Die Seherin von Kell - David Eddings - E-Book

Die Seherin von Kell E-Book

David Eddings

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Beschreibung

Der große Klassiker der heroischen Fantasy – das spektakuläre Finale der beliebten Malloreon-Saga als überarbeitete Neuausgabe.

Alles ist bereit für das letzte Duell zwischen dem Kind des Lichts und dem Kind der Finsternis. Alle Anstrengungen von Garion und seinen Gefährten haben sie zu diesem finalen Kampf geführt. Wie wird Die Seherin von Kell entscheiden? Was wird die Zukunft bestimmen? Gut oder Böse? Garion hat sein Bestes gegeben. Doch wird es reichen? Denn die finstere Zauberin Zandramas hat noch einen letzten Trumph im Ärmel!


Heroische Fantasy mit jungem Helden – die New-York-Times-Bestsellerserie von David Eddings revolutionierte das Genre.


Die Malloreon-Saga - in überarbeiteter Neuausgabe und moderner Neuausstattung bei Blanvalet.
1. Die Herren des Westens
2. Der König der Murgos
3. Der Dämon von Karanda
4. Die Zauberin von Darshiva
5. Die Seherin von Kell
Die Malloreon-Saga ist eigenständig und ohne Kenntnis der Belgariad-Saga lesbar.

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Seitenzahl: 639

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Buch

Alles ist bereit für das letzte Duell zwischen dem Kind des Lichts und dem Kind der Finsternis. Alle Anstrengungen von Garion und seinen Gefährten haben sie zu diesem finalen Kampf geführt. Wie wird die Seherin von Kell entscheiden? Was wird die Zukunft bestimmen? Gut oder Böse? Garion hat sein Bestes gegeben. Doch wird es reichen? Denn die finstere Zauberin Zandramas hat noch einen letzten Trumpf im Ärmel!

Autor

David Eddings wurde 1931 in Spokane im US-Bundesstaat Washington geboren. Während seines Dienstes für die US-Streitkräfte erwarb er einen Bachelor of Arts und einige Jahre darauf einen Master of Arts an der University of Washington. Bevor er 1982 seinen ersten großen Roman, »Belgariad – Die Gefährten«, veröffentlichte, arbeitete er für den Flugzeughersteller Boeing. Den Höhepunkt seiner Autorenkarriere erreichte er, als der Abschlussband seiner Malloreon-Saga Platz 1 der »New York Times«-Bestsellerliste erreichte. Im Jahr 2009 starb er in Caron City, Nevada.

Die Belgariad-Saga:

1. Die Gefährten

2. Der Schütze

3. Der Blinde

4. Die Königin

5. Der Ewige

Die Malloreon-Saga:

1. Die Herren des Westens

2. Der König der Murgos

3. Der Dämon von Karanda

4. Die Zauberin von Darshiva

5. Die Seherin von Kell

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David Eddings

Malloreon

Die Seherin von Kell

Roman

Deutsch von Lore Strassl

Die Originalausgabe erschien 1990 unter dem Titel »The Seeress of Kell (Malloreon 5)« bei DelRey, New York.

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Copyright der Originalausgabe © 1991 by David Eddings

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2022 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Copyright der deutschsprachigen Übersetzung by Lore Straßl, vermittelt durch Jörg Munsonius / Literaturagentur / Edition Bärenklau

Redaktion: Waltraud Horbas

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz unter Verwendung einer Illustration von SImon Fletcher

Karten: © Andreas Hancock

HK · Herstellung: sam

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München

ISBN 978-3-6412-7217-3V001

www.blanvalet.de

Für Lester

Ein ganzes Jahrzehnt ist ins Land gegangen, seit wir mit unserem Projekt begonnen haben. Eigentlich war das Einzige, was wir erwarten konnten, dass wir am Ende zehn Jahre älter sein würden. Aber nun sieht es so aus, als hätten wir ein wenig mehr geschafft. Unser Geisteskind hat sich ziemlich gemausert. Ich hoffe, es hat Dir ebenso viel Spaß gemacht wie mir, und denke, wir können beide stolz darauf sein, dass es uns ohne größere Blessuren gelungen ist – aber das haben wir wohl eher der übermenschlichen Geduld von zwei ganz besonderen Frauen zu verdanken als irgendeiner Tugend unsererseits.

Mit besten Wünschen Dave Eddings

Prolog

Auszug aus Das Buch der Zeitalter,

Erster Band der Malloreanischen Evangeliarien

»Dies sind die Zeitalter der Menschen«

Im Ersten Zeitalter wurde der Mensch erschaffen, und er erwachte voll Staunen über die Welt, die ihn umgab. Und jene, die ihn gemacht hatten, begutachteten ihn und wählten aus seiner Art jene, die ihr Gefallen fanden, und verstießen und vertrieben die Übrigen. Und einige begaben sich auf die Suche nach dem als UL bekannten Geist, und sie verließen uns und zogen in den Westen, und wir sahen sie nie wieder. Und einige leugneten die Götter, und sie wanderten in den fernen Norden und rangen mit Dämonen. Und einige wandten sich weltlichen Dingen zu und entschieden sich für den Osten und erbauten dort mächtige Städte.

Wir aber verzweifelten und setzten uns auf die Erde in den Schatten der Berge von Korim. Voll Bitterkeit beweinten wir unser Schicksal, dass wir erst erschaffen und dann verstoßen worden waren.

Da begab es sich, dass inmitten unseres Leids eine Frau aus unserem Volk von großer Verzückung erfasst wurde. Es war, als würde sie von einer gewaltigen Hand geschüttelt. Und sie erhob sich von der Erde, wo sie gesessen hatte. Sie band sich ein Tuch um die Augen, zum Zeichen dafür, dass sie erblickt hatte, was noch kein Sterblicher vor ihr erblickt hatte. Denn wisset, sie war die erste Seherin auf der Welt. Noch bewegt von ihrer Vision, wandte sie sich an uns und verkündete:

»Höret ! Ein Festmahl wurde für Jene aufgetischt, die uns erschufen, und dieses Festmahl soll Festmahl des Lebens genannt werden. Und Jene, die uns erschufen, haben erwählt, was ihren Gefallen fand, und was nicht gefiel, wurde nicht erwählt. Wir sind das Festmahl des Lebens, und ihr grämt euch, dass kein Festgast euch erwählt hat. Verzagt nicht, denn wisset, dass ein Gast noch nicht eingetroffen ist. Die anderen Gäste haben gespeist, doch dieses große Festmahl des Lebens wartet noch auf den Geliebten Gast, der spät kommt, und ich sage euch allen, dass Er es ist, der uns erwählen wird. So wartet auf Ihn, denn wahrlich, Er wird kommen. Vergesst euren Kummer und wendet das Gesicht dem Himmel zu und der Erde, damit ihr die Zeichen lesen möget, die da geschrieben stehen. Denn dies verkünde ich euch allen: Sein Kommen liegt bei euch. Denn wisset, Er erwählt euch nur, wenn ihr Ihn erwählt. Dafür wurden wir erschaffen. Erhebt euch und kauert nicht länger vergebens und töricht klagend auf der Erde. Widmet euch der vor euch liegenden Aufgabe und bereitet den Weg für Ihn, der kommen wird.«

Wir staunten sehr über diese Kunde und befragten die Seherin, doch ihre Antworten waren rätselhaft und geheimnisvoll. So wandten wir das Gesicht dem Himmel zu und liehen unser Ohr dem Wispern, das aus der Erde kam, auf dass wir sehen und hören und lernen. Und als wir lernten, das Buch des Himmels zu lesen und dem Wispern in den Steinen zu lauschen, wurden uns unzählige Warnungen zuteil, dass zwei Geister kommen würden, von denen einer gut und der andere böse war. Lange forschten wir, doch unsere Sorge schwand nicht, denn wir vermochten nicht zu erkennen, welcher Geist der wahre ist und welcher der falsche. Denn das Böse ist im Buch des Himmels als das Gute verkleidet und in der Sprache der Erde ebenso, und keinem Sterblichen ward die Weisheit gegeben, zwischen ihnen zu unterscheiden.

Dies erwägend, nahmen wir Abschied von den Schatten der Berge Korims und wanderten in die Lande jenseits davon, wo wir ein Zuhause fanden. Und wir wandten uns von den Belangen der Sterblichen ab und widmeten uns ganz der Aufgabe, die vor uns lag. Unsere Hexen und Seherinnen bemühten sich um die Hilfe der Geisterwelt, unsere Nekromanten suchten Rat bei den Toten, und unsere Deuter lasen in der Erde. Doch, wehe uns, niemand wusste mehr als wir.

So kamen wir denn auf einer fruchtbaren Ebene zusammen, um einander alles, was wir erforscht hatten, kundzutun und es zusammenzufügen. Und dies ist, was wir von den Sternen, von den Steinen, den Herzen der Menschen und dem Denken der Geister erfahren haben:

Wisset, dass seit dem Anbeginn der Zeit Spaltung alles entstellt hat, was da ist – denn schon im Herzen der Schöpfung entstand Spaltung. Einige haben behauptet, das sei natürlich und würde so bleiben bis zum Ende aller Tage, doch dem ist nicht so. Wäre der Spaltung Ewigkeit bestimmt, so müsste der Zweck der Schöpfung ihre Erhaltung sein. Doch Sterne und Geister und Stimmen in den Steinen verheißen den Tag, da die Spaltung enden und alles wieder eins wird, denn die Schöpfung selbst weiß, dass dieser Tag kommen wird.

