Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 568 - Ruth von Warden - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 568 E-Book

Ruth von Warden

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Beschreibung

Lauschend hebt Belinda von Hannstedt den Kopf. Ist er gegangen? Hat Gunnar Graf Lauterberg, ihr Verlobter, sie tatsächlich verlassen? Sie kann nur das Klappen der Tür hören.
Zwei Tage ist sie nun schon von undurchdringlicher Dunkelheit umgeben. Seit zwei Tagen ist sie blind! Plötzlich und ohne jedes Vorzeichen nahm eine schreckliche Krankheit ihr das Augenlicht. Und nun ist sie allein. Der Mann, den sie liebt, hat Angst vor der Ehe mit einer Hilflosen, einer Blinden. Wortlos hat er sie verlassen.
Für Belinda beginnt nun eine Zeit des Hoffens und Bangens. Werden die Ärzte ihr helfen können? Darf sie, eine schöne junge Frau, noch von einer Zukunft im Licht träumen?


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Inhalt

Cover

Sie sah in den Himmel der Liebe

Vorschau

Impressum

Sie sah in den Himmel der Liebe

Das erschütternde Schicksal eines blinden Mädchens

Lauschend hebt Belinda von Hannstedt den Kopf. Ist er gegangen? Hat Gunnar Graf Lauterberg, ihr Verlobter, sie tatsächlich verlassen? Sie kann nur das Klappen der Tür hören.

Zwei Tage ist sie nun schon von undurchdringlicher Dunkelheit umgeben. Seit zwei Tagen ist sie blind! Plötzlich und ohne jedes Vorzeichen nahm eine schreckliche Krankheit ihr das Augenlicht. Und nun ist sie allein. Der Mann, den sie liebt, hat Angst vor der Ehe mit einer Hilflosen, einer Blinden. Wortlos hat er sie verlassen.

Für Belinda beginnt nun eine Zeit des Hoffens und Bangens. Werden die Ärzte ihr helfen können? Darf sie, eine schöne junge Frau, noch von einer Zukunft im Licht träumen?

»Ein hübsches Paar – ein wahres Traumpaar«, flüsterte Alice Gräfin Hannstedt.

Sie stand hinter einer Gardine verborgen und beobachtete die Rückkehr ihrer Tochter Belinda.

Komtess Hannstedt kam von einem Ausritt mit dem Grafen Gunnar Lauterberg zurück. Jeden Morgen ritt sie mit ihm aus, und die Gräfin erwartete, dass das Brautpaar bald den Hochzeitstermin festlegen würde.

Lächelnd sah sie, wie Graf Lauterberg die Hand ihrer Tochter immer wieder an die Lippen zog. Oh ja, er war sehr verliebt, der Graf.

»Belinda ist aber auch ein zauberhaftes Mädchen geworden«, murmelte die Gräfin. Ihre Tochter war groß und schlank und hatte eine wunderbare sportliche Figur. Zudem besaß sie einen natürlichen Charme, der jeden Menschen anzog.

Ihr dunkles Haar wallte bis zur Schulter hinab, das Gesicht war fein geschnitten, die Nase aristokratisch zu nennen.

Jetzt warf die Komtess dem Grafen lachend noch eine Kusshand zu und lief dann ins Haus.

»Mama? Bist du schon auf?«

Mit diesen Worten stürmte das junge Mädchen in den Salon der Mutter.

»Guten Morgen, mein Herz«, antwortete die Gräfin zärtlich. »Nun? Wie war es, mein Liebling? Übernimmst du dich auch nicht mit den täglichen morgendlichen Ausritten? Du scheinst mir noch schlanker geworden zu sein.«

»Ich fühle mich wunderbar, Mama.« Belinda küsste die Mutter zärtlich.

»Geh und ruh dich aus, Liebling.« Gräfin Hannstedt streichelte Belindas Wange. »Leg dich noch ein bisschen hin.«

»Das werde ich tun, Mama.« Die hübsche Komtess warf der Mutter ebenfalls eine Kusshand zu und eilte hinaus.

Die Gräfin ging zum Fenster und öffnete es. Dann zog sie ihren Sessel ans Fenster und griff nach der Handarbeit.

Es hat sich gelohnt, für Belinda auf ein eigenes Glück zu verzichten, dachte sie, während ihre Hände gekonnt an der schönen Decke arbeiteten.

Ja, Alice Gräfin Hannstedt hatte in gewisser Weise für Belinda verzichtet. Sie war sehr jung Witwe geworden. Ihr Mann war einem Herzschlag erlegen, und das Grau der Einsamkeit hatte für sie begonnen.

Finanzielle Sorgen hatte sie nie gehabt, denn der Graf hatte vorgesorgt.

Gräfin Hannstedt hatte in all den Jahren auf nichts verzichten müssen, aber sie war allein und das war nicht immer leicht gewesen. Sie tat es für Belinda, denn, so sagte sie sich, wenn sie einen bürgerlichen Mann heiraten würde, war vielleicht für Belinda der Weg in die adlige Gesellschaft verbaut.

Zweimal hatte sie ernst gemeinte Heiratsanträge abgelehnt. Einmal war es ein reicher Unternehmer, einmal ein Bankier gewesen, aber beide hatten einen bürgerlichen Namen getragen.

Einmal im Jahr gab die Gräfin ein rauschendes Fest, und eingeladen waren nur Leute ihres Standes mit klingenden Namen, und diese Feste waren in der Zwischenzeit berühmt geworden.

Auf einem dieser Feste hatte Belinda Graf Lauterberg kennengelernt. Und alles Weitere hatte sich wie von selbst ergeben. Bald schon würde Belinda Gräfin Lauterberg werden.

»Mein Leben war manchmal einsam, aber es hat sich gelohnt«, murmelte die Frau, die oft mit sich selbst sprach.

♥♥♥

Plötzlich tönte ein lauter, fast hysterischer Schrei durch das ganze Haus. Die Gräfin stach sich vor Schreck in den Finger.

Achtlos warf sie die Decke auf den Boden. Wer um alles in der Welt hatte da geschrien?

Kaum hatte die Gräfin den Flur erreicht, sah sie, dass das Personal aufgeregt zusammengelaufen war, und da ertönte er wieder, dieser markerschütternde Schrei.

»Es kommt aus dem Zimmer der Komtess«, stammelte die Köchin, und alle wichen etwas zurück, als die Gräfin in das Zimmer ihrer Tochter stürzte.

»Belinda, mein Kind, was ist geschehen?«

Belinda Komtess Hannstedt saß kerzengerade auf der Couch, ihr Kopf war der Tür zugewandt.

»Mama«, rief sie, »Mama, ich ... ich kann nichts mehr sehen!«

»Was?« Schon war die Gräfin bei der Tochter und ergriff deren Hände. »Ganz ruhig, mein Kind«, flüsterte sie, »du hast sicherlich schlecht geträumt, du bist ...«

»Ich kann nichts mehr sehen, Mama, gar nichts!«

Gräfin Hannstedt drückte die Tochter energisch auf die Couch zurück.

»Entspanne dich«, kam es über ihre bebenden Lippen. Noch glaubte sie, dass Belinda einem schrecklichen Traum erlegen sei.

Das Personal drängte ins Zimmer. Alle starrten auf die Komtess, die jetzt haltlos weinte.

»So etwas gibt es doch nicht, nicht wahr, Mami?«, stieß sie schluchzend hervor. »Ich bin doch vorhin noch ausgeritten.«

»Belinda, schau mich an«, befahl die Gräfin.

»Aber ich kann dich nicht sehen, Mama. Es ist alles schwarz, nein, wie ein grauer Nebel ... Ich kann es nicht erklären, aber ich sehe nichts.«

Die Gräfin riss die Tochter in ihre Arme.

»Ruhig«, sagte sie zitternd, »ganz ruhig, Liebling, es ist vielleicht eine vorübergehende Störung.« Sie drehte den Kopf zu den wartenden Leuten an der Tür. »Rasch«, befahl sie, »schnell einen Krankenwagen, meine Tochter muss sofort ins Krankenhaus.«

Die Leute stoben davon.

»Mama«, wimmerte Belinda, »Mama, was ist das? Als ich heimkam, konnte ich doch noch sehen. Ich schlief ein wenig, und als ich erwachte, glaubte ich erst, es sei schon tiefste Nacht.«

»Sei ganz ruhig, mein Liebling, vielleicht schadet diese große Aufregung der ganzen Sache. Wir fahren gleich ins Krankenhaus, dort wird man sich um dich kümmern.«

Belinda drehte sich auf die Seite und weinte haltlos.

»Liebling, hör auf zu weinen, ich bitte dich.«

»Aber ich sehe nichts, Mama. Was ist mit meinen Augen? Warum kann ich plötzlich nichts mehr sehen, Mama?«

Selbst am ganzen Körper zitternd, versuchte die Gräfin die Tochter zu beruhigen.

Belinda war wie von Sinnen, dann aber kam endlich der Krankenwagen. Zwei Männer traten ins Zimmer.

»Meine Tochter kann plötzlich nichts mehr sehen«, flüsterte die Gräfin. »Sie muss sofort ins Krankenhaus.«

Die Männer nickten. Einer schaute die Komtess mitleidig an, dann wurde das haltlos schluchzende Mädchen aufgehoben und in den Krankenwagen getragen.

Die Gräfin riss ihre Handtasche mit den Papieren an sich und kletterte ebenfalls in den Wagen.

»Man wird mir doch helfen können, nicht wahr, Mama?«

»Aber ja, Liebling.«

Die Mutter wischte sich die Tränen aus den Augen.

»Mama, hast du jemals von einem ähnlichen Fall gehört?«

»Nein, mein Kind, nein. Man wird dir helfen.« Die Gräfin faltete die Hände, Belinda tastete sich zu ihren Händen vor.

»Betest du, Mama? Glaubst du nicht, dass man mir helfen wird, Mama?«

»Nein«, rief die Gräfin, »nein, man wird dir helfen, die Ärzte können heute wahre Wunder vollbringen. Sei ganz ruhig, Liebling.«

»Aber wie konnte das geschehen?«

»Bist du vielleicht vom Pferd gestürzt und auf den Kopf geschlagen, Belinda?«

»Nein, Mama. Ich ritt wie immer mit Gunnar aus, wir waren sehr fröhlich. Mama, wirst du für mich beten?«

»Ja, mein Liebling.«

»Ich werde wieder sehen können, nicht wahr? Mama, sage mir, dass ich wieder sehen werde.«

»Aber ganz bestimmt, Belinda. Beruhige dich, Kind.«

♥♥♥

Der Fahrer fuhr den Wagen in einem halsbrecherischen Tempo, das Martinshorn gellte durch den Tag, dann endlich erreichte man das Krankenhaus.

Plötzlich war Belinda ganz ruhig. Dankbar ließ sie sich von den Männern ins Krankenhaus tragen. Dort wurde sie in einen Rollstuhl gesetzt und durch eine große Tür geschoben.

»Sie müssen hier draußen warten«, sagte man der Gräfin, und diese sank erschöpft auf eine Bank, die vor der großen Tür stand.

»Lieber Gott«, betete sie, die Hände verkrampft gefaltet, »hilf meinem Kind!«

Wenn die Gräfin aufschaute, konnte sie genau auf die große Uhr blicken. Langsam rückte der Zeiger weiter, Minute um Minute verging, und plötzlich war schon eine Stunde vergangen.

Die Gräfin wurde immer unruhiger. Von irgendwoher klang ein Lachen, dann war wieder Stille.

Eine Tür wurde geöffnet. Die Gräfin erhob sich wie unter einem Zwang.

»Herr Doktor?«, fragte sie zitternd.

»Gräfin Hannstedt, nehme ich an?«

»Ja, Herr Doktor.«

»Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Renner. Kann ich mit Ihnen reden?«

»Aber ja, Herr Doktor. Man kann meiner Tochter doch helfen, nicht wahr?«

Der Arzt öffnete eine Tür und ließ die Gräfin vorangehen. Er schob ihr einen Stuhl zurecht. Dann trat er hinter den großen Schreibtisch und ordnete Dinge, die gar nicht zu ordnen waren.

»Sprechen Sie doch bitte, Herr Doktor«, flehte die Gräfin.

»Es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen keine gute Nachricht geben kann, Gräfin Hannstedt. Ihre Tochter ist eine so lebhafte, hübsche junge Frau, und nun ...«

»Nun?«, fragte die Gräfin bang.

»Man kann ihr vorerst nicht helfen.«

»Aber das ist doch nicht möglich!«

Die Gräfin rang nach Luft, der Arzt erhob sich schnell, füllte ein Glas mit Wasser und setzte es an ihre Lippen.

»Trinken Sie ein paar Schlucke«, sagte er. Alice Gräfin Hannstedt trank das ganze Glas leer.

»Sagen Sie mir alles«, bat sie mit brüchiger Stimme.

»Ich möchte Sie jetzt nicht mit medizinischen Fachausdrücken quälen«, sagte der Arzt, »ich möchte versuchen, es Ihnen mit einfachen, verständlichen Worten zu erklären. Aus irgendeinem Grund, den wir selbst nicht kennen, ist bei Ihrer Tochter eine Art Kurzschluss entstanden. Und deshalb kann sie zurzeit nichts sehen.«

»Aber es wird sich wieder bessern, ja?« Flehend hingen die Augen an dem Gesicht des Arztes. »Kann man meine Tochter nicht operieren?«

»Nein. Hier würde eine Operation nichts nützen.«

»Aber ich habe so etwas noch nie gehört.«

»Es kommt zum Glück nur sehr selten vor, Gräfin Hannstedt, aber es kann geschehen, wie hier im Fall der Komtess.«

»Kann man später operieren?«

»Nein, Gräfin Hannstedt, es kann nur eine Augentransplantation helfen, und das zieht sich manchmal über Jahre hin, denn um einen Erfolg zu garantieren, müssen viele Dinge des Spenders mit dem Patienten übereinstimmen, und es warten sehr viele Menschen auf einen Spender.«

»Das hört sich entsetzlich an«, flüsterte die Gräfin.

»Ja«, murmelte der Arzt, »das ist die harte Wirklichkeit. Selbstverständlich werden wir versuchen, einen geeigneten Spender für die Komtess zu finden.«

»Kann meiner Tochter mit einem Auge von mir geholfen werden?«

»Wenn Sie mit der Operation einverstanden wären, werden wir dementsprechende Untersuchungen beginnen.«

»Ist es nicht sicher, dass ich meiner eigenen Tochter helfen kann?«

»Leider nein, Gräfin Hannstedt.«

»Aber Belinda ist mein Kind, warum sollte mein Auge nicht ...«

»Weil das alles sehr kompliziert ist, Gräfin Hannstedt. Es ist ja nicht nur Ihre Tochter, jeder Mensch bekommt von Vater und Mutter etwas mit auf den Weg des Lebens.«

»Mein Mann lebt nicht mehr«, flüsterte die Gräfin, »aber Sie werden doch baldmöglichst herausfinden, ob ich ihr helfen kann, nicht wahr?«

»Ja, das verspreche ich Ihnen.«

»Weiß meine Tochter schon ...?«

»Nein, noch haben wir es ihr nicht gesagt. Sie hat ein starkes Beruhigungsmittel bekommen und wird jetzt einige Stunden schlafen.«

»Darf ich zu ihr?«

»Etwas später, Gräfin Hannstedt.«

»Dann kann man mich ja gleich untersuchen, Herr Doktor.«

»Sie müssen das erst einmal in Ruhe überdenken«, wehrte der Arzt sanft, aber bestimmt ab.

»Aber da gibt es nichts zu bedenken«, rief die Gräfin, schon aufspringend, »es ist selbstverständlich für mich, dass ich meinem Kind helfe. Ich habe nur diese eine Tochter. Wenn Sie wollen, dann nehmen Sie beide Augen von mir, lassen Sie mich blind sein, aber helfen Sie meinem Kind.«

Flehend hob die Mutter die Hände, der Arzt blickte zur Uhr.

»Gut«, sagte er, »kommen Sie mit, wir werden unser Bestes tun, und vielleicht muss die Komtess gar nicht erfahren, dass sie vielleicht Jahre auf einen Spender warten muss.«

Gräfin Hannstedt folgte wie in Trance.

Langwierige Untersuchungen begannen. Mehrere Ärzte bemühten sich um die Frau, deren Hände bei all den Untersuchungen im Schloss gefaltet lagen.

Endlich war alles vorbei.

»Nun?«, begehrte sie sofort zu wissen.

Der Arzt lächelte, er verstand ja die Ungeduld der Mutter, doch erst mussten die Untersuchungen ausgewertet werden. Gräfin Hannstedt musste sich gedulden.

Man riet ihr heimzugehen, denn auch zu ihrer Tochter durfte sie nicht, doch die Gräfin ging nicht heim. Sie setzte sich wieder auf die große Bank, starrte auf die große Uhr und betete.

»Lieber Gott, hilf meinem Kind«, flehte die einsame Frau.

♥♥♥

»Nun, Herr Doktor Renner? Was haben Sie mir zu sagen? Wann kann ich mein Auge für Belinda geben?«

»Es tut mir leid, Gräfin Hannstedt, aber Sie können Ihrer Tochter nicht helfen.«

»Nicht?«

»Nein.«

»Ist das endgültig?«

»Ja, Gräfin Hannstedt, denn Ihre Augen sind selbst sehr angegriffen. Tragen Sie eine Brille?«

»Manchmal zum Lesen oder zum Handarbeiten«, erwiderte die Frau.

»Sie können leider nicht helfen, wir müssen alle gemeinsam auf einen Spender warten.«

»Wie lange kann das dauern?«

»Das kann man nicht sagen. Es kann schnell gehen, oder es kann Jahre dauern.«

»Das ist unerträglich.«

»Es ist zumindest eine Hoffnung.«

»Und wie soll sie leben?«, schrie die gequälte Mutter, »sie ist jung, sie will leben, wie andere junge Leute es auch tun. Sie wird bald heiraten, verstehen Sie nicht?«

»Ich verstehe Sie genau, Gräfin Hannstedt, und ich bedaure den Zustand der Komtess aufrichtig, aber ich kann Ihnen nichts weiter sagen, denn ich möchte Sie nicht anlügen. Sie muss es erfahren, sie hat ein Recht darauf, Gräfin Hannstedt. Und wenn sie nach einigen Wochen ruhiger geworden ist, wird sie zu lernen beginnen.«

»Zu lernen? Was soll sie lernen? Körbe flechten? Das hat meine Tochter Gott sei Dank nicht nötig.«

»Sie muss lernen, sich zu bewegen und mit diesem neuen Leben fertig zu werden. Es gibt viele Hilfsmittel, mit denen sich diese Menschen wenigstens einen Teil des schweren Lebens erleichtern können.«

»Geben Sie ihr keine Hilfsmittel, geben Sie ihr das Augenlicht zurück«, schrie die Mutter, senkte dann aber den Kopf. »Verzeihen Sie, Herr Doktor.«

»Sie müssen sich nicht entschuldigen, ich ahne, was in Ihnen vorgeht, denn auch für Sie wird es schwer werden, Gräfin Hannstedt. Sie müssen stark sein, um Ihrer Tochter Kraft geben zu können.«

»Mein Gott!«, stammelte die Gräfin.

Sie senkte den Kopf und begann zu weinen. Der Arzt wartete geduldig, bis die Gräfin sich energisch die Tränen fortwischte.

»Ich werde ihr helfen«, gelobte sie, »ihr Schicksal leichter zu tragen.«

»Gehen Sie jetzt heim, und denken Sie daran, dass auch Sie nicht aufgeben dürfen. Sie müssen gerüstet sein, wenn die Komtess wieder zu Ihnen heimkommt.«

»Ja, Herr Doktor, ich verstehe.«

♥♥♥

Seit zwei Stunden lief Gräfin Hannstedt nun schon im Zimmer auf und ab. Sie musste Gunnar Graf Lauterberg informieren, aber wie sollte sie es ihm sagen?

Gräfin Hannstedt nahm den Hörer des Apparates wohl schon zum zehnten Mal auf, und nun endlich wählte sie die Nummer. Wie immer meldete sich zuerst der Butler des Grafen, dann aber war er selbst am Telefon.

»Mutter?«, fragte er freudig überrascht, als er hörte, mit wem er sprach. »Was gibt es denn, dass du mich anrufst?«

»Gunnar, kannst du herkommen?«, bat die Gräfin.

»Ist etwas geschehen?«, rief der Mann sofort.

»Ja, Gunnar.«

»Doch nicht mit Belinda?«

»Ja, mit ihr, aber ich möchte es dir hier sagen.«

»Ist sie tot?« Es klang wie ein Schrei.

»Nein, Gunnar, sie lebt. Aber etwas Schreckliches ist geschehen. Komme bitte sofort, wenn es sich einrichten lässt.«

»Gut, ich komme sofort«, rief er und legte hastig auf.

Wieder lief die Gräfin auf und ab, bis sie den Wagen des Grafen eine halbe Stunde später hörte. Sie ging ihm entgegen und sah ihn unsicher an.

»Wo ist Belinda, Mutter?«, fragte Graf Gunnar, sich im Salon umblickend.

»Sie ist im Krankenhaus. Setz dich, ich will dir alles berichten.«

Die Gräfin brachte die Worte sogar über die Lippen, ohne in Tränen auszubrechen.

»Das ist die ganze Wahrheit, Gunnar. Ich habe dir alles erzählt, was geschehen ist.«

»Das ist ja entsetzlich, Mutter.«

»Ja, mein Junge, das ist es. Es ist entsetzlich für Belinda.«

»Nicht nur für sie, Mutter! Wie soll es denn jetzt weitergehen?«

»Der Arzt sagt ja, dass man ihr irgendwann helfen kann.«

»Bist du ganz sicher, dass der Arzt das nicht nur so dahingesagt hat, Mutter? Vielleicht kann Belinda nie wieder sehen. Vielleicht findet sich gar kein Spender. Du selbst konntest ihr ja auch nicht helfen. Ich habe mich zwar noch nie mit solchen Dingen befasst, aber ...«

»Aber?«, fragte die Gräfin müde.

»Anscheinend ist es nicht leicht, einen geeigneten Spender zu finden. Es kann Jahre dauern, sagst du?«

»Ja, Gunnar, aber es kann auch schnell gehen.«

»Ich habe ein Gut, Mutter. Kannst du dir vorstellen, dass Belinda ...«

Hilflos brach er ab, sprang auf und lief im Zimmer auf und ab.

»Du wirst doch zu ihr halten, Gunnar, nicht wahr? Du wirst sie doch nicht verlassen? Warum antwortest du nicht?«

»Weil das alles so ungeheuer ist«, murmelte der Graf, »weil ich das erst überdenken muss.«

Voller Angst drückte die Gräfin die Hand vor den Mund und starrte den Mann an.

Gunnar Graf Lauterberg war sehr groß, schlank und sportlich. Er war ein Mann, in den sich fast jedes Mädchen sofort verliebte. Belinda war es ja nicht anders ergangen.

Gräfin Hannstedt eilte zu dem jungen Grafen.

»Sie hat dein Wort«, rief sie zornig. »Du kannst sie nicht verlassen, Gunnar, sie vertraut dir doch, sie liebt dich.«

»Ich liebe Belinda ebenfalls, Mutter.«

»Dann ist doch alles gut. Du bist nur verstört, nicht wahr?«