Lore-Roman 28 - Ruth von Warden - E-Book

Lore-Roman 28 E-Book

Ruth von Warden

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Beschreibung

Aufgeregt fährt die hübsche Annerose von Stolzmann mit ihrem kleinen Sportwagen zum Gut Nordthausen. Das junge Mädchen ist in anderen Umständen und möchte dem geliebten Mann, Graf Alf Nordthausen, die freudige Nachricht übermitteln. Annerose träumt schon von einer glanzvollen Hochzeit und einem glücklichen Leben zu dritt. Doch als sie das Gut erreicht, erwartet sie ein schwerer Schicksalsschlag ...

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Seitenzahl: 145

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Inhalt

Cover

Impressum

Hochzeit mit dem Ungeliebten

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: CoffeeAndMilk/iStockphoto

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6474-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Hochzeit mit dem Ungeliebten

Dramatischer Roman um die unergründlichen Wege des Schicksals

Von Ruth von Warden

Aufgeregt fährt die hübsche Annerose von Stolzmann mit ihrem kleinen Sportwagen zum Gut Nordthausen. Das junge Mädchen ist in anderen Umständen und möchte dem geliebten Mann, Graf Alf Nordthausen, die freudige Nachricht übermitteln. Annerose träumt schon von einer glanzvollen Hochzeit und einem glücklichen Leben zu dritt. Doch als sie das Gut erreicht, erwartet sie ein schwerer Schicksalsschlag …

Clemens Graf Nordthausen zog die dicke Jacke aus, die er im Stall getragen hatte. Der Mann freute sich, denn seine beste Stute hatte ein Fohlen geworfen. Es war ein wunderschönes junges Pferd, mit einer weißen Blässe auf der Stirn.

Seit nunmehr zehn Jahren widmete sich der Graf der Pferdezucht. Wohl lag das andere Land des Gutes nicht brach, aber die eigentlichen rentablen Gewinne brachte die Zucht der so stolzen Tiere, die wie in all den Jahrzehnten zuvor schon immer beliebter wurden. Die reichen Leute ritten wieder hoch zu Ross aus – und das hatte sich der Graf zunutze gemacht. Außer der Pferdezucht unterhielt er noch eine Reitschule, aber er selbst gab keinen Unterricht, dafür hatte er Lehrer und Angestellte, er selbst beschränkte sich auf die morgendlichen Ausritte, die er über alles liebte.

Der Graf schaute aus dem Fenster. Die Sonne strahlte, es versprach ein schöner Tag zu werden. Graf Nordthausen rieb sich die Hände, ging ins Bad und als er wieder herauskam, trug er einen seidenen Morgenmantel, der wohl noch besser zu ihm zu passen schien, als die dicke, sportliche Jacke.

In aller Ruhe frühstückte er, und sagte der Haushälterin, die schon seit Jahren das Haus leitete, was er zum Mittagessen wünsche.

Clemens Graf Nordthausen, der gerade fünfunddreißig Jahre alt geworden war, griff zur Morgenzeitung und las kurz darin.

Nach einiger Zeit schaute der Mann aus dem Fenster und seine Gedanken wanderten zu seinem Bruder. Alf Graf Nordthausen war zehn Jahre jünger als Clemens, und er hatte unruhiges Blut in den Adern. Während Clemens sich gern auf dem großen Gut aufhielt, zog es den Bruder in die Ferne. Es war jedoch nicht so, dass Alf seinem Bruder die ganze Arbeit auflud, nein, sie verstanden sich gut, und Clemens ermunterte den jüngeren Bruder auch eigentlich immer, seiner Reiselust zu frönen.

Seit zwei Monaten befand sich Alf Graf Nordthausen wieder auf einer abenteuerlichen Reise. Zu einer Fotosafari war er aufgebrochen, und Clemens war eigentlich ein bisschen unruhig, weil Alf sich noch gar nicht gemeldet hatte. Sonst pflegte er sich aus jeder größeren Stadt zu melden, aber diesmal war kein Gruß gekommen.

Graf Nordthausen versuchte, die unruhigen Gedanken fortzuschieben. Alf war ein sportlicher Mann, er würde sich nicht unterkriegen lassen. Als der Graf sich eine Zigarette ansteckte und wieder aus dem Fenster schaute, sah er einen gelben Sportwagen kommen.

Es kam nicht oft vor, dass sich ein fremder Wagen zum Gutshaus verirrte. Neugierig blickte der Graf dem Wagen entgegen.