Wisset denn auch, dass zwei Geister sich im Herzen der Zeit bekämpfen, und diese Geister sind die beiden Seiten dessen, was die Schöpfung gespalten hat. Zu einer bestimmten Zeit werden diese Geister sich auf dieser Welt begegnen, und dann wird die Zeit der WAHL kommen. Und wird die WAHL nicht getroffen, so verschwindet diese Welt und der Geliebte Gast, von dem die Seherin gesprochen hat, wird nie kommen. Dies war es, was sie meinte, als sie zu uns sprach: »Denn wisset, Er erwählt euch nur, wenn ihr Ihn erwählet.« Und die WAHL, die wir treffen müssen, ist die Wahl zwischen Gut und Böse und die Spaltung in Gut und Böse; und die Wirklichkeit, die sein wird, nachdem wir die WAHL getroffen haben, wird eine Wirklichkeit des Guten sein oder eine Wirklichkeit des Bösen, und sie wird bis zum Ende aller Tage währen.

Wisset auch dies: Die Steine dieser Welt und aller anderen Welten flüstern beharrlich von zwei Steinen, die am Ursprung der Spaltung zu finden sind. Dereinst waren diese Steine einer, und dieser eine ruhte im Herzen aller Schöpfung, doch wie alles andere wurde auch er gespalten, und im Augenblick der Spaltung riss er mit einer Gewalt auseinander, die ganze Sonnen vernichtete. Und wo diese Steine wieder aufeinandertreffen, wird es zu einem alles entscheidenden Kampf zwischen den beiden Geistern kommen. Der Tag wird kommen, an dem alles wieder eins sein wird, außer die beiden Steine; so mächtig war die Spaltung, dass sie nie mehr zusammengefügt werden können. Und an dem Tag, an dem die Spaltung endet, wird einer der Steine für immer aufhören zu bestehen; an diesem Tag wird auch einer der beiden Geister für immer verschwinden.

Dies sind denn die Wahrheiten, die wir zusammengetragen hatten, und mit unserer Entdeckung dieser Wahrheiten endete das Erste Zeitalter.

Das Zweite Zeitalter der Menschheit begann mit Donner und Erdbeben, die Erde spaltete sich, und das Meer rauschte herbei, um die Lande der Menschen zu teilen, so wie die Schöpfung geteilt ist. Und die Berge von Korim erzitterten und ächzten und schwankten, als die See sie verschlang. Und wir wussten, dass dies geschehen würde, denn unsere Seher hatten uns gewarnt. So zogen wir aus und fanden Sicherheit, noch ehe die Welt gespalten war und das Meer sich erst zurückzog und dann wiederkam, um für immer zu bleiben.

In jenen Tagen, die der Wiederkehr der See folgten, flohen die Kinder des Drachengottes vor den Fluten und fanden ein neues Zuhause nördlich von uns, hinter den Bergen. Nun sagten unsere Seher, dass die Kinder des Drachengottes eines Tages als Eroberer über uns kommen würden. Und wir berieten uns miteinander und überlegten, wie wir die Kinder des Drachengottes am wenigsten erzürnen würden, wenn sie kämen, damit sie uns in unserem Studium nicht behinderten. Schließlich fanden wir, dass unsere kriegerischen Nachbarn die geringsten Bedenken gegen simple Landleute haben würden, die ihre Felder bestellten und in einfachen Dörfern lebten. Danach richteten wir denn unser Leben aus. Wir rissen unsere Städte nieder, trugen die Steine fort und zogen uns aufs Land zurück, um unsere Nachbarn nicht zu erschrecken oder ihren Neid zu wecken.

Die Jahre vergingen und wurden zu Jahrhunderten, und die Jahrhunderte vergingen und wurden zu Jahrtausenden. Und wie erwartet, kamen die Kinder Angaraks über uns und errichteten ihre Oberherrschaft. Sie nannten die Lande, in denen wir lebten, Dalasien, und wir taten, was sie uns hießen zu tun, und setzten unsere Forschungen fort.

Etwa zu jener Zeit begab es sich im fernen Norden, dass ein Jünger des Gottes Aldur mit gewissen anderen kam, um etwas zurückzuholen, das der Drachengott Aldur gestohlen hatte. Und dieses Ereignis war so bedeutend, dass damit das Zweite Zeitalter endete und das Dritte Zeitalter begann.

Nun geschah es im Dritten Zeitalter, dass die Priester von Angarak, von den Menschen Grolim genannt, zu uns kamen, um vom Drachengott zu sprechen und seinem Bedürfnis nach unserer Liebe. Und wir erwogen, was sie sagten, wie wir alles erwägen, was Menschen uns sagten. Wir sahen im Buch des Himmels nach und fanden bestätigt, dass Torak die fleischgewordene Gotterscheinung eines der zwei Geister war, die im Herzen der Zeit gegeneinander kämpften. Doch wo war der andere ? Wie konnte die Menschheit wählen, wenn nur einer der Geister zu ihr kam ? Da erkannten wir unsere schreckliche Verantwortung. Die Geister würden zu uns kommen, jeder zu seiner Zeit, und jeder würde verkünden, dass er gut und der andere böse war. Es war jedoch der Mensch, der wählen würde. Und aufs Neue berieten wir uns und beschlossen, die Formen der Verehrung anzunehmen, welche die Grolim uns so aufdrängten. Das würde uns die Möglichkeit geben, das Wesen des Drachengottes zu erforschen, und wir würden dadurch besser auf die WAHL vorbereitet sein, wenn der andere Gott erschien.

Im Laufe der Zeit drangen die Ereignisse der Welt bis zu uns. Die Angarakaner verbündeten sich mit den großen Städtebauern des Ostens, die sich Melcener nannten, und gemeinsam erschufen sie ein Reich, das die Kontinente überspannte. Nun vollbrachten die Angarakaner Taten, während die Melcener sich Aufgaben widmeten. Ist eine Tat erst getan, ist sie es für immer, eine Aufgabe dagegen kehrt jeden Tag wieder, und die Melcener kamen zu uns, um jene auszuwählen, die ihnen bei ihrer endlosen Aufgabe helfen mochten. Nun trug es sich zu, dass einer aus unserer Sippe, der den Melcenern half, Gelegenheit hatte, im Zuge der Ausführung einer dieser Aufgaben gen Norden zu reisen. Er gelangte an einen Ort namens Ashaba, wo er Zuflucht vor einem Gewitter suchte. Und der Herr des Hauses in Ashaba war weder Grolim noch Angarakaner noch überhaupt ein Sterblicher. Unser Bruder war ungeahnt zum Hause von Torak gekommen. Nun war Torak neugierig, wie es mit unserem Volk aussah, und Er sandte nach dem Reisenden. Unser Bruder begab sich zu dem Drachengott. Und in dem Augenblick, da er das Antlitz Toraks erschaute, endete das Dritte Zeitalter, und das Vierte Zeitalter begann. Denn wisset, der Drachengott von Angarak war nicht einer der Götter, auf die wir warteten. Die Zeichen an Ihm wiesen nicht über Ihn hinaus, und unser Bruder sah sogleich, dass Torak dem Untergang geweiht war und alles, was Er war, mit Ihm sterben würde.

Da erkannten wir unseren Fehler, und wir staunten, dass wir es nicht gesehen hatten – dass selbst ein Gott nur das Werkzeug der Bestimmung sein konnte. Denn wisset, Torak war Teil einer der beiden Bestimmungen, doch er war nicht die ganze Bestimmung.

Nun begab es sich, dass auf der anderen Seite der Welt ein König ermordet wurde und seine ganze Familie mit ihm – außer einem. Dieser König war der Hüter eines der beiden Steine der Macht gewesen, und als die Kunde Torak zugetragen wurde, frohlockte Er, denn Er glaubte, sein Erzfeind sei nicht mehr. Da traf er Seine Vorbereitungen für einen Krieg gegen die Reiche des Westens. Doch die Zeichen am Himmel und das Wispern der Steine verrieten uns, dass es nicht so war, wie Torak glaubte. Der Stein wurde immer noch bewacht, und die Erbfolge des Hüters war nicht unterbrochen. Toraks Krieg würde Ihm Verderben bringen.

Die Vorbereitungen des Drachengottes währten lange, und die Aufgaben, die Er seinem Volke auferlegte, waren Aufgaben für Generationen. Ebenso wie wir beobachtete Torak den Himmel, um die Zeichen zu lesen, die Ihm sagen sollten, wann die Zeit gekommen war, gen Westen zu ziehen. Doch Torak hielt nur Ausschau nach Zeichen, die Er sehen wollte, und Er las nicht die ganze Botschaft, die am Himmel geschrieben stand. Und da er nur einen kleinen Teil der Zeichen gelesen hatte, ließ er seine Truppen am ungünstigsten Tag ausrücken.

Wie wir es vorhergesehen hatten, brach das Unglück über Toraks Heerscharen auf einer weiten Ebene herein, die vor der Stadt Vo Mimbre im fernen Westen lag. Und der Drachengott wurde in Schlaf gebannt, bis Sein Feind kommen würde.

Zu der Zeit erreichte uns ein Wispern von einem neuen Namen. Das Wispern dieses Namens wurde klarer, und am Tag seiner Geburt schwoll das Wispern an zu einem gewaltigen Ruf. Belgarion der Gottbezwinger war endlich gekommen.

Nun beschleunigte sich der Lauf der Ereignisse, und die Bewegung auf die furchtbare Begegnung zu wurde so schnell, dass die Seiten des Buches des Himmels vor den Augen verschwammen. Und dann, an jenem Tag, den die Menschen als den Tag feiern, da die Welt erschaffen wurde, übergab man Belgarion den Stein der Macht; und in dem Augenblick, da seine Hand sich um ihn schloss, füllte das Buch des Himmels sich mit ungeheurem Licht, und Belgarions Name schallte vom fernsten Stern.

Dann spürten wir, wie Belgarion sich mit dem Stein der Macht auf Mallorea zu begab, und wir spürten, wie Torak sich herumwälzte, als ihn Unruhe in seinem Schlaf befiel. Und schließlich kam diese schreckliche Nacht. Während wir hilflos zusahen, bewegten die ungeheuren Seiten des Buches des Himmels sich so rasch, dass wir nicht imstande waren, sie zu lesen. Bis sie anhielten und wir eine erschreckende Zeile zu deuten vermochten: »Torak ist gefallen.« Das Buch erschauderte, und alle Lichter in der gesamten Schöpfung erloschen.

In jenem grauenvollen Augenblick der Finsternis und Stille endete das Vierte Zeitalter, und das Fünfte Zeitalter begann.

Und als das Fünfte Zeitalter begann, fanden wir etwas Rätselhaftes im Buch des Himmels. Zuvor hatte alles sich auf die Begegnung zwischen Belgarion und Torak zubewegt, doch nun wiesen die Ereignisse auf eine andere zukünftige Begegnung hin. Am Sternenhimmel fanden sich Zeichen, dass die Bestimmungen nun andere Erscheinungsformen für den letzten Kampf gewählt hatten, und wir vermochten die Bewegungen dieser Wesenheiten zu spüren. Doch wir wussten nicht, wer oder was sie waren, denn die Seiten des großen Buches waren dunkel und rätselhaft. Nur eine Wesenheit spürten wir. Sie war verschleiert und in Dunkelheit gehüllt, und sie nahm Anteil an den Belangen der Menschen, und der Mond sprach klar und deutlich. Von ihm erfuhren wir, dass diese dunkle Wesenheit eine Frau war.

Eines erkannten wir in dieser großen Wirrnis, die uns nun den Blick in das Buch des Himmels verwehrte. Die Zeitalter der Menschheit wurden mit dem Scheiden eines jeden kürzer, und die Ereignisse der Begegnung beider Bestimmungen folgten einander in immer kürzeren Abständen. Die Zeit für müßige Betrachtungen war vorbei. Nun müssen wir uns sputen, damit uns das letzte Ereignis nicht unvorbereitet ereilt.

Wir entschieden, dass wir die Teilnehmer an jenem letzten Begebnis anspornen oder überlisten müssen, auf dass beide zur vorbestimmten Zeit zum vorbestimmten Ort kommen.

Wir haben das Abbild jener, Welche-die-WAHL-treffen-muss, zu der dunklen, vermummten Wesenheit und zu Belgarion Gottbezwinger gesandt. Und sie führte sie auf den Weg, auf dem sie schließlich an den Ort unserer Entscheidung gelangen würden.

Daraufhin wandten wir uns alle unseren Vorbereitungen zu; es blieb noch viel zu tun, und wir wussten, dass dieses Ereignis das letzte sein würde. Die Spaltung der Schöpfung dauerte bereits viel zu lange; in dieser Begegnung zwischen den beiden Bestimmungen würde die Trennung enden, und alles würde wieder eins werden.

Erster Teil

KELL

1

Die Luft war dünn und kühl, erfüllt vom würzigen, harzigen Duft von Bäumen, die nie ihr Laub abwarfen, sondern ihr gesamtes Leben in dunklem Grün prangten. Der Sonnenschein auf den Schneefeldern über ihnen blendete, und das Tosen des Wassers, das durch felsiges Gefälle den Flüssen in den Ebenen von Darshiva und Gandahar entgegenstürzte, rauschte unentwegt in ihren Ohren. Dieses Brausen der Wildbäche, die sich viele Meilen entfernt mit dem mächtigen Magan vereinten, wurde vom sanften, fast schwermütigen Seufzen des Windes begleitet, der durch die Tannen und Fichten und Kiefern der tiefgrün bewaldeten Berghänge strich; Berge, die sich voller Sehnsucht dem Himmel entgegenreckten. Der Karawanenweg, dem Garion und seine Freunde folgten, führte in immer größere Höhen, schlängelte sich an Bächen entlang und wand sich zu felsigen Graten empor. Von einem Kamm aus konnten sie den nächsten sehen. Hoch über allem erstreckten sich als Rückgrat des Kontinents Gipfel, die den Himmel zu streifen schienen, unberührte Berge von makelloser Reinheit in ihrem Gewand aus ewigem Firn. Garion war mit Gebirgen vertraut, doch so gewaltige Gipfel hatte er noch nie zuvor gesehen. Er wusste, dass sie viele Meilen entfernt waren, doch in der klaren Bergluft schienen sie zum Greifen nahe zu sein.

Unendlicher Friede herrschte hier, ein Friede, der alle Unruhe, Ängste und Sorgen vertrieb, die sie auf den Ebenen gequält hatten. Jede Kurve des Weges, jeder Kamm bescherte ihnen eine neue Aussicht, und eine war atemberaubender als die andere, bis sie schließlich in ehrfürchtigem Schweigen dahinritten. Menschenwerk schrumpfte hier zur Bedeutungslosigkeit. Der Mensch würde nie, konnte nie diese ewigen Berge berühren.

Es war Sommer, und die Tage waren länger und sonnig. Vögel sangen in den Bäumen, die den gewundenen Pfad säumten. Der Duft der sonnenwarmen Nadelbäume vermischte sich mit dem flüchtigeren der Wildblumen, die dicht wie ein Teppich die Bergwiesen überzogen. Dann und wann hallte der wilde, schrille Ruf eines Adlers von den Felswänden wider.

»Hast du je daran gedacht, deine Hauptstadt zu verlegen ?«, fragte Garion den Kaiser von Mallorea, der neben ihm ritt, mit gedämpfter Stimme; lauter zu sprechen wäre hier eine Entweihung gewesen.

»Nein, nicht ernsthaft, Garion«, erwiderte Zakath. »Meine Regierung würde hier aufhören zu arbeiten. Die Bürokratie ist zum größten Teil melcenisch. Man könnte meinen, dass Melcener reine Verstandesmenschen sind, doch der Schein trügt. Ich fürchte, meine Beamten würden hier die Hälfte ihrer Zeit damit verbringen, die Aussicht zu bewundern, und die andere Hälfte damit, schwülstige Gedichte zu schreiben. Zum Arbeiten käme keiner. Außerdem kannst du dir gar nicht vorstellen, wie es hier im Winter aussieht.«

»Schnee ?«

Zakath nickte. »Die Bewohner messen ihn nicht in Zoll, sondern in Fuß.«

»Gibt es hier überhaupt Menschen ? Ich habe noch keine gesehen.«

»Ein paar – Trapper, Goldsucher und ihresgleichen.« Zakath lächelte. »Das ist jedoch nur eine Ausrede, glaube ich. Manche Menschen lieben eben die Einsamkeit.«

»Da sind sie hier genau richtig.«

Der Kaiser von Mallorea hatte sich verändert, seit sie Atescas Fort am Ufer des Magan verlassen hatten. Er war jetzt magerer und die Leblosigkeit aus seinen Augen geschwunden. Wie Garion und die anderen ritt er wachsam, mit offenen Augen und gespitzten Ohren. Doch es war nicht so sehr seine äußere Erscheinung, die diese Veränderung ausdrückte. Zakath war immer nachdenklicher, ja schwermütiger Natur gewesen, häufig von schwärzestem Trübsinn gequält und doch gleichzeitig von kaltem Ehrgeiz erfüllt. Garion hatte oft das Gefühl gehabt, dass dieser Ehrgeiz des Malloreaners und sein Machthunger nicht so sehr ein unbeherrschbarer Drang waren, sondern eher eine Art ständiger Selbsterprobung und dass sie vielleicht unbewusst durch den Wunsch verursacht wurden, sich selbst zu zerstören. Es hatte wahrhaftig beinahe so ausgesehen, als hätte Zakath sich und alles, was sein Reich zu geben hatte, in unbegreifliche Kriege gestürzt. Und das alles nur in der heimlichen Hoffnung, dass er einmal auf jemanden stoßen würde, der stark genug war, ihn zu töten, um ihn von der Last eines Lebens zu befreien, das schier unerträglich für ihn war.

Doch das war jetzt durchaus nicht mehr der Fall. Seine Begegnung mit Cyradis am Magan hatte ihn für alle Zeit verändert. Eine Welt, die bisher so schal auf ihn gewirkt hatte, erschien ihm nun von wundervollem Reiz. Garion vermeinte manchmal sogar eine Spur Hoffnung im Gesicht seines Freundes zu lesen, und Hoffnung war etwas, dem Zakath sich nie hingegeben hatte.

Als sie um eine weitere Biegung des Pfades kamen, sah Garion die Wölfin, die sie in dem toten Wald in Darshiva gefunden und mitgenommen hatten. Ihr Benehmen erschien ihm zusehends rätselhafter. Seit ihre verwundete Pfote geheilt war, unternahm sie gelegentliche Streifzüge durch die Wälder ringsum auf der Suche nach ihrem Rudel. Doch immer kehrte sie zurück, und es schien ihr offenbar nichts auszumachen, wenn ihre Suche erfolglos war. Es hatte jedenfalls den Anschein, als wäre sie durchaus zufrieden, als Angehörige ihres außergewöhnlichen Rudels bei ihnen zu bleiben. Solange sie sich in Wäldern und unbewohnten Berggegenden aufhielten, verursachte das keine Probleme, aber sie würden nicht immer in der Wildnis bleiben, und eine ungezähmte und wahrscheinlich rastlose Wölfin auf den belebten Straßen einer größeren Stadt würde im besten Fall Aufmerksamkeit erregen.

»Wie geht es dir, kleine Schwester ?«, fragte er sie höflich in der Sprache der Wölfe.

»Gut«, antwortete sie.

»Hast du irgendwelche Spuren deines Rudels entdeckt ?«

»Es gibt viele andere Wölfe in der Gegend, doch sie sind nicht von meiner Sippe. Ich werde noch eine Weile länger bei euch bleiben. Wo ist der Kleine ?«

Garion blickte über die Schulter auf den zweirädrigen Einspänner, der hinter ihnen herholperte. »Er sitzt neben meiner Gefährtin in dem Ding mit den runden Füßen.«

Die Wölfin seufzte. »Wenn er noch lange nur herumsitzt, wird er nicht mehr imstande sein, zu laufen und zu jagen«, sagte sie missbilligend. »Und wenn deine Gefährtin ihn weiterhin so vollstopft, wird sich sein Magen dehnen. Dann wird er magere Zeiten nicht überleben, wenn es wenig Beute gibt.«

»Ich werde mit ihr sprechen.«

»Wird sie auf dich hören ?«

»Wahrscheinlich nicht, aber ich werde es trotzdem tun. Sie mag den Kleinen sehr und hat ihn gern in ihrer Nähe.«

»Ich werde ihm bald das Jagen beibringen müssen.«

»Ja, ich weiß. Ich werde es meiner Gefährtin erklären.«

»Ich danke dir.« Die Wölfin hielt inne und sah sich argwöhnisch um. »Seid vorsichtig«, warnte sie. »Etwas treibt sich in der Nähe herum. Ich habe es zwar nicht gesehen, aber mehrmals gewittert. Es ist sehr groß.«

»Wie groß ?«

»Größer als das Tier, auf dem du sitzt.« Sie deutete mit dem Kopf auf Chretienne. Der graue Hengst hatte sich einigermaßen an sie gewöhnt, und ihre Anwesenheit machte ihn nicht mehr ganz so nervös, aber Garion vermutete, dass ihm viel wohler wäre, wenn die Wölfin nicht ganz so nahe herankommen würde.

»Ich werde dem Rudelführer Bescheid geben«, versprach Garion. Aus irgendeinem Grund ging die Wölfin Belgarath aus dem Weg. Garion nahm an, dass ihr Benehmen etwas mit wölfischer Etikette zu tun hatte, mit der er nicht vertraut war.

»Dann werde ich meine Suche fortsetzen.« Sie stand auf. »Vielleicht stoße ich auf dieses große Tier, dann kann ich dir mehr sagen.« Sie hielt inne. »Seine Witterung verrät mir jedenfalls, dass es gefährlich ist. Es frisst alles – selbst Dinge, denen wir aus dem Weg gehen.« Sie drehte sich um und verschwand rasch und fast lautlos im Wald.

»Das ist wirklich unheimlich«, sagte Zakath. »Ich habe zwar schon öfter Menschen mit Tieren reden gehört, doch nie in deren Sprache.«

»Das ist wohl eine Erbanlage«, antwortete Garion lächelnd. »Früher habe ich es selbst nicht für möglich gehalten. Immer sind Vögel zu Tante Pol gekommen und haben sich mit ihr unterhalten – meistens über ihre Eier. Vögel reden schrecklich gern über ihre Eier, weißt du. Sie können wirklich ziemlich albern sein. Wölfe sind viel würdevoller.« Er machte eine Pause. »Aber es ist besser, wenn du das vor Tante Pol nicht erwähnst.«

»Warum, Garion ?« Zakath lachte.

»Reine Vorsicht«, antwortete Garion. »Ich muss mit Belgarath sprechen. Halt die Augen offen. Die Wölfin sagt, dass sich ein Tier in der Gegend herumtreibt, das größer ist als ein Pferd und sehr gefährlich. Sie ließ durchblicken, dass es ein Menschenfresser sein könnte.«

»Wie sieht es aus ?«

»Sie hat nur seine Fährte gesehen und es gewittert.«

»Ich werde aufpassen.«

»Gut.« Garion drehte um und ritt nach hinten, wo Belgarath und Tante Pol in ein Gespräch vertieft waren.

»Durnik braucht einen Turm irgendwo im Aldurtal«, sagte Belgarath soeben.

»Ich wüsste nicht warum, Vater«, entgegnete Polgara.

»Alle Jünger Aldurs haben einen Turm, Pol. Das ist so Sitte.«

»Alte Sitten leben fort – selbst wenn es keinen Bedarf mehr für sie gibt.«

»Er wird studieren müssen, Pol. Wie könnte er das, wenn du ständig im Weg bist ?«

Sie bedachte ihn mit einem langen, eisigen Blick.

»Vielleicht sollte ich andere Worte wählen.«

»Dann tu es und lass dir Zeit, Vater. Ich bin gern bereit zu warten.«

»Großvater«, Garion zügelte sein Pferd, »ich habe mich gerade mit der Wölfin unterhalten. Sie sagt, dass ein sehr großes Tier im Wald ist.«

»Ein Bär vielleicht ?«

»Glaube ich nicht. Sie hat es mehrmals gewittert, und sie würde den Geruch eines Bären doch erkennen, meinst du nicht ?«

»Ich glaube schon.«

»Sie sagte es nicht mit diesen Worten, aber ich hatte den Eindruck, dass das Tier nicht sehr wählerisch bei der Auswahl seines Futters ist.« Er hielt kurz inne. »Bilde ich es mir bloß ein, oder ist sie eine ungewöhnliche Wölfin ?«

»Wie meinst du das ?«

»Sie ist sehr geschickt mit Worten, trotzdem habe ich immer das Gefühl, dass sie eigentlich noch mehr zu sagen hat.«

»Sie ist intelligent, das ist alles. Warne die anderen lieber. Ein Wolf würde über ein gewöhnliches Tier kein Wort verlieren, also muss diese Kreatur etwas Ungewöhnliches sein, und etwas Ungewöhnliches ist wahrscheinlich gefährlich. Sag Ce’Nedra, sie soll zu uns kommen. So, wie sie jetzt hinter uns herkutschiert, ist sie zu wenig geschützt.« Er dachte kurz nach. »Sag lieber nichts, was sie beunruhigen könnte, aber sorg dafür, dass Liselle mit ihr im Wagen fährt.«

»Liselle ?«

»Das blonde Mädchen. Das mit den Grübchen.«

»Ich weiß, wer sie ist, Großvater. Aber wäre nicht Durnik besser ? Oder Toth ?«

»Nein, denn wenn sich einer von ihnen zu ihr setzen würde, wüsste sie sofort, dass etwas im Busch ist, und sie bekäme vielleicht Angst. Und ein jagendes Tier wittert Angst. Wir wollen sie doch nicht irgendeiner Gefahr aussetzen. Liselle ist sehr gut ausgebildet und hat bestimmt irgendwo an sich zwei oder drei Messer versteckt.« Er grinste listig. »Ich könnte mir vorstellen, dass Silk dir sagen kann, wo.«

»Vater !«, entrüstete sich Polgara.

»Soll das heißen, dass du es nicht gewusst hast, Pol ? Meine Güte, dir entgeht doch sonst nichts !«

»Der Punkt geht an dich«, bemerkte Garion.

»Danke.« Dann grinste Belgarath seine Tochter an.

Garion wendete Chretienne wieder, damit seine Tante sein Lächeln nicht sehen konnte.

An diesem Abend wählten sie ihren Lagerplatz noch sorgfältiger und schlugen ihre Zelte schließlich in einem Espenhain auf, mit einer steilen Felswand hinter und einem tiefen Wildbach vor ihnen. Als die Sonne über den ewigen Gletscherfeldern unterging und die Dämmerung die Schluchten mit tiefblauen Schatten füllte, kehrte Beldin von einem seiner ausgedehnten Erkundungsflüge zurück.

»Ist es nicht etwas früh, schon anzuhalten ?«, wunderte er sich, nachdem er sich schimmernd zurückverwandelt hatte.

»Die Pferde sind müde«, erwiderte Belgarath und warf einen bedeutungsvollen Blick auf Ce’Nedra. »Der Weg ist sehr steil geworden.«

»Der Weg vor euch wird noch viel steiler«, brummte Beldin und humpelte zum Feuer.

»Was ist mit deinem Fuß ?«

»Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit einem Adler. Dumme Vögel, diese Adler. Er kannte den Unterschied zwischen einer Taube und einem Falken nicht, das musste ich ihm dann erst beibringen. Er hat mich gebissen, und ich habe ihm eine beachtliche Menge seiner Schwingenfedern ausgerissen.«

»Ohm !«, sagte Polgara tadelnd.

»Er hat angefangen !«

»Sind irgendwelche Soldaten hinter uns ?«, fragte ihn Belgarath.

»Darshiver. Aber in gut zwei bis drei Tagen Entfernung. Urvons Armee zieht sich zurück. Jetzt, da er und Nahaz nicht mehr sind, wäre ihr Bleiben sinnlos.«

»Dadurch sind wir wenigstens einige der Truppen los«, meinte Silk.

»Freu dich nicht zu früh«, warnte ihn Beldin. »Nun, da die Gardisten und Karandeser abgezogen sind, können die Darshiver sich voll auf uns konzentrieren.«

»Hm. Das stimmt wohl. Denkst du, sie wissen, dass wir hier sind ?«

»Zandramas weiß es, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es ihren Soldaten verheimlichen würde. Ihr werdet morgen wahrscheinlich die Schneegrenze erreichen. Überlegt euch, wie ihr dann eure Fährte verbergen könnt.« Er schaute sich um. »Wo ist deine Wölfin ?«, fragte er Garion.

»Auf Jagd. Außerdem sucht sie nach Spuren ihres Rudels.«

»Da ist noch etwas, das du wissen solltest«, sagte Belgarath leise und vergewisserte sich, dass Ce’Nedra sich außer Hörweite befand. »Die Wölfin hat Garion erzählt, dass sich in dieser Gegend ein großes, ungewöhnliches Tier herumtreibt. Pol wird sich heute Nacht umsehen, aber es kann nicht schaden, wenn auch du morgen die Augen offen hältst. Ich bin nicht gerade in der richtigen Stimmung für Überraschungen.«

»Ich werde mein Möglichstes tun.«

Sadi und Sammet saßen auf der anderen Seite am Feuer. Sie hatten die irdene Flasche zwischen sich liegen und versuchten, Zith und ihre Kinder mit Käsebröckchen herauszulocken. »Ich wollte, wir hätten ein bisschen Milch«, hörten sie Sadis Altstimme. »Milch ist sehr gut für junge Schlangen. Sie gibt ihnen feste Zähne.«

»Das werde ich mir merken«, sagte Sammet.

»Beabsichtigt Ihr etwa eine neue Laufbahn als Schlangenhüterin, Markgräfin ?«

»Sie sind nette Tierchen«, entgegnete sie. »Sauber und still, und sie fressen nicht viel. Außerdem sind sie im Ernstfall sehr nützlich.«

Er lächelte sie voll Zuneigung an. »Wir machen noch eine Nyissanerin aus Euch, Liselle.«

»Nicht, wenn ich es verhindern kann !«, sagte Silk finster zu Garion.

An diesem Abend gab es gebratene Forellen – nachdem Durnik und Toth mit dem Aufbau der Zelte fertig gewesen waren, hatten sie sich mit ihren Angeln und Ködern an den Bach zurückgezogen. Durniks neue Erhebung zum Jünger hatte ihn zwar auf mancherlei Weise verändert, aber ihm keineswegs die Freude an seiner Lieblingsbeschäftigung geraubt. Es war schon lange nicht mehr nötig, dass er und sein stummer Freund auch nur einen fragenden Blick wechseln mussten. Wann immer sie in der Nähe eines Wasserlaufes oder Sees lagerten, stapften sie wie von selbst los.

Nach dem Abendessen flog Polgara in den dunklen Wald, fand jedoch keinerlei Hinweise auf das große Tier, vor dem die Wölfin sie gewarnt hatte.

Am nächsten Morgen war es kalt, und ein Hauch von Frost hing in der Luft. Der Atem der Pferde dampfte in der Bergluft, als sie aufbrachen, und Garion ritt wie alle anderen eng in seinen Umhang gewickelt.

Wie Beldin vorhergesagt hatte, erreichten sie am Spätnachmittag die Schneegrenze. In den Wagenfurchen zeichnete sich eine harschige weiße Linie ab, und weiter voraus sahen sie vereinzelte Schneewehen. Sie schlugen ihr Lager unterhalb des Schnees auf und ritten schon früh am nächsten Morgen weiter. Silk hatte für ein Lastpferd eine Art Joch gebastelt und an Stricken hinter dem Joch ein gutes Dutzend kopfgroße Steine befestigt. Der kleine Mann begutachtete kritisch die Spuren, welche die Steine im Schnee zurückließen, während sie dem Pfad in die Welt des ewigen Weiß folgten. »Gut genug«, lobte er sich.

»Ich verstehe nicht so recht, was das soll, Fürst Kheldar«, gestand Sadi.

»Die Steine machen Spuren, ähnlich denen von Wagenrädern«, erklärte Silk. »Nur Pferdefährten würden die Soldaten, die nach uns kommen, misstrauisch machen. Wagenspuren auf einem Karawanenweg dagegen sind nichts Ungewöhnliches.«

»Sehr schlau.« Der Eunuch nickte. »Aber warum schneiden wir nicht einfach Büsche ab und ziehen sie hinter uns her ?«

Silk schüttelte den Kopf. »Wenn man alle Spuren im Schnee auswischt, würde es nur Argwohn erregen. Wir befinden uns hier auf einer verhältnismäßig viel benutzten Strecke.«

»Ihr denkt an alles, nicht wahr ?«

»Schleichen und Tarnen waren seine Hauptfächer auf der Akademie«, erklärte Sammet, die mit Ce’Nedra und dem Wolfswelpen in dem kleinen Einspänner hinter ihnen saß. »Manchmal schleicht er bloß, um in Übung zu bleiben.«

»Also das geht zu weit, Liselle«, beschwerte sich Silk gekränkt.

»Stimmt es etwa nicht ?«

»Vielleicht, aber du musst doch nicht unbedingt darauf aufmerksam machen – außerdem klingt ›schleichen‹ so … so unfein.«

»Fällt dir ein feineres Wort dafür ein ?«

»Nun, ›auf leisen Sohlen gehen‹ klingt gleich netter, findest du nicht ?«

»Aber da es das Gleiche bedeutet, wollen wir uns doch nicht wegen der Wortwahl streiten, nicht wahr ?« Sie lächelte ihn gewinnend an, und niedliche Grübchen bildeten sich in ihren Wangen.

»Es ist eine Sache des Stils, Liselle.«

Der Karawanenweg wurde noch steiler, und an seinen Seiten häufte sich der Schnee zu hohen Wehen. Meilenlange Schneefahnen bliesen von den Berggipfeln, und der Wind wurde noch stärker und brachte beißende Kälte mit sich.

Gegen Mittag verhüllte eine finstere Wolkenbank, die von Westen herangezogen war, die Gipfel vor ihnen, und die Wölfin kam ihnen den Pfad herab entgegen. »Ich rate euch, Schutz für das Rudel und eure Tiere zu suchen !«, warnte sie.

»Ich werde es dem Rudelführer sagen.«

»Ja, das gehört sich so.« Sie deutete mit der Schnauze auf Zakath. »Sag ihm, er soll mir folgen. Ein Stück voraus sind Bäume. Er und ich werden ein geeignetes Plätzchen finden.«

»Sie möchte, dass du sie begleitest«, wandte Garion sich an den Malloreaner. »Es kommt Sturm auf, und sie meint, wir sollten Schutz bei den Bäumen da oben suchen. Sieh dich nach einem geeigneten Platz um, während ich die anderen warne.«

»Schneesturm ?«, fragte Zakath.

»Ich vermute es. Es muss schon etwas Ernstes sein, wenn das Wetter einem Wolf Angst macht.«

Garion wendete Chretienne aufs Neue und ritt zu den anderen zurück, um ihnen Bescheid zu geben. Der steile, eisglatte Pfad erschwerte das Vorankommen, und bis sie das Dickicht erreichten, zu dem die Wölfin Zakath geführt hatte, peitschte sie der Wind schmerzhaft mit Hagelkörnern. Die Bäume waren schlanke Tannenschösslinge, die dicht wuchsen. Vor offenbar noch gar nicht so langer Zeit hatte eine Lawine eine Schneise durch das Dickicht geschnitten und Äste und geknickte Stämme gegen eine Steilwand gehäuft. Durnik und Toth machten sich sofort ans Werk, während der Wind an Heftigkeit zunahm und das Schneegestöber dichter wurde. Garion und die anderen halfen mit, und so hatten sie in Kürze einen gitterartigen Rahmen zusammengesteckt, den sie schräg an die Felswand lehnten. Sie überzogen ihn mit Zelttuch, das sie daran festbanden, und beschwerten ihn mit Stämmen. Dann erst räumten sie das Innere frei, und gerade als sie die Pferde im niedrigeren Teil dieses Unterschlupfs untergebracht hatten, schlug der Sturm mit voller Kraft zu.

Der Wind kreischte wie besessen, und das Dickicht schien im wirbelnden Schnee zu verschwinden.

»Wird Beldin auch nichts zustoßen ?«, fragte Durnik besorgt.

»Seinetwegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, beruhigte ihn Belgarath. »Es wäre nicht der erste Sturm, mit dem er geritten ist. Er wird entweder über ihm fliegen oder sich zurückverwandeln und sich in einer Schneewehe vergraben, bis er vorüber ist.«

»Er wird erfrieren !«, rief Ce’Nedra entsetzt.

»Nicht unter dem Schnee«, versicherte ihr Belgarath. »Beldin schert sich kaum um das Wetter.« Er blickte auf die Wölfin, die an der Öffnung ihres Unterschlupfs saß und in das Schneegestöber blickte. »Wir sind dankbar für deine Warnung, kleine Schwester«, sagte er höflich.

»Ich gehöre jetzt zu deinem Rudel, hochverehrter Anführer«, entgegnete sie ebenso höflich. »Das Wohlergehen aller liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen.«

»Sehr weise, kleine Schwester.«

Sie wedelte mit dem Schwanz, sagte jedoch nichts mehr.

Der Schneesturm wütete den Rest des Tages und bis spät in die Nacht hinein, während Garion und die anderen um das Feuer saßen, das Durnik entzündet hatte. Gegen Mitternacht erstarb der Sturm so schnell, wie er angefangen hatte. Schnee fiel jedoch bis zum Morgen, dann hörte es auch zu schneien auf. Aber der Schnee vor ihrem Unterschlupf reichte bis über Garions Knie.

»Wir werden uns einen Weg bahnen müssen, fürchte ich«, sagte Durnik ernst. »Zum Karawanenweg zurück ist es eine Viertelmeile, und unter dem Schnee ist alles Mögliche verborgen. Es wäre kein guter Zeitpunkt, vom Ort ganz zu schweigen, wenn sich die Pferde jetzt die Beine brechen.«

»Was ist mit meinem Wagen ?«, fragte Ce’Nedra ihn.

»Ich fürchte, wir werden ihn hierlassen müssen. Der Schnee ist zu tief. Selbst wenn wir ihn bis zum Weg schaffen könnten, wäre es dem Pferd unmöglich, ihn durch die Schneewehen zu ziehen.«

Sie seufzte. »Es war so ein nettes Wägelchen.« Dann blickte sie Silk an und sagte, ohne die Miene zu verziehen: »Kheldar, ich danke dir, dass du es mir geliehen hast. Nun brauche ich es nicht mehr; du kannst es zurückhaben.«

Toth stampfte einen Weg für sie den steilen Hang empor zum Karawanenweg. Die Männer folgten ihm, trampelten den Pfad breiter und suchten mit den Füßen nach geknickten Stämmen und Ästen unter dem Schnee. Sie benötigten fast zwei Stunden, bis sie wieder auf dem Karawanenweg waren, und alle keuchten von der Anstrengung in dieser Höhe.

Dann kehrten sie zu ihrem Unterschlupf zurück, wo Polgara, Liselle und Ce’Nedra mit den Pferden warteten. Etwa auf halbem Weg legte die Wölfin plötzlich die Ohren zurück und knurrte.

»Was ist los ?«, erkundigte sich Garion.

»Das Wesen«, knurrte sie. »Es jagt.«

»Macht euch bereit«, rief Garion den anderen zu. »Dieses Tier ist in der Nähe.« Er langte über die Schulter und zog Eisenfausts Schwert.

Auf der anderen Seite der Lawinenfährte kam es aus einem Dickicht. An seinem zotteligen Fell klebten Schneeklümpchen, und es schlurfte halb geduckt herbei. Sein Gesicht war auf erschreckende Weise vertraut. Es hatte tief liegende Schweinsäuglein unter vorstehenden Brauen. Sein Unterkiefer ragte vor, und zwei mächtige, gelb verfärbte Stoßzähne bogen sich die Wangen hinauf. Es öffnete das Maul, brüllte, richtete sich zu seiner vollen Höhe von fast acht Fuß auf und trommelte mit den Fäusten auf die Brust.

»Das ist unmöglich !«, entfuhr es Belgarath.

»Was ist das ?«, fragte Sadi.

»Ein Eldrak«, antwortete Belgarath, »und Eldrakyn gibt es nur im Ulgoland.«

»Ich fürchte, da täuschst du dich, Belgarath«, widersprach Zakath. »Wir nennen es Affenbär, und ein paar davon leben in diesen Bergen.«

»Meine Herren, wäre es möglich, dass wir uns über seine Gattung später einig zu werden versuchen ?«, warf Silk ein. »Wichtiger ist momentan: Kämpfen wir, oder rennen wir ?«

»In diesem Schnee können wir nicht rennen«, entgegnete Garion grimmig. »Wir werden wohl kämpfen müssen.«

»Das hatte ich befürchtet.«

»Die Hauptsache ist, dass wir es von den Frauen fernhalten«, warf Durnik ein. »Sadi, könnte das Gift an Eurem Dolch es töten ?«

Sadi musterte das zottelige Tier voll Unbehagen. »Bestimmt, aber es ist riesig. Es würde eine Zeit lang dauern, bis die Wirkung einsetzt.«

»Gut, dann machen wir es so«, bestimmte Belgarath. »Wir Übrigen lenken es ab, während Sadi sich von hinten heranschleicht. Nachdem er es mit dem Dolch verwundet hat, fallen wir zurück und geben dem Gift Zeit zu wirken. Verteilt euch und geht kein Risiko ein.« Er verschwamm und nahm Wolfsgestalt an.

Sie fächerten zu einem Halbkreis aus und hielten die Waffen bereit, während das Ungeheuer brüllte und mit den Fäusten auf die Brust trommelte, um sich zum Angriff anzustacheln. Dann trampelte es herbei, und Schnee stob um seine riesigen Füße auf. Sadi schlich ein Stück hangaufwärts und hielt seinen kleinen Dolch tief, während Belgarath und die Wölfin vor und zurück sprangen und nach dem Tier schnappten.

Garions Verstand arbeitete ganz klar, als er durch den tiefen Schnee darauf zustapfte und sein Schwert drohend schwang. Ihm fiel auf, dass diese Kreatur nicht so flink wie der Eldrak Grul war. Sie kam nicht gegen die blitzschnellen Angriffe der beiden Wölfe an, und der Schnee rund um sie war nach kurzer Zeit rot von ihrem Blut. Sie brüllte vor Wut und wollte sich verzweifelt auf Durnik stürzen. Toth warf sich jedoch dazwischen und stieß ihr die Spitze seines Stabes direkt ins Gesicht. Die Bestie heulte vor Schmerzen und öffnete die gewaltigen Arme, um den stummen Hünen zu zermalmen. Doch da hieb Garion mit dem Schwert auf ihre Schulter ein, während Zakath unter den anderen zotteligen Arm tauchte und ihr mit seiner Klinge Wunden an Brust und Bauch schlug.

Die Kreatur brüllte entsetzlich, und Blut spritzte aus ihren Wunden.

»Sie gehört Euch, Sadi !«, rief Silk. Er duckte sich und suchte ein gutes Ziel für einen seiner schweren Dolche.

Die Wölfe setzten ihre Angriffe auf die Flanken und Beine der Bestie fort, während Sadi sich vorsichtig dem Rücken des tobenden Tieres näherte. Verzweifelt schwang die Kreatur ihre gewaltigen Arme, um sich die Angreifer vom Leib zu halten.

Da sprang die Wölfin herbei und durchbiss den mächtigen Muskel hinter dem linken Knie.

Der Schmerzensschrei war grauenvoll – umso mehr, da er so schrecklich menschlich klang. Das zottelige Tier stürzte zu Boden und hielt sein verstümmeltes Bein umklammert.

Garion drehte das mächtige Schwert um, fasste die Parierstange, stellte sich über das sich windende Tier und hob die Waffe, um die Klingenspitze mit aller Kraft in die zottelige Brust zu stoßen.

»Bitte !«, schrie die Kreatur mit vor Schmerzen und Angst verzerrtem Gesicht. »Bitte tötet mich nicht !«

2

Es war ein Grolim. Das riesige Tier, das im blutigen Schnee lag, verschwamm und wandelte die Gestalt, während Garions Freunde herbeirannten, um der Bestie den Garaus zu machen.

»Wartet !«, rief Durnik scharf. »Es ist ein Mensch.«

Sie blieben stehen und starrten auf den grauenvoll verwundeten Priester hinab.

Düster setzte Garion die Schwertspitze an die Kehle des Grolim. Er war furchtbar zornig. »Also gut«, sagte er eisig. »Redet ! Wer hat Euch auf uns angesetzt ?«

»Naradas«, stöhnte der Grolim. »Der Erzpriester des Tempels in Hemil.«

»Zandramas’ Helfershelfer ?«, vergewisserte sich Garion. »Der mit den weißen Augen ?«

»Ja, ich habe nur getan, was er mir befahl. Bitte tötet mich nicht.«

»Warum hat er Euch befohlen, uns zu überfallen ?«

»Ich sollte einen von euch töten.«

»Wen ?«

»Das war ihm egal. Er hat nur gesagt, ich müsse irgendeinen von euch töten.«

»Sie spielen immer noch das gleiche Spiel«, bemerkte Silk und steckte seine Dolche wieder ein. »Grolim sind so fantasielos.«

Sadi blickte Garion fragend an und hob sein kleines Messer.

»Nein !«, sagte Eriond scharf.

Garion zögerte. »Er hat recht, Sadi. Wir dürfen ihn nicht kaltblütig ermorden.«

»Alorner !« Sadi seufzte und wandte die Augen zum aufklarenden Himmel. »Ihr wisst natürlich, dass er ohnehin sterben wird, wenn wir ihn in diesem Zustand hier liegen lassen. Und wenn wir versuchen, ihn mitzunehmen, hält er uns nur auf. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir ihm nicht trauen können.«

»Eriond«, sagte Garion, »hol doch Tante Pol. Wir müssen seine Wunden versorgen, ehe er verblutet.« Er blickte Belgarath an, der sich zurückverwandelt hatte. »Irgendwelche Einwände ?«

»Ich habe nichts gesagt.«

»Da bin ich aber froh.«

»Ihr hättet ihn töten sollen, bevor er seine Gestalt gewandelt hat«, knurrte eine vertraute Stimme aus einem Dickicht hinter ihnen. Beldin saß auf einem geknickten Stamm und kaute an einem rohen Stück Fleisch, in dem noch Federn steckten.

»Ich nehme an, du hast bloß nicht daran gedacht, dass du uns helfen könntest ?«, fragte Belgarath kühl.

»Ihr habt eure Sache doch recht gut gemacht«, entgegnete der Bucklige. Er rülpste und warf die Überreste seines Frühstücks der Wölfin zu.

»Vielen Dank«, sagte sie höflich, und ihre Zähne schlossen sich um den halb aufgezehrten Kadaver. Garion war nicht sicher, ob Beldin sie verstand, aber es war wahrscheinlich.

»Was macht ein Eldrak hier in Mallorea ?«, fragte Belgarath.

»Es ist kein richtiger Eldrak«, entgegnete Beldin und spuckte ein paar nasse Federn aus.

»Na gut, aber woher wusste ein malloreanischer Grolim, wie ein Eldrak aussieht ?«

»Du hast nicht zugehört, alter Mann. Hier in den Bergen gibt es ein paar dieser Kreaturen. Es sind Artverwandte der Eldrakyn, sie unterscheiden sich aber doch ein wenig von ihnen. Sie sind erstens einmal nicht so riesig, und zweitens nicht so schlau.«

»Ich dachte, dass alle Ungeheuer in Ulgoland ihr Unwesen treiben.«

»Benutz deinen Verstand, Belgarath ! Trolle gibt es in Cherek, Algroths unten in Arendien und Dryaden in Südtolnedra. Dann ist da noch die Drachin. Niemand weiß, woher sie stammt. Ungeheuer gibt es überall. In Ulgoland nur eben ein bisschen mehr auf einem Haufen.«

»Du hast wohl recht«, gestand ihm Belgarath zu. Er wandte sich an Zakath. »Wie habt Ihr gesagt, nennt Ihr diese Bestien ?«

»Affenbären. Das ist wohl nicht allzu bezeichnend, aber die Menschen, die hier leben, sind ja auch etwas hinterwäldlerisch.«

»Wo ist Naradas jetzt ?«, fragte Silk den verwundeten Grolim.

»Ich habe ihn in Balasa gesehen. Wohin er sich von dort aus begeben hat, weiß ich nicht.«

»War Zandramas bei ihm ?«

»Ich habe sie nicht gesehen, aber das hat nichts zu sagen. Die Heilige Zauberin zeigt sich nicht mehr sehr oft.«

»Wegen der Lichtpünktchen unter ihrer Haut ?«, fragte der kleine Mann mit dem Wieselgesicht.

Das Gesicht des Grolim wurde noch bleicher. »Es ist uns verboten, darüber zu reden, selbst unter uns«, antwortete er verängstigt.

»Das ist schon in Ordnung, Freund.« Silk lächelte ihn an und zog einen seiner Dolche. »Ihr habt meine Erlaubnis.«

Der Grolim schluckte schwer, dann nickte er.

»Guter Mann.« Silk klopfte ihm auf die Schulter. »Wann sind diese Lichtpünktchen erschienen ?«

»Genau weiß ich es nicht. Zandramas war lange Zeit mit Naradas im Westen. Als sie zurückkehrte, waren die Lichter schon da. Einer der Priester in Hemil, er war ein richtiger Quatschkopf, pflegte zu sagen, dass es eine Art Pest ist.«

»War ein Quatschkopf ? Ist er es nicht mehr ?«

»Sie hat es erfahren und ihm das Herz herausschneiden lassen.«

»Das ist die Zandramas, die wir kennen und lieben.«

Tante Pol kam den in den Schnee getrampelten Pfad herauf, dicht gefolgt von Ce’Nedra und Sammet. Sie versorgte wortlos die Wunden des Grolim, während Durnik und Toth zu dem Unterschlupf zurückkehrten, die Pferde herausführten und das Zelttuch einpackten. Als sie mit den Pferden bei den anderen ankamen, ging Sadi zu seinem Sattelbeutel und öffnete das rote Lederkästchen. »Nur um sicherzugehen«, sagte er zu Garion, als er ein kleines Fläschchen herausnahm.

Garion zog eine Braue hoch.

»Es wird ihm nicht wehtun«, versicherte ihm der Eunuch, »nur ein bisschen umgänglicher machen. Außerdem, da Ihr offenbar gerade Eure mitleidige Phase habt, kann ich Euch beruhigen, dass es auch den Schmerz betäubt.«

»Es gefällt Euch nicht, dass wir ihn am Leben gelassen haben, oder sollte ich mich täuschen ?«

»Ich halte es für unklug, Belgarion«, antwortete Sadi ernst. »Tote Feinde können einem nicht mehr schaden, ganz im Gegensatz zu lebenden. Aber es ist natürlich Eure Entscheidung.«

»Ich mache ein Zugeständnis«, entgegnete Garion. »Passt auf ihn auf. Sollte er zur Gefahr werden, dann tut, was Ihr für nötig haltet.«

Sadi lächelte leicht. »Viel besser«, lobte er. »Ihr werdet doch noch zumindest die Anfangsgründe praktischer Politik lernen.«

Sie führten die Pferde den steilen Hang zum Karawanenweg hinauf und saßen dort auf. Der Sturm hatte den meisten Schnee aus den Furchen geweht, nur an geschützteren Stellen, wo der Weg um Baumgruppen und Felsvorsprünge bog, lagen hohe Wehen. Auf den freien Strecken kamen sie gut voran, die Verwehungen hielten sie jedoch auf. Und nun, da der Himmel klar war, schien die Sonne blendend auf den Neuschnee. Obgleich Garion die Augen fast ganz zusammenkniff, bekam er Kopfschmerzen, die immer schlimmer wurden.

Silk zügelte sein Pferd. »Ich glaube, es ist Zeit für Vorsichtsmaßnahmen«, sagte er. Er zog einen leichten Schal aus seinem Umhang und band ihn um die Augen. Garion erinnerte sich an Relg, und wie der höhlengeborene Zelot sich im Freien immer die Augen verbunden hatte.

»Eine Augenbinde ?«, fragte Sadi. »Seid Ihr plötzlich zum Seher geworden, Fürst Kheldar ?«

»Ich bin nicht vom Schlag, der Visionen bekommt, Sadi«, antwortete Silk. »Der Schal ist dünn genug, dass ich hindurchsehen kann. Ich will nur meine Augen vor dem blendenden Sonnenschein auf dem Schnee schützen.«

»Ja, er ist wirklich sehr hell«, bestätigte Sadi.

»Allerdings, und wenn man zu lange darauf starrt, kann man blind werden, zumindest zeitweilig.« Silk zupfte den Schal vor seinen Augen zurecht. »Das ist ein Trick, der den Hirten im nördlichen Drasnien eingefallen ist. Es hilft wirklich.«

»Dann wollen wir keine Risiken eingehen«, meinte Belgarath und verband sich die Augen ebenfalls. Er lächelte. »Vielleicht haben die dalasischen Hexer die Grolim auf diese Weise geblendet, als sie nach Kell wollten.«

»Eine schreckliche Enttäuschung, wenn es wirklich so einfach gewesen wäre«, sagte Sammet und band sich ein dünnes Tuch um die Augen. »Für mich muss Magie unerklärlich sein. Schneeblindheit wäre so prosaisch.«

Sie pflügten weiter durch den tiefen Schnee und näherten sich einem hohen Pass zwischen zwei turmgleichen Gipfeln. Am Nachmittag erreichten sie ihn. Der Weg wand sich zwischen gewaltigen Felsblöcken hindurch, verlief jedoch an seiner höchsten Stelle gerade. Dort gönnten sie den Pferden Rast und blickten über die gewaltige Wildnis jenseits des Passes.

Toth nahm die Augenbinde ab und winkte Durnik zu sich. Auch der Schmied löste die schützende Augenbinde, und der Stumme deutete. Ehrfurcht lag in Durniks Miene. »Seht doch !«, flüsterte er.

Da befreiten auch die anderen die Augen.

»Belar !«, keuchte Silk. »Nichts kann so groß sein !«

Die Gipfel rundum, die ihnen so gewaltig erschienen waren, schrumpften zur Bedeutungslosigkeit. Ganz allein, in einsamer Pracht, erhob sich ein Berg so gigantisch, dass der Verstand dem Auge nicht glauben wollte. Er war völlig symmetrisch, ein weißer Kegel mit steilen Hängen. Seine Grundfläche war riesig, und sein Gipfel überragte Tausende von Fuß alle anderen Gipfel der Umgebung. Eine absolute Ruhe schien ihn einzuhüllen, als brauchte er, da er alles erreicht hatte, was ein Berg nur erreichen konnte, lediglich zu sein.

»Das ist der höchste Berg der Welt«, sagte Zakath leise. »Die Gelehrten der Universität von Melcene haben seine Höhe geschätzt und sie mit jener der Gipfel des Westkontinents verglichen. Dieser Berg ist um tausend Fuß höher als der nächsthöchste Berg.«

»Bitte, Zakath«, sagte Silk mit gequälter Miene, »sag mir nicht, wie hoch.«

Zakath blickte ihn verwirrt an.

»Wie dir vielleicht aufgefallen ist, bin ich kein sehr groß gewachsener Mensch. Gewaltige Größe bedrückt mich. Ich gebe zu, dass dein Berg größer ist als ich. Aber ich möchte nicht wissen, um wie viel.«

Toth gestikulierte, und Durnik übersetzte.

»Er sagt, dass Kell im Schatten dieses Berges liegt.«

»Das ist aber nicht sehr genau«, gab Sadi zu bedenken. »Ich würde meinen, dass der halbe Kontinent im Schatten dieses Giganten liegt.«

Beldin kam wieder angebraust. »Groß, nicht wahr ?« Er blickte blinzelnd auf den riesigen weißen Gipfel, der in den Himmel ragte.

»Ist uns auch aufgefallen«, brummte Belgarath. »Was liegt voraus ?«

»Es geht ziemlich weit bergab – zumindest, bis man zu den Hängen dieses Riesen gelangt.«

»Das kann ich auch von hier sehen.«

»Bewundernswert. Ich habe eine Stelle gefunden, wo wir deinen Grolim loswerden können. Mehrere sogar.«

»Loswerden ? Wie meinst du das, Onkel ?«, fragte Polgara argwöhnisch.

»Der Weg hinunter führt da und dort dicht an abfallenden Steilwänden entlang«, erklärte er freundlich. »Wie leicht kann da ein Unfall passieren.«

»Kommt nicht infrage. Ich habe seine Wunden nicht behandelt, nur damit er durchhält, bis du ihn in einen Abgrund werfen kannst.«

»Polgara, du behinderst die Ausübung meiner Religion !«

Sie zog eine Braue hoch.

»Ich dachte, du wüsstest es. Es ist eines der Gebote meines Glaubens: ›Töte jeden Grolim, der dir über den Weg läuft.‹«

»Ich könnte mich vielleicht zu dieser Religion bekehren lassen«, warf Zakath ein.

»Bist du absolut sicher, dass du kein arendisches Blut in dir hast ?«, fragte ihn Garion.

Beldin seufzte. »Also gut, wenn du unbedingt eine Spielverderberin sein musst, Pol: Ich habe eine Gruppe Schafherden unterhalb der Schneegrenze gefunden.«

»Schafhirten oder Schäfer, Onkel«, verbesserte sie ihn.

»Was willst du eigentlich ? Es bedeutet ja doch das Gleiche.«

»Schäfer klingt hübscher.«

»Hübscher !« Er schnaubte. »Schafe sind dumm, sie riechen schlecht und schmecken noch schlechter. Jeder, der sein Leben damit verbringt, sie zu hüten, ist entweder selbst dumm oder entartet.«

»Du bist aber heute gut in Form«, lobte ihn Belgarath.

»Es war ein großartiger Tag zum Fliegen«, erklärte Beldin mit breitem Grinsen. »Hast du eine Ahnung, wie viel warme Luft von Neuschnee aufsteigt, wenn die Sonne darauf scheint ? Ich bin einmal so hoch geflogen, dass mir Punkte vor den Augen flimmerten.«

»Das ist leichtsinnig, Onkel«, rügte ihn Polgara. »Du solltest nie so hoch aufsteigen, dass du in dünne Luft kommst !«

»Gegen ein bisschen Leichtsinn hin und wieder ist doch nichts einzuwenden.« Er zuckte mit den Schultern. »Und das Erlebnis, aus dieser Höhe hinunterzutauchen, ist unvergleichlich. Komm mit, dann zeig ich es dir.«

»Wirst du eigentlich nie erwachsen ?«

»Ich bezweifle es nicht nur, ich hoffe es sogar.« Er blickte Belgarath an. »Ich glaube, ihr solltet eine Meile bergabreiten und dann das Lager aufschlagen.«

»Es ist noch früh.«

»Nein, es ist schon spät. Die Nachmittagssonne ist sehr warm – sogar hier oben. Der ganze Schnee wird weich. Ich habe bereits drei Lawinen gesehen. Wenn ihr die Lage hier nicht richtig einschätzt, könnte es sein, dass ihr viel schneller hinunterkommt, als ihr wollt.«

»Hm, das hat was für sich. Also, wir werden die Passhöhe verlassen und uns für die Nacht einrichten.«

»Ich fliege schon mal voraus.« Beldin ging in die Hocke und spreizte die Arme. »Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst, Pol ?«

»Wofür hältst du mich ?«

Sein Kichern klang ihnen noch in den Ohren, als er sich schon in die Lüfte geschwungen hatte.

Sie errichteten ihr Lager auf einem Kamm. Dadurch waren sie zwar dem Wind ausgesetzt, aber nicht durch Lawinen gefährdet. Garion schlief unruhig in dieser Nacht. Der Wind, der über den ungeschützten Kamm pfiff, ließ das straff gespannte Zelttuch dröhnen, und dieses Geräusch störte ihn beim Einschlafen. Er wälzte sich herum.

»Kannst du auch nicht schlafen ?«, fragte Ce’Nedra in der kalten Dunkelheit.

»Es liegt am Wind«, antwortete er.

»Versuch, nicht daran zu denken.«

»Ich muss gar nicht daran denken, aber es ist, als wolle man in einer riesigen Trommel schlafen.«

»Du warst heute Morgen sehr mutig, Garion. Ich hatte Angst, als ich von diesem Ungeheuer hörte.«

»Es war ja nicht das erste Mal, dass wir mit Ungeheuern zu tun hatten. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran.«

»Wenn das mal nicht eingebildet klingt !«

»Das ist durch unseren Stand bedingt. Allen großen Helden geht es so. Gegen ein oder zwei Ungeheuer vor dem Frühstück zu kämpfen, regt den Appetit an.«

»Du hast dich verändert, Garion.«

»Nicht wirklich.«

»O doch! Als ich dich kennenlernte, hättest du so was nie gesagt.«

»Als wir uns kennenlernten, nahm ich alles sehr ernst.«

»Und was wir jetzt tun, nimmst du nicht ernst ?«, fragte sie fast anklagend.

»Aber natürlich ! Doch für die kleinen Nebensächlichkeiten unterwegs lohnt sich nicht mehr als ein Schulterzucken. Es ist schließlich sinnlos, sich wegen etwas Sorgen zu machen, das bereits vorbei ist, oder ?«

»Na ja, nachdem wir beide sowieso nicht schlafen können …« Und sie zog ihn an sich und küsste ihn ganz fest.

Die Temperatur fiel in dieser Nacht stark, und als sie aufstanden, war der am Vortag so gefährlich weiche Schnee steif gefroren. Sie konnten weiterreiten, ohne Lawinen befürchten zu müssen. Da diese Seite des Berges während des Schneesturms die volle Kraft des Windes zu spüren bekommen hatte, war wenig Schnee in den Furchen des Karawanenwegs liegen geblieben, und sie kamen gut voran. Am Nachmittag ließen sie den letzten Schnee hinter sich und ritten in eine Frühlingslandschaft. Auf den steilen Wiesen wuchs saftiges Gras, und die bunten Blumen nickten im Wind. Bäche, die direkt von den Gletschern kamen, hüpften und brausten über glänzende Steine, und Rehe blickten ihnen in sanftem Staunen nach, als sie vorbeigeritten waren.

Ein paar Meilen unterhalb der Schneegrenze sahen sie große Schafherden, die geistlos darin vertieft waren, Gras und Blumen gleichermaßen zu fressen. Die Schäfer, die sie hüteten, trugen weiße Kittel und saßen, ihren Tagträumen nachhängend, auf Felsblöcken, während ihre Hunde die ganze Arbeit machten.

Die Wölfin trottete ruhig neben Chretienne her, doch ihre Ohren zuckten hin und wieder, und ihre hellbraunen Augen beobachteten die Schafe angespannt.

»Ich würde es dir nicht raten, kleine Schwester«, sagte Garion in der Sprache der Wölfe zu ihr.

»Ich habe es auch nicht wirklich in Betracht gezogen«, versicherte sie ihm. »Ich bin diesen Tieren schon öfter begegnet – und den Menschenwesen und Hundewesen, die sie bewachen. Es ist nicht schwer, sich eines der Tiere zu holen, aber die Hundewesen werden dann sehr aufgeregt, und ihr Bellen stört beim Fressen.« Sie ließ die Zunge in wölfischem Grinsen aus dem Maul hängen. »Aber man könnte diese Tiere hetzen. Alle sollten wissen, wem der Wald gehört.«

»Das würde dem Rudelführer nicht gefallen, fürchte ich.«

»Das fürchte ich auch«, bestätigte sie. »Vielleicht nimmt der Rudelführer sich selbst zu ernst. Mir ist diese Eigenschaft schon an ihm aufgefallen.«

»Was sagt sie ?«, fragte Zakath neugierig.

»Sie hat überlegt, ob sie die Schafe hetzen soll«, antwortete Garion. »Nicht unbedingt, um sie zu töten, nur um sie herumzujagen. Ich glaube, so was amüsiert sie.«

»Amüsieren ? Glaubst du wirklich, dass dieses Wort bei einem Wolf angebracht ist ?«

»Warum nicht ? Wölfe spielen gern und haben einen ganz ausgeprägten Sinn für Humor.«

Zakaths Miene wurde sehr nachdenklich. »Weißt du was, Garion«, sagte er schließlich, »der Mensch bildet sich ein, dass die Welt ihm gehört. Aber wir teilen sie mit allen möglichen Arten von Kreaturen, die sich um unsere Oberherrschaft überhaupt nicht kümmern. Sie haben ihre eigenen Gesellschaftsstrukturen, und sogar ihre eigenen Kulturen. Sie achten wirklich nicht auf uns, oder ?«

»Nur, wenn wir ihnen lästig werden.«

»Das ist ein Schlag für das Ego eines Kaisers.« Zakath lächelte schief. »Wir sind die beiden mächtigsten Männer auf Erden, und Wölfe sehen in uns nicht mehr als etwas, das ihnen lästig fallen kann.«

»Es lehrt uns Demut«, bestätigte Garion. »Demut ist gut für die Seele.«

»Vielleicht.«