Die Töchter Venedigs - Band 1: Stadt der tausend Augen - Ingeborg Bayer - E-Book
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Die Töchter Venedigs - Band 1: Stadt der tausend Augen E-Book

Ingeborg Bayer

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Beschreibung

Eine Reise in die Stadt der Kanäle und Wunder: »Die Töchter Venedigs: Stadt der tausend Augen« von Ingeborg Bayer jetzt als eBook bei dotbooks. Venedig, die prachtvolle Serenissima, im 17. Jahrhundert. Umgeben von ihren geliebten Büchern und dem Duft exotischer Gewürze wächst Crestina Zibatti im Palazzo ihres Vaters auf, einem der reichsten Patrizier der Stadt. Die willensstarke junge Frau hat nur einen Wunsch: All die Orte zu erkunden, von denen sie gelesen hat. Doch ihr Schicksal scheint ein anderes zu sein – um die Handelsbeziehungen der Familie zu festigen, soll Crestina den Sohn einer Nürnberger Kaufmannsfamilie heiraten. Und noch dazu mehren sich die Gerüchte, dass es verborgen in der Bibliothek der Zibattis verbotene Bücher gibt, deren Besitz von der Inquisiton hart bestraft wird. Crestina muss eine schicksalshafte Entscheidung treffen, die ihr Leben für immer verändern wird … »Ein engagiertes Buch, das mehr bietet als ein einfacher Unterhaltungsroman – und die Menschen im Schatten der Geschichte sichtbar macht!« Süddeutsche Zeitung Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde historische Roman »Stadt der tausend Augen« von Ingeborg Bayer – der Auftakt zur Trilogie »Die Töchter Venedigs«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 760

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Über dieses Buch:

Venedig, die prachtvolle Serenissima, im 17. Jahrhundert. Umgeben von ihren geliebten Büchern und dem Duft exotischer Gewürze wächst Crestina Zibatti im Palazzo ihres Vaters auf, einem der reichsten Patrizier der Stadt. Die willensstarke junge Frau hat nur einen Wunsch: All die Orte zu erkunden, von denen sie gelesen hat. Doch ihr Schicksal scheint ein anderes zu sein – um die Handelsbeziehungen der Familie zu festigen, soll Crestina den Sohn einer Nürnberger Kaufmannsfamilie heiraten. Und noch dazu mehren sich die Gerüchte, dass es verborgen in der Bibliothek der Zibattis verbotene Bücher gibt, deren Besitz von der Inquisiton hart bestraft wird. Crestina muss eine schicksalshafte Entscheidung treffen, die ihr Leben für immer verändern wird …

»Ein engagiertes Buch, das mehr bietet als ein einfacher Unterhaltungsroman – und die Menschen im Schatten der Geschichte sichtbar macht!« Süddeutsche Zeitung

Über die Autorin:

Ingeborg Bayer (1927–2017) studierte nach ihrer Ausbildung zur Bibliothekarin Medizin und Hindi. Bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete, arbeitete sie in einem medizinischen Archiv. Ihre Romane, Theaterstücke und Kurzgeschichten wurden vielfach preisgekrönt, unter anderem mit dem Preis der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem deutschen Jugendliteraturpreis und dem Österreichischen Staatspreis.

Ingeborg Bayer veröffentlichte bei dotbooks vier historische Romane:

»Ärztin einer neuen Zeit«

»Der Maler von Florenz«

»In den Gärten von Monserrate«

»Die Buchdruckerin von Köln«

Weiterhin veröffentlichte sie bei dotbooks ihre Venedig-Trilogie »Die Töchter Venedigs« mit den Einzelbänden:

»Stadt der Tausend Augen«

»Stadt der blauen Paläste«

»Stadt der dunklen Masken«

***

eBook-Neuausgabe August 2021

Dieses Buch erschien bereits 1991 unter dem Titel »Stadt der tausend Augen« bei Droemer Knaur.

Copyright © der Originalausgabe 1991 Droemersche Verlagsanstalt TH.Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Digiselector, Everett Collection

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96655-581-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Ingeborg Bayer

Die Töchter VenedigsStadt der tausend Augen

Roman

dotbooks.

Der Palazzo

Die Überschwemmung

Bartolomeo kam mit der Flut.

Er wurde vom Kanal aus mit einer mächtigen Woge in den Palazzo hineingespült, hineingeschleudert, schwamm inmitten einer schaumigen, lehmbraunen Brühe, die nicht nur aus Wasser bestand, sondern aus einem Gemisch von zerfetzten Pollerstücken, zerfledderten Kohlköpfen sowie einem aufgedunsenen Tierkadaver, von dem nicht klar war, ob Hund oder Katze, und irgendwo in diesem recht seltsam zusammengestückelten Stilleben tauchten auch noch die Reste einer halb aufgeweichten Karnevalsmaske auf, deren einstige Farbenpracht nur noch zu ahnen war.

Die Woge, mit der Bartolomeo kam, war gewaltig. Sie kam mit einem durch nichts gebremsten Schwung auf das Haus zu, ließ das schwere eichene Wassertor bei der ersten Berührung bersten, obwohl es von innen durch Balken verstärkt war. Sie warf gleichzeitig mit einem splitternden Geräusch die an einem Pfosten vertäute Gondel an die Hauswand und ließ schließlich Bartolomeo auf der zweituntersten Stufe des androne zurück. Wie einen von Nässe durchtränkten Sack, dessen Inhalt ebensogut Mehl wie Pfeffer hätte sein können.

Die Toten kommen ins Haus, murmelte Jacopo und bekreuzigte sich, die Toten vom Canale Orfano. Wenn die Toten ins Haus kommen, ist auch unsere Zeit zu Ende.

Er legte die Hände auf den glitschigen Lauf des Treppengeländers, als sei wenigstens hier noch eine Spur von Sicherheit zu ertasten, die er in diesem Augenblick, da die Flut bereits ein zweites Mal auf das Haus zurollte, sonst nirgendwo mehr fand.

Die Karten, sagte er dann und schaute vorwurfsvoll zu Anna hinüber, die Karten, du weißt ja, der Turm, der Mond, der Teufel, das Schicksalsrad und alles auf einmal. Aber du, du hast es ja nicht geglaubt.

Schweig, sagte Anna und wischte Turm, Mond und Teufel mit einer einzigen Handbewegung zur Seite. Schweig still, und laß deine Karten, wo sie sind: Hier gehören sie nicht her. Und überhaupt, Ertränkte schwimmen nicht mehr, und vom Canale Orfano bis hierher schon gleich gar nicht.

Sie schob ihren mächtigen Leib an Crestina vorbei, die unter ihr auf der Treppe stand, dann an Riccardo, der den Arm um Crestina gelegt hatte, und hob, als sie in das Wasser hinabstieg, die Röcke.

Seit wann bewegen sich Tote, sagte sie dann und warf einen raschen Blick auf Jacopo, der sich bereits ein zweites Mal bekreuzigte.

Es ist das Wasser, das ihn bewegt, wehrte sich Jacopo und starrte auf das Kleiderbündel hinab, das sich nun träge, als zehre es noch von der Gewalt des Aufpralls, von der zweiten Stufe zu lösen begann und auf die erste hinabzugleiten drohte. Das Wasser holt ihn zurück, es gibt ihn nicht her.

Anna hatte inzwischen das Ende der Treppe erreicht, watete, die schweren Röcke ins Wasser schleifend, auf das Bündel zu und murmelte etwas von Aberglauben, der die Gehirne der Menschen umneble.

Noch bevor sie sich über das hin- und herschwappende Kleiderbündel gebeugt hatte, sagte Riccardo: Es ist Bartolomeo.

Anna verharrte einen Augenblick, wischte sich das Wasser, das sie wie Nieselregen übersprühte, aus dem Gesicht und warf sich dann mit ihrer ganzen Fülle über die auf der Treppe liegende Gestalt, um sie vor der nächsten Woge zu retten, die ins Haus eindrang und das untere Geschoß bis jenseits der niederen Bänke überflutete.

Dann waren sie plötzlich alle da, zerrten und schoben, und obwohl Jacopo erneut Zweifel anmeldete, ob dies Bartolomeo sei, brachten sie ihn gemeinsam die Treppe hinauf, die ins Mezzanin führte.

Er ist es nicht, sagte Jacopo.

Er hat die Narbe, sagte Riccardo und entblößte den Hals des Jungen. Erinnert ihr euch?

Der Adler, sagte Crestina leise und schüttelte sich.

Ob Narbe oder nicht Narbe, meinte Anna und strich sich die Haare aus dem Gesicht, sie brauche gewiß keine Narbe, um zu wissen, wer dieser Mensch sei. Sie habe es von Anfang an gewußt, daß es Bartolomeo sei, so etwas spüre man einfach.

Spüren, spottete Jacopo und bemächtigte sich der Beine des Jungen, spüren – vielleicht bei eigenen Kindern, aber doch nicht bei fremden.

Ob eigen oder fremd, sei ja wohl im Augenblick völlig egal, empörte sich Anna, ein Kind sei er in jedem Fall noch. Höchstens fünfzehn. Siebzehn, sagte Riccardo, der Unfall damals sei geschehen, als Bartolomeo neun war.

Zehn, sagte Crestina, er war zehn.

Ob zehn, fünfzehn oder siebzehn, sie brauche heißes Wasser in einem Bottich, verlangte Anna, und da die Küche überschwemmt sei, brauche sie es in irgendeinem der Zimmer. Und Ziegelsteine für das Bett. Und heißen Tee mit Zitrone. Und sie wolle das Bett von Alessandro.

Alessandro? Sie hielten alle für einen Augenblick inne, Jacopo ließ Bartolomeos Beine baumeln, Riccardo senkte den Blick.

Wir nehmen das Bett von Alessandro, wiederholte Anna und schaute fragend zu Riccardo hinüber, oder etwa nicht?

Riccardo blickte zu Crestina, nahm ihr Kopfnicken wahr und sagte dann: Ja, nehmen wir das Bett von Alessandro.

Jacopo verstellte den Weg. Das Bett von Alessandro, sagte er, und er sagte es diesmal nicht mißmutig, sondern verstört, das Bett von Alessandro habe die Herrschaft nicht einmal dem langjährigen Freund aus Nürnberg gegeben, und mit dem mache sie schließlich Geschäfte und sein Sohn Lukas sei Crestina versprochen.

Der Vater von Lukas Helmbrecht ist auch nicht bei einem Orkan in das Haus gespült worden, sagte Anna und lud sich Bartolomeo allein auf die Arme. Und wenn Riccardo, der diese Herrschaft, solange seine Eltern unterwegs seien, repräsentiere, das für richtig halte, dann sei ja wohl klar, was mit Bartolomeo geschehe. Und Alessandros Zimmer sei eines der wenigen, die nicht nach Norden gingen, und wenn Bartolomeo aufwache, solle er die Sonne über San Giorgio sehen.

Die Sonne über San Giorgio, sagte Jacopo kopfschüttelnd und hielt Anna Bartolomeos Arm hin. Faß ihn an, dann wirst du merken, daß ihn keine Sonne mehr interessiert! Nicht einmal die von San Giorgio. Er ist bereits eiskalt.

Bis Bartolomeo die Sonne sehen konnte – es war inzwischen April geworden, und man schrieb das Jahr 1629 -, vergingen Wochen. Er hatte zunächst eine Lungenentzündung, dann heilte der Bruch schlecht, den er sich zugezogen hatte, als ihn die Woge an das Haus warf, und schließlich hatten sie alle das Gefühl, er habe die Sprache verloren, weil er tagelang nicht mit ihnen redete. Und als er es endlich tat, dachten sie, er habe den Verstand verloren.

Er kann die Mauserkammer nehmen, die ich ihm damals gebaut habe, sagte er, als er Riccardo und Crestina an seinem Bett stehen sah. Er wird nicht viel Lärm machen, weil ich ihn oben auf dem Dach halten werde, und ihr dürft sicher sein, daß ich allein für ihn sorgen kann.

Anna sagte: Madonna! Jacopo schaute Anna triumphierend an, Crestina nahm Bartolomeos Hand und sagte beruhigend: Es wird schon alles gut, du mußt jetzt schlafen. Lediglich Riccardo nickte mit dem Kopf und sagte: Ja, das wird schon gehen, und in sechs Wochen gehen wir miteinander auf die Jagd.

In fünf, sagte Bartolomeo. Ich muß nur noch warten, bis seine Federn trockengeschoben sind.

Dann in fünf, sagte Riccardo lächelnd. Beeil dich bis dahin, seinen ersten Flug mußt du selbst überwachen.

Daß seine Mutter gestorben war, erzählte Bartolomeo ihnen nie. Geschweige denn, wie sie gestorben war, und sie konnten, als sie es erfuhren, nur vermuten, daß es das Fieber war, wobei keiner so recht wußte, was dieses Fieber eigentlich bedeutete. Es starben vier Fünftel aller Leute in dieser Stadt am Fieber, und so schrieb es auch der Sekretär in die Totenbücher. Man konnte lediglich sagen, was es nicht war – nicht die Pest, nicht die Cholera, nicht der Typhus, weil man dies dann gewußt hätte und die Gesundheitsbehörden mit Sicherheit Vorsorge getroffen hätten.

Ein Sohn, der seine Mutter verloren hat, spricht als erstes über seinen Habicht, mit dem er auf die Jagd gehen will, sagte Jacopo empört zu Anna. Er sei ganz sicher, daß mit Bartolomeo das Unheil über dieses Haus kommen werde.

Er will nicht daran denken, verteidigte ihn Anna, wobei auch sie zugeben mußte, daß es mehr als seltsam war, was Bartolomeo als erstes nach seiner Krankheit gesagt hatte. Er war schon immer ein Besessener, sagte sie dann in der Küche, aber er hat immer gewußt, was er wollte. Schon als Kind hat er das gewußt. Und die Sache mit dem Adler damals – na ja, sie verstehe ja nichts davon.

Wie ein Zehnjähriger auf die Idee kommen könne, sich einen Adler abrichten zu wollen für die Beizjagd, sagte einer der Diener, so etwas mache nur ein Verrückter. Oder ein Größenwahnsinniger. Und er sei auf der Seite von Jacopo. Unheil werde er bringen in dieses Haus, und wenn es nach ihm ginge, würde er so einen auf eines der Schiffe geben, wie es mit allen geschehe, die keine Arbeit haben.

Daß Alfonso Zibatti Bartolomeo nicht auf ein Schiff geben, sondern in seinem Haus erziehen würde wie seine eigenen Kinder, stand fest, ohne daß er dies mit seiner Frau Donada erst diskutiert hätte. Dieser Junge war das Kind seiner Schwester, und da sie nun nicht mehr lebte, war es selbstverständlich, daß er dafür sorgte, daß der Junge nicht in die falschen Hände geriet.

Zu den bravi würde er passen, hatte Jacopo gesagt, zu den bravi. Schon sein Gesicht passe zu den bravi. Und es sei an der Zeit, daß auch dieses Haus seine Beschützer bekomme wie andere Häuser.

Aber Alfonso Zibatti hatte andere Dinge im Kopf, als sich eine Schlägertruppe zuzulegen, auch wenn dies bereits seit einiger Zeit in seinen Kreisen üblich war. Im Augenblick beschäftigte er sich mit nichts anderem als mit der Verheiratung seiner Tochter Crestina, er war damit, wie er allen Leuten mitteilte, voll und ganz beschäftigt. Dies vor allem deswegen, weil außer seiner Frau Donada offenbar niemand im ganzen Haus von dieser Heirat überzeugt war. Riccardo nicht, Jacopo und Anna nicht, Crestina selbst schon gar nicht, und wenn er sich’s recht überlegte, gefiel ihm der Gedanke, seine Tochter in ein fremdes Land zu geben, Tausende von Meilen entfernt, auch nicht eben sonderlich gut. Und dies, obwohl alles so gut zusammenpaßte, daß man es sich besser nicht vorstellen konnte, wie Donada stets zu sagen pflegte, wenn es um diese Heirat ging und ihr Mann in Zweifel geriet.

Acht Scheiben Salz, sagte sie gerade voller Hochachtung, acht Scheiben, damit steht er an der Spitze, oder etwa nicht?

Ja, das tut er, sagte Alfonso Zibatti mit leichtem Unbehagen, da soeben Riccardo ins Zimmer gekommen war und im Bücherregal nach irgendeinem Band suchte. Aber das sei ja wohl nicht alles.

Hast du gehört, was dein Vater gesagt hat? fragte Donada mit Nachdruck und schaute zu Riccardo hinüber. Es könnte auch für dich wichtig sein.

Ich habe gehört, daß jemand acht Scheiben Salz im Hause hat, aber da ich nicht weiß, wer es hat und was es bedeutet, wird es wohl auch kaum von großer Wichtigkeit sein. Riccardo ging mit einem Packen Bücher wieder zur Tür.

Nicht von Wichtigkeit! sagte die Mutter vorwurfsvoll. Es sind die Salzscheiben, die Lukas’ Vater in seinem Haus aufbewahrt.

Und was ist daran aufregend? spottete Riccardo. Wenn es Juwelen wären oder sonstwas.

Donada schüttelte den Kopf. Hat dein Sohn nur immer studiert und sich nie für Geschäfte interessiert? fragte sie dann und schaute vorwurfsvoll ihren Mann an.

So ist es, sagte Alfonso Zibatti kurz. Er hat studiert.

Wenn ihr mir erklären würdet, was es mit diesen acht geheimnisvollen Salzscheiben auf sich hat, will ich sie gerne bewundern, sagte Riccardo bereitwillig und setzte seinen Packen Bücher auf dem Tisch ab.

Deine Schwester kommt in ein gutes und vermögendes Haus, sagte Donada.

Ich habe es bereits gehört, sagte Riccardo, in das des Lukas Helmbrecht, dessen Vater acht Salzscheiben aufbewahrt. Und einer, der so viel tun muß für die Allgemeinheit in Krisenzeiten, der muß ein vermögender Mann sein. Wenn es das ist, was ihr mir sagen wollt, so nehme ich es gern zur Kenntnis. Und über alles andere haben wir ja wohl schon genug gesprochen.

Hör zu, sagte Alfonso Zibatti, du mußt dich damit abfinden, mit dieser Hochzeit. Crestina ist im heiratsfähigen Alter, und es ist völlig normal, daß ein Mädchen in diesem Alter ihre Familie verläßt. Auch ihren Bruder verläßt. Dich verläßt.

Uns, korrigierte ihn Riccardo.

Dich, sagte Donada laut, vor allen Dingen dich. Und es ist gut, wenn du es dir klarmachst.

Und was meinst du damit, mit diesem dringenden Appell? fragte Riccardo wachsam.

Nichts, sagte die Mutter. Nichts.

Dann könne er ja gehen, meinte Riccardo und nahm die Bücher wieder auf. Er sei schon froh, wenn die Schwester nicht mehr den Untergang der Schiffe seines Vaters aufwiegen müsse. Mit Pfeffersäcken oder Safran oder Mumien.

Wenn wir die Villa an der Brenta einweihen, sagte Alfonso, wird der Vater von Lukas anwesend sein. Dann kannst du mit ihm reden und auch erfahren, wie sie dort leben wird. Sie werden sie auf Händen tragen.

Auf Händen tragen! Riccardo lachte auf. Das wird dann wohl auch alles sein, was sie tun werden und können, obwohl ich nicht mal das glaube. Um seine Schwester auf Händen zu tragen, habe ganz gewiß kaum jemand Zeit in diesem Haus. Es sind Kaufleute, sagte Riccardo verächtlich, und nichts als das.

Es ist Zeit, daß du deinen Hochmut ablegst, sagte der Vater zornig, und...

Und dieser Vater von Lukas, unterbrach ihn Riccardo, kann er etwa Ovid lesen oder Plato? Und dieser Lukas Helmbrecht, was weiß er? Hält er etwa Raffael für einen der drei Erzengel und Aristoteles für einen Dramatiker, oder denkt er, der Name tauge nur gut als Schiffsname?

Die Mutter lachte, tätschelte den Arm ihres Mannes und sagte: Aristoteles, keine schlechte Idee für dein neues Schiff. Wollen wir es so nennen? Ich hoffe, du hast endlich genügend Platz vorgesehen für meine Perücken und meine Schuhe, im alten war viel zuwenig Raum für alles.

Was ist es, was euch so stört? fragte Riccardo hartnäckig. Ich will’s endlich wissen. Darf man eine Schwester etwa nicht lieben?

Du darfst deine Schwester lieben, aber bei euch ist alles zuviel. Zuviel Liebe, zuviel an Zusammensein, zuviel ...

Zuviel Liebe, was ist das, zuviel Liebe, erklär mir’s!

Zuviel Liebe, das ist... Die Mutter stockte, hob hilflos die Arme. Nun, es ist... es ist eben zuviel.

Man kann nicht alles gemeinsam haben, sagte der Vater, nicht den Beruf, die Literatur, die Musik, die Beizjagd, die Freunde. Es muß auch so sein, daß jeder von euch seinen eigenen Weg geht.

Ja ja, Sara Coppio, sagte Riccardo lächelnd. Sag’s doch gleich, es stört euch, daß ich sie mitnehme zu einer Dichterin, zu einer jüdischen zudem. Sie könnte ja vielleicht auf die Idee kommen, daß es außer Sticken und Weben und dem Spinnrocken noch etwas anderes gibt im Leben einer Frau, das wichtiger sein könnte.

Du hast sie zu einem Maler geschickt, gibst ihr Lautenunterricht, lehrst sie Falken züchten...

Was ist schlecht daran – am Falkenzüchten, am Lautenspielen, am Malen? Könnt ihr mir das sagen? Schließlich tun das auch andere junge Mädchen, oder etwa nicht?

Ja, das tun sie, aber ihre Brüder tun etwas anderes, das ist der Unterschied, sagte die Mutter. Ich stelle mir einfach etwas anderes vor für ein junges Mädchen. Ich ...

Du stellst dir vor, daß sie auf der Loggia sitzt, Spitzen klöppelt und auf ihren Gatten wartet, bis er von der Handelsreise zurückkommt, möglichst mit Hunderten von Säcken mit Safran oder Pfeffer. Das ist es doch, was ihr sagen wollt, oder? Pfeffersäcke sollen sie interessieren, nicht Ovid und nicht Horaz. Sie wird nie diesen Pfeffersack heiraten, sagte Riccardo zornig, nie. Und wenn er seine Schwester entführen müsse.

Die Helmbrechts sind angesehene Kaufleute in Nürnberg, sagte der Vater, von jedermann geachtet, und der Vater ist im Rat der Stadt.

Mag sein, daß sie das alles sind, aber was ist sonst noch in ihren Köpfen außer Pfeffer? Gibt es da irgendwo auch nur einen einzigen Winkel für Literatur, für Musik, für Philosophie? Für etwas anderes als Geschäftsbücher?

Du versteigst dich, Sohn, sagte der Vater, und im übrigen ist sie nicht mit der Familie verheiratet, sondern mit Lukas. Und dieses Haus, das sie in Nürnberg haben wird, ist zwar kein Palazzo, hat aber genügend Platz für eine große Familie.

Im Augenblick ist sie, Gott sei Dank, noch mit gar niemandem verheiratet, sagte Riccardo mit Genugtuung. Und im übrigen sei er ganz sicher, daß für seine Schwester ein Haus mehr bedeute als nur einen Ort, der Platz habe für eine große Familie. Zumal noch gar nicht sicher sei, ob sie diese große Familie überhaupt wolle.

Versprochen ist versprochen, sagte der Vater hart. Ein Handschlag sei ein Handschlag, und das sei ein Leben lang bei ihm so gewesen. Bei ihm wie bei allen anderen, die vor ihm diesen Namen getragen hätten.

Sie starrten sich an, minutenlang, nahezu bewegungslos, dann drehte sich Riccardo abrupt um und ging zur Tür.

Hättest du auch den Mut, alle diejenigen, die vor dir waren, zu fragen, ob sie in dieser Situation genauso handeln würden wie du? fragte er und ließ die Tür hinter sich ins Schloß fallen.

Das Haus am Canal Grande

Dieses Haus, der Palazzo, war in Crestinas Kindheitserinnerungen ein Haus mit vielen Türen und unzähligen Treppen, Treppen außen, Treppen innen, Treppen bis unters Dach, dazu Räumen mit fast gar keinen Möbeln, Räumen mit so vielen Möbeln, daß das Atmen schwer wurde, mit Decken, die bis an den Himmel zu reichen schienen, Decken, die den Nacken berührten, und Türstürzen, bei denen normal große Menschen den Kopf einzogen.

Dieses Haus war bevölkert mit vielen Menschen, die mit schnellen Schritten die unzähligen Treppen hinaufhasteten – das waren die Diener, die ständig Kandelaber, Platten und Schüsseln hin und her trugen –, Menschen, die gemessenen Schrittes die Treppen benutzten, um Macht und Größe zu demonstrieren – das waren die, die dieses Haus regierten: der Vater, der Onkel, deren Frauen, die aber bereits genau eine Stufe unter den beiden Brüdern, die gleichrangig nebeneinander standen. Sie hatten einen Namen, den sie allen anderen einst weitergeben würden, einen starken Namen, einen, der im Goldenen Buch der Stadt eingetragen war. Ein Name, der nie vergehen würde, wie alle glaubten, die ihn trugen.

Dieses Haus, das nicht nur nach seinen Treppen und Räumen eingeteilt werden konnte, sondern auch nach den Graden seiner Wärme und Kälte.

Das Wassergeschoß, der androne, im Winter stets feuchtkalt, im Sommer kühl. Hier legten die Barken an und brachten die Waren, die von den Dienern dann in den unteren Räumen gestapelt wurden. Hier liefen außer den vielen Menschen, die normalerweise schon dieses Haus bevölkerten, noch einmal so viele herum, schleppten Ballen mit Stoffen, Fässer mit Wein und andere Dinge. Er handelt mit vielem, dieser Alfonso Zibatti, sagten die Nachbarn bewundernd.

Der androne war auch der Ort, an dem die lädierten Gondeln ihren Platz hatten. Sie besaßen inzwischen drei, weil ganz gewiß eine davon ständig repariert werden mußte, und Jacopo, der dafür zuständig war, stöhnte bisweilen, daß er nicht wisse, wie er zu all der Arbeit, die er schon habe, nun auch wieder eine der Gondeln zurechtflicken solle.

Die Küche, die von der rechten Seite des androne abging, war riesengroß, fast halb so groß wie die sala im ersten Stock. An der einen Wand der mächtige Kamin, an den übrigen Wänden große Regale, die die Töpfe, Pfannen und das Geschirr aufnahmen. In der Mitte des Raumes dann drei große, lange Tische. Bei Festen sah es hier so aus, als befinde man sich auf dem Gemüsemarkt oder bei den Fischständen am Rialto, und Crestina hatte als Kind, wenn sie hierher kam, um sich zu wärmen, oft das Gefühl, sie könne verlorengehen, wenn sie nicht recht aufpaßte.

Das Hauptgeschoß, der piano nobile, mit dem Kaminzimmer, dem salotto, und der sala: im Winter ebenfalls eiskalt, im Sommer jedoch keinesfalls kühl. Hier fanden die großen Empfänge statt, die Feste, die der Vater und der Onkel, als er noch mit seiner Familie hier lebte, aus Anlaß eines Geschäftserfolges zu geben pflegten. Wieder unzählige Menschen, meist Frauen, die an den Wänden entlang saßen, auf langen Bänken, warteten, daß sie zum Tanz aufgefordert wurden, warteten, daß das Essen gereicht wurde, warteten, daß irgend etwas stattfand, von dem sie Wochen später noch erzählen konnten: Dieser Alfonso, wißt ihr, seine Bäume scheinen allmählich in den Himmel zu wachsen.

Darüber und darunter dann jene Stockwerke, in denen das eigentliche Leben stattfand, in denen man lebte, nicht repräsentierte oder arbeitete. Die Mezzanine, die Halbgeschosse. Sie beherbergten gemütliche kleine Räume, mit Kohlenbecken, heizbar die meisten, was von den übrigen nicht gesagt werden konnte. Hier fanden sie sich zusammen zum Schlafen, Reden, Handarbeiten, zu tausend Dingen, für die die anderen Räume ungeeignet waren.

Unter dem Dach dann die winzigsten Zimmer, Kammern nur, in denen die Diener schliefen, zumindest einige von ihnen. Riccardo hatte sein Studio einen halben Stock darunter, weil er, wie er sagte, nicht ständig Leute durch seinen Raum rennen sehen wollte. Und ganz oben schließlich auf dem Dach, über ein enges Treppchen zu erreichen, die Altane, ein Ort, den Crestina mit zu den glücklichsten Orten ihrer Kindheit zählte. Hier war das Reich von Anna, hier waltete sie, lüftete Teppiche, hängte jeden Tag Berge von Wäsche zum Trocknen auf und schalt ebenso jeden Tag mit den Kindern, die zwischen diesen Wäschestücken Verstecken spielten und ihre schmutzigen Finger an den frisch gewaschenen Leintüchern abwischten.

Wenn es ganz heiß war, saß auch Donada bisweilen hier oben und ließ ihre Haare in der Sonne bleichen, wie dies allgemein üblich war.

Die Stunden, an denen die Familie bei den Mahlzeiten zusammen war, sie waren schön, aber keinesfalls von Ruhe erfüllt. Die Entscheidung, in welchem Zimmer heute gegessen wurde, sie wurde stets neu gefällt, was hätten die Diener denn auch sonst zu tun gehabt, wenn nicht das ständige Hin- und Hertragen von Tischen und Stühlen notwendig gewesen wäre. Es ist anregend, sagte die Mutter, jeden Tag in einem anderen Raum zu speisen.

Wärme und Kälte regierten dieses Haus. Äußerliche Kälte, äußerliche Wärme. Aber es gab auch die innerliche Kälte, die innerliche Wärme, und manchmal teilte Crestina das Haus nach diesen Kategorien ein.

Das Zimmer des Vaters etwa war ein Raum, der Wärme ausstrahlte. Die Bücher in den Regalen rings an den Wänden bis zur Decke hoch, der strenge Geruch der ledernen Bucheinbände, die Weltkugel, die der Vater erst kürzlich gekauft hatte, dies alles umhüllte sie, vermittelte ihr Geborgenheit. Der Vater dann in einem Stuhl, der höher war als normale Stühle. Der Vater, so stark und so mächtig wie der Doge, so sah sie ihn zumindest als Kind. Er verdient das Doppelte wie der Doge, hatte irgend jemand einmal gesagt, und sie hatte es geglaubt, weil es zumindest damals sicher der Wahrheit entsprach.

Die Räume, in denen sie miteinander umgingen, entsprachen jeweils dem Ereignis, das in diesen Räumen stattfand. Strafe wurde verkündigt im piano nobile, egal, wem sie zugedacht war, ihren Brüdern oder ihr. Für Belobigung, falls sie überhaupt stattfand, war die Bibliothek zuständig. Das, was sie weder beim Vater noch bei der Mutter fand, die ohnehin ihre zweite Mutter war, eine Stelle, an der Kinder ihren Kleinkram abladen, war dagegen die Küche. Und Anna. Anna konnte zuhören, mit ihr hatte sie jemanden, der nichts weiter tat als am Tisch sitzen, vielleicht dabei Zwiebeln schälte, Fische entgrätete, Gemüse putzte, risi e bisi vorbereitete oder auch nur das Kalbfleisch in so feine Scheiben schnitt, daß man nahezu durch sie hindurchschauen konnte.

Anna war stets da, oder nahezu immer, der Vater dagegen so gut wie nie. Die Mutter blieb in ihre eigene Welt eingesponnen, in die Welt der Frau, die sie darzustellen hatte, und vergaß bisweilen, daß sie Kinder zu betreuen hatte, die um sie herum lebten, auch wenn sie sie nicht geboren hatte.

Über Anna erfuhr man alles, was in diesem Haus geschah. Anna war der Ort, zu dem man brachte und von dem man holte, jemand, der wunde Knie verband, verbrannte Finger mit Öl betupfte, heiße Ziegelsteine ins Bett legte, heimlich, weil Verwöhnen in diesem Haus nur bei Krankheit erlaubt war. Ansonsten fror man. So wie alle froren. Die ganze Stadt fror. Man stand beisammen, vielleicht auf der Straße, in der Kirche oder sonstwo, und erzählte es sich. Zwei Dekken und immer noch gefroren. Und man erzählte es sich so, wie die Soldaten von Lepanto erzählten, daß sie die Türken besiegt hatten: voller Stolz. Und das Gliederreißen hatte ohnehin jeder. Was also viel darüber reden, hieß es. Und war es nicht besser, dieses Gliederreißen, als die Pest?

Daß es außerhalb dieses Palastes Menschen gab, die anders lebten, nicht so viele Diener hatten wie der Vater und der Onkel, nicht so viele Räume, die bis zur Decke vollgestopft waren mit Waren, ging Crestina erst sehr spät auf. Sie erinnerte sich noch genau an den Tag. Sie war mit Anna in die Stadt gegangen, sie hatten miteinander eingekauft, Strümpfe hatte sie nötig gehabt, ein Paar Schuhe auch. Dann waren sie auf dem Heimweg an einer Kirche vorbeigekommen, die hinter San Marco lag. Sie hatte diese Kirche nie wahrgenommen, weil die Stadt so unendlich viele Kirchen hatte, daß sie als Kind Mühe hatte, sie auseinanderzuhalten. Anna war vor der Kirche stehengeblieben, vor dem rechten Eingang hatte sie sich bekreuzigt, es war kalt, sie hatte Anna an der Hand weitergezogen, aber Anna war hartnäckig stehengeblieben, als wären ihre Beine in der Erde festgewachsen oder als halte sie eine magische Kraft an diesem Ort fest. Als sie schließlich weitergingen, hatte sie Tränen in Annas Augen gesehen, hatte wissen wollen, weshalb, aber Anna hatte den Kopf geschüttelt und gesagt: Das verstehst du nicht. Später zu Hause hatte die Mutter gefragt, weshalb sie so lange unterwegs gewesen seien, es sei ja eisig kalt heute. Und Crestina hatte erzählt von dieser Kirche, daß Anna dort so lange stehengeblieben sei und geweint habe. Die Mutter hatte den Kopf geschüttelt, irgend etwas von schlimmen Zeiten gemurmelt und zögernd berichtet, daß Anna dort, nahezu selber ein Kind, ihr Neugeborenes abgelegt habe, weil sie es nie hätte ernähren können. Ein Findelkind, hatte die Mutter gesagt, ein Findelkind in dieser Stadt wie hundert andere auch, und sie müsse demnächst mal wieder bei San Rocco vorbeigehen und dort mit den Frauen gemeinsam beratschlagen, was man gegen das Elend in dieser Stadt tun könne.

Wenn die Mutter San Rocco erwähnte und daß sie dort vorbeigehen wolle, war für alle Bewohner des Hauses Zibatti klar, daß zwar wieder einmal San Rocco auf Donadas langer Liste der Besorgungen stehen würde, aber mit absoluter Sicherheit an letzter Stelle. Denn es war klar, daß Donada solche Anstrengungen für das Gemeinwohl überhaupt nur dann in Erwägung ziehen würde, wenn die Besuche beim Perückenmacher, der Schneiderin und der Putzmacherin sowie eine Massage hinter ihr lagen und ein Treffen mit ihren Freundinnen bevorstand, ein Zusammensein, bei dem sie stets die Aktivitäten ihrer Barmherzigkeit, wie sie es nannte, mit grandioser Geste darzustellen pflegte.

Sie lud zu diesen Treffen immer nur Frauen ein, deren Männer wie Alfonso Zibatti Mitglieder der Scuola di San Rocco waren, weil sie es haßte, wenn ihr zum Beispiel Frauen der Scuola di San Marco vorrechneten, wie viele Advokaten, Notare und höhere Beamte ihre Scuola als Mitglieder aufzuweisen habe. Weshalb sind es bei uns nur drei Advokaten, fragte sie dann vorwurfsvoll ihren Mann, nur drei Notare und ein Gemeindesekretär, wenn es bei den anderen so viele sind?

An solchen Punkten pflegte Alfonso das zu tun, was er sich in seinem Zusammenleben mit Donada bereits seit Jahren zur Gewohnheit hatte werden lassen: Er lenkte ihre Gedanken auf Dinge, von denen er wußte, daß Donada sie sofort zu ihrer Sache machen würde. Dieser Umzug zum Beispiel, diese Prozession an corpus domini oder zur Ehre Marias, wie weit sie denn seien mit ihren Vorbereitungen? Er habe gehört, daß die Scuola di San Giovanni Evangelista sich überlegte, ob sie sich von einer Gruppe von Flagellanten bei diesem Umzug begleiten lassen wolle wie in vergangenen Jahrhunderten, und daß die Mitglieder der Scuola della Misericordia sich wunderbare Szenen aus der Bibel ausgedacht hätten, die in dem Zug dargestellt werden sollten.

Sie habe siebenundzwanzig Knaben als Engel in silberne Brokatgewänder gesteckt, ereiferte sich Donada sofort, und es solle ihr erst einmal jemand nachmachen, wie sie sich die Darstellung Moses’ und der zwölf Stämme ausgedacht habe, und das Floß, das sie habe bauen lassen, übertreffe an Prunk ganz gewiß sämtliche Darstellungen der Scuola di Santa Maria della Carita, San Giovanni Evangelista und aller anderen scuole zusammen.

Bei diesen Treffen im Hause Zibatti, bei denen Donada die Aktivitäten ihrer Barmherzigkeit ins rechte Licht rückte, ging es zwar stets um die eigentlichen Belange der scuole grandi – Krankenhausbau, Waisenbetreuung, die Versorgung von Witwen, die Mitgift von armen Mädchen oder die Fürsorge für Mitglieder der scuola, die in Not geraten waren –, aber Donada wußte es immer so einzurichten, daß dabei auch alle anderen Dinge, die ihr wichtig waren, nicht zu kurz kamen. Zu ihnen gehörte in erster Linie die Gemäldesammlung ihres Mannes, der zu der beträchtlichen Anzahl der bereits von seinem Vater gesammelten Werke Tizians eine ganze Reihe neuer Bilder dazuerworben hatte. Sie legte nicht nur Wert darauf, daß der Kreis derer, die die Sammlung kannten, wechselte, damit die Bewunderung für diese Bilder stets frisch blieb und keinen Rost ansetzte, sondern vor allem auch darauf, daß dieser Palazzo, der in den Augen von Donada einzigartig war, stets von einer anderen Seite vorgeführt werden konnte. War es heute die Bibliothek, in der man bei Kakao und Kuchen und Kerzenschein über das Unglück von armen Waisen nachdachte, so war es beim nächstenmal das Kaminzimmer, in dem man sich vor brennenden Scheiten beratschlagte, wie Gefangenen geholfen werden konnte, die in kalten Verliesen saßen, oder wie die Almosen unter den Hungernden zu verteilen waren, was Riccardo bisweilen zu der bissigen Bemerkung verführte, daß sich die Reichen dieser Stadt die Armen hielten wie Sklaven und daß sie sie lediglich brauchten zu ihrer Selbstdarstellung und zu nichts sonst.

All das, was Donada selbst nicht war, war der Palazzo. Er bot den Hintergrund, vor dem ein scheinbar buntschillernder Schmetterling eine Pracht entfalten konnte, die er in Wirklichkeit gar nicht besaß. Eine Pracht, die ihm zuzugestehen freilich jedermann bereit war, weil keiner merkte, daß dieser Schmetterling ohne diesen Hintergrund nichts weiter sein würde als eine graubraune, unscheinbare Motte.

Der dies dachte, war ebenfalls Riccardo. Es zu äußern, selbst gegenüber seiner Schwester Crestina, verbot er sich. Weil in diesem Palazzo kaum etwas gesagt werden konnte, was nicht sofort wie ein tausendfaches Echo über seltsam verschlungene Wege zu dem gedrungen wäre, den es zwar betraf, dem es aber keinesfalls gutgetan hätte, es zu erfahren.

Der Flug des Falken

Der Falke stieg senkrecht in den Himmel empor, schüttelte sich und verharrte für einen Augenblick über dem freien Waldstück, als wolle er sich besinnen, ob eine Rückkehr erwägenswert sei, dann schoß er nahezu im Sturzflug zwischen den Bäumen hindurch, ohne sich jedoch um den Reiher zu kümmern, auf den er angesetzt worden war, und verschwand.

Er wird nie zu dir zurückkommen.

Crestina wußte Bartolomeo hinter sich, obwohl sie ihn nicht hatte kommen hören. Und sie wußte, daß sie ihn in diesem Augenblick haßte. Wegen dieses Satzes. Sie drehte sich um, sah ihn stehen mit der abgeschabten Jagdtasche über der Schulter, die Schnur mit den toten Krähen an der Tasche, den Habicht auf der Hand. Sie sah ihn lächeln.

Und sie wußte, daß das, was sie empfand, wirklich Haß war, nicht etwas, was nur in die Nähe dieser Regung kam. Ein Haß, der im Laufe der Jahre, in denen Bartolomeo immer wieder für kürzere oder längere Zeit bei ihnen gewohnt hatte, ganz langsam herangewachsen war, Stück für Stück sich angesammelt hatte, wie in einem Gefäß aufbewahrt, dessen Deckel sie verschlossen hielt, weil die Zeit noch nicht da war, dieses Gefäß zu öffnen.

Als Riccardo einige Minuten später heranhastete, wiederholte Bartolomeo den Satz. Er wiederholte ihn ohne Schärfe, in aller Sanftheit, so als gebe er lediglich irgendeine Bemerkung über das Wetter ab.

Riccardo sah ihn an, zog die Brauen hoch, ging zu Crestina und legte seine Hand auf ihre Schulter: Wir werden warten.

Bartolomeo lachte auf. Warten? Und wie lange wollt ihr warten? sagte er dann belustigt, bis heute abend etwa, bis zu der Hauseinweihung an der Brenta?

Hör auf, sagte Riccardo, spar dir deine Reden! Es ist der erste Flug, und es ist ihr erster eigener Falke.

Bartolomeo hielt ihm die Krähen entgegen. Solange sie keinen Sperber oder Habicht fliegen kann, hätte sie die Hände von einem Falken lassen sollen. Zumal von einem solchen. Er lachte wieder. Einen Gerfalken! Aus Island! Wieviel hast du für ihn bezahlt, Vetter? Ich wette, es waren mehr als fünfhundert Dukaten!

Hör auf, sagte Riccardo und schaute gespannt zu dem Waldstück hinüber. Ich brauche deinen Rat nicht.

Ein weißer Gerfalke aus Island! sagte Bartolomeo kopfschüttelnd. Ich kann’s einfach nicht glauben. Wie kannst du nur annehmen, daß sie mit solch einem Tier auf die Jagd gehen kann!

Ich sag’s noch mal: Ich brauch’ deinen Rat nicht.

Sie hat alles falsch gemacht, sagte Bartolomeo hartnäckig, einfach alles.

Komm, laß es gut sein, lenkte Riccardo ein. Mag ja sein, daß sie einiges falsch gemacht hat, ich war nicht da, als sie ihn aufzog.

Einiges? Sie hat einfach alles falsch gemacht, alles, ereiferte sich Bartolomeo. Sie hatte zu nichts Geduld. Sie hat weder warten können, bis seine Federn trockengeschoben waren, noch hat sie die simpelsten Regeln bei der Aufzucht beachtet. Beim Atzen ist sie, wer weiß wie lange, in seiner Mauserkammer geblieben. Und hat geredet mit ihm, hörst du, geredet! Sie redet mit einem Nestling wie Franziskus mit den Vögeln – oder wie mit einer Katze oder einem Hund! Schenk ihr doch nächstens eine Jungkatze, dann hat sie etwas zum Reden oder zum Streicheln, wenn sie das unbedingt braucht. Bevor er zum erstenmal den Schnabel aufgemacht hat, hatte sie bereits einen Schreier großgezogen, damit du es nur weißt. Sie hat ihn verweichlicht vom ersten Tag an, und du wußtest es.

Meine Schwester steht hier, sagte Riccardo, hier neben uns, vielleicht könntest du dir das klarmachen. Du redest von ihr, als wenn sie nicht da wäre.

Nächtelang konnte ich nicht schlafen, fuhr Bartolomeo wütend fort, nächtelang, weil er herumschrie in seiner Volière. Überhaupt diese Volière! Ein Falke gehört in eine Mauserkammer und sonst nirgendwohin.

Ich hab’ ihn nie schreien hören, sagte Riccardo.

Natürlich hast du das nie, du schläfst ja auch zum Kanal hinaus und nicht in der hintersten Stube wie die armen Verwandten.

Hör endlich auf! Du weißt genau, daß meine Eltern dich immer aufgenommen haben wie einen von uns. Du gehörst zur Familie.

O ja, ganz gewiß haben sie das, spottete Bartolomeo, und zur Familie gehöre ich dann, wenn Besuch kommt. Wenn jedermann von euch damit protzen kann, daß ihr einen armen Vetter bei euch wohnen habt und ihm eine Erziehung angedeihen laßt wie den eigenen Kindern. Wie edel!

Ich geh’ zum Boot, sagte Crestina und hob ihre leere Jagdtasche auf. Ihr kommt ja wohl ohne weiteres ohne mich aus.

Sie taugt einfach nicht dazu, solch ein Tier zu haben, sagte Bartolomeo, als Crestina gegangen war. Glaub mir, ich mein’s gut mit dir und gut mit ihr. Sie ist einfach zu zimperlich. Sie ist eine Frau.

Wieso ist sie zimperlich?

Wenn du solch ein Tier hast, mußt du dich auch dafür verantwortlich fühlen. Du kannst dir nicht alle unangenehmen Arbeiten von jemand anderem machen lassen.

Welche Arbeiten?

Das Kopfabreißen zum Beispiel. Jeder Altvogel wirft die Beute angerissen in den Horst, ohne Kopf, aber sie hat sich das natürlich von Jacopo machen lassen oder von mir, wenn Jacopo nicht da war. Und weißt du überhaupt, weshalb er weg ist, dein weißer Fünfhundert-Dukaten-Gerfalke aus Island? Weil sie ihn nicht mal gegen den Wind geworfen hat! Sie hat freundlich hei! gerufen, und weg war er. Außerdem war er nicht genügend eingejagt. Du kannst einen Falken nicht dreimal an die Leine legen und dann hoffen, daß alles so läuft, wie es laufen soll. Und wenn sie sich nicht mal traut, ihm die Kappe selber aufzusetzen, so hätte sie ihn besser unverkappt getragen. Dann hätte sie auch schöner mit ihm reden können. Vielleicht wäre er dann auch gehorsamer gewesen.

Riccardo drehte sich um, hängte sich die Jagdtasche über die Schulter und wandte sich zum Gehen. Verrätst du mir noch, was das alles soll, lieber Vetter, wenn es nicht purer Neid ist?

O nein, nicht schon wieder damit! wehrte Bartolomeo ab. Ich bin Habichtler, weil es mir Spaß macht. Und meine Erfahrung mit Tieren, die man nicht beherrscht, die habe ich mit zehn gemacht, das weißt du vermutlich noch. Daß dieser verrückte Steinadler sich mehr für meinen Hals interessierte als für meinen Handschuh, das war mein Fehler. Und ich habe daraus gelernt.

Krähenbeize, ist das eigentlich lustig, Vetter? spottete Riccardo. Ja, sagte Bartolomeo freundlich, sehr sogar. Euer Boot treibt ab, sagte er dann und deutete zum Fluß hinunter. Wenn sie es weiter treiben läßt, dann landet es vielleicht von selbst bei der Villa, wo ihr heute abend feiern wollt. Rudern kann sie ja wohl auch nicht, oder?

Kommt er nicht mit? fragte Crestina später, als sie mit Riccardo die Brenta hinabruderte.

Nein, sagte Riccardo.

Und weshalb nicht?

Weil er verrückt ist, sagte Riccardo laut, viel lauter, als er es eigentlich sagen wollte. Er ist verrückt und überheblich, so wie ich noch nie einen Menschen kennengelernt habe.

Vielleicht hat er ja recht, sagte Crestina, vielleicht hätte ich wirklich mit einem Habicht anfangen sollen. Was macht er eigentlich mit seinen Krähen?

Riccardo zuckte mit den Achseln. Früher, bei sich zu Hause, hat er sie ausgeweidet und die präparierten Köpfe in seinem Zimmer auf ein Regal über dem Bett gestellt. Wenn er einen verkaufen konnte, tat er es.

Und jetzt, was macht er jetzt damit?

Riccardo schüttelte den Kopf. Ich weiß es nicht. Vermutlich das gleiche. Ich war noch nie in seinem Zimmer.

Und weshalb macht er das?

Die ständige Gegenwart des Todes, er liebt sie. Er berauscht sich an ihr. Manchmal denke ich, er ist in den Tod verliebt.

In den Tod verliebt – er muß wirklich verrückt sein, unser Vetter.

Als Bartolomeo in jener Nacht der Überschwemmung zu ihnen gekommen war, war klar, daß er von nun an bei ihnen wohnen würde, da die Zibatti die einzigen Verwandten waren, die er hatte. Es war ebenso klar, daß er alle seine Wünsche und Ziele nun statt mit seiner Mutter mit seinem Oheim besprechen mußte und daß er sich zu fügen hatte, wenn sie dem entgegenliefen, was Alfonso wollte. Dies betraf aber nur die äußeren Umstände, in die er hineingeworfen worden war. Nie zum Beispiel hätte er auch nur einen einzigen Satz gegen das Zimmer gesagt, das sie ihm zugewiesen hatten. Er ging hinein, öffnete das Fenster, sah, daß es auf eine enge, schwarze Gasse führte, und zog daraufhin die dicken Portieren zu, damit er diese finstere Gasse nicht mehr sehen mußte. Er zog sie nie auf, diese Portieren, egal, wie dunkel dieses Zimmer auch im Winter wurde. Wofür er sich einmal entschieden hatte, das beließ er stets so, und es war ihm auch nicht ein einziges Wort der Beschwerde wert. Alle armen Verwandten wohnten in allen Palazzi dieser Stadt in diesen oder ähnlichen Dachkammern.

Dinge, die nicht das Äußere betrafen, sondern ihn im Innern seiner Person berührten, nahm er jedoch nicht hin. Er wird sich eingewöhnen, hatte Anna zuversichtlich gesagt, auch wenn er als Kind schon seine Eigenheiten hatte. Die kindlichen Eigenheiten hatten darin bestanden, daß Bartolomeo sich nie von irgend jemandem hatte berühren lassen, nicht einmal von Anna. Gebadet zu werden hatte er schlichtweg abgelehnt, das heißt, das Baden im hölzernen Trog und mit heißem Wasser, wie Anna es mit den übrigen Kindern zu tun pflegte. Bartolomeo badete in der Lagune, egal, wie kalt das Wasser war, und er badete selbst im Winter dort. Sie wußten nie, wo er badete, aber es mußte weit draußen bei irgendeiner der Inseln sein. Stets kam er mit blaugefrorenen Lippen und am ganzen Körper zitternd zurück, doch er duldete es selbst dann nicht, daß Anna ihm einen heißen Ziegelstein ins Bett legte oder ihm ein Glas heiße Milch in die Kammer brachte. Er brauchte niemanden und niemandes Zärtlichkeit. Er kam aus ohne all das. Und natürlich hatte er sich nach der Überschwemmung nie eingelebt, wie Anna es gehofft hatte. Er stand stets außerhalb. Nicht weil es die Familie so wollte, sondern weil Bartolomeo es so wollte. Er wurde größer, dünner, seine Augen wurden schlechter, eine Brille lehnte er ab. Sie sei zu teuer, sagte er, als sein Oheim ihm anbot, mit ihm nach Murano zu fahren und dort eine auszusuchen. Er komme aus mit der Lupe, sie reiche ihm völlig. Daß er von einer Lagunenseite zur anderen die Leute nur als völlig verschwommene Schemen sehen konnte, verschwieg er.

Was er in seinem Zimmer tat, wenn er allein war, wußte niemand. Er hielt es stets verschlossen, und das Reinigen besorgte er selber. Er habe immer geputzt, sagte er, als seine Mutter all die Jahre krank gewesen sei, habe er die Wohnung immer geputzt.

Er interessierte sich auch nicht für Frauen. Wenn die anderen ihn deshalb neckten, zitierte er die Sätze von Aristoteles, daß Frauen nur zur Fortpflanzung dienten und zu sonst nichts, und den Schluß seines Plädoyers für eine Welt ohne Frauen garnierte er mit Augustinus und seinen Auslassungen über die Sünde. Überhaupt schien es, als kreise sein ganzes Denken von früh bis spät um die Sünde. Natürlich hätte auch er zu denen gehört, die Reisig auf den Scheiterhaufen von Giordano Bruno warfen, weil das ein Stück der eigenen Sünde wegnahm, und er gab auch ohne weiteres zu, daß er nur deswegen nach Rom gereist sei, um sich die Stelle anzuschauen, an der die Inquisition Bruno verbrannt habe. Und mit Galilei, dessen war er ganz sicher, würden sie wohl kaum anders verfahren können.

Es waren stets Gespräche bei Tisch, bei denen er diese Themen berührte, und bisweilen sagte Riccardo bissig, beim nächsten Gespräch dieser Art verlasse er den Tisch. Essen sei ein Genuß und müsse nicht unbedingt dazu mißbraucht werden, um einer größeren Gemeinde alle Grausamkeiten dieser Welt zu verkünden.

Sie haben einen ausgepeitscht, konnte Bartolomeo zum Beispiel berichten, sie haben schon wieder einen ausgepeitscht, von San Marco bis zum Rialto. Er hatte blutige Striemen, noch bevor er vor San Moisè ankam, konnte er völlig sachlich sagen und dabei in aller Ruhe seine Suppe löffeln.

Und woher weißt du das so genau? fragte Riccardo.

Woher? Bartolomeo schaute ihn verblüfft an, nun woher wohl? Ich bin hinter ihm drein gegangen.

Und hast zugeschaut?

Alle haben zugeschaut, sagte Bartolomeo ruhig, alle, und nahm sich eine zweite Portion Fleisch. Es schauen immer alle zu. Und das sei auch völlig richtig, sonst wirke ja die Strafe nicht.

Ein andermal erzählte er mit sichtlicher Zufriedenheit, er finde es gut, daß man in Rom auf Michelangelos Bildern die Blößen der Nackten mit gemalten Tüchern habe bedecken lassen.

Mit Tüchern, spottete Riccardo, mit gemalten Tüchern gegen Michelangelo! Als ob irgendeiner dieser Leute auch nur einen Funken Verstand habe, und von Kunst verstünden sie ja wohl überhaupt nichts. Wie andere Leute wohl auch, fügte er dann hinzu und schaute zu Bartolomeo hinüber.

Aber Bartolomeo hob nur die Schultern. Dann verstehe er eben nichts von Kunst. Wenn Kunst unbedingt unzüchtig sein müsse, dann sei ihm Kunst egal. So wie ihm vieles andere ja auch egal sei. Er sagte nicht, was es war, was ihm egal sei. Aber sie wußten, daß vieles, wodurch er sich gedemütigt fühlte, einfach von ihm abglitt, als existiere es nicht. Die abgetragenen Kleider seiner Vettern zum Beispiel, besonders die von Alessandro: Er trug sie, sie hingen an ihm wie an einer Vogelscheuche, aber es schien ihn nicht zu berühren. Er trug sie klaglos, sie wurden nie zu den seinen, blieben ihm immer fremd. Er ging über sie hinweg, als seien sie ein Beiwerk, das nichts mit ihm zu tun habe, und als wisse er bereits jetzt ganz sicher, daß er diese Kleider eines Tages überwinden werde. Die Kleider, mit denen er einst gekommen war in jener Nacht der Überschwemmung, hatten sie weggeworfen, aber es war allen klar, daß es die einzigen Kleider gewesen waren, in denen er je ganz er selbst gewesen war.

Wie sein Zimmer hielt er auch seine Gedanken unter Verschluß. Nicht einmal Lorenzo, seinem Freund, der Franziskanermönch werden wollte, vertraute er sie voll und ganz an, obwohl der der einzige Mensch war, mit dem er je über sich sprach. Es waren gewaltige Gedanken, die er zuweilen hatte, Gedanken, von denen er wußte, sie waren möglicherweise zu groß für ihn. Zumindest einer, den er auch Lorenzo nicht anvertraute. Als Inquisitor eines Tages in das Haus seines Oheims zu kommen, mit einer lässigen Geste auf irgendwelche verbotenen Bücher zu deuten und sie auf die Straße werfen und verbrennen zu lassen – das war’s, was er in seinen kühnsten Träumen sich vorstellte. Er wußte, daß er Zeit brauchen werde, um solche Gedanken vielleicht eines Tages wahr werden zu lassen. Aber dann – und dessen war er sich ganz sicher – würde er die Sünde für immer und alle Zeiten aus diesem Haus vertreiben.

Und – auch dessen war er sich gewiß – sie würden ihm alle dafür dankbar sein.

Die Limonaia

Limonaia, so hatten sie es ihr später erzählt, sei das erste Wort gewesen, das sie einwandfrei habe sagen können. Das zweite sei Riccardo gewesen. Daß weder Vater noch Mutter zu Crestinas ersten Wörtern gehört hatten, lag zum einen daran, daß der Vater so gut wie nie zu Hause war und, falls er dies war, wie ein ferner, großer Gott über den Wolken schwebte und daß eine Mutter nicht existierte, weil sie bei Crestinas Geburt gestorben war.

Die limonaia hatte es gegeben, bevor es diese Villa an der Brenta gab, deren Einweihung sie heute nun endlich feiern konnten. Die limonaia war eine Art Gewächshaus, in dem im Winter die Zitronen- und Orangenbäume untergebracht wurden, damit sie nicht erfroren.

Aber die limonaia war nicht nur der Aufbewahrungsort für empfindliche Pflanzen, sie war mehr. Genau genommen hätte die limonaia eigentlich gar keiner Pflanzen bedurft, um zu dem zu werden, was sie für Crestina war: ein Raum, in dem alle Träume zunächst geträumt wurden, bevor sie Einzug hielten in den Palazzo. Ein Ort, an dem sie ihren Freundinnen ihre Geheimnisse mitteilte, von Riccardo den ersten Unterricht in Griechisch und Latein erhielt, und vor allem ein Platz, an dem der Großvater ihr Geschichten erzählt hatte. Wilde Geschichten, die nicht immer den Beifall von Riccardo fanden, wenn er davon erfuhr. Was willst du, hatte sich der Großvater stets lachend gewehrt, ich denke, du möchtest nicht, daß sie verweichlicht.

Nicht verweichlichen und Angst erzeugen bei einem Kind seien zwei verschiedene Dinge, hatte Riccardo erwidert. Was den Großvater aber keinesfalls davon abgehalten hatte, weiter Geschichten zu erzählen, die sie unter die Decke schlüpfen ließen, wenn das Licht gelöscht wurde und das Kohlenbecken nur noch einen leise glimmenden Schein von sich gab.

Die limonaia war nicht immer ein Raum gewesen, in dem man schlafen, essen, Tee trinken und Geschichten erzählen konnte. Sie hatte ursprünglich zusammen mit einem kleinen Teil Land zum Nachbargrundstück gehört und war zunächst nichts weiter als eine Hütte, in der der Nachbar sein Angelzeug und seine Gartengeräte aufbewahrt hatte. Diesem Nachbarn hatte der Großvater die Hütte eines Tages abgekauft und sie zu einem Gewächshaus umbauen lassen, in dem er die Zitronen- und Orangenbäume unterbringen konnte, die das Klima im Winter nicht vertrugen. Als es Mode wurde, Landhäuser zu bauen und den ganzen Sommer über in ihnen zu wohnen, hatte er ein riesiges Grundstück dazugekauft und von dem größten und bewundertsten Baumeister seiner Zeit, Palladio, den Plan für eine Villa entwerfen lassen. Mit dem Bau des Hauses war begonnen worden, dann gab es einen Rückschlag im Geschäft, und es hatte nicht zu Ende gebaut werden können, weil das Geld dazu nicht mehr reichte. Zu jener Zeit begann sich der Nachbar wieder für seine Hütte, die inzwischen zur limonaia geworden war, zu interessieren, und der Großvater überließ sie ihm, weil er das Geld gut gebrauchen konnte. Nach seinem Tod erbten seine Söhne ein halbfertiges Landhaus, und weil sie es gerne fertiggebaut hätten, brauchten sie eine Bleibe, um die Arbeiten an Ort und Stelle überwachen zu können. Also kaufte Alfonso Zibatti die limonaia zurück, und da er es leid war, sich von Freunden verspotten zu lassen, wenn sie hier draußen ihre Feste feierten, noch bevor das Haus fertig war – na, ist es jetzt deine limonaia, oder gehört sie inzwischen dem Dogen oder sonstwem? –, hatte er sie kurzerhand zu Lebzeiten bereits seinen Kindern vermacht, ohne es ihnen jedoch zu sagen.

Riccardo hatte sich im Lauf der Jahre den Raum eingerichtet, zunächst ein Stehpult herbeischaffen lassen, später eine einfache Holzpritsche, mehr als spartanisch, aber immerhin so, daß man hier im Sommer wohnen konnte, und falls die Kälte nicht allzu groß war, konnte man auch an manchen Wintertagen hier übernachten.

Zu der Villa gehörte ein Garten. Ein großer Garten, der mehr ein Park war und in dessen Labyrinth man sich verlaufen konnte, wenn man nicht genau Bescheid wußte. Als Kind fiel Crestina einmal in den Teich, und es war nur Jacopo zu verdanken, daß sie noch lebte, da Riccardo nicht anwesend war und die Mutter mit ihrem Freund, ihrem Cicisbeo, gerade eine Bootsfahrt unternommen hatte.

Die limonaia war also, wie die Mutter spottend sagte, der Ort der Glückseligkeit für die Kinder, die vermutlich auch schon zufrieden wären, wenn es an der Brenta nichts anderes gäbe als diesen Raum. Die limonaia war, wenn sie die Kinder beschrieben, Wasserfeuerwerk auf dem Fluß, war Datteln, Feigen, Rosinen und kandierte Früchte, war Kaffeebohnen, die einer mit der Kelle in einer Pfanne röstete und die dann mit einem Knall in die Luft sprangen, war Scheibenschießen, Waldhörner, Blumen, die am Morgen in die Schalen gesteckt wurden und deren Duft alle Räume durchflutete, war Flöße, auf denen sie den Fluß hinabstakten, war Lauten, Gitarren, Flöten, Malteserhündchen, die diese Musik verbellten, war ein Sonett, das irgendwer zu nächtlicher Stunde kreierte, war Kerzen, die nach Honigwachs dufteten, und der Pfau, den sie Kassandra getauft hatten, weil er sie stets mit ohrenbetäubendem Geschrei empfing.

Wenn die Mutter, während der Vater auf seinen langen Reisen war, eingehakt bei ihrem Cicisbeo, lachend den Garten durchschritt, in dem die Nacht mit Pechfackeln zum hellen Tag gemacht wurde, dann sagten die übrigen Männer bewundernd, sie werde auch noch mit sechzig eine Frau sein, der man nachschaut. Und wenn sie dann alle spät in der Nacht, die Barke voll mit lärmender Fröhlichkeit, ein Gondoliere, der sang, wieder nach Hause fuhren, schien es, als ob das Leben nichts anderes brauche zu seinem Bestehen als diesen Fleck Erde, den irgendwer einmal gestaltet hatte.

War Crestina krank, bat sie Riccardo um nichts anderes als um ein Blatt von den Zitronenbäumen. Es hielt seinen Geruch über Monate hinweg, und wenn man es einknickte, verströmte es einen Duft, der intensiver war als manches Parfüm.

Heute, am Tag, da die Villa eingeweiht werden sollte, war, wie Crestina wußte, zugleich der Tag, der ihr späteres Leben entscheiden würde.

Es ist an der Zeit, daß ich jetzt endgültig mit dem Vater von Lukas Helmbrecht rede, hatte der Vater ein paar Tage zuvor gesagt, sonst wird es am Ende noch so sein, daß seine Familie ein Mädchen von drüben aus dem Reich lieber sieht. Er hatte es so gesagt, als ob sie, Crestina, die Familie dieses Lukas Helmbrecht gleich mitheiraten solle. Und es war dies nicht das einzige, was ihr mißfiel – und sie traurig machte. Es war ganz einfach so, daß sie das Gefühl hatte, über sie würde verfügt wie über zehn Sack Pfeffer oder Safran, für die der Vater entschied, ob sie nach Regensburg gehen sollten oder nach München. Nur konnte man Pfeffer und Safran schlecht fragen, wohin sie gehen wollten, sie jedoch sehr wohl. Das Schlimmste dabei war, daß Riccardo nach der Beizjagd ganz plötzlich hatte wegmüssen, irgendwohin, er hatte nicht gesagt, wohin, nur daß er erst spät in der Nacht zurückkommen werde, womit jegliche Hilfe von seiner Seite entfiel. Anna um Rat zu fragen oder Jacopo wäre ihr nicht in den Sinn gekommen, dies vor allem deswegen, weil es im Grunde genommen nichts an Lukas auszusetzen gab. Er war gutgewachsen, kam aus einer angesehenen Familie, hatte genug Geld, um seiner zukünftigen Frau alle Wünsche von den Augen abzulesen, und sie war sicher, daß er sie liebte. Nur, was sie tat, dessen war sie sich ganz und gar ungewiß.

Weiß man es, ob man jemanden liebt, hatte sie ihre Freundin Clara gefragt.

Aber Clara war so hilflos wie sie, und Clara war vermutlich sogar froh, daß ihr Vater sie demnächst in eines der Klöster geben wollte, weil sein Geld nicht ausreichte für eine anständige Mitgift.

Sie hätte nie geglaubt, daß das entscheidende Gespräch über diese Hochzeit just in der limonaia stattfinden werde. Sie hatte gedacht, es werde irgendwo sein. In einem Zimmer der Villa, unten am Fluß oder im nächtlichen Park. Ganz gewiß jedoch nicht in der limonaia. Daß sie mitbekam, daß es dort stattfand, verdankte sie nur dem Zufall. Sie hatte sich irgendwann, erhitzt vom Tanzen, unter einen der Granatapfelbäume zurückgezogen, die in einiger Entfernung hinter der limonaia standen, und hörte die Tür gehen. Die Fackeln erhellten den Raum von außen und von innen. Sie sah das Gesicht ihres Vaters hinter den Scheiben auftauchen, dann das von Lukas’ Vater Sebald, beide Gesichter vom Wein gerötet. Und sie konnte ihr Leben plötzlich ablesen an diesen Gesichtern, die sich veränderten. Zuerst die lachenden Gesichter der beiden Männer – sie wußte, sie waren bei den einleitenden Worten und jeder pries vermutlich die Qualitäten seines Kindes –, dann die sachlichen Gesichter – sie war ganz sicher, daß nun über die Mitgift gesprochen wurde. Lukas’ Vater sagte etwas, was ihr Vater offenbar nicht billigte, sie sah ihn verhandeln, nicht anders, als er sonst in seinem Büro mit den Kaufleuten über Pfeffer und Safran verhandelte. Und sie sah den Abschluß dieses Handels, die Zufriedenheit auf den Gesichtern der beiden Männer und den Handschlag, der alles besiegelte.

Sie werden dich verschachern, hatte Riccardo zornig gesagt, als er erfuhr, daß die Absprache bei diesem Fest sein sollte. Sie werden über dich genauso reden, wie sie über den Wert einer Reliquie verhandeln würden oder über den eines Kunstwerks. Aber er, so hatte er gesagt, werde es nicht zulassen. Er werde eingreifen, und wenn er dazu seine Schwester entführen müßte. Und nun war er nicht da. Hatte wegmüssen, aus irgendwelchen dringenden Gründen, Gründen, die sie in zunehmendem Maße mit Sorge erfüllten, obwohl sie überhaupt nicht wußte, worum es ging. Laß es meine Sache sein, hatte Riccardo abgewehrt, als sie ihn beim Abschied danach gefragt hatte.

Sie stand unter diesem Granatapfelbaum, hatte vergessen, wie lange sie da bereits stand, als sich die Tür endlich öffnete und die beiden Männer aus dem Gewächshaus kamen, die Gesichter inzwischen noch mehr gerötet. Sie kamen lachend, schwenkten den Pokal in den Händen und tranken sich zu: Auf unsere Kinder!

Die limonaia, sie betrat sie Minuten später, ließ sich auf die Holzpritsche fallen und starrte an die Decke, wieder ohne zu wissen, wie lange sie dies tat. Sie hörte ihren Namen rufen draußen, stellte sich stumm, meldete sich nicht, es interessierte sie nicht einmal, wer sie vermißte. Die limonaia, sie haßte sie in diesem Augenblick, sie sprang auf, trommelte gegen die Wände und schrie: Du, weshalb hast du es nicht verhindert?

Die limonaia, sie kam ihr entweiht vor, so als sei sie gerade geschändet worden.

Später sah sie Lukas in der Männerrunde mit ihren Vettern, Freunden der Vetter, Riccardos Freunden, anderen Studenten. Sie hörte sie lachen, laut lachen, sie wußte, sie waren nicht für sie gedacht, diese Männerrunden, wußte, daß sie weggehen sollte, um die Vergröberung des Festes besser aus der Ferne mitzuerleben. Sie wollte Anna suchen, blieb dann stehen, weil sie, wie unter Zwang, hören wollte, weswegen sie da alle so sehr lachten. Sie sah sie gebeugt über ein Buch, sechs, sieben Köpfe auf einmal, das Lachen klang schrill in ihren Ohren, sie hörte es verstärkt wie ein Echo zu ihr herüberprallen: Fünfundzwanzig Zechinen für die Königin aller venezianischen Kurtisanen. – Wie heißt sie? – Signora Livia Azalina. – Davon kann man einen Monat leben. – Die Anzahl der Damen beträgt zweihundertfünfzehn. – Wer die Freundschaft aller haben möchte, muß tausendzweihundert Zechinen zahlen. – Zwanzig Scudi für Cecilia Caraffa in San Tomà. – Und was ist mit Chiaretta Padfovana und Lucrezia Mortesina? – Denen darfst du geben, was du willst. Und nur einen Scudo für Chiaretta dal Figoi.

Sie ließen Lukas den Titel dieses Katalogs vorlesen, er las ihn mit seinem holprigen Italienisch, einer Sprache, die er noch immer nicht einwandfrei zu sprechen gelernt hatte, vom Venezianisch ganz zu schweigen: Katalog der wichtigsten und ehrenwertesten Kurtisanen in Venedig, ihr Name, der Name ihrer Vermittlerin und wo sie wohnen.

Und wieder dieses Lachen, das in ihren Ohren schmerzte, als sie Lukas fragten, wann er zu welcher gehen wolle. Sie hörte, wie er zögerte, und schließlich seine Verweigerung, daß er nicht gehe.

Und weshalb nicht? wollten sie wissen.

Weil ich eines Tages Crestina heiraten werde.

Das Gelächter, das folgte, glich einem Orkan. Und, bitte, was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Sie hörte nicht mehr, was Lukas antwortete. Sie floh.