„Aber das ist doch!“, rief er plötzlich, warf die Zigarette in den Aschenbecher und eilte aus dem Zimmer, den Flur entlang und ehe das bildschöne, junge Mädchen läuten konnte, hatte er die Tür schon aufgerissen.

„Annerose – bist du es wirklich?“, rief er freudig, streckte beide Hände aus und zog das junge Mädchen in seine Arme.

„Clemens, Lieber, wie nett dich zu sehen.“ Sie lachte ihn an.

„Lass dich anschauen, Annerose. Hübsch bist du geworden – unwahrscheinlich hübsch – beinahe eine Frau. Anne, Kind, wie lange haben wir uns nicht gesehen?“

„Fünf Jahre haben wir uns nicht gesehen“, antwortete sie schnell.

„Fünf Jahre? Mein Gott, es ist eine Schande, ihr seid zwar fortgezogen, aber schließlich nicht bis an Ende der Welt. Die hundert Kilometer, die du nun entfernt wohnst, hätte man ja leicht überbrücken können. Wie geht es dir, Anne?“

„Es geht mir ausgezeichnet“, entgegnete Annerose von Stolzmann, „und ich kann das Kompliment nur zurückgeben. Du siehst auch gut aus, Clemens.“

„Komm ins Haus, Anne“, rief er freudig.

Schon seit den Kindertagen hatte Clemens den Namen der jungen Annerose verkürzt und sie einfach Anne genannt. Er legte seinen Arm um ihre Schulter und ergriff eine Hand. Deutlich war dem Mann anzusehen, dass er sich sehr über diesen Besuch freute.

„Lass mich nachrechnen, wie alt du jetzt bist“, meinte der Graf. „Alf ist zehn Jahre jünger als ich. Dann bist du jetzt zweiundzwanzig – stimmt’s?“

„Es stimmt, aber wenn ich wieder einmal vorbeischaue, dann rechne bitte nicht gleich aus, wie alt ich bin.“ Verschmitzt blickte sie zu ihm auf.

„Wie jung du bist“, antwortete er und zog ihre Hand an die Lippen. „Alf hatte dich ja in der Stadt besucht, nicht wahr? Er berichtete mir, wie hübsch du geworden bist, aber er hat untertrieben. Du bist eine Schönheit, Anne.“

Sie errötete bei seinen Worten und zog die kleine Hand, die der Graf noch immer hielt, zurück.

Beide setzten sich, der Graf reichte Erfrischungen und das große Erzählen begann. Annerose musste von ihrem Vater erzählen, sie tat es etwas zögernd. Graf Nordthausen kannte das junge Mädchen schon lange, und deshalb erkannte er sofort, dass sie etwas bedrückte.

Vorsichtig fragte er: „Ist etwas mit deinem Vater nicht in Ordnung? Hat er Sorgen?“

„Wieso fragst du das, Clemens?“ Erstaunen war im Klang ihrer Stimme.

„Weil deine Stimme so verhalten klingt.“

„Mein Vater macht mir Sorgen, ja. Weißt du“, fuhr sie eifrig fort, „er will einfach nicht begreifen, dass ich nun kein Kind mehr bin. Als Mutter starb, war ich sehr froh, dass er sich ausschließlich auf mich konzentrierte. Es gibt ja auch wohl keinen zweiten so gütigen Vater auf der Welt, aber …“

„Aber?“, fragte der Graf neugierig.

„Aber jetzt wird es zu viel. Er ist so stolz auf mich, dass er mich am liebsten allen seinen Freunden als Wundertier vorführen will, dabei hat er Angst, dass mir etwas geschehen könnte. Er vergrault jeden jungen Mann, der nur in meine Nähe kommt, er benimmt sich beinahe eifersüchtig, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Oh, ich verstehe dich sehr gut, Anne. Und du solltest ihn auch verstehen! Wer so eine hübsche Tochter hat, der wird stolz auf sie sein, und es ist nur natürlich, dass er Angst um sie hat. Er hat dich immer sehr geliebt.“

„Ja, aber jetzt ist unser Verhältnis gespannt. Ich möchte mich nicht mehr einsperren lassen“, gab sie zur Antwort.

„Das ist nur verständlich. Du bist ja schon eine junge Frau, und du wirst auch dein eigenes Leben leben wollen, Anne, aber für ihn wird es dann schwer werden, denn er wird allein zurückbleiben.“

„Aber das geschieht ihm doch nicht nur allein auf der Welt. Alle Kinder lösen sich irgendwann von den Eltern.“

„Richtig, und da er dich liebt, wird es ihm schließlich auch gelingen, davon bin ich überzeugt. Mach dir keine Sorgen, es findet sich alles, aber wie steht es mit deinem Herzen? Hast du den Mann, der dich ihm entführen wird, schon gefunden?“, fragte der Graf liebevoll.

„Ich denke schon, Clemens.“ Sie senkte den Kopf.

„Wieso denkst du es nur? Wieso weißt du es nicht? Hat dir der Mann seine Liebe noch nicht gestanden?“, forschte der Mann weiter.

„Seine Liebe schon, aber er hat mir noch keinen Heiratsantrag gemacht.“

„Dann lege ihm das ein wenig nahe, mein Kleines“, riet er Annerose.

Beide lachten und der Graf fuhr fort: „Das sollte dir doch nicht schwergefallen, wer so aussieht wie du – nun – da würde doch jeder Mann weich.“ Wieder lachten sie beide.

Annerose von Stolzmann war wirklich außergewöhnlich schön. Sie besaß helle, blaue Augen, die man mit einem Bergsee vergleichen konnte. Sie hatte ein schmales Gesicht, sehr feine Haut, lange Wimpern und einen schönen Mund.

„Glaubst du, Clemens?“, fragte sie zaghaft, er hörte mit dem Lachen auf und sah sie aufmunternd an.

„Brauchst du einen Rat?“, fragte er ruhig.

„Nun ja …“

„Also, dann los!“, machte der Graf dem Mädchen Mut. „Du weißt ja, dass ich schon immer für dich da war und es auch weiterhin sein werde. Weißt du noch, dass du immer zu mir gekommen bist, wenn du mit deinen Rechenaufgaben nicht weiterkamst?“

„Eigentlich kam ich immer zu dir, wenn ich in Not war, Clemens“, ergänzte sie.

„Bist du jetzt in Not?“ Leise stellte der Graf die Frage.

„Nun, Not kann man es nicht gerade nennen, aber ich könnte wirklich einen Rat gebrauchen … Weißt du“, fuhr sie eifrig fort, „es ist nicht leicht, wenn man keine Mutter mehr hat, einen Vater kann man nicht alles fragen. Aber du, du hast mir eigentlich immer geholfen, und wenn ich es bedenke, warst du immer für mich da, wenn ich dich brauchte. Clemens, erinnerst du dich noch daran, wie du mich und Alf in letzter Sekunde aus dem Wasser gerettet hast. Wir trieben in dem kleinen Boot auf das Wehr zu, wir wären ertrunken, wenn du uns nicht geholt hättest.“

„Ja“, antwortete der Graf, „und als ich mit Alf zu Hause war, habe ich ihn mächtig verdroschen.“

„Du hast ihn geschlagen?“, fragte Annerose ganz entsetzt.

„O ja, ich habe ihn mächtig geschlagen, denn er sollte dich nicht in Gefahr bringen. Überhaupt habe ich Alf damals viel verhauen. Ich war zehn Jahre älter als er, ich hatte das Gefühl, dass er in seiner Abenteuerlust immer übertrieb. Er dachte einfach nicht nach, lebte in den Tag hinein, er war immerhin neun Jahre alt, als er mit dir diese unglückliche Bootsfahrt machte. Er wusste sehr gut, dass er nicht zum Wehr hin rudern durfte, er kannte die Gefährlichkeit des Soges. Ich habe sie ihm demonstriert, damals, mit einem Stück Holz, das ich ins Wasser geworfen habe.“

„Das habe ich gar nicht gewusst, Clemens.“ Annerose war betroffen.

„Es ist ja auch nicht mehr wichtig. Alf wird die Sache auch schon vergessen haben.“

„Es ist ganz seltsam, dass man sich immer an alte Dinge erinnert, wenn man alte Freunde wiedertrifft, nicht wahr?“

„Ich finde das nur natürlich“, entgegnete der Graf und fragte dann: „Anne?“

„Hm?“, machte sie nur, wobei sie ihn abwartend ansah.

„Wie lange bist du nicht mehr ausgeritten?“

„Oh, das ist lange her … vor zwei Jahren etwa.“

„Wollen wir ausreiten?“ Spannung lag in seiner Stimme.

„Aber ich habe gar keine passende Kleidung mit, Clemens.“

„Du hast eine Bluse an, eine Hose kannst du von mir haben, willst du? Ach bitte“, fuhr er fort, „ich bin heute noch nicht ausgeritten, ich bin im Stall aufgehalten worden, unsere Trixi hat mir heute ein Fohlen geschenkt.“

„Oh darf ich es sehen?“, bat sie spontan.

„Aber selbstverständlich, komm.“ Er erhob sich und reichte ihr den Arm.

Wenig später gingen sie über den Hof. Annerose von Stolzmann trug Jeans, die ihr viel zu weit waren und in der Taille mit einem Gürtel zusammengehalten wurden. Die Hosenbeine waren bis zum Knie aufgekrempelt. Das Mädchen war noch immer ein zierliches Persönchen und reichte dem Grafen nur etwas über die Schulter. Doch das schien ihr nun nichts auszumachen.

Als der Stallknecht die Pferde sattelte, betrachtete sie das Fohlen. Annerose streichelte es und konnte es nicht genug bewundern.

„Wie soll es heißen, Clemens?“, fragte sie dann.

„Es hat noch keinen Namen“, entgegnete er.

„Dann gib ihm einen, ich möchte wissen, wie es heißt“, bettelte sie.

„Darf es Annerose heißen?“

„Aber so heißt doch kein Pferd.“ Das Mädchen schüttelte den Kopf.

„Warum nicht? Sieht es nicht aus wie eine ganz kleine, ganz niedliche Annerose?“

„Nenne es Rosi“, entschied die Besucherin. Der Graf nickte.

Dann ritten sie davon. Zuerst nebeneinander, dann ließ der Graf der jungen Dame den Vortritt. Sie ritten nicht schnell, aber der Graf sah, wie sehr es ihr gefiel.

„Du solltest öfter kommen, Anne“, bat er plötzlich.

„Ich werde dich beim Wort nehmen, Clemens. Ich werde so oft kommen, dass es dir lästig fällt.“

„Das würde nie geschehen, kleine Anne.“ Wie zart seine Stimme klang.

Sie schaute ihn an, er spürte, dass sie etwas sagen wollte – aber sie schien es sich zu überlegen, sie ritt weiter. Irgendwann machten sie eine Pause, ruhten im weichen Gras, das ganz warm war, aus.

Einmal trafen sich ihre Hände, und der Graf sagte: „Anne, es ist ein wunderschöner Tag heute.“

Sie schwieg und gab den Druck seiner Hand zurück.

Nachdem beide vom Ausritt zurückgekommen waren, bat der Graf Annerose, zum Essen zu bleiben. Dankend nahm sie an.

Nur zu gern hatte die gute Frida Langdorf – die Haushälterin – für zwei Personen gedeckt. Sie fand es ohnehin an der Zeit, dass der Graf eine Frau ins Haus brachte, und so musterte sie die junge Annerose mit wohlwollenden Blicken, als sie selbst die Suppe servierte.

Später tranken sie im Salon einen Mokka, Annerose von Stolzmann schaute immer wieder zur Uhr.

„Erwartest du jemanden?“, forschte der Gastgeber neugierig, denn er hatte die Unruhe gesehen.

„Wann kommt Alf?“, fragte sie leise.

„Alf?“ Seine Stimme klang nun enttäuscht.

„Ja, ich würde ihn auch gern begrüßen.“

„Alf ist nicht hier, Anne“, erklärte Clemens ruhig.

„Wo ist er?“, fragte sie, und ihre Stimme klang nun ebenfalls enttäuscht.

„Seine genaue Adresse kenne nicht einmal ich, Anne, er macht eine seiner vielen Fahrten. Diesmal ist er zu einer Fotosafari aufgebrochen, es wird Monate dauern, bis er wieder – Annerose, was ist denn?“

Abrupt brach der Graf seinen Satz ab, denn das Gesicht des Mädchens war blass geworden, die Hände suchten nach einem Halt und fanden ihn an Clemens’ Händen, der sie kraftvoll hielt. Trotzdem sank Annerose in sich zusammen, eine Ohnmacht hielt sie gefangen.

***

Zuerst sah sie das Licht, schemenhaft auch die Konturen des Fensters, doch sie konnte sich erst an alles erinnern, als sie in das beunruhigte Gesicht des Grafen blickte.

„O Clemens“, sagte sie schwer, denn die Zunge wollte ihr noch nicht gehorchen.

Der erschreckte Mann hatte das Mädchen gleich nach der Ohnmacht auf eine Liege gebettet und die gute Frida, die Haushälterin, gerufen. Sie hatte sofort nasse Tücher geholt und ihr auf die Stirn gelegt.

Nun war Annerose wieder zu sich gekommen. Ernst schaute sie dem guten Freund in die Augen.

Mit einem aufatmenden Seufzer verließ Frida nun wieder das Zimmer.

„Ich glaube, du hast mir eine ganze Menge zu erzählen“, bemerkte der Graf.

„Ich nehme an, dass du es schon weißt.“

Errötend senkte sie die Lider und sagte leise: „Ich erwarte ein Kind.“

„Du bekommst ein Baby?“, fragte er verblüfft.

„Ja.“ Es war nur ein Flüstern.

„Du hättest nicht mit mir ausreiten dürfen, Anne. Als ich dir einen Spazierritt anbot, ahnte ich doch nichts von deinem Kind. Wann – wird es zur Welt kommen?“

„In einem halben Jahr.“

„Darf ich fragen, wer der Vater ist?“

„Alf ist der Vater!“, antwortete sie ruhig.

Clemens schwieg einige Zeit.

„Weiß er es?“, forschte der Graf düster, denn für einen Augenblick glaubte er, dass Alf geflohen sei, doch Annerose sagte: „Nein, er weiß es nicht. Ich selbst weiß es erst seit einer Woche, ich rief ihn mehrmals an, das heißt, ich versuchte es …“

„Dann warst du das, die immer wieder einhängte, wenn ich an den Apparat kam?“ Erstaunen lag in seiner Stimme.

„Ja, Clemens, verzeih, aber ich hätte es nicht über mich gebracht, die Sache am Telefon zu besprechen. Mir fiel es schon schwer, Alf zu verlangen. Immer, wenn ich deine Stimme hörte, legte ich schnell auf. Ich wunderte mich, dass Alf in der ganzen letzten Woche nicht zu erreichen war, auch besuchen kam er mich nicht mehr.“

„Hat er keinen Abschied von dir genommen? Hat er dir nicht einmal gesagt, dass er sich in ein neues Abenteuer stürzen wollte?“

„Er erzählte, dass er gern an der Fahrt teilnehmen würde“, berichtete Annerose sinnend, „aber ich habe doch nicht gedacht, dass er es wirklich tun würde. Wahrscheinlich befürchtete er, ich könnte ihm die Reise auszureden versuchen und hat deshalb keinen Abschied von mir genommen.“

„Das ist unfair“, entgegnete der Graf rau.

„Clemens – was nun? Kannst du ihn erreichen?“, fragte sie bittend.

„Nein, Anne, ich gebe dir mein Wort, dass ich die Adresse nicht weiß.“

„Kennst du die Freunde, die mit ihm fahren wollten? Clemens, es muss etwas geschehen, er muss doch wissen, dass ich ein Kind erwarte.“

„Weiß es dein Vater schon?“, wollte der Hausherr wissen.

Schwer seufzte Anne auf. „Das ist es ja“, erklärte sie, „ich kann es ihm nicht sagen. Ich kann nicht – er wird … Clemens, es wird dann etwas Furchtbares geschehen. Er hat doch immer darauf geachtet, dass sich mir kein Mann näherte, nur bei Alf machte er eine Ausnahme und freute sich sogar, wenn er kam – und nun, nun soll ich ihm sagen, dass ich ein Kind von ihm erwarte?“ Sie schlug die Hände vors Gesicht.

„Wir leben nicht mehr im Mittelalter, Annerose.“

„Nein, aber für meinen Vater ist die Zeit trotzdem stehen geblieben. Für ihn ist es undenkbar, dass seine Tochter ein Kind bekommt, wenn sie nicht verheiratet ist.“

Der Graf streichelte sanft die Hände des Mädchens.

„Clemens, ich muss ihn erreichen“, drängte sie zitternd.

„Ja, das sehe ich ein.“

„Was wirst du tun?“ Angst sprach aus jedem Wort.

„Das weiß ich noch nicht, aber ich verspreche dir, alle Hebel in Bewegung zu setzen. Ich werde ihn finden“, versprach der Mann.

„Es muss schnell gehen, Clemens.“

„Das ist mir klar.“ Er nahm ihre Hand und küsste sie.

„Clemens – du bist wunderbar.“

„Unsinn. Weil ich dir helfen will?“, wehrte er schnell ab.

„Weil du mir nicht angeboten hast, zu einem Arzt zu gehen, weil du wohl nicht einmal daran gedacht hast. Clemens – ich danke dir.“