Die UFO-AKTEN 13 - Carter Jackson - E-Book

Die UFO-AKTEN 13 E-Book

Carter Jackson

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Beschreibung

In der Bostoner City Mall kommt es bei der Eröffnungsfeier der Filiale einer Luxus-Fast-Food-Kette zu einem furchtbaren Zwischenfall. Plötzlich geht vor den Augen der Besucher ein Marinesoldat in Flammen auf! Zufällig wird das Ereignis vom örtlichen Fernsehsender live übertragen.
Nur wenige Stunden später treffen Cliff Conroy und Judy Davenport am Ort des Geschehens ein. Eine Autopsie ergibt hohe Eisenrückstände im Blut des Toten - aber keinen Hinweis darauf, wie er sich entzünden konnte und was dahintersteckt.
Die Ermittlungen drohen im Sand zu verlaufen, zumal sich die Navy als nicht sehr kooperativ erweist. Da entdeckt Judy auf einer Videoaufnahme des Vorfalls einen zweiten Soldaten! Einen Mann, den es laut Verteidigungsministerium gar nicht gibt...


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Inhalt

Cover

Das Lindwood-Experiment

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Carter Jackson

Das Lindwood-Experiment

In der Bostoner City Mall, dem viktorianisch-mo‍dern anmutenden Einkaufsparadies im Herzen der Millionenstadt, herrschte ein reges Treiben. Die Menschenmenge, die sich durch die glasüberdachten Gänge und Hallen des riesigen Shoppingcenters schob, war heute ganz besonders dicht.

Aber nicht alle Kunden waren an diesem Nachmittag hergekommen, um ihre hart verdienten Dollars in den Läden auszugeben. Viele der Anwesenden waren Schaulustige, die sich eingefunden hatten, um einen sehnsüchtigen Blick auf die prominenten Models zu erhaschen, die sich herabgelassen hatten, hier die neueste Filiale einer Lu‍xus-Fast-Food-Kette einzuweihen. Fast & Delu‍xious war es angeblich gelungen, besonders kalorienarme und gesunde Burger zu entwickeln. Burger, bei denen selbst die schlankesten und zierlichsten Laufstegschönheiten ohne schlechtes Gewissen zugreifen durften...

Boston City Mall

Boston, Massachusetts, 23. Februar 2022, 13:45 Uhr

Natürlich war auch die Presse mit zahllosen Vertretern der Print- und TV-Medien erschienen, darunter selbstverständlich der lokale Sender BCN, das Boston Communication Network, vor Ort, um live über die Eröffnung der neuen Filiale einer Luxus-Fast-Food-Kette zu berichten.

Trotzdem ging die ganze Angelegenheit verhältnismäßig unspektakulär über die Bühne. Wären da nicht eine Hand voll ehemaliger und noch aktiver Models vor Ort gewesen, die mit Burgern in der Hand vor der großen Glasfront des neuen Fastfood-Tempels von Fast & Deluxious posierten, die einen ungehinderten Blick auf das luxuriöse Interieur gestattete, hätte es wie jede x-beliebige Ladeneröffnung gewirkt.

Carl Edward Allen, der unweit der Eröffnungsfeier neben dem grellbunten Schaufenster eines Süßwarengeschäfts an der Wand lehnte und stöhnend die Fäuste gegen seine Schläfen drückte, war der ganze Rummel ohnehin egal. Der Mann im grünbraunen Drillichanzug und den ledernen Schnürstiefeln hatte ganz andere Probleme.

Denn seit er heute früh gegen sieben Uhr nach einer Nacht, in der er kaum ein Auge zugetan hatte, aufgestanden war, plagten ihn Kopfschmerzen. Zunächst hatte sich der Schmerz in Grenzen gehalten, war kaum mehr als ein dumpfes Pochen unter der Schädeldecke gewesen, wie man es oft hatte, wenn man eine ordentliche Grippe ausbrütete.

Doch dabei war es nicht geblieben. Die Schmerzen hatten immer mehr zugenommen, bis er es kaum noch ertragen konnte. Er hatte gehofft, dass es ihm möglicherweise etwas besser gehen würde, wenn er ein wenig frische Luft schnappte. Darum war er nach draußen gegangen.

Aber die Schmerzen hatten nicht nachgelassen, ganz im Gegenteil. Mittlerweile hatte Carl Allen das Gefühl, als würde sich bei jedem Schlag seines hektisch pochenden Herzens ein scharfer, weißglühender Stahlbolzen tief in sein Gehirn bohren.

Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn, lief seine Wangen und den Hals hinab, um den Kragen seiner Uniformjacke zu nässen. Tränen der Qual, wesentlich dickflüssiger, als sie eigentlich sein durften, standen in seinen graublauen Augen, unter denen dunkle, fiebrige Schatten lagen, die in dem glänzend feuchten, kalkweißen Gesicht noch deutlicher hervortraten.

Auf den ersten Blick hätte man denken können, dass dem Mann ein schwerer grippaler Infekt zu schaffen machte, oder dass er ein Junkie auf Cold Turkey war.

Aber das war nicht der Fall.

Ganz und gar nicht ...

Carl Allen lehnte zusammengekrümmt an der Wand neben dem Süßwarengeschäft, die Hände krampfhaft zu Fäusten geballt, und versuchte den wahnsinnigen Schmerz, der wie ein Buschfeuer in seinem Kopf wütete, durch Willenskraft zu vertreiben. Doch das half ebenso wenig wie die zwei laschen Aspirin, die er vor anderthalb Stunden, als er von zu Hause aufgebrochen war, mit einem großen Glas Wasser hinuntergespült hatte.

Das stete Hämmern des Schmerzes in seinem geschundenen Schädel blieb und wurde darüber hinaus von Sekunde zu Sekunde schlimmer, obwohl das kaum noch möglich war. Der Druck im Inneren seines Kopfes schien so groß zu sein, dass Allen fürchtete, er müsse jeden Moment platzen wie eine überreife Honigmelone. Rote Schleier der Qual umwölkten seinen tränenverschwommenen Blick, sodass er kaum etwas von seiner Umgebung sehen konnte, und die wenigen Dinge um ihn herum, die er wahrnahm, waren nicht farbig, sondern schwarzweiß, wie die alten Filme aus den Vierzigerjahren.

Geräusche hörte er wie durch eine Wand aus Watte, gedämpft und stumpf, als ob sie aus großer Entfernung an sein Ohr dringen würden. Sein fiebriges Hirn war von den unglaublichen Schmerzen bereits so paralysiert, dass er kaum noch mitbekam, was in seiner Nähe geschah.

Im Grunde interessierte es ihn auch nicht. Er beachtete seine Umgebung ebenso wenig, wie die konsumfreudigen Menschen mit ihren Tüten in den Händen und den Paketen unter den Armen ihn beachteten, wenn sie in einem kleinen Bogen an ihm vorbeigingen, um ihm nicht zu nahe zu kommen. Schließlich kannten sie solche Typen, o ja. Für sie war er nichts weiter als ein durchgeknallter, drogensüchtiger, arbeitsloser Kerl, der von seiner Sucht dahingerafft wurde. Vielleicht waren sie irritiert davon, dass er eine Uniform trug – aber die konnte er ja auf irgendeinem Trödelmarkt für ein paar Dollar erstanden haben.

Als die hämmernden Schmerzen in seinem Schädel nach über acht endlosen Stunden der Pein schließlich ihren Höhepunkt erreichten, war Carl Allen kaum noch imstande, sich auf den Beinen zu halten.

Seine Knie schienen sich in Pudding verwandelt zu haben, und jeder Knochen in seinem Leib fühlte sich an, als wäre er gebogen wie ein Korkenzieher, dessen Spitze sich immer wieder tief in sein Fleisch bohrte. Nicht bloß sein tränengetrübter Blick, auch seine Gedanken wurden inzwischen zunehmend verschwommener, als ob sein Gehirn aus irgendeinem Grund aufweichen würde.

Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wo er war oder was zur Hölle er hier wollte. Tatsächlich konnte er sich nicht einmal mehr an seinen eigenen Namen erinnern! Es war, als ob diese Informationen aus seinem Gehirn gelöscht worden wären wie Daten von der Festplatte eines Computers.

Doch als er sich umschaute, das schweißfeuchte Gesicht so bleich, dass die Adern unter der Haut als feine blaue Linien zu erkennen waren, und sie inmitten der Menge entdeckte, wusste er, wusste er ganz sicher, dass sie ihn gefunden hatten. Er hatte keine Ahnung, wie zum Teufel sie das angestellt hatten, denn er war sich sicher gewesen, keine Spuren hinterlassen zu haben.

Aber das spielte eigentlich keine Rolle. Sie hatten ihn gefunden, und das war alles, was zählte.

Ihm war klar, dass er weiter musste, so schnell wie möglich weg von hier, bevor sie kamen und ihn holten, denn er wusste, was sie dann mit ihm machen würden. Sie würden ihn zurück in den weißen Raum bringen und ihn auf dem Tisch festschnallen, damit sie mit ihren Versuchen weitermachen konnten.

Aber Allen wollte nicht zurück. Nie wieder!

Er musste verschwinden, und zwar rasch!

Er stieß sich von der Wand ab und taumelte laut stöhnend vorwärts. Seine Kopfschmerzen brachten ihn an den Rand des Wahnsinns – und darüber hinaus. Seine Beine fühlten sich wie Stelzen aus Gummi an, drohten bei jedem Schritt nachzugeben. Feucht glitzernder Speichel troff von seinen Lippen. Beinahe blind vor Schmerz schleppte Allen sich über den Mittelgang des Einkaufszentrums. Schweißperlen tropften von seiner Stirn auf den beigefarbenen Fliesenboden.

Die Besucher der City Mall wichen dem uniformierten Mann mit angewiderten Blicken aus und schüttelten angesichts von so viel selbstverschuldetem Elend die Köpfe. Niemand half dem Soldaten, obwohl jeder, wirklich jeder sehen konnte, dass es mit ihm zu Ende ging.

Carl Allen selbst spürte es ebenfalls. Er wusste, dass er nicht mehr lange durchhalten würde. Er war vollkommen erschöpft. Der grauenhafte Schmerz, der in seinem Schädel wütete wie ein alles verzehrendes Feuer und sein Hirn Stück für Stück verbrannte, raubte ihm alle Kraft. Er stand kurz vor einem Kollaps.

Doch Allen hatte nicht vor, sich kampflos in sein Schicksal zu ergeben. So leicht würde er es ihnen nicht machen.

So leicht nicht!

Das schweißgetränkte Gesicht zu einer Fratze des Schmerzes verzerrt, taumelte er vorwärts, stolperte über seine eigenen Füße, fing sich wieder, schleppte sich weiter und stieß gegen das Schaufenster einer Parfümerie.

Seine Hände hinterließen klebrige Abdrücke auf dem blitzsauberen Glas. Ohne auf die üppige Verkäuferin mit dem Pferdeschwanz zu achten, die ihn durch die Scheibe wütend anfunkelte, schob Allen sich keuchend an dem Schaufenster entlang. Mittlerweile war er vollkommen taub gegenüber der Außenwelt. Das rasche, unruhige Pochen seines Herzens und das Rauschen des Blutes in seinen Adern waren die einzigen Geräusche, die er noch hörte.

Dann erkannte er aus den Augenwinkeln, dass sie ihn eingeholt hatten, und blieb abrupt stehen. Er zitterte so heftig, als hätte er Schüttelfrost. Sein Kopf zuckte hektisch hin und her, als er das Einkaufszentrum nach seinen Verfolgern absuchte, dunklen, verschwommenen Silhouetten, die vorgaben, zufällig hier zu sein, um einzukaufen und sich zu amüsieren. Dabei war alles, was sie wollten, sich Carl Edward Allen zu schnappen, ihn mit ihren Spritzen zu betäuben und ihn in den weißen Raum zurückzubringen ...

Diese verdammten Schweine!

Da waren mehr von ihnen, als Allen auf die Schnelle zählen konnte. Männer, Frauen – und sogar Kinder! Dutzende, Hunderte, Tausende dieser verfluchten Aasgeier. Sie waren überall um ihn herum, überall, in jeder Richtung, und sie hatten es nur auf ihn abgesehen!

Selbst in seinem benommenen Zustand begriff Carl Allen, dass er ihnen nicht entkommen konnte.

Die Jagd war zu Ende.

Doch er würde nicht zulassen, dass sie kamen und ihn einfach mitnahmen! Nein, verflucht! Schließlich war er mehr als dreißig Jahre lang bei der U.S. Army gewesen, Jahre, in denen er dem großartigen Land, das ihn auf dem Gewissen hatte, immer treu gedient hatte, und ein Soldat, für den Mut und Ehre nicht bloß Wörter aus dem Lexikon waren, ergab sich nicht kampflos.

Niemals!

Selbst wenn die Gegner überall waren ...

Während der Schmerz in seinem Schädel die Welt vor seinen Augen langsam rotieren ließ, tastete Allen nach dem Knauf der Pistole, die hinten unter seiner Uniformjacke steckte, und zog sie mit einem wütenden Ruck aus dem Hosenbund. Es war der metallicfarbene Colt Gouvernment vom Kaliber .45, den er seit seiner Ausbildung in Fort Worth, Texas, besaß. Während des Zweiten Golfkriegs hatte er mit dieser Waffe getötet, und das würde er jetzt wieder tun.

Er hatte gar keine andere Wahl.

Er entsicherte den Colt mit dem Daumen, zog den Schlitten zurück, um eine Patrone in den Lauf zu hebeln, und taumelte mit der Waffe in der Hand weiter. Er begriff nicht, warum seine Verfolger plötzlich vor ihm zurückwichen. Doch er hatte das Gefühl, Schreie des Entsetzens zu hören, die durch die dicke Wattemauer, die ihn umgab, bis in sein zermürbtes Gehirn vordrangen. Er grinste gallig.

»Ja, verschwindet, ihr elenden Schweine!«, brüllte er aus voller Kehle, wobei seine Stimme sich vor Hass überschlug. »Ich will, dass ihr verschwindet!«

Er feuerte wahllos auf einen der flüchtenden Schatten in seiner Nähe und lachte irre, als dieser getroffen zu Boden ging. Eine Blutlache, schwarz wie Sirup, breitete sich um die dunkle Gestalt herum auf den Fliesen aus.

»Ihr verdammten Feiglinge!«, krähte Allen, völlig außer sich. Bei jedem Wort sprühte schaumiger Speichel aus seinem Mund. »Ihr elenden, gottverdammten Feiglinge!«

Er feuerte zwei weitere Kugeln auf die Schatten ab, die gekommen waren, um ihn zu holen, und mit einem Mal fühlte er sich trotz der Schmerzen, die sein Hirn zu zerfetzen drohten, seltsam ruhig. Sich selbst entrückt. Ein sonderbares Hochgefühl von Freiheit und Macht durchströmte ihn.

Diese feigen Memmen ergriffen vor ihm die Flucht!

Doch er würde sie nicht entkommen lassen! Keinen von ihnen! Sie mussten für das, was sie ihm und den anderen Männern angetan hatten, bezahlen! Teufel, ja!

Er richtete den Colt Gouvernment auf eine Gruppe Gestalten, die sich panisch vor ihm in Sicherheit bringen wollten, und zog wild grinsend den Abzug durch.

Einmal.

Zweimal.

Dreimal ...

Die Schüsse peitschten hohl durch das Einkaufszentrum, brachten einige weitere Schatten zu Fall und entfachten ein vollkommenes Chaos. Allen hörte nicht, wie sie schrien, als sie getroffen zu Boden stürzten, doch er konnte verschwommen das Blut erkennen, das dunkel auf die Fliesen spritzte, und stieß ein hysterisches Heulen aus.

»Hab ich euch, ihr elenden Schweine!«, kreischte er triumphierend. »Das hättet ihr wohl nicht gedacht, dass ich euch erwische, was?« Seiner Kehle entfloh ein kehliges Glucksen, die groteske Parodie eines zufriedenen Lachens, als er erneut die Waffe hob, anlegte, kurz zielte und den Finger um den Abzug krümmte.

Diesmal schoss er das gesamte Magazin leer, feuerte alle neun Kugeln, die noch in der Waffe waren, auf die flüchtenden Gestalten ab. Selbst als der Colt längst leergeschossen war, zog er noch immer heulend den Hahn durch, ohne zu merken, dass der Hammer auf eine leere Laufachse schlug.

Noch einmal wuchs die Pein in seinem Schädel in einem Maße an, das alles Bisherige übertraf. Sein Gehirn schien zu explodieren.

Und dann wurde Carl Edward Allen, der in seinem Leben nie etwas anderes im Sinn gehabt hatte, als seinem Land zu dienen, von all seinen Schmerzes erlöst.

Als er von einem Augenblick zum anderen in Flammen aufging ...

Die 27-jährige Nancy Catherine Burgess, arbeitete als Lokalreporterin beim regionalen Fernsehsender BCN. Heute hielt sie sich mit ihrem zweiköpfigen Team in einem Einkaufszentrum auf, um von drei bis vier Uhr nachmittags live über die Eröffnung einer Luxus-Burger-Filiale in Boston zu berichten. Burgess traute ihren Augen nicht, als sie einen offensichtlich betrunkenen Mann in Militäruniform sah, der mit einem Mal völlig unvermittelt eine Waffe zog und wild schreiend um sich zu schießen begann.

Es war einfach unglaublich. Bislang kannte Nancy Burgess ein derartiges Szenario lediglich aus den Berichten ihrer Kollegen aus der Chefredaktion, die es sich im Laufe der Jahre zur Gewohnheit gemacht hatten, sich nur um die wirklich guten Stories, die neben einer satten Einschaltquote auch eine ganze Menge Publicity für den jeweiligen Reporter versprachen, zu kümmern. Den öden Rest, all das Langweilige, Alltägliche, das auf den Titelseiten der Boulevardblätter nichts verloren hatte, überließen sie denen, die neidisch zu ihnen aufschauten: Leuten wie Nancy Burgess, die ständig darauf warteten, dass man ihnen die Chance gab zu zeigen, was in ihnen steckte.

Doch es gab viele Journalisten, die ihr Leben lang vergeblich auf die sensationelle Geschichte hofften, die sie groß rausbringen würde. Zu viele ...

Aber wie es aussah, sollte Nancy dank einer glücklichen Fügung des Schicksals eine Chance erhalten, sich aus der Masse der ewig Erfolglosen hervorzuheben.

Der durchgedrehte Soldat hatte bereits mehrere Besucher des Einkaufszentrums auf dem Gewissen. Drei oder vier Personen lagen tot oder verletzt auf dem Boden, blutend, und das vor der laufenden BCN-Kamera, die das Geschehen live und unzensiert in rund fünf Millionen Haushalte in und um Boston übertrug.

Wenn das kein verdammter Knüller war!

So pervers und menschenverachtend es vielleicht klang, aber Nancy konnte ihr Glück kaum fassen. Sie stand ganz in der Nähe des Amokschützen im indirekten Schutz eines Ladeneingangs und konnte alles gut verfolgen. Bei ihr waren Wayne Sallee, der Kameramann, und Josh Peterson, ein junger Toningenieur. Beide waren wie Nancy Burgess, für die Lokalredaktion von BCN tätig. Man erkannte auf den ersten Blick, dass sie ebenfalls Sensationsblut geleckt hatten.

»Hast du den Mistkerl im Bild, Wayne?«, fragte Nancy nervös und zuckte unwillkürlich zusammen, als eine neue Salve Schüsse hohl durch das Einkaufszentrum peitschte. In der Luft lagen die Schreie der panisch flüchtenden Menschenmenge und die Gerüche von Popcorn, Hamburgern, Kordit und Blut – keine sehr angenehme Mischung.

Wayne nickte. »Einigermaßen. Aber von seinem Gesicht kann man nicht viel erkennen. Er dreht uns schon die ganze Zeit den Rücken zu.«

»Scheiße!«, zischte Nancy. »Kannst du näher rangehen?«

»Bist du irre? Der Kerl knallt jeden über den Haufen, den er vors Rohr kriegt!«

Wie um das zu bestätigen, feuerte der Amokschütze erneut auf die Flüchtenden.

Einmal. Zweimal. Dreimal.

Als zwei Passanten getroffen zu Boden gingen, brüllte er triumphierend: »Hab ich euch erwischt, ihr elenden Schweine! Das hättet ihr wohl nicht gedacht, dass ich euch erwische, was?« Er lachte hysterisch, vollkommen außer sich, dann krümmte er sich wie unter furchtbaren Schmerzen zusammen – und ging in Flammen auf!

Von einer Sekunde zur anderen stand der Amokschütze, der soeben einen Mann erschossen und mindestens sieben weitere Besucher des Einkaufszentrums zum Teil schwer verletzt hatte, in Brand!

Obwohl alles sehr schnell ging, hatte Nancy das Gefühl, als würde das Geschehen in Zeitlupe ablaufen. Sie hörte, wie der Mann vor Schmerz laut aufkreischte. Sah, wie er brüllend wie ein waidwundes Tier umhertaumelte, während dichter, blauschwarzer, öliger Rauch aus seinem weit aufgerissenen Mund, den Nasenlöchern, den Ohren und den Augen drang. Dann, bloß einen Lidschlag später, schlugen gleißend weiße Flammen, wie von entzündetem Magnesium, zwischen den Lippen des Soldaten hervor wie eine groteske Feuerzunge.

Auch aus sämtlichen anderen Körperöffnungen des Amokläufers drangen zuckende Flammen und leckten gierig über die Haut und die Kleidung des Mannes. Innerhalb von zwei Sekunden brannte er von Kopf bis Fuß lichterloh, ohne dass er irgendetwas dagegen tun konnte.

»Großer Gott ...«, murmelte Nancy fassungslos. »Das gibt's doch nicht ...«

Wie eine fleischgewordene Fackel taumelte der Amokschütze schreiend den Mittelgang der City Mall entlang, während die grellweißen Flammen seinen Körper gnadenlos verzehrten. Der leergeschossene Colt Gouvernment polterte davon und blieb achtlos neben einem Abfalleimer liegen.

Der Mann versuchte das Feuer, das ihn wie ein lebender, hungriger Mantel einhüllte, mit den Händen auszuschlagen, doch er schaffte es nicht. Allein hatte er nicht den Hauch einer Chance, dennoch rührte sich auch keiner der anderen Anwesenden, um ihm zu helfen.

Auch nicht Nancy Burgess. Wie die übrigen Mall-Besucher tat sie nichts weiter, als mit vor Erstaunen weit aufgerissenen Augen zu verfolgen, wie der Amokschütze starb.

Der am Boden liegende Soldat versuchte, vor Schmerz und Agonie kreischend, verzweifelt wieder auf die Beine zu kommen, aber er hatte keine Kraft mehr, um sich aufzurichten. Brennend schob er sich über die Fliesen direkt auf die Reporterin zu – und auf die Tausende von Zuschauern, die in diesem Moment bei Kaffee und Kuchen daheim vor den Fernsehschirmen saßen und die Katastrophe in der Bostoner City Mall live und in Farbe mitverfolgten ...

Nancy Catherine Burgess konnte es einfach nicht fassen. Ihr Herz raste vor Aufregung, aber es war vollkommen unberührt vom grausigen Schicksal des Amokläufers, der keine dreißig Meter von ihr entfernt qualvoll verbrannte. Für sie war er nichts weiter als eine Schlagzeile, die sie nach besten Kräften ausschlachten würde.

Dies war ihre Chance, ganz groß rauszukommen und die Berichte über Kleingärtner-Jahrestreffen, Orthopädiemessen und Hasenzüchter-Ausstellungen, mit denen sie sich in den letzten drei Jahren vornehmlich herumgeärgert hatte, endlich hinter sich zu lassen. Und das war alles, was für sie in diesem Augenblick von Bedeutung war. Menschliche Verluste nahm sie dafür gerne in Kauf.

Sie stieß ihren Kameramann mit dem Ellbogen an, wesentlich heftiger, als nötig war, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, und zischte: »Wenn du auch nur eine Sekunde davon verpasst, drehst du in Zukunft bloß noch Familienvideos zum Kindergeburtstag deiner Tochter! Kapiert?«