Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 572 - Ruth von Warden - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 572 E-Book

Ruth von Warden

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als Mark von Semmer die Geburtstagsfeier von Erina Zöllger, der Tochter seines Chefs, besucht, ahnt er nicht, welche Hoffnungen Vater und Tochter mit seinem Besuch verbinden. Der junge Mann fühlt sich unwohl im Kreis der vielen bedeutenden Leute, zu denen auch zahlreiche Geschäftsfreunde des reichen Industriellen gehören.
Daher ist er ganz froh, als er plötzlich ans Telefon gerufen wird. Doch im nächsten Moment fährt ihm der Schreck in die Glieder. Sein Bruder, den er seit Jahren nicht gesehen hat, hatte einen schweren Autounfall. Sofort eilt Mark ins Krankenhaus an Roberts Bett. "Kümmere dich um Annerose aus Birkenfeld", bittet der Sterbende ihn, ehe er für immer die Augen schließt. Mark verspricht es und fährt nach Birkenfeld. Doch dort gibt es zwei Mädchen mit dem gleichen Namen ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 143

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Anneroses Herzeleid

Vorschau

Impressum

Anneroses Herzeleid

Auch in ihren kühnsten Träumen wagt sie nicht, nach den Sternen zu greifen

Als Mark von Semmer die Geburtstagsfeier von Erina Zöllger, der Tochter seines Chefs, besucht, ahnt er nicht, welche Hoffnungen Vater und Tochter mit seinem Kommen verbinden. Der junge Mann fühlt sich jedenfalls unwohl im Kreis der vielen bedeutenden Leute, zu denen auch zahlreiche Geschäftsfreunde des reichen Industriellen gehören.

Daher ist er ganz froh, als er plötzlich ans Telefon gerufen wird. Doch im nächsten Moment fährt ihm der Schreck in die Glieder. Sein Bruder, den er seit Jahren nicht gesehen hat, hatte einen schweren Autounfall. Sofort eilt Mark ins Krankenhaus an Roberts Bett. »Kümmere dich um Annerose aus Birkenfeld«, bittet der Sterbende ihn, ehe er für immer die Augen schließt. Mark verspricht es und fährt nach Birkenfeld. Doch dort gibt es zwei Mädchen mit dem gleichen Namen ...

»Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?« Das Hausmädchen des reichen Industriellen Eduard Zöllger knickste.

Mark von Semmer blickte sich um. War die Villa von außen schon herrlich anzusehen, so war sie von innen einfach unbeschreiblich schön.

Dezente Farben, dicke Teppiche, die jeden Schritt lautlos werden ließen.

»Mark, da bist du ja endlich. Du kommst spät«, rief Erina Zöllger, die sofort auf den jungen Mann zueilte.

Er reichte dem Mädchen seinen Blumenstrauß. »Herzlichen Glückwunsch, Erina.«

»Ich danke dir, Mark! Komm, du wirst schon erwartet.«

Schwungvoll betrat Erina Zöllger den Saal, in dem viele Gäste teils Platz genommen hatten, teils aber auch in kleinen Gruppen schwatzend herumstanden.

»Vater«, sagte das junge Mädchen, »Mark ist gekommen.«

Der Industrielle drehte sich um.

»Mark, wie schön, Sie zu sehen! Sie kommen spät, junger Freund, aber nun möchte ich Sie meinen Freunden vorstellen.«

Mark von Semmer hörte viele Namen. Zu viele, er konnte sie sich beim besten Willen nicht alle merken.

Diener boten Getränke an. Eduard Zöllger reichte seiner Tochter, dann dem jungen Mark ein Glas.

»Auf den heutigen Tag«, sagte er augenzwinkernd.

Mark von Semmer fühlte sich unbehaglich. Zu viele Augen blickten ihn erwartungsvoll an.

»Lieber Eduard, das also ist der junge Mann, von dem du uns schon so viel erzählt hast?«, fragte eine ältere Dame ungeniert.

Eduard Zöllger lachte geschmeichelt.

»Ja, das ist er, mein Mitarbeiter, meine rechte Hand, der Mann, auf den ich mich immer verlassen kann. Der Mann, der sich vom Verkaufsleiter die steile Treppe hinaufgearbeitet hat.«

Wieder folgte das Augenzwinkern, und Mark von Semmer fühlte sich noch unbehaglicher.

»Lass uns tanzen«, bat Erina und nahm seinen Arm.

»Ein schönes Paar«, hörte Mark von Semmer die alte Dame noch sagen, dann reihte er sich in die Tanzenden ein.

»Warum bist du so spät gekommen?«, fragte Erina.

»Ich erwartete meinen Bruder. Er hatte sich schon zur Mittagszeit angesagt, aber er ist bisher nicht eingetroffen.«

»Und deshalb lässt du mich warten?«

»Verzeih, Erina, aber ich bin in großer Sorge.«

»Dein Bruder ist ja kein Kind mehr«, sagte sie zornig. »Du erwähntest einmal, er sei schon dreißig Jahre alt.«

»Ja, das stimmt. Er ist vier Jahre jünger als ich.«

»Dann brauchtest du doch wohl nicht das wartende Kindermädchen zu spielen. Er wird einen Bekannten getroffen haben.«

»Wir haben uns sehr lange nicht gesehen, viele Jahre genau genommen, und jetzt ...«

»So dramatisiere doch nicht immer alles«, flüsterte Erina böse, »was ist dabei, wenn sich ein erwachsener Mann etwas verspätet?«

»Verzeih, aber ich bin wirklich besorgt.«

»Man kann ja das Gefühl haben, dass dir das Treffen mit deinem Bruder mehr bedeutet als meine Geburtstagsfeier.«

»Aber nein, Erina! Ich habe mich sehr auf den heutigen Tag gefreut, allerdings ahnte ich nicht, dass so viele Gäste hier sein würden.«

»Heute sind wir im Vergleich zu sonst nur ein kleiner Kreis«, wurde er von dem Mädchen belehrt. »Vater will dich zunächst nur unseren besten Freunden vorstellen. Weißt du überhaupt, wie wichtig der heutige Tag für dich ist, Mark?«

Mark von Semmer, sehr groß, schlank und dunkelhaarig, blickte das Mädchen erstaunt an.

»Wichtig?«, fragte er. »Ich denke doch, dass es dein Geburtstag ist.«

»Du kannst dich wunderbar verstellen, Mark«, rief Erina lachend. »Du tust wirklich so, als sei dir nicht bewusst, welch guten Eindruck du heute machen musst. Alle Männer, die du hier heute siehst, stehen in irgendeiner Beziehung zu unserer Fabrik. Sie müssen dich mögen, verstehst du, Mark?«

»Nein, Erina, aber das ist vielleicht nicht wichtig.«

»Mark, du kannst abscheulich sein.«

»Verzeih, Erina, aber ich begreife nicht ...«

Der Tanz endete, Mark kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden. Er berührte leicht den Arm des Mädchens und brachte es zum Vater zurück.

»Mark, Sie haben doch nichts dagegen, wenn wir uns für eine kleine Weile in mein Arbeitszimmer zurückziehen?«, fragte dieser und blinzelte ihm zu.

»Nein, selbstverständlich nicht«, antwortete der junge Mann automatisch, aber er folgte seinem Chef mit einem unguten Gefühl in der Magengegend.

Ich hätte diese Einladung ausschlagen sollen, dachte er. Ich passe nicht hierher.

♥♥♥

Die beiden Herren betraten das Arbeitszimmer und nahmen Platz.

»Möchten Sie etwas zu trinken, Mark?«, fragte Eduard Zöllger.

»Nein danke.«

»Gut. Kommen wir also gleich zur Sache.«

Mark von Semmer schaute den Chef abwartend an.

»Lieber Mark«, begann dieser, »ich freue mich, dass Sie auf meine Geschäftsfreunde einen so günstigen Eindruck machten.«

»Aber wieso? Ich verstehe nicht, ich bin doch erst vor wenigen Minuten eingetroffen.«

»Man kann auf den ersten Blick sehen, was ein Mann ist oder auch nicht, mein lieber Mark. Jedenfalls gefallen Sie auf dem privaten Parkett. Geschäftlich kennen Sie ja schon einige Herren. Man muss dies alles berücksichtigen, