Die Zauberin von Darshiva - David Eddings - E-Book

Die Zauberin von Darshiva E-Book

David Eddings

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Beschreibung

Der große Klassiker der heroischen Fantasy – Band 4 der beliebten Malloreon-Saga als überarbeitete Neuausgabe.

Auf der Jagd nach Zandramas, der Entführerin seines Sohnes, kommt Garion seinem Ziel immer näher – und doch scheint sie ihm immer einen Schritt voraus zu sein. Da erhält er endlich den entscheidenden Hinweis, was er zu tun hat. Garion reist nach Darshiva, der Heimat von Zandramas. Doch die Zauberin erwartet ihn bereits – mit einer Armee aus Menschen und Dämonen!


Heroische Fantasy mit jungem Helden – die New-York-Times-Bestsellerserie von David Eddings revolutionierte das Genre.


Die Malloreon-Saga - in überarbeiteter Neuausgabe und moderner Neuausstattung bei Blanvalet.
1. Die Herren des Westens
2. Der König der Murgos
3. Der Dämon von Karanda
4. Die Zauberin von Darshiva
5. Die Seherin von Kell
Die Malloreon-Saga ist eigenständig und ohne Kenntnis der Belgariad-Saga lesbar.

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Seitenzahl: 555

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Buch

Auf der Jagd nach Zandramas, der Entführerin seines Sohnes, kommt Garion seinem Ziel immer näher – und doch scheint sie ihm immer einen Schritt voraus zu sein. Da erhält er endlich den entscheidenden Hinweis, was er zu tun hat. Garion reist nach Darshiva, der Heimat von Zandramas. Doch die Zauberin erwartet ihn bereits – mit einer Armee aus Menschen und Dämonen!

Autor

David Eddings wurde 1931 in Spokane im US-Bundesstaat Washington geboren. Während seines Dienstes für die US-Streitkräfte erwarb er einen Bachelor of Arts und einige Jahre darauf einen Master of Arts an der University of Washington. Bevor er 1982 seinen ersten großen Roman, »Belgariad – Die Gefährten«, veröffentlichte, arbeitete er für den Flugzeughersteller ­Boeing. Den Höhepunkt seiner Autorenkarriere erreichte er, als der Abschlussband seiner Malloreon-Saga Platz 1 der »New York Times«-Bestsellerliste erreichte. Im Jahr 2009 starb er in Caron City, Nevada.

Die Belgariad-Saga:

1. Die Gefährten

2. Der Schütze

3. Der Blinde

4. Die Königin

5. Der Ewige

Die Malloreon-Saga:

1. Die Herren des Westens

2. Der König der Murgos

3. Der Dämon von Karanda

4. Die Zauberin von Darshiva

5. Die Seherin von Kell

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David Eddings

Malloreon

Die Zauberin von Darshiva

Roman

Deutsch von Lore Strassl

Die Originalausgabe erschien 1990 unter dem Titel »Sorceress of Darshiva (Malloreon 4)« bei DelRey, New York.

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Copyright der Originalausgabe © 1990 by David Eddings

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2022 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Copyright der deutschsprachigen Übersetzung by Lore Straßl, vermittelt durch Jörg Munsonius / Literaturagentur / Edition Bärenklau

Redaktion: Waltraud Horbas

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz unter Verwendung einer Illustration von Rutger van de Steeg

Karten: © Andreas Hancock

HK · Herstellung: sam

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München

ISBN 978-3-6412-7216-6V001

www.blanvalet.de

Für Oscar William Patrick Janson-Smith:

Willkommen in unserer Welt !

In Liebe,

Dave und Leigh

Prolog

Eine kurze Geschichte des Östlichen Reiches

Auszug aus Melcenische und Malloreanische Kaiser

(Verlag der Universität von Melcene)

Die Ursprünge des Melcenischen Reiches werden vermutlich für immer im Dunkeln bleiben. Manche Sagen behaupten, die ersten Melcener wären in primitiven Kanus von den Weiten des Meeres östlich der Melcenischen Inseln gekommen; anderen Sagen nach waren die Urväter der Melcener Abkömmlinge jener außergewöhnlichen Kultur Dalasiens. Doch wo ihr Ursprung auch immer liegen mag, Melcene gilt als die älteste Zivilisation der Erde.

Melcene war schon immer eng mit dem Meer verbunden, und seine ursprüngliche Heimat lag auf der Insel vor der Ostküste des Malloreanischen Kontinents. Die Hauptstadt von Melcene war bereits eine Stadt des Lichtes und der Kultur, als Tol Honeth noch ein Dorf und Mal Zeth nur eine Ansammlung von Zelten war. Allein Kell mit seinen Sternenlesern konnte sich mit der Urheimat der Melcener messen.

Eine bevorstehende Katastrophe zwang Melcene, seine beneidenswerte Abgeschiedenheit aufzugeben. Vor etwa fünftausend Jahren kam es weit im Westen zu einem Kataklysmus. Die Angarakaner und Alorner sind der Ansicht, dass er durch einen Streit unter den Göttern ausgelöst wurde. Natürlich kann diese Erklärung nicht ernst genommen werden, dennoch erlaubt sie einen Einblick in die Denkweise des primitiven Geistes, wenn es um Wahrnehmung und Deutung von Naturkräften geht.

Was auch immer Auslöser für diesen Kataklysmus war, er verursachte eine Spaltung des Urkontinents und gewaltige Flutwellen. Nachdem der Meeresspiegel zunächst gefallen war, stieg er an und verharrte schließlich auf Höhe der gegenwärtigen Küstenlinie. Für Melcene waren die Folgen katastrophal. Etwa die Hälfte der Landfläche des alten Reiches fiel dem Meer zum Opfer. Obgleich der Verlust an Hab und Gut ungeheuerlich war, konnte sich der Großteil der Bewohner retten. Dadurch kam es jedoch zu einer problematischen Übervölkerung auf den alten Inseln. Bei der Hauptstadt von Melcene hatte es sich um eine prächtige Stadt in den Bergen gehandelt, ein Zentrum, von dem aus die Staatsgeschäfte ohne die hemmende Schwüle des Klimas geleitet werden konnten, wie es im tropischen Tiefland herrschte. Als Folge der Katastrophe wurde Melcene vollends zerstört, verwüstet durch Erdbeben und Überschwemmungen. Es lag nun kaum noch drei Meilen von der neuen Küste entfernt.

Nach einer Zeit des Wiederaufbaus wurde immer deutlicher, dass die reduzierte Landfläche nicht mehr imstande war, die gesamte Bevölkerung zu ernähren. Deshalb wandten sich die Melcener dem Festland zu. Südost-Mallorea lag der Insel am nächsten. Obendrein lebten in dem Gebiet Menschen von ursprünglich gleicher Abstammung, mit ähnlicher, wenn auch degenerierter Sprache. Die Melcener wandten sich diesem Gebiet zu, in dem es fünf primitive Königreiche gab: Gandahar, Darshiva, Celanta, Peldane und Rengel. Diese wurden rasch von den technologisch überlegenen Melcenern eingenommen und ihrem wachsenden Reich einverleibt.

Die herrschende Macht im melcenischen Reich waren die Bürokraten. Obwohl die bürokratische Regierungsform ihre Nachteile hatte, überwogen insgesamt doch die Vorteile: Kontinuität und Pragmatismus stellten sicher, dass Arbeiten auf die schnellste und praktischste Weise erledigt wurden – was bei anderen Regierungsformen nur selten der Fall ist, da bei vielen hemmende Faktoren wie Neigung, Vorurteil und Selbstsucht vorherrschen. Die melcenische Bürokratie war fast schon übertrieben praktisch. Das Konzept einer »Aristokratie der Begabung« dominierte die Denkweise der Gesellschaft. Übersah ein Ministerium einen Begabten, nahm sofort ein anderes ihn auf.

Die verschiedenen Abteilungen der melcenischen Regierung eilten in die eroberten Festlandprovinzen und durchkämmten die Bevölkerung nach Genies. Dadurch wurden die Eroberten direkt in das Leben des Reiches eingegliedert. In ihrer unveränderten Pragmatik ließen die Melcener die Königshäuser der fünf Festlandprovinzen unangetastet, da sie es vorzogen, die bereits vorhandene Verwaltung für ihre Zwecke zu nutzen, statt eine neue aufzubauen.

Fern der theologischen und politischen Streitigkeiten des Westkontinents blühte und gedieh das Melcenische Reich während der nächsten vierzehnhundert Jahre. Die melcenische Kultur war religionsfrei, zivilisiert und hochgebildet. Das Prinzip der Sklaverei kannte man nicht. Der Handel mit den Angarakanern und deren unterworfenen Völkern in Karanda und Dalasien trug außerordentliche Gewinne ein. Die alte Hauptstadt von Melcene wurde zum Unterrichtszentrum. Bedauerlicherweise begannen einige melcenische Gelehrte, sich für die Geheimwissenschaften zu interessieren. Ihre Beschwörung von bösen Geistern war weit mehr als der Hokuspokus der Morindim oder der Karandeser. Immer stärker beschäftigten sie sich mit den Mächten der Finsternis. Sie machten Fortschritte in Schwarzer Magie und Nekromantie. Doch ihr Hauptinteresse lag auf dem Gebiet der Alchimie.

Zum ersten Zusammenstoß mit den Angarakanern kam es während dieser Epoche. Obgleich die Melcener daraus als Sieger hervorgingen, erkannten sie, dass die Angarakaner sie allein durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit schließlich niederwerfen könnten.

Während die Angarakaner sich hauptsächlich mit der Errichtung der dalasischen Protektorate beschäftigten, herrschte ein unsicherer, von Misstrauen geprägter Frieden. Die Handelsverbindungen zwischen den beiden Staaten führten zu einem etwas besseren gegenseitigen Verständnis, allerdings amüsierten sich die Melcener insgeheim darüber, wie sehr sich selbst die weltlichsten Angarakaner mit Religion befassten. Während der nächsten achtzehnhundert Jahre verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den beiden Reichen; immer wieder kam es zu Kriegen, die jedoch nie länger als ein bis zwei Jahre dauerten. Beide Seiten vermieden es sorgfältig, ihre gesamten Streitkräfte einzusetzen. Offenbar wollte keine einen großen Krieg.

Um mehr über den anderen zu erfahren, beschlossen beide Nationen, Kinder verschiedener Führer auf eine gewisse Zeit auszutauschen, was sich zur Tradition entwickelte. Die Söhne hochstehender melcenischer Bürokraten wurden nach Mal Zeth geschickt, um bei Familien angarakanischer Generäle zu leben, während die Söhne von Generälen in die Reichshauptstadt gesandt wurden, um dort erzogen zu werden. Das Ergebnis war eine Gruppe junger Männer mit kosmopolitischer Einstellung, was mit der Zeit zur Norm für die herrschende Klasse des Malloreanischen Reiches wurde.

Ein solcher Austausch gegen Ende des vierten Jahrtausends führte schließlich zur Vereinigung der beiden Völker. Kallath, der Sohn eines hohen angarakanischen Generals, wurde mit zwölf Jahren nach Melcene geschickt, um dort im Haus des Außenministers des Reiches erzogen zu werden. Dieser Minister verkehrte sowohl dienstlich wie gesellschaftlich regelmäßig im Kaiserpalast, und Kallath wurde bald gern gesehener Gast der kaiserlichen Familie. Kaiser Molvan war nicht mehr der Jüngste, und von seinen Kindern lebte nur noch seine Tochter Danera, die etwa ein Jahr jünger als Kallath war. Die Beziehung zwischen den beiden Halbwüchsigen entwickelte sich auf nicht unübliche Weise, bis Kallath mit achtzehn nach Mal Zeth zurückgerufen wurde, um seine militärische Laufbahn zu beginnen. Mit achtundzwanzig erhielt er bereits seine Ernennung als Generalstatthalter des Bezirks Rakuth und war so der jüngste Mann, der je in den Generalstab aufgenommen wurde. Ein Jahr später reiste er nach Melcene, wo er und Prinzessin Danera heirateten.

In den folgenden Jahren widmete Kallath seine Zeit in gleichem Maß Melcene und Mal Zeth und baute sowohl da wie dort seine Macht aus. Als Kaiser Molvan 3829 starb, war er bereit. Es hatte zwar andere Thronanwärter gegeben, doch die meisten waren gestorben – meist unter ungewöhnlichen Umständen. Jedenfalls wurde Kallath, trotz des heftigen Widerstandes vieler hoher Familien in Melcene, 3830 zum Kaiser von Melcene ernannt – die Einwände verstummten dank der Brutalität von Kallaths Anhängern. Danera hatte Kallath inzwischen bereits sieben gesunde Kinder geschenkt, um die Erhaltung seines Geschlechts zu sichern.

Als Kallath im darauffolgenden Jahr nach Mal Zeth reiste, nahm er die melcenische Armee bis an die Grenze von Delchin mit, wo sie sich bereithielt. In Mal Zeth stellte Kallath dem Generalstab ein Ultimatum. Seine Streitkräfte schlossen die Armee seines eigenen Bezirks von Rakuth ein sowie die der östlichen Fürstentümer von Karan, wo die angarakanischen Militärstatthalter ihm den Treueid geleistet hatten. Zusammen mit der Armee an der delchinischen Grenze gab ihm das die absolute militärische Überlegenheit. Er verlangte, zum Oberbefehlshaber der Armeen von Angarak ernannt zu werden. Es gab Präzedenzien, schon früher war hin und wieder einem General dieses Amt zuerkannt worden, doch viel üblicher war es, dass der Generalstab gemeinsam herrschte. Aber Kallaths Forderung brachte etwas Neues zur Sprache. Seine Stellung als Kaiser war erblich, und er bestand darauf, dass auch das Amt des Oberbefehlshabers durch Vererbung übertragbar würde. Die Generäle waren hilflos und sahen sich gezwungen, auf seine Forderung einzugehen. So stand Kallath schließlich an der Spitze des Kontinents als Kaiser von Melcene und Oberbefehlshaber von Angarak.

Der Zusammenschluss von Melcene und Angarak verlief turbulent, doch schließlich trug die melcenische Geduld den Sieg über die angarakanische Brutalität davon, da sich im Lauf der Jahre die melcenische Bürokratie als bedeutend leistungsfähiger erwies als die angarakanische Militärverwaltung. Die Bürokratie befasste sich zunächst mit so scheinbar unbedeutenden Dingen wie Normen und Währung. Von dort war es nur ein kleiner Schritt zur Errichtung eines kontinentalen Straßenamts. Innerhalb von wenigen Jahrhunderten war die Bürokratie so gut wie für jeden Aspekt des Lebens auf dem Kontinent zuständig. Wie immer sammelte sie begabte Männer und Frauen aus allen Winkeln Malloreas zusammen, gleichgültig, welchem Volk oder Geschlecht sie angehörten. Bald war es keine Seltenheit mehr, dass Verwaltungsabteilungen aus Melcenern, Karandesern, Dalasern und Angarakanern zusammengesetzt wurden. Um 4400 war die bürokratische Überlegenheit komplett. Inzwischen wurde der Titel ›Oberbefehlshaber‹ kaum noch benutzt, vielleicht, weil die Bürokratie alle Schriftstücke an den ›Kaiser‹ adressierte. Es gibt offenbar kein eigentliches Datum, an dem der Kaiser von Melcene zum Kaiser von Mallorea wurde; dieser Titel wurde formell auch erst nach dem katastrophalen Einsatz im Westen bestätigt, der mit der Schlacht von Vo Mimbre endete.

Die Bekehrung der Melcener zur Anbetung Toraks war bestenfalls oberflächlich. Auf ihre pragmatische Weise akzeptierten sie die Formen der angarakanischen Religion, da dies politisch zweckdienlich schien, doch den Grolim gelang es nie, sie zu der kriecherischen Unterwürfigkeit gegenüber dem Drachengott zu zwingen, die schon seit jeher bezeichnend für die Angarakaner gewesen war.

4850 zeigte sich Torak plötzlich höchstpersönlich in Ashaba, nach Äonen der Abgeschiedenheit. Ein gewaltiger Schrecken erfasste ganz Mallorea, als der lebende Gott, der sein verunstaltetes Gesicht hinter einer Maske aus poliertem Stahl verbarg, am Tor von Mal Zeth erschien. Der Kaiser wurde verächtlich abgesetzt, und Torak übernahm die absolute Herrschaft als ›Kal‹ – König und Gott. Kuriere wurden nach Cthol Murgos, Mishrak ac Thull und Gar og Nadrak gesandt, und 4852 kam ein Kriegsrat in Mal Zeth zusammen. Die Dalaser, Karandeser und Melcener waren wie betäubt durch die Erscheinung einer Wesenheit, die sie immer für eine rein mythische Figur gehalten hatten, und ihr Schock wurde noch durch die Anwesenheit von Toraks Jüngern verstärkt.

Torak war ein Gott; er sprach nur, um Befehle zu erteilen. Aber seine Jünger – Ctuchik, Zedar und Urvon – waren Menschen, und sie betrachteten und untersuchten alles mit kalter Arroganz. Sie sahen sofort, dass die malloreanische Gesellschaft fast vollkommen weltlich geworden war – und sie unternahmen Schritte, um das zu ändern. Eine Schreckensherrschaft begann in Mallorea. Grolim waren überall, und Weltlichkeit deuteten sie als Form von Ketzerei. Opferungen, die seit Langem praktisch unbekannt waren, wurden mit fanatischem Eifer neu eingeführt. Bald gab es in ganz Mallorea kein Dorf mehr ohne eigenen Altar und Opferfeuer. Mit einem Streich beendeten Toraks Jünger Jahrtausende militärischer und bürokratischer Regierung und gewährten den Grolim erneut die absolute Oberherrschaft. Bald darauf schon gab es keinen Aspekt malloreanischen Lebens mehr, der sich nicht auf schreckliche Weise dem Willen Toraks beugte.

Die Mobilmachung Malloreas für den Krieg mit dem Westen entvölkerte den Kontinent fast, und das Desaster von Vo Mimbre löschte eine ganze Generation aus. Der verhängnisvolle Feldzug, dazu der scheinbare Tod Toraks durch die Hand des Rivanischen Hüters, demoralisierte Mallorea völlig. Der greise Kaiser kehrte aus seinem Ruhestand zurück und versuchte, die zerstörte Bürokratie neu aufzubauen. Den Bemühungen der Grolim, an der Herrschaft festzuhalten, widersetzte man sich mit allgemeinem Hass. Ohne Torak besaßen sie keine wirkliche Macht. Die meisten Söhne des Kaisers waren in Vo Mimbre gefallen, doch ein begabtes Kind, ein Junge von sieben Jahren, ein später Sohn, war ihm geblieben. Der Kaiser brachte seine letzten Lebensjahre damit zu, seinen Sohn auszubilden und ihn auf das schwere Amt des Herrschers vorzubereiten. Als das Alter den Kaiser schließlich senil werden ließ, entledigte sich Korzeth mit vierzehn Jahren gefühllos seines Vaters und bestieg den Kaiserthron.

Nach dem Krieg war Mallorea in seine ursprünglichen Teile – Melcene, Karanda, Dalasien und Altmallorea – zerfallen. Es gab sogar eine Bewegung, die eine weitere Aufteilung in die prähistorischen Königreiche anstrebte, die es vor dem Erscheinen der Angarakaner gegeben hatte. Diese Bewegung war besonders stark im Fürstentum Gandahar in Südmelcene, in Zamad und Voresbo in Karanda, und in Perivor in den Dalasischen Protektoraten. Da sie Korzeth seiner Jugend wegen nicht ernst nahmen, erklärten diese Gebiete überstürzt ihre Unabhängigkeit vom Thron in Mal Zeth; es sah auch so aus, als würden andere Fürstentümer es ihnen gleichtun. Der junge Korzeth schritt sofort ein. Dieser Kaiser verbrachte den Rest seines Lebens im Sattel und verursachte das möglicherweise größte Blutbad in der Geschichte; doch als er starb, hinterließ er dem Thronfolger ein wiedervereinigtes Mallorea.

Die Nachkommen Korzeths etablierten eine andere Art von Herrschaft auf dem Kontinent. Vor dem verhängnisvollen Krieg war der Kaiser von Mallorea häufig nicht viel mehr als eine Marionette gewesen, während die Macht sich zum größten Teil in den Händen der Bürokraten befand. Doch nun regierte der Kaiser absolut. Das Machtzentrum verlagerte sich von Melcene nach Mal Zeth, gemäß der militärischen Orientierung Korzeths und seiner Nachfolger. Wie gewöhnlich, wenn ein Alleinherrscher die Macht ausübt, gehörten Intrigen bald zum Alltag des Hofes. Es gab Komplotte und Verschwörungen zuhauf, da die verschiedensten Höflinge und Beamten ihre Rivalen ausbooten wollten, um sich selbst die Gunst des Kaisers zu sichern. Statt mit diesen Intrigen aufzuräumen, ermutigten Korzeths Nachfolger sie sogar, denn sie erkannten, dass Männer, die einander nicht trauten, sich nie gegen den Thron zusammenschließen würden.

Der gegenwärtige Kaiser, Zakath, bestieg den Thron mit achtzehn Jahren. Er war ein intelligenter, empfindsamer und fähiger junger Mann, der ein aufgeschlossener Herrscher zu werden versprach. Doch eine private Tragödie brachte ihn von seinem aufgeklärten Kurs ab und machte ihn zu einem Mann, den schließlich die halbe Welt fürchtete. Gegenwärtig ist er besessen von Macht; seit bereits zwei Jahrzehnten ist es sein Ziel, Kaiser aller Angarakaner zu werden. Nur die Zeit wird zeigen, ob es Zakath gelingt, auch die Herrschaft über die angarakanischen Reiche des Westens zu erringen. Doch wenn es ihm glückt, könnte sich der Lauf und das Schicksal der ganzen Welt drastisch verändern.

Erster Teil

Melcene

1

Ihre Majestät, Königin Porenn von Drasnien, war in nachdenklicher Stimmung. Sie stand am Fenster ihres sehr weiblich gestalteten rosafarbenen Gemachs im Schloss von Boktor und beobachtete Kheva, ihren Sohn, und Unrak, den Sohn Baraks von Trellheim, die im sonnenüberfluteten Garten herumtollten. Die Jungen hatten das Alter erreicht, in dem man ihnen fast beim Wachsen zusehen konnte und in dem ihre Stimmen zwischen knabenhaftem Sopran und männlichem Bariton schwankten. Porenn seufzte und strich ihr schwarzes Gewand glatt. Die Königin von Drasnien trug seit dem Tod ihres Gemahls nur noch Schwarz. »Du wärst stolz auf ihn, mein geliebter Rhodar«, flüsterte sie traurig.

Jemand klopfte respektvoll an die Tür.

»Ja ?«, rief sie, ohne sich umzudrehen.

»Ein Nadraker möchte Euch sprechen, Eure Majestät«, meldete ihr alter Leibdiener an der Tür. »Er behauptet, Ihr würdet ihn kennen.«

»Oh ?«

»Er heißt Yarblek.«

»O ja ! Fürst Kheldars Geschäftspartner. Bittet ihn herein.«

»Er ist in Begleitung einer Frau, Eure Majestät«, fuhr der Diener in missbilligendem Ton fort. »Sie bedient sich einer Sprache, die Eurer Majestät unter Umständen nicht genehm sein wird.«

Porenn lächelte. »Das kann nur Vella sein ! Ich habe sie schon öfter fluchen gehört. Ich glaube nicht, dass sie es so ernst meint. Seid so gut und bittet sie beide herein.«

»Sofort, Eure Majestät.«

Yarblek wirkte ungepflegt wie immer. Irgendwann einmal hatte sich die Schulternaht seines langen schwarzen Mantels aufgelöst und war lediglich notdürftig mit einem schmalen Lederband geflickt worden. Sein schwarzer Bart war rau und dünn, sein Haar ungekämmt, und schon sein Äußeres verriet, dass er nicht gut roch. »Eure Majestät«, sagte er und versuchte einen Kratzfuß, der etwas wackelig ausfiel.

»So früh schon betrunken, Meister Yarblek ?«, fragte Porenn mit verstohlenem Lächeln.

»Nicht wirklich, Porenn«, entgegnete er ohne jegliche Verlegenheit. »Das sind nur die Nachwirkungen von gestern Abend.«

Die Königin störte es nicht, dass der Nadraker sie beim Vornamen nannte. Yarblek hatte schon immer Schwierigkeiten gehabt, wenn es um die Etikette ging.

Die Frau in seiner Begleitung war eine aufregend schöne Nadrakerin mit blauschwarzem Haar und glänzenden Augen. Sie trug eine enge Hose und Weste aus schwarzem Leder. Aus beiden Stiefelschäften ragten die Silbergriffe von Dolchen, und zwei weitere Messer steckten in dem breiten Ledergürtel um ihre schmale Taille. Sie verneigte sich mit unnachahmlicher Anmut. »Ihr seht müde aus, Porenn«, stellte sie fest. »Ich glaube, Ihr braucht mehr Schlaf.«

»Sagt das den Leuten, die mir fast stündlich neue Stapel von Schriftstücken bringen.«

»Ich habe es mir schon vor Jahren zur Regel gemacht, nie etwas schriftlich niederzulegen.« Yarblek ließ sich unaufgefordert in einen Sessel fallen. »Das erspart mir Zeit und bringt mich nicht in Schwierigkeiten.«

»Mir ist, als hätte ich Kheldar so etwas Ähnliches sagen gehört.«

Yarblek zuckte die Schultern. »Silk ist ein vernünftiger Mann.«

»Ich habe euch zwei schon längere Zeit nicht mehr gesehen.« Auch Porenn setzte sich nun.

»Wir waren in Mallorea«, erklärte Vella. Sie spazierte durch das Gemach und begutachtete die Einrichtung.

»War das nicht gefährlich ? Ich habe gehört, dass dort die Pest wütet !«

»Sie ist so ziemlich auf Mal Zeth beschränkt«, versicherte ihr Yarblek. »Polgara konnte den Kaiser überreden, die Stadt völlig abzuriegeln.«

»Polgara ?«, rief Porenn und sprang überrascht auf. »Was macht sie denn in Mallorea ?«

»Als ich sie das letzte Mal sah, war sie unterwegs zu einem Ort namens Ashaba, und zwar in Begleitung von Belgarath und den anderen.«

»Wie sind sie denn nach Mallorea gelangt ?«

»Mit einem Schiff, nehme ich an. Zum Schwimmen wäre es zu weit.«

»Yarblek, muss ich Euch denn jedes Wort aus der Nase ziehen ?«, fragte Porenn leicht verärgert.

»Nicht nötig«, erwiderte er leicht gekränkt. »Ich bin ja schon dabei. Wollt Ihr zuerst die Geschichte oder die Nachrichten ? Ich habe eine Menge Botschaften für Euch, und Vella hat noch zwei andere, über die sie nicht reden will – jedenfalls nicht mit mir.«

»Beginnt ganz einfach am Anfang, Yarblek.«

»Wie Ihr wollt.« Er kratzte sich am Bart. »Also, soweit ich gehört habe, waren Silk und Belgarath und der Rest in Cthol Murgos. Sie wurden von den Malloreanern gefangen genommen, und Zakath nahm sie alle nach Mal Zeth mit. Der junge Bursche mit dem großen Schwert – Belgarion, nicht wahr ? Nun, jedenfalls haben er und Zakath sich angefreundet …«

»Garion und Zakath ?«, fragte Porenn ungläubig. »Wie ?«

»Keine Ahnung, ich war nicht dabei. Um es kurz zu machen, sie waren Freunde, aber dann brach die Pest in Mal Zeth aus. Es ist mir gelungen, Silk und die anderen aus der Stadt zu schmuggeln, und wir reisten nordwärts. Ehe wir Venna erreichten, trennten wir uns. Sie wollten zu diesem Ashaba, und ich musste eine Karawanenladung Ware nach Yar Marak bringen. Ich hab übrigens einen ziemlichen Gewinn dabei herausgeschlagen.«

»Was wollten sie denn in Ashaba ?«

»Sie waren hinter einer Frau namens Zandramas her – die Belgarions Sohn entführt hat.«

»Eine Frau ? Zandramas ist eine Frau ?«

»Das haben sie jedenfalls gesagt. Belgarath hat mir einen Brief für Euch mitgegeben. Da steht alles drin. Ich habe ihm gesagt, dass er es nicht niederschreiben soll, aber er wollte nicht auf mich hören.« Yarblek erhob sich schwerfällig aus dem Sessel, griff in seinen Mantel und reichte der Königin ein zerknittertes und nicht sehr sauberes Stück gefaltetes Pergament. Dann stapfte er zum Fenster und blickte hinaus. »Ist das da unten nicht Trellheims Sohn ?«, fragte er. »Der Stämmige mit dem roten Haar ?«

Porenn las das Pergament. »Ja«, antwortete sie abwesend, denn sie versuchte sich auf den Brief zu konzentrieren.

»Ist er da ? Trellheim, meine ich.«

»Ja. Ich weiß allerdings nicht, ob er schon wach ist. Er blieb gestern ziemlich lange auf und war ein wenig beschwipst, als er zu Bett ging.«

Yarblek lachte. »Typisch Barak. Hat er seine Frau und seine Töchter ebenfalls mitgebracht ?«

»Nein«, erwiderte Porenn. »Sie sind in Val Alorn geblieben, um Vorbereitungen für die Vermählung seiner ältesten Tochter zu treffen.«

»Ist sie denn schon so alt ?«

»Cherekerinnen heiraten sehr jung. Offenbar sind die Chereker der Meinung, dass Mädchen auf diese Weise nicht in Schwierigkeiten kommen. Barak und sein Sohn sind hergekommen, um der ganzen Aufregung zu entgehen.«

Wieder lachte Yarblek. »Ich werde ihn aufwecken. Vielleicht hat er was zu trinken.« Mit schmerzlicher Miene tippte er mit einem Finger auf die Stelle zwischen den Augen. »Ich fühle mich noch ein wenig angegriffen, und Barak ist genau der Mann, mit dem sich das beheben lässt. Ich komme zurück, sobald ich mich besser fühle. Außerdem habt Ihr ja genügend Briefe zu lesen. Oh !«, brummte er. »Hätte ich es doch fast vergessen ! Ich habe noch mehr.« Wieder kramte er in seinem schäbigen Mantel herum. »Da ist ein Brief von Polgara.« Er warf ihn achtlos auf den Tisch. »Einer von Belgarion. Einer von Silk und einer von dem blonden Mädchen mit den Grübchen – Sammet, wenn ich mich recht erinnere. Die Schlange hat nichts mitgeschickt. Ihr wisst ja, wie Schlangen sind. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet ? Ich fühle mich wirklich nicht sehr gut.«

Er schwankte zur Tür und schloss sie hinter sich.

»Er kann einen wahrhaftig zur Verzweiflung bringen !«, stellte Porenn fest.

»Das macht er absichtlich.« Vella zuckte die Schultern. »Er glaubt, das wäre komisch.«

»Yarblek erwähnte, dass auch Ihr Botschaften für mich habt ? Ich nehme an, ich sollte sie alle sofort lesen … um die Schrecken möglichst rasch hinter mich zu bringen.«

»Ich habe nur eine, Porenn«, entgegnete Vella, »und sie ist nicht schriftlich. Liselle – das Mädchen, das sie Sammet nennen – bat mich, Euch etwas mitzuteilen, sobald wir allein sind.«

»Gut.« Porenn legte Belgaraths Brief zur Seite.

»Ich weiß nicht, wie sie das herausgefunden haben«, sagte Vella, »aber offenbar ist der König von Cthol Murgos nicht Taur Urgas’ Sohn.«

»Was sagt Ihr da, Vella ?«

»Urgit ist nicht einmal verwandt mit diesem Wahnsinnigen. Offenbar besuchte vor längerer Zeit ein drasnischer Geschäftsmann den Palast in Rak Goska. Er und Taur Urgas’ zweite Gemahlin freundeten sich an.« Sie lächelte mit einer hochgezogenen Braue. »Sehr sogar. Ich hatte die Murgofrauen eigentlich schon immer im Verdacht, dass sie einer Liebschaft nicht abgeneigt sind. Nun, jedenfalls war das Resultat dieser Freundschaft Urgit.«

In diesem Moment kam Königin Porenn ein schrecklicher Verdacht.

Vella lächelte sie spitzbübisch an. »Wir wussten schon immer, dass Silk verwandtschaftliche Beziehungen zu Königshäusern hat, nur nicht zu wie vielen.«

»Nein !«, keuchte Porenn.

Vella lachte. »O ja. Liselle sagte es Urgits Mutter auf den Kopf zu, und die Dame gestand.« Das Gesicht der Nadrakerin wurde ernst. »Silk möchte nicht, dass dieser knochige Kerl, Javelin, es erfährt. Das ist der Sinn von Liselles Botschaft. Aber Liselle meinte, dass sie es jemandem melden müsste. Deshalb bat sie mich, es Euch mitzuteilen. Ich nehme an, Ihr sollt entscheiden, ob Ihr es Javelin weitererzählen wollt oder nicht.«

»Wie gütig von ihr«, sagte Porenn trocken. »Jetzt wollen sie auch noch, dass ich meinem eigenen Geheimdienstchef Geheimnisse vorenthalte.«

Vella lächelte verschmitzt. »Liselle befindet sich in einer schwierigen Lage, Porenn. Ich weiß, dass ich zu viel trinke und zu viel fluche. Deswegen hält man mich für dumm, aber ich bin nicht dumm. Nadrakerinnen kennen das Leben, und ich habe einen scharfen Blick. Ich habe sie nicht dabei ertappt, aber ich wäre durchaus bereit, die Hälfte des Geldes darauf zu verwetten, das ich bekomme, wenn Yarblek mich verkauft, dass Silk und Liselle was miteinander haben.«

»Vella !«

»Ich kann es nicht beweisen, Porenn, aber ich weiß, was ich gesehen habe.« Die Nadrakerin schnupperte an ihrer Lederweste und verzog das Gesicht. »Wenn es nicht zu große Umstände macht, würde ich schrecklich gern baden. Ich bin seit Wochen kaum noch aus dem Sattel gekommen. Pferde sind ja recht gute Tiere, aber ich möchte trotzdem nicht unbedingt auf Dauer wie eines riechen.«

Porenns Gedanken überschlugen sich. Um Zeit zum Nachdenken zu bekommen, stand sie auf und ging auf die wilde Nadrakerin zu. »Habt Ihr je Satin getragen, Vella ?«, fragte sie. »Ein Satingewand, vielleicht ?«

»Satin ? Ich ?« Vella lachte rau. »Nadrakerinnen tragen nie Satin.«

»Dann werdet Ihr möglicherweise die erste sein.« Königin Porenn streckte die zierlichen weißen Hände aus und türmte die üppige Pracht von Vellas blauschwarzem Haar zu einer Hochfrisur auf. »Für solches Haar könnte ich meine Seele hergeben«, murmelte sie.

»Ich würde gern mit Euch tauschen«, versicherte ihr Vella. »Wisst Ihr, welchen Preis man für mich bezahlen würde, wenn ich blond wäre ?«

»Pst, Vella«, murmelte Porenn abwesend. »Ich muss nachdenken.« Sie schlang das Haar des Mädchens locker um die Hände und staunte, wie lebendig es sich anfühlte. Dann griff sie nach Vellas Kinn, hob es und blickte ihr in die großen Augen. Etwas schien nach der Königin von Drasnien zu greifen, sie zu berühren, und plötzlich erkannte sie die Bestimmung dieses halbwilden Geschöpfs. »O meine Liebe !« Fast lachte sie. »Welch eine erstaunliche Zukunft vor Euch liegt. Großes steht Euch bevor, Vella !«

»Ich weiß wirklich nicht, wovon Ihr redet, Porenn !«

»Das werdet Ihr schon noch.« Porenn musterte das makellose Gesicht. »Ja«, murmelte sie, »Satin. Lavendelfarben wäre genau richtig.«

»Ich ziehe Rot vor.«

»Nein, meine Liebe«, widersprach Porenn. »Rot ist unmöglich. Es muss Lavendel sein.« Sie berührte flüchtig die Ohren des Mädchens. »Und ich glaube, Amethyste hier und hier.«

»Was habt Ihr vor ?«

»Es ist so etwas wie ein Spiel, Kind. Drasnier haben viel übrig für Spiele. Wenn ich fertig bin, habe ich Euren Preis verdoppelt.« Porenn wirkte sehr selbstzufrieden. »Badet erst einmal, dann wollen wir weitersehen.«

Vella zuckte die Schultern. »Solange ich meine Dolche behalten kann.«

»Das überlegen wir uns noch.«

»Könnt Ihr wirklich etwas aus einem ungehobelten Wesen wie mir machen ?«, fragte Vella fast kläglich.

»Verlasst Euch nur auf mich.« Porenn lächelte. »Nehmt jetzt ein Bad, Kind. Ich muss Briefe lesen und Entscheidungen treffen.«

Nachdem die Königin von Drasnien die Briefe gelesen hatte, rief sie ihren Leibdiener und erteilte ihm einige Befehle. »Ich möchte mit dem Grafen von Trellheim sprechen«, sagte sie, »ehe er noch betrunkener wird. Auch mit Javelin muss ich reden, sobald er Zeit hat, zum Schloss zu kommen.«

Etwa zehn Minuten später trat Barak durch die Tür ihres Privatgemachs. Seine Augen waren etwas trüb, und sein buschiger roter Bart stand in alle Himmelsrichtungen ab. Yarblek begleitete ihn.

»Stellt eure Krüge zur Seite, meine Herren«, sagte Porenn knapp. »Es gibt Arbeit. Barak, ist die Seevogel zum Auslaufen bereit ?«

»Das ist sie immer«, antwortete er fast gekränkt.

»Gut. Dann sammle deine Leute ein. Ich muss dich bitten, zu mehreren Orten zu segeln. Ich berufe eine Sitzung des Alornischen Rates ein. Benachrichtige Anheg, Fulrach und Brands Sohn Kail in Riva. Mach einen Zwischenstopp in Arendien und hol Mandorallen und Lelldorin ab.« Sie schürzte die Lippen. »Korodullins Gesundheitszustand lässt eine Reise nicht zu, also macht einen Bogen um Vo Mimbre, denn er würde aus dem Totenbett aufstehen, um teilzunehmen, wenn er erfährt, worum es geht. Begib dich stattdessen nach Tol Honeth und nimm Varana mit. Cho-Hag und Hettar benachrichtige ich selbst. Yarblek, reitet Ihr nach Gar Nadrak und holt Drosta. Lasst Vella hier bei mir.«

»Aber …«

»Kein Aber, Yarblek. Tut genau, was ich Euch auftrage !«

»Ich dachte, du hättest gesagt, es ginge um eine Sitzung des Alornischen Rates, Porenn«, wandte Barak ein. »Wieso laden wir dann die Arendier ein und die Tolnedrer – und die Nadraker ?«

»Es handelt sich um einen Notfall, Barak, der alle betrifft.«

Sie starrten sie verständnislos an, und Porenn klatschte laut in die Hände. »Rasch, meine Herren ! Beeilt euch, wir haben keine Zeit zu vergeuden !«

Urgit, der König von Cthol Murgos, saß auf seinem überladenen Thron im Drojimpalast von Rak Urga. Er trug Wams und enges Beinkleid in seiner Lieblingsfarbe Purpur, hatte ein Bein leicht über die Thronlehne geschlungen und warf abwesend seine Krone zwischen den Händen hin und her, während er der leiernden Stimme Agachaks zuhörte, des knochendürren Hierarchen von Rak Urga. »Es wird warten müssen, Agachak«, sagte er schließlich. »Ich heirate nächsten Monat.«

»Das ist ein Befehl der Kirche, Urgit !«

»Wundervoll. Grüßt die Kirche von mir.«

Agachak wirkte fast bestürzt. »Ihr glaubt jetzt wohl an gar nichts mehr, mein König ?«

»Jedenfalls an nicht mehr viel. Ist diese kranke Welt, in der wir leben, schon bereit für Atheismus ?«

Zum ersten Mal in seinem Leben sah Urgit Zweifel im Gesicht des Hierarchen. »Atheismus ist ein reiner Ort, Agachak«, fuhr er fort. »Ein flacher grauer, leerer Ort, wo der Mensch sein Geschick selbst bestimmt und die Götter sich selbst überlässt. Ich habe sie nicht erschaffen; sie haben mich nicht erschaffen; also sind wir quitt. Ich wünsche ihnen jedoch nichts Böses.«

»Ihr habt Euch verändert, Urgit«, sagte Agachak.

»Nein, nicht wirklich. Ich bin es nur leid, den Narren zu spielen.« Er streckte das Bein über der Lehne aus, warf die Krone wie einen Reifen über den Fuß und mit dem Fuß zurück. »Ihr versteht mich tatsächlich nicht, Agachak, oder ?«, sagte er, während er die Krone in der Luft fing.

Der Hierarch von Rak Urga richtete sich auf. »Dies ist keine Bitte, Urgit. Ich ersuche Euch nicht !«

»Gut, denn ich reise auch nicht.«

»Ich befehle es Euch !«

»Das würdet Ihr wohl gern ?«

»Ist Euch bewusst, zu wem Ihr sprecht ?«

»Durchaus, mein Freund. Ihr seid derselbe lästige alte Grolim, der mich schon zu Tode langweilt, seit ich den Thron von dem Burschen geerbt habe, der sich offenbar einen Spaß daraus machte, in Rak Goska in die Teppiche zu beißen. Hört mir gut zu, Agachak. Ich werde mich kurzer, einfacher Sätze bedienen, damit Ihr mich auch richtig versteht. Ich werde nicht nach Mallorea reisen. Es gibt nichts in Mallorea, was ich sehen möchte. Es gibt nichts, was ich dort tun möchte. Und ganz bestimmt will ich mich nicht in Kal Zakaths Nähe begeben, und der ist nach Mal Zeth zurückgekehrt. Außerdem gibt es Dämonen in Mallorea. Habt Ihr schon mal einen Dämon gesehen, Agachak ?«

»Ein- oder zweimal«, antwortete der Hierarch verdrossen.

»Und Ihr wollt immer noch nach Mallorea ? Agachak, Ihr seid so verrückt, wie Taur Urgas es war.«

»Ich kann Euch zum König von ganz Angarak machen !«

»Ich will nicht König von ganz Angarak sein ! Ich will ja nicht einmal König von Cthol Murgos sein ! Ich möchte nur allein gelassen werden, damit ich über die Schrecken nachdenken kann, die mir bevorstehen.«

»Meint Ihr Eure Ehe ?« Agachaks Gesicht wirkte plötzlich verschlagen. »Dem könntet Ihr entgehen, wenn Ihr mit mir nach Mallorea reist.«

»War ich noch nicht deutlich genug, Agachak ? Eine Gemahlin ist schon schlimm, aber Dämonen sind noch viel schlimmer. Hat Euch jemand erzählt, was dieses Ungeheuer mit Chabat gemacht hat ?« Urgit schüttelte sich.

»Ich kann Euch beschützen.«

Urgit lachte abfällig. »Ihr, Agachak ? Ihr könnt Euch ja nicht einmal selbst beschützen. Sogar Polgara brauchte die Hilfe eines Gottes, um gegen diesen Dämon vorgehen zu können ! Glaubt Ihr, Ihr könnt Torak wiederbeleben, damit er Euch hilft ? Oder wollt Ihr etwa gar Aldur anflehen ? Der hat nämlich Polgara geholfen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass er Euch mag. Nicht einmal ich mag Euch, und ich kenne Euch schon mein ganzes Leben lang.«

»Ihr geht zu weit, Urgit !«

»Nein. Nicht weit genug, Agachak. Jahrhunderte lang – Jahrtausende vielleicht – habt ihr Grolim die Oberhand in Cthol Murgos gehabt, doch das war, als Ctuchik noch lebte, und Ctuchik ist jetzt tot. Das wisst Ihr doch, alter Knabe, oder ? Er hat versucht, die Hand gegen Belgarath zu erheben, und Belgarath hat ihn auseinandergenommen. Ich bin möglicherweise der einzige Murgo dieser Zeit, der Belgarath je begegnet ist und noch davon erzählen kann. Tatsächlich verstehen wir uns im Grunde recht gut. Möchtet Ihr ihn kennenlernen ? Ich könnte es vielleicht arrangieren, Euch ihm vorzustellen, wenn Ihr möchtet.«

Agachak wich unwillkürlich zurück.

»So ist es schon viel besser, Agachak«, fuhr Urgit sanft fort. »Ich freue mich über Eure Einsicht. Ich zweifle nicht daran, dass Ihr die Hand heben, Eure Finger auf mich richten und damit wackeln könntet. Aber jetzt weiß ich, wie man so etwas erkennt. Ich habe Belgarath ziemlich genau beobachtet, während wir vergangenen Winter über Cthaka ritten. Wenn sich Eure Hand auch nur um den Bruchteil eines Zolles bewegt, kriegt Ihr mehr als nur einen Köcher voll Pfeile in Euer Gerippe. Meine Schützen stehen bereit, und ihre Bogen sind gespannt. Denkt darüber nach, Agachak – während Ihr geht.«

»Ihr seid nicht mehr der Alte, Urgit.« Agachaks Nasenflügel waren weiß vor Wut.

»Ich weiß. Wundervoll, nicht wahr ? Ihr seid entlassen, Agachak.«

Der Hierarch drehte sich auf dem Absatz, um zur Tür zu gehen.

»Oh, noch was, alter Knabe«, hielt ihn Urgit zurück. »Ich hörte, dass unser teurer Bruder Gethel von Thull vor Kurzem starb – wahrscheinlich an etwas, das er gegessen hat. Thulls essen fast alles, was kreucht und fleucht oder aus verrottetem Fleisch ausschlüpft. Eigentlich bedauerlich. Gethel war einer der Wenigen, der vor mir Angst hatte. Jedenfalls hat inzwischen sein geistesschwacher Sohn, Nathel, den Thron bestiegen. Ich kenne Nathel. Er hat die Mentalität eines Wurmes, aber er ist ein echter angarakanischer König. Erkundigt Euch doch, ob er vielleicht mit Euch nach Mallorea reisen möchte. Ihr dürftet zwar möglicherweise etwas Mühe haben, ihm zu erklären, wo Mallorea liegt, da er glaubt, dass die Welt flach ist, aber irgendwie werdet Ihr das schon schaffen, Agachak.« Urgit schnippte mit den Fingern, während er auf den vor Wut kochenden Hierarchen blickte. »Kehrt jetzt in Euren Tempel zurück und schneidet noch ein paar Grolim die Eingeweide heraus. Vielleicht gelingt es Euch sogar, die Feuer im Allerheiligsten wieder zum Brennen zu bringen. Und wenn es auch sonst zu nichts nütze ist, so wird es wenigstens Eure Nerven beruhigen.«

Agachak stürmte aus dem Saal und schmetterte die Tür hinter sich zu.

Urgit krümmte sich vor Lachen und hämmerte auf die Lehnen seines Thrones.

»Meinst du nicht, dass du vielleicht ein wenig zu weit gegangen bist, mein Sohn ?«, fragte Lady Tamazin aus dem dämmrigen Alkoven, von dem aus sie unbemerkt gelauscht hatte.

»Möglich, Mutter«, gab er immer noch lachend zu, »aber es hat Spaß gemacht, findest du nicht ?«

Sie hinkte ins Licht und lächelte ihn liebevoll an. »O ja, Urgit. Nur treib Agachak nicht zu sehr in die Enge. Er kann ein sehr gefährlicher Feind sein.«

»Ich habe viele Feinde, Mutter«, entgegnete Urgit und zupfte an seiner langen, spitzen Nase, ohne sich dessen bewusst zu sein. »Die meisten Menschen auf der Welt hassen mich, aber ich habe gelernt, damit zu leben. Es ist nicht so, als ob ich mich für eine Wiederwahl aufstellen müsste, weißt du ?«

Oskatat, der Seneschall mit dem düsteren Gesicht, trat ebenfalls aus dem Alkoven. »Was sollen wir nur mit Euch machen, Urgit ? Was hat Belgarion Euch eigentlich gelehrt ?«

»Er lehrte mich, König zu sein, Oskatat. Vielleicht lässt man nicht zu, dass ich es sehr lange bleibe, aber bei den Göttern, solange ich hier bin, werde ich König sein. Irgendwann bringen sie mich sowieso um, also möchte ich mich wenigstens amüsieren, solange ich es noch kann !«

Seine Mutter seufzte, dann hob sie hilflos die Hände. »Man kann einfach nicht vernünftig mit ihm reden, Oskatat«, jammerte sie.

»Das befürchte ich auch, Lady Tamazin.« Der Grauhaarige nickte.

»Prinzessin Prala möchte mit dir sprechen«, sagte Tamazin zu ihrem Sohn.

»Ich stehe ihr zur sofortigen Verfügung«, versicherte ihr Urgit. »Nicht nur zur sofortigen, sondern zur ständigen, wenn ich die Bedingungen des Ehevertrags richtig verstehe.«

»Sei lieb !«, mahnte Tamazin.

»Ja, Mutter.«

Prinzessin Prala aus dem Haus der Cthan stürmte durch eine Seitentür. Sie trug ein Reitkostüm, das aus einem wadenlangen schwarzen Rock bestand, einer weißen Satinbluse und polierten Stiefeln, deren Absätze auf den Marmorboden hämmerten. Ihr langes schwarzes Haar schwang auf ihrem Rücken hin und her, und ihre Augen funkelten. Sie hielt eine Schriftrolle in den Händen.

»Würdet Ihr mir behilflich sein, Lord Oskatat ?«, bat Lady Tamazin und streckte dem Seneschall eine Hand entgegen.

»Selbstverständlich, Herrin.« Er bot Urgits Mutter den Arm mit liebevoller Fürsorge, und die beiden zogen sich zurück.

»Was ist los ?«, fragte Urgit seine zukünftige Gemahlin misstrauisch.

»Störe ich Eure Majestät ?«, fragte Prala. Sie machte sich nicht die Mühe zu knicksen. Die Prinzessin hatte sich verändert. Sie war keine unterwürfige Frau mehr, wie es sich für eine Murgo schickte. Die Gesellschaft von Königin Ce’Nedra und der Markgräfin Liselle hatte sie verdorben, fand Urgit. Und der ungute Einfluss der Zauberin Polgara machte sich bei jeder Bewegung und Geste bemerkbar. Allerdings war sie jetzt absolut bezaubernd. Ihre schwarzen Augen blitzten, ihre zarte weiße Haut schien ihre Stimmung zu spiegeln, und das üppige schwarze Haar entwickelte fast ein Eigenleben, so, wie es über ihren Rücken wallte. Erstaunlicherweise erkannte Urgit wieder einmal, dass er sie sehr mochte.

»Du störst mich nie, Geliebte«, antwortete er auf ihre förmliche Frage und breitete die Arme aus.

»Hör auf damit !«, fauchte sie. »Du benimmst dich wie dein Bruder !«

»Das liegt in der Familie.«

»Hast du das hier eingefügt ?«, fragte sie scharf und schwenkte die Schriftrolle wie eine Waffe vor seiner Nase.

»Habe ich was wo eingefügt ?«

»Das.« Sie rollte das Pergament auf. »›Es wird festgelegt, dass Prinzessin Prala aus dem Hause der Cthan die oberste Frau seiner Majestät sein wird‹«, las sie.

Den Ausdruck ›oberste Frau‹ presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Was hast du daran auszusetzen ?«, fragte er, verwundert über die Heftigkeit des Mädchens.

»Die Andeutung, dass es auch noch andere geben wird.«

»Das ist so üblich, Prala. Ich habe die Regeln nicht aufgestellt.«

»Du bist der König ! Stell andere Regeln auf !«

»Ich ?« Er schluckte schwer.

»Du wirst keine Nebenfrauen haben, Urgit – auch keine Konkubinen !« Ihre sonst so sanfte Stimme schien zu knistern. »Du bist mein, und ich werde dich mit keiner anderen teilen !«

»Ist dir das wirklich ein Herzensbedürfnis ?«, fragte er etwas erstaunt.

»Allerdings.« Sie schob das Kinn vor.

»Ein derartiges Gefühl hat mir bisher noch nie jemand entgegengebracht.«

»Dann gewöhn dich dran.« Ihre Stimme war fest und fast drohend.

»Wir werden diesen Passus streichen«, versprach er rasch. »Ich brauche sowieso nicht mehr als eine Gemahlin.«

»Das will ich auch hoffen ! Eine weise Entscheidung.«

»Natürlich. Alle königlichen Entscheidungen sind weise; so steht es in den Geschichtsbüchern.«

Sie bemühte sich sehr, ein Lächeln zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht. Lachend warf sie sich ihm um den Hals. »O Urgit«, murmelte sie und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. »Ich liebe dich so sehr.«

»Ehrlich ? Erstaunlich.« Plötzlich kam ihm eine Idee, deren Genialität ihn schier blendete. »Was hältst du eigentlich von einer Doppelhochzeit, Liebling ?«, fragte er.

Sie zog den Kopf zurück, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen«, gestand sie.

»Ich bin der König, richtig ?«

»Ein wenig mehr als früher, ehe du mit Belgarion zusammengekommen bist.« Sie nickte.

Diese Bemerkung überging er. »Ich habe diese Verwandte«, murmelte er. »Und ich werde mit dem Eheleben beschäftigt sein.«

»Sehr beschäftigt, Liebster«, bestätigte sie.

Er hüstelte nervös. »Jedenfalls«, fuhr er fort, »werde ich nicht mehr so viel Zeit haben, um mich genug um diese gewisse Verwandte zu kümmern, nicht wahr ? Wäre es da nicht das Beste, sie mit einem Mann zu vermählen, der ihrer würdig ist, und der sie seit Langem verehrt ?«

»Ich weiß immer noch nicht, wen du meinst, Urgit. Ich wusste ja gar nicht, dass du irgendwelche weiblichen Verwandten hast.«

»Nur eine, meine Prinzessin.« Er grinste. »Nur eine.«

Sie starrte ihn an. »Urgit !«, keuchte sie.

Ein Grinsen breitete sich langsam auf seinem Gesicht aus. »Ich bin der König«, erklärte er. »Ich kann tun, was immer ich will, und meine Mutter ist schon viel zu lange allein, meinst du nicht auch ? Oskatat liebt sie, seit sie ein Mädchen war, und sie mag ihn zumindest – ich glaube sogar, dass es ein bisschen mehr ist, und noch mehr werden könnte. Wenn ich ihnen befehle zu heiraten, müssen sie es doch tun, oder nicht ?«

»Das ist einfach wundervoll, Urgit !«, rief sie erfreut.

»Es ist meiner drasnischen Abstammung zu verdanken«, sagte er bescheiden. »Nicht einmal Kheldar hätte sich etwas Besseres einfallen lassen können.«

»Es ist perfekt !«, jubelte sie. »So werde ich auch keine Schwiegermutter haben, die mir dreinredet, wenn ich anfange, dich zu ändern.«

»Ändern ?«

»Nun, ein paar Kleinigkeiten, Liebster«, sagte sie beschwichtigend. »Du hast einige schlechte Angewohnheiten, außerdem einen schrecklichen Geschmack, was deine Kleidung anbelangt. Wie bist du je auf die irrsinnige Idee gekommen, Purpur zu tragen ?«

»Sonst noch was ?«

»Wenn ich wiederkomme, werde ich meine Liste mitbringen.«

Das war der Moment, in dem Urgit begann, sich doch ein wenig Gedanken zu machen.

Seine Kaiserliche Majestät, Kal Zakath von Mallorea, hatte einen mehr als ausgefüllten Vormittag. Den größten Teil davon verbrachte er mit Brador, seinem Innenminister, in einem kleinen, blau behangenen Büro im ersten Stock des Schlosses.

»Sie klingt ohne Zweifel ab, Eure Majestät«, versicherte ihm Brador, als der Bericht über den Stand der Pest an der Reihe war. »Es hat in der vergangenen Woche nicht einen neuen Fall gegeben, und eine erstaunliche Anzahl von Personen ist sogar genesen. Der Plan, jedes einzelne Viertel der Stadt von allen anderen durch Mauern abzutrennen, war offenbar genau richtig.«

»Gut.« Zakath ging zum nächsten Punkt über. »Was gibt es Neues aus Karanda ?«

Brador blätterte durch die Schriftstücke. »Mengha wurde bereits seit mehreren Wochen nicht mehr gesehen, Eure Majestät.« Der Innenminister lächelte flüchtig. »Auch diese Art von Seuche klingt offenbar ab. Der Dämon scheint verschwunden zu sein, und die Fanatiker verlieren den Mut.« Er tippte mit einem Pergament an seine geschürzten Lippen. »Das ist natürlich nur eine Annahme, Eure Majestät, da es nicht gelingt, Agenten in dieses Gebiet einzuschleusen, aber die Unruhen verlagern sich offenbar zur Ostküste. Kurz nach Menghas Verschwinden überquerten größere irreguläre karandesische Truppenverbände, verstärkt durch Urvons Tempelwachen und seine Chandim, die Bergkette von Zamad, und alle Verbindungen nach Voresbo und Rengel sind abgebrochen.«

»Urvon ?«, fragte Zakath.

»Sieht so aus, Eure Majestät. Ich könnte mir denken, dass sich der Jünger nur auf die endgültige Auseinandersetzung mit Zandramas vorbereitet. Man ist versucht, vorzuschlagen, sie die Sache ausfechten zu lassen. Ich glaube, dass die Welt keinen von ihnen sehr vermissen würde.«

Ein schwaches, kaltes Lächeln huschte über Zakaths Lippen. »Ihr habt recht, Brador«, bestätigte er. »Es ist tatsächlich verlockend, ich fürchte nur, dass wir so etwas aus politischen Erwägungen nicht dulden dürfen. Immerhin sind diese Fürstentümer Teil des Reiches, und deshalb steht ihnen unser Schutz zu. Es könnten recht hässliche Gerüchte in Umlauf gelangen, wenn ich untätig zusähe, während Urvon und Zandramas das Land verwüsten. Wenn irgendjemand in Mallorea Militär einsetzt, dann werde ich das sein.« Er blätterte durch die Papiere auf dem Tisch vor sich, hob eines auf und blickte stirnrunzelnd darauf. »Wir werden uns wohl darum kümmern müssen. Wo habt Ihr Baron Vasca untergebracht ?«

»In einer Zelle mit großartiger Aussicht«, entgegnete Brador. »Direkt auf den Richtblock. Ich bin sicher, es ist sehr lehrreich.«

Da erinnerte sich Zakath an etwas. »Degradiert ihn«, befahl er.

»Das ist ein ungewöhnliches Wort für den Vorgang«, murmelte Brador.

»Ich meinte es auch anders«, berichtigte Zakath mit neuerlichem eisigem Lächeln. »Bringt ihn dazu, uns zu verraten, wo er das ganze Geld versteckt hat, mit dem er sich bestechen ließ. Wir werden es in die Reichsschatzkammer bringen.« Er drehte sich um und studierte die große Landkarte an der Wand seines Arbeitsgemachs. »Südebal, würde ich sagen.«

»Eure Majestät ?« Brador blickte ihn verwirrt an.

»Ernennt ihn zum Handelsminister in Südebal.«

»Es gibt keinen Handel in Südebal, Eure Majestät, nicht einmal Seehäfen. Das Einzige, was man dort reichlich finden kann, sind Stechmücken aus den Tembasümpfen.«

»Vasca ist außerordentlich einfallsreich. Ich bin überzeugt, dass er etwas auf die Beine stellen wird.«

»Dann wollt Ihr ihn nicht …« Brador strich bedeutungsvoll mit einer Hand über den Hals.

»Nein«, entgegnete Zakath. »Ich will etwas versuchen, das mir Belgarion riet. Ich brauche Vasca möglicherweise eines Tages wieder, und im Grab ist er mir von keinem Nutzen.« Zakaths Miene wirkte flüchtig bedauernd. »Hat man etwas von ihm gehört ?«

»Von Vasca ? Ich habe gerade …«

»Nein, von Belgarion.«

»Sie wurden gesehen, kurz nachdem sie Mal Zeth verlassen hatten, Eure Majestät. Sie reisten mit Fürst Kheldars nadrakischem Partner, Yarblek. Bald darauf nahm Yarblek ein Schiff nach Gar og Nadrak.«

»Dann war wohl alles nur eine List.« Zakath seufzte. »Belgarion wollte offenbar nichts weiter, als in sein eigenes Reich zurückzukehren. Ihre verrückte Geschichte war demnach erfunden.« Zakath strich sich müde über die Augen. »Ich mochte diesen jungen Mann wirklich, Brador«, gestand er traurig. »Ich hätte es wahrhaftig besser wissen müssen.«

»Belgarion ist nicht in den Westen zurückgekehrt, Eure Majestät«, versicherte ihm Brador. »Zumindest nicht mit Yarblek. Wir überprüfen die Schiffe dieses Händlers immer besonders gründlich. Soweit wir wissen, hat Belgarion Mallorea nicht verlassen.«

Zakath lehnte sich zurück und lächelte erleichtert. »Ich weiß nicht warum, aber jetzt fühle ich mich gleich besser. Ich verstehe es selbst nicht, doch die Vorstellung, dass er mich betrogen hat, schmerzte mich. Habt Ihr eine Vermutung, wohin er sich begeben hat ?«

»Es gab allerlei Aufregung in Katakor, Eure Majestät – oben bei Ashaba. Merkwürdigkeiten, die man mit Belgarion in Verbindung bringen könnte: seltsame Lichter am Himmel, Explosionen und dergleichen.«

Jetzt lachte Zakath laut und hörbar erfreut. »Er kann ein wenig übertreiben, wenn er gereizt ist. In Rak Hagga hat er die gesamte Wand meiner Schlafkammer niedergerissen.«

»Oh ?«

»Er versuchte, mir etwas klarzumachen.«

Ein respektvolles Klopfen war an der Tür zu hören.

»Herein«, rief Zakath knapp.

»General Atesca ist eingetroffen, Eure Majestät«, meldete einer der rot uniformierten Leibgardisten, die an der Tür Wache standen.

»Gut. Er soll eintreten.«

Der General mit der gebrochenen Nase grüßte zackig. »Eure Majestät.« Seine rote Uniform wies noch Reisestaub auf.

»Ihr wart schnell, Atesca«, lobte Zakath. »Schön, Euch wiederzusehen.«

»Danke, Eure Majestät. Wir hatten guten Wind und ruhige See.«

»Wie viele Männer habt Ihr mitgebracht ?«

»Etwa fünfzigtausend.«

»Wie viele haben wir nun insgesamt ?«, wandte sich Zakath an Brador.

»Gut über eine Million, Eure Majestät.«

»Eine ansehnliche Zahl. Lasst die Truppen sammeln und zum Abmarsch bereitmachen.« Zakath erhob sich und trat ans Fenster. Das Laub hatte angefangen, sich zu färben, und schmückte den Garten mit Rot- und Gelbtönen. »Ich möchte die Ruhe an der Ostküste wiederherstellen«, sagte er. »Es wird bereits Herbst, und wir sollten die Truppen in Marsch gesetzt haben, ehe sich das Wetter verschlechtert. Wir marschieren nach Maga Renn und schicken von dort Kundschafter aus. Je nach den Umständen ziehen wir dann weiter oder warten, bis zusätzliche Verbände aus Cthol Murgos zurückgekehrt sind.«

»Ich werde mich sogleich darum kümmern, Eure Majestät.« Brador verbeugte sich und verließ das Gemach.

»Setzt Euch, Atesca«, forderte der Kaiser den General auf. »Was tut sich in Cthol Murgos ?«

»Wir versuchen, die bereits eingenommenen Städte zu halten, Eure Majestät.« Atesca zog sich einen Stuhl heran. »Wir haben den Großteil unserer Truppen bei Rak Cthan gesammelt. Sie warten auf die Schiffe nach Mallorea.«

»Besteht die Gefahr, dass Urgit einen Gegenschlag versucht ?«

»Ich glaube nicht, Eure Majestät. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das Risiko eingeht, seine Armee in offenem Gelände einzusetzen. Natürlich weiß man nie, was ein Murgo ausbrütet.«

»Stimmt«, bestätigte Zakath. Dass Urgit, wie er jetzt wusste, gar kein Murgo war, behielt er für sich. Er lehnte sich zurück. »Ihr habt Belgarion bereits einmal für mich festgenommen, Atesca«, sagte er.

»Ja, Eure Majestät.«

»Ich fürchte, Ihr werdet es noch einmal tun müssen. Es ist ihm gelungen zu entkommen. Etwas sorglos von mir, fürchte ich, aber ich hatte zu dem Zeitpunkt viel um die Ohren.«

»Dann werden wir ihn eben noch einmal festnehmen, Eure Majestät.«

Der alornische Rat trat in diesem Jahr in Boktor zusammen. Etwas daran war ungewöhnlich: Königin Porenn übernahm den Vorsitz. Die zierliche blonde Herrscherin von Drasnien ging ruhig ans Kopfende des Tisches in der roten Ratskammer des Schlosses und nahm auf dem Stuhl Platz, der üblicherweise für den Rivanischen König reserviert war. Die anderen blickten sie überrascht an.

»Meine Herren«, begann sie entschlossen. »Mir ist klar, dass dies gegen die Tradition verstößt, aber unsere Zeit ist begrenzt. Ich bekam gewisse Informationen, und ich hielt es für wichtig, dass ihr sie ebenfalls umgehend erfahren solltet. Wir müssen Entscheidungen treffen und haben nur wenig Zeit.«

Kaiser Varana lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und zwinkerte verschmitzt. »Wir werden eine kurze Pause einlegen müssen, bis die alornischen Könige sich von ihrem Schock erholt haben«, sagte er.

König Anheg blickte den kraushaarigen Kaiser kurz missbilligend an, doch dann musste er lachen. »Nein, Varana, das haben wir bereits hinter uns, seit Rhodar uns überredet hat, Ce’Nedra nach Mishrak ac Thull zu folgen. Das hier ist Porenns Haus, also soll sie ruhig Wortführerin sein.«

»Oh, danke, Anheg.« Die Worte überraschten die Königin von Drasnien offenbar ein wenig. Sie machte eine Pause, um ihre Gedanken zu sammeln. »Wie zweifellos niemandem entgangen ist, sind bei unserer Sitzung in diesem Jahr Herrscher anwesend, die normalerweise nicht daran teilnehmen. Das erfordert die gegenwärtige Lage, die uns alle betrifft. Ich habe vor Kurzem unterschiedliche Schreiben von Belgarath, Belgarion und den anderen erhalten.«

Diese Äußerung verursachte merkliche Aufregung unter den Anwesenden.

Porenn hob die Hand. »Sie befinden sich in Mallorea, dicht auf den Fersen der Entführerin von Belgarions Sohn.«

»Dieser junge Mann scheint manchmal schneller zu sein als der Wind !«, bemerkte König Fulrach von Sendarien. Die Jahre hatten ihm ein stattliches Äußeres beschert, und sein brauner Bart war von Silberstreifen durchzogen.

»Wie sind sie nach Mallorea gelangt ?«, erkundigte sich König Cho-Hag ruhig.

»Sie wurden von Kal Zakath gefangen genommen«, antwortete Porenn. »Garion und Zakath haben sich angefreundet, und Zakath nahm sie von Cthol Murgos mit, als er nach Mal Zeth zurückkehrte.«

»Zakath hat sich wahrhaftig mit jemandem angefreundet ?«, rief König Drosta von Gar og Nadrak mit seiner schrillen Stimme. »Unmöglich !«

»Garion ist immer für eine Überraschung gut«, murmelte Hettar.

»Diese Freundschaft ist möglicherweise jedoch bereits wieder beendet«, fuhr Porenn fort. »Eines Nachts schlichen sich Garion und seine Freunde aus Mal Zeth, ohne sich vom Kaiser zu verabschieden.«

»Mit der ganzen malloreanischen Armee auf den Fersen, nehme ich an«, warf Varana ein.

»Nein«, widersprach Porenn. »Zakath kann Mal Zeth gegenwärtig nicht verlassen. Erzählt davon, Yarblek.«

Silks hagerer Partner stand auf. »In Mal Zeth wütet die Pest«, erklärte er. »Zakath hat die Stadt abgeriegelt. Niemand kann heraus, niemand hinein.«

»Verzeiht«, rief Mandorallen nun, »wie konnten unsere Freunde sie da verlassen ?«

»Ich hatte einen wandernden Gaukler aufgelesen«, antwortete Yarblek finster. »Ich hielt ja nicht viel von ihm, aber er hat Vella unterhalten. Sie liebt schlüpfrige Geschichten.«

»Hüte deine Zunge, Yarblek !«, warnte die nadrakische Tänzerin. »Noch hast du deine heilen Glieder, doch das kann sich rasch ändern !« Sie legte in einer unmissverständlichen Geste die Hand an den Dolch. Vella trug ein atemberaubendes lavendelfarbiges Gewand – allerdings mit einigen Zugeständnissen an nadrakische Sitten. Sie trug nach wie vor ihre polierten Lederstiefel mit den Dolchen in den Schäften und den breiten Ledergürtel mit ähnlichen Dolchen. Trotzdem hatten die Männer in der Ratskammer Vella, seit sie hereingekommen war, immer wieder heimlich bewundert. Gleichgültig, wie sie gekleidet war, Vella lenkte immer alle Blicke auf sich.

»Nun«, fuhr Yarblek hastig fort, »dieser Gaukler kannte einen Geheimgang, der vom Schloss, unter der Stadt hindurch, zu einem verlassenen Steinbruch führt. So gelangten wir aus Mal Zeth, ohne dass es jemand bemerkte.«

»Das dürfte Zakath gar nicht gefallen«, meinte Drosta. »Er hasst es, wenn ihm Leute entschlüpfen, die er einmal erwischt hat.«

»In den Sieben Königreichen von Karanda in Nordmallorea kam es zu einem Aufstand«, fuhr nun wieder Porenn fort. »Es sollen Dämonen darin verwickelt sein.«

»Dämonen ?«, wiederholte Varana ungläubig. »Also wirklich, Porenn !«

»Das schreibt Belgarath.«

»Belgarath hat manchmal einen seltsamen Humor«, sagte Varana nun abfällig. »Das kann nur ein Witz sein. Es gibt keine Dämonen !«

»Ihr täuscht Euch, Varana«, sagte König Drosta ungewohnt düster. »Ich habe einmal einen gesehen – oben im Morindland, als ich noch ein Knabe war.«

»Wie hat er ausgesehen ?«, fragte Varana, nicht sonderlich überzeugt.

Drosta schauderte. »Das wollt Ihr bestimmt nicht wirklich wissen !«

»Jedenfalls«, sagte Porenn, »hat Zakath den Großteil seiner Streitkräfte aus Cthol Murgos zurückgeholt, um diesen Aufstand niederzuschlagen. Es wird nicht lange dauern, bis er ganz Karanda mit seinen Truppen überschwemmt – und in dem Gebiet befinden sich unsere Freunde. Deshalb habe ich diese Sitzung einberufen. Was sollen wir tun ?«

Lelldorin von Wildantor sprang auf.

»Wir brauchen schnelle Pferde«, wandte er sich an Hettar.

»Wozu ?«, fragte Hettar.

»Natürlich, um ihnen zu Hilfe zu eilen !« Die Augen des jungen Asturiers blitzten vor Aufregung.

»Äh … Lelldorin«, warf Barak sanft ein. »Das Meer des Ostens liegt zwischen uns und Mallorea.«

»Oh !« Verlegen senkte Lelldorin den Blick. »Das wusste ich nicht. Dann brauchen wir also ein Boot, nicht wahr ?«

Barak und Hettar wechselten einen langen Blick. »Schiff«, korrigierte Barak abwesend.

»Was ?«

»Schon gut, Lelldorin.« Barak seufzte.

»Wir dürfen nicht«, sagte König Anheg düster. »Selbst wenn wir durchkämen, würden wir nur Garion um die Chance bringen, den Kampf mit dem Kind der Finsternis zu gewinnen. Das hat die Seherin uns bei Rheon gesagt, oder habt ihr das vergessen ?«

»Aber das ist etwas anderes !«, protestierte Lelldorin mit Tränen in den Augen.

»Nein«, widersprach Anheg. »Keineswegs ! Das ist genau, wovor wir gewarnt wurden. Wir dürfen uns nicht in ihre Nähe begeben, ehe es vorbei ist.«

»Aber …«

»Lelldorin«, versicherte ihm Anheg. »Ich möchte ebenso gern losziehen wie du. Aber wir dürfen es nicht ! Was glaubst du, wie Garion es uns danken würde, wenn er unseretwegen seinen Sohn verliert ?«

Mandorallen stand ebenfalls auf und stapfte unruhig hin und her, dass seine Rüstung klirrte. »Mich deucht, ihr habt recht. Wir dürfen uns unseren Freunden nicht anschließen, um ihre Suche nicht durch unsere Anwesenheit in Gefahr zu bringen. Und jeder Einzelne von uns würde sein Leben geben, um das zu verhindern. Wir dürfen jedoch geradewegs nach Mallorea fahren und uns, ohne uns in ihre Nähe zu begeben, zwischen sie und Kal Zakaths Horden stellen. Dadurch können wir den Vormarsch der Malloreaner zu einem jähen Halt bringen, wodurch Garion unbehindert weiterreisen kann !«

Barak starrte den stämmigen Ritter an, dessen Gesicht vor blindem Eifer strahlte. Dann stöhnte er und vergrub das Gesicht in den Händen.

»Na, na«, murmelte Hettar und klopfte dem Freund mitfühlend auf die Schulter.

König Fulrach rieb seinen Bart. »Warum kommt es mir nur so vor, als hätten wir das schon einmal getan ?«, fragte er. »Es ist genau wie beim letzten Mal. Wir müssen für ein Ablenkungsmanöver sorgen, damit unsere Freunde durchkommen. Irgendwelche Vorschläge ?«

»Fallen wir in Mallorea ein !«, meinte Drosta eifrig.

»Überfallen wir Zakaths Küste«, rief Anheg nicht weniger eifrig.

Porenn seufzte.

»Wie wäre es mit einer Invasion von Cthol Murgos ?«, fragte Cho-Hag nachdenklich.

»Ja !«, stimmte Hettar heftig zu.

Cho-Hag hob die Hand. »Nur als Kriegslist, mein Sohn ! Zakath hat Streitkräfte für die Eroberung von Cthol Murgos eingesetzt. Wenn nun die Armeen des Westens in dieses Gebiet marschierten, bliebe ihm kaum etwas anderes übrig, als sich uns in den Weg zu stellen, nicht wahr ?«

Varana rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. »Es birgt Möglichkeiten«, gab er zu, »aber es ist fast Herbst, und die Berge von Cthol Murgos sind im Winter schwer bezwingbar. Die Jahreszeit ist denkbar ungünstig für Truppenbewegungen dort unten. Mit erfrorenen Füßen kommen Soldaten nicht besonders rasch voran. Ich glaube, wir könnten möglicherweise mit Diplomatie ebenso viel erreichen – ohne auch nur eine Zehe in Gefahr zu bringen.«

»Mit tolnedranischer Verschlagenheit !«, knurrte Anheg.

»Friert Ihr gern, Anheg ?«, fragte Varana.

Anheg zuckte die Schultern. »Das gehört nun einmal zum Winter.«

Varana rollte die Augen himmelwärts. »Alorner !«, stöhnte er.

»Schon gut«, sagte Anheg und grinste entschuldigend. »War nur ein Scherz. Wie sieht der brillant listige Plan denn aus ?«

Varana blickte auf Javelin. »Wie gut ist der malloreanische Geheimdienst, Markgraf Khendon ?«, fragte er unverblümt.

Javelin erhob sich und strich sein perlgraues Wams glatt. »Brador selbst ist sehr gut, Eure Kaiserliche Majestät«, antwortete er. »Seine Leute allerdings sind manchmal etwas plump und auffällig. Aber er hat sehr viele, und ein unbegrenztes Budget.« Er warf einen etwas vorwurfsvollen Blick auf Königin Porenn.

»Ich kann nichts dafür«, murmelte sie. »Meine Finanzen sind beschränkt !«

»Ja, Eure Majestät.« Er verbeugte sich mit schwachem Lächeln, dann richtete er sich wieder auf und fuhr sachlich fort: »Der malloreanische Nachrichtendienst ist primitiv, verglichen mit unserem, aber Brador hat die Mittel, so viele Agenten einzusetzen, wie er für nötig hält. Das kann sich weder der drasnische noch der tolnedranische Geheimdienst leisten. Es kommt vor, dass Brador bei einem Einsatz hundert Agenten verliert, aber er erfährt gewöhnlich, was er wissen will.« Er rümpfte abfällig die Nase. »Ich persönlich ziehe sauberere Einsätze vor.«

»Dann hat dieser Brador auch in Rak Urga Agenten ?«, fragte Varana.

»So gut wie sicher«, erwiderte Javelin. »Von mir halten sich gegenwärtig vier im Drojimpalast auf – und vom Geheimdienst Eurer Majestät zwei, von denen ich es mit Bestimmtheit weiß.«

»Ich hatte ja keine Ahnung«, entgegnete Varana mit Unschuldsmiene.

»Wirklich ?«

Varana lachte. »Also gut«, fuhr er fort. »Was würde Zakath tun, wenn in Mal Zeth bekannt würde, dass die Reiche des Westens mit dem König der Murgos ein Bündnis planen ?«

Javelin begann hin und her zu gehen. »Es ist sehr schwierig zu wissen, was Zakath in irgendeiner bestimmten Situation tun würde«, sagte er nachdenklich. »Viel hängt davon ab, wie ernst seine Probleme im eigenen Land sind. Aber ein Pakt zwischen den Murgos und dem Westen würde auf jeden Fall eine ernsthafte Bedrohung für Mallorea darstellen. Es würde ihm kaum etwas anderes übrig bleiben, als sofort nach Cthol Murgos zurückzukehren und eine Großoffensive zu beginnen, um die Murgos zu besiegen, ehe unsere Truppen ihnen beistehen können.«

»Uns mit den Murgos verbünden ?«, rief Hettar. »Niemals !«

»Niemand spricht von einem wirklichen Pakt, Lord Hettar«, warf Kail ein, der Sohn des Rivanischen Hüters. »Wir wollen Zakath nur lange genug ablenken, dass Belgarion an ihm vorbeischlüpfen kann. Die Unterhandlungen können sich endlos hinziehen und schließlich zu keinem Ergebnis führen.«

»Oh !«, murmelte Hettar und wirkte ein wenig verlegen. »Das ist natürlich etwas anderes.«

»Also gut«, fuhr Varana fort. »Vielleicht gelingt es uns, Zakath tatsächlich in dem Glauben zu wiegen, dass wir mit Urgit ein Bündnis schließen – wenn wir es richtig anstellen. Javelin, lasst von Euren Leuten ein paar malloreanische Agenten im Drojimpalast töten – aber natürlich nicht alle ! Gerade genug, um Mal Zeth davon zu überzeugen, dass es sich um ein ernsthaftes diplomatisches Unternehmen handelt.«