinnerung an Gaston und an Franco verblasste jetzt in Stella, etwas anderes drängte sich in den Vordergrund: die Suche nach ihrer Mutter. Nun durfte sie nicht mehr aufgeschoben werden. Es war viel Zeit vergangen, seit Stella von Conte Valentino Saretto erfahren hatte, dass ihre Mutter wahrscheinlich von Venedig auf die Insel Rhodos geflüchtet war.

Jetzt endlich wollte sie diese Spur wieder aufnehmen.

***

Am nächsten Tag fuhr Stella nach Antibes. Sie hatte einen Rosenstrauß in der Hand. Damit ging sie an Gastons letzte Ruhestätte. Sie weinte nicht, sie strich nur mit der Hand über die frische Erde des Grabs. Und sie legte die Rosen darauf.

»Von deiner geliebten kleinen Lady, Gaston«, sagte sie leise.

Lange blieb sie, in Gedanken versunken, vor dem Grab stehen, dann machte sie einen Spaziergang durch Antibes. Oft sah sie zu dem Hang hinauf, auf dem Gastons kleines Ferienhaus stand. Es war schon verkauft. Vielleicht würde es jetzt für andere Menschen ein Haus der Liebe und des Glücks werden. Ihr blieb es für immer verschlossen.

Erst gegen Abend kehrte Stella in die kleine Bucht zurück. Sie trug mehrere Pakete, weil sie noch eingekauft hatte. Dinge, die das Innere ihres Hauses verschönern sollten – kleine Leuchter, Vasen und Wandteller.

Als Stella das Kaminzimmer betrat, wunderte sie sich, dass sie einen Luftzug spürte. Sie hatte doch alle Fenster und Türen geschlossen. Sie ging an die breite Terrassentür. Nun sah sie erst, dass an der Tür eine Scheibe zertrümmert war! Die Glasscherben lagen noch auf dem Boden.

Stella war zu Tode erschrocken. Überall fand sie Spuren, die ihr zeigten, dass jemand etwas gesucht haben musste. Die Schränke waren durchwühlt, in ihrem Schlafzimmer lag das Bettzeug auf dem Fußboden, und auch in der Küche herrschte heilloses Durcheinander. In der Speisekammer waren Tüten mit Lebensmitteln aufgerissen worden.

Die Angst, dass sich noch jemand im Haus aufhalten könne, legte sich in Stella. Sie schloss alle Fensterläden und ließ die schwere Jalousie vor der Terrassentür herunter. Dann ging sie ans Telefon, um auf der Polizeistation von St. Raphael anzurufen.

Doch bevor sie wählte, legte sie den Hörer wieder auf die Gabel zurück. Bis jetzt vermisste sie nichts. Danach aber würde man sie bei der Polizei zuerst fragen. Sie hatte auch keinen Verdacht, wer es gewesen sein konnte, der in ihr Haus eingedrungen war.

Statt der Polizei rief sie einen Glaser an. Er versprach, am nächsten Vormittag in der Terrassentür eine neue Scheibe einzusetzen.

***

Stella schlief in dieser Nacht sehr unruhig. Am Morgen machte sie Ordnung im Haus und wartete auf den Glaser.

Er erkundigte sich, ob ihr jemand einen bösen Streich gespielt habe oder ob in ihr Haus eingebrochen worden sei. Stella konnte sich selbst nicht erklären, warum sie dem Mann nicht die Wahrheit sagte. Sie griff seine Vermutung auf, jemand habe ihr einen bösen Streich gespielt.

Als sie wieder allein war, setzte sie sich auf die Terrasse. Aber sie sah sich immer wieder scheu um. Und von Minute zu Minute wurde ihr banger zumute. Schon bereute sie, sich hier so zurückgezogen zu haben. Vielleicht hätte sie doch lieber in eine Pension oder in ein Hotel ziehen sollen.

Schon am frühen Abend wollte sie die Jalousie vor der Terrassentür herunterlassen, aber da kam ein Trotzgefühl in ihr auf. Musste sie hier wie eine Gefangene leben? Gerade die Abende waren an der Riviera so schön, dass man sie genießen musste. Sie ließ die Terrassentür noch offen stehen und rückte sich vor dem Kamin einen Sessel zurecht. Bald darauf knipste sie die Stehlampe an und griff nach einem Buch.

Aber sie kam gar nicht dazu, es aufzuschlagen. Ein Geräusch auf der Terrasse hatte sie so erschreckt, dass ihr das Buch aus den Händen glitt und auf den Fußboden fiel.

Im Türrahmen stand Sidney Davis – Gastons Mörder!

Stella sprang auf. »Was wollen Sie von mir?«

Der korpulente Mann war mit einem Sprung bei ihr. Er sah noch ungepflegter aus als früher.

»Sie wissen genau, was ich von Ihnen will, schöne Lady.«

Hass stieg in Stella auf. Er vertrieb ihre Angst.

»Sie haben Gaston getötet!«, schrie sie. »Warum?«

»Warum? Warum? Er hat mich aufs Kreuz gelegt. Mich haben sie geschnappt, mir wollten sie den Prozess machen. Wegen Yves, dieser kleinen Ratte, um die es nicht schade ist. Er hat sich doch selbst ruiniert. Aber ich sollte dafür geradestehen. Ich! Und Gaston? Hat er ihm keinen Stoff gegeben?« Sidney Davis’ Gesicht war verzerrt, aus seinen kleinen Augen schossen Blitze des Zornes. »Gaston war immer ein feiner Pinkel. Er dachte, das könnte so bleiben. Er hat sich mit Ihnen auf und davon gemacht. Dabei war er verheiratet.«

»Das weiß ich, Mister Davis. Davon brauchen wir nicht mehr zu sprechen. Ich halte Ihnen auch nicht vor, dass Sie Gaston erpresst haben. Dafür, dass Sie mir sein Geheimnis nicht verraten haben, hat er alles getan, was sie wollten. War das nicht genug? Mussten Sie ihn auch noch töten? Sie wussten, dass er eine Frau und ein Kind hinterlässt.«

Jetzt lachte Sidney Davis so laut, dass es durch das ganze Haus schallte.

»Hat er sich vielleicht um Frau und Kind gekümmert? Die trifft sein Tod nicht. Und Sie werden ihn auch überwinden. Wer so reich und schön ist wie Sie, tröstet sich bald. Mir ist das egal, ich will nur meine Ware wiederhaben.«

»Ihre Ware?«, fragte Stella.

»Ja, den Stoff.« Jetzt fuchtelte Sidney Davis erregt mit beiden Händen vor Stellas Gesicht herum. »Machen Sie mir nicht vor, dass Sie nicht wüssten, wie viel Heroin Gaston noch von mir hatte. Geld habe ich dafür nie gesehen.«

»Ich weiß davon nichts.«

»Das soll ich Ihnen glauben?«

»Ja, das müssen Sie mir glauben. Ihr Heroin interessiert mich nicht. Bin ich ein Rauschgifthändler?«

Sidney Davis stand die Gier ins Gesicht geschrieben. »Ich brauche Geld. Und das Heroin ist bares Geld für mich.« Er packte Stella an den Schultern und schüttelte sie. »Ziehen Sie mich nicht auf! Sie sind allein hier, und Sie wissen, dass ich sehr ungemütlich werden kann.«

Stella war der brutalen Kraft des Mannes ausgeliefert. Wie laut sie auch schreien mochte, niemand würde ihr hier unten in der stillen Bucht zu Hilfe kommen. Aber Stella hatte jetzt etwas gehört, was ihr die Hoffnung gab, Sidney Davis loszuwerden. Er hatte von Geld gesprochen.

»Ich gebe Ihnen Geld«, sagte sie.

Sidney Davis ließ sie so abrupt los, dass sie taumelte.

»Wie viel?«, stieß er hervor. Und schon drängte er: »Los, los, wie viel?«

Stella geriet erneut in Angst. Natürlich hatte sie nur so viel Geld im Haus, wie sie für die nächsten Tage zum Einkaufen brauchte. »Ich könnte Ihnen morgen Geld besorgen.«

Wieder erklang Sidney Davis’ wildes, höhnisches, Gelächter. »Morgen! Ja, glauben Sie, ich kann hier an der Riviera spazieren gehen? Sie wissen doch genau, dass ich aus dem Untersuchungsgefängnis ausgebrochen bin und von der Polizei gesucht werde. Das könnte Ihnen so passen, mich reinzulegen. Setzen Sie sich!« Er zeigte auf die Couch. »Und rühren Sie sich nicht von der Stelle. Ich werde den Stoff finden, darauf können Sie sich verlassen.« Er wühlte schon in einer Kommode.

»Machen Sie sich nicht noch einmal so viel Mühe wie gestern, Sie werden nichts finden«, sagte Stella und bemühte sich um eine ruhige Stimme. »Ich habe aus Gastons Ferienhaus nichts mitgenommen außer meinen persönlichen Sachen.«

Sidney Davis war erstaunt, sie so gelassen reden zu hören. Anscheinend war er es gewohnt, dass alle vor ihm Angst hatten. Er sah jetzt zu dem großen Bild, das Stellas Mutter zeigte.

»Dieses Ding haben Sie ja auch mitgeschleppt, warum sollen Ihnen da ein paar Päckchen Heroin zu schwer gewesen sein? Ein paar Päckchen, die ein Vermögen wert sind.« Wieder flackerte es gierig in seinen Augen. Aber noch immer hing sein Blick an dem Bild.

Plötzlich veränderte sich sein Gesicht. Er lachte triumphierend, dann schlug er sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Das ist es, so muss es sein.« Er streckte die Arme hoch. »Deshalb haben Sie sich mit dem Bild abgemüht.« Schon hob er das Bild vom Nagel.

Stella sprang auf. »Nein, nein, lassen Sie das Bild in Ruhe! Bitte, beschädigen Sie das Bild meiner Mutter nicht«, flehte sie panisch.

Sidney Davis ließ das Bild auf den Boden fallen, der Rahmen splitterte.

Stella warf sich gegen Sidney Davis. »Ich gebe Ihnen alles, was Sie wollen, aber vernichten Sie das Bild meiner Mutter nicht!« Über ihr Gesicht stürzten Tränen.

Mit einer kräftigen Armbewegung schleuderte Sidney Davis sie zur Seite. Sie stolperte und stürzte auf den Fußboden.

Sidney Davis kniete vor dem Bild. Er sah mit zusammengekniffenen Augen zu Stella.

»Was geben Sie mir? Mein Heroin?«

»Ich habe es doch nicht.« Stella wollte sich aufraffen.

Aber da trampelte Sidney Davis so auf den Bilderrahmen, dass er auseinanderbrach.

Stella schlug die Hände vor das Gesicht. Sie wollte nicht sehen, wie Sidney Davis die Leinwand vernichtete, auf die Philippe Armand mit so viel Liebe ihre Mutter gemalt hatte.

Erst als ein Schrei erklang, der sich anhörte, als stoße ihn ein Tier aus, ließ Stella die Hände sinken.

Sidney Davis kniete auf dem Fußboden, raffte kleine weiße Pakete zusammen und stopfte sie in seine Hosentaschen.

»Ich habe es doch gewusst, dass Gaston ein besonderes Versteck hatte. Er war ein Teufelsbursche. Keiner wäre auf die Idee gekommen, dass er den Stoff im ausgehöhlten Bilderrahmen versteckt. Aber ich, ich war so schlau, daran zu denken.« Er schlug sich mit der Faust gegen die Brust und erhob sich. Dann klopfte er auf seine Hosentaschen. »Morgen habe ich so viel Geld, dass ich mir wieder ein schönes Leben machen kann.« Er schwankte wie ein Betrunkener zur Terrassentür. Dort lachte er so laut, dass sich Stella duckte. »Aber nicht im Knast. Hahaha! Mich kriegen sie nicht.« Er verschwand von der Terrasse.

Stella zog sich an einem Sessel hoch. Sie wollte die Terrassentür schließen, aber sie blieb fassungslos vor dem Bild ihrer Mutter stehen. Jetzt kniete sie sich davor, ihre Hände strichen über die Leinwand, über das schöne Gesicht ihrer Mutter und über die schwarze Perlenkette.

»Mutter«, weinte Stella. »Oh, Mutter!«

Erst nach einiger Zeit konnte sie sich fassen. Das Bild war nicht zerstört, es musste nur einen neuen Rahmen bekommen.

Nun lief Stella an die Terrassentür, schloss sie und ließ die Jalousie herunter. Sie zog die Fensterläden zu und kontrollierte, ob die Haustür und auch die Hintertür verschlossen waren, obwohl sie nicht mehr fürchtete, dass Sidney Davis zurückkommen würde. Er hatte gefunden, was er gesucht hatte.

Stella lehnte das Bild an die Wand und sammelte die Splitter des Holzrahmens zusammen. Und immer wieder dachte sie: Warum hast du das getan, Gaston? Du wusstest, dass mir das Bild meiner Mutter ein Heiligtum ist, warum hast du es missbraucht und zu einem Versteck für Rauschgift gemacht?

Stella blieb in dieser Nacht im Kaminzimmer. Sie ließ das Licht brennen. Erst am frühen Morgen schlief sie vor Erschöpfung ein. Aber der gefährliche Besuch des Rauschgifthändlers Sidney Davis verfolgte sie bis in ihre Träume.

Als sie am Vormittag erwachte, ließ sie schnell das Tageslicht herein. Sie brauchte jetzt Helligkeit und Sonne, um zu vergessen, welche Angst sie durchgestanden hatte.

Auch heute wagte Stella es nicht, die Polizei zu verständigen. Sie fürchtete Sidney Davis’ Rache. Er hatte Gaston umgebracht, er würde auch sie töten, wenn sie ihm gefährlich wurde.

***

Erst zwei Tage später hatte sich Stella etwas erholt und war ruhiger geworden. Immer wieder redete sie sich ein, dass sie Sidney Davis nicht mehr zu fürchten hatte. Er war ja nur wegen des Rauschgiftes gekommen. Und das hatte er jetzt. Sicher hatte er es bereits zu Geld gemacht und war auf der Flucht ins Ausland.

Stella hatte noch einmal den Glaser bestellen müssen. Er sollte das Bild ihrer Mutter neu rahmen. Dazu hatte er es mit in seine Werkstatt nehmen müssen. Morgen, am Montag, wollte er es wiederbringen. Stella wartete sehr darauf, dass das Bild ihrer Mutter wieder über dem Kamin hing. Sie kam sich dann nicht so einsam vor.

Lange überlegte sie, wie sie den heutigen Sonntag verbringen sollte. Sie wollte unter Menschen sein, damit sie nicht so viel grübeln konnte.

Schließlich sah sie in der Zeitung nach, ob irgendwo in der Nähe vielleicht eine Veranstaltung sei, zu der sie gehen könnte.

Ihr erster Blick fiel auf die Ankündigung des Autorennens von Monte Carlo. Ihr zweiter Blick auf den fett gedruckten Namen Franco Cavallo. Er war der Favorit dieses Rennens.

Stella ging auf die Terrasse hinaus und sah über das Meer. Aber ihr Blick schien viel weiter zu gehen. In jene Zeit, die noch nicht allzu fern war, in der sie mit der Stoppuhr an der Piste gestanden hatte, wenn Franco in seinem Rennwagen an ihr vorbeigefahren war.

Ohne noch lange zu überlegen, zog sich Stella ein dunkelblaues Kleid mit weißen Streifen an Ausschnitt und Ärmeln an, nahm ihre Handtasche und ging den Steig zur Küstenstraße hinauf. Dort winkte sie ein Taxi heran und ließ sich nach Monte Carlo bringen. Sie hoffte, noch zu Beginn des Rennens einen guten Platz zu bekommen.

Doch während der Fahrt fragte sie sich, was sie eigentlich in Monte Carlo wollte. Franco wiedersehen, mit ihm sprechen, ihm sagen, was sie mit Gaston durchgestanden hatte und dass er nicht mehr lebte? Und das, nachdem sie Franco für Gaston verlassen hatte?

Stella schüttelte den Kopf und sagte so laut »Nein«, dass sich der Taxifahrer fragend umdrehte. Sie winkte ab und lächelte gezwungen. Jetzt kam kein Wort mehr über ihre Lippen, aber sie wusste, für sie gab es keinen Weg mehr zu Franco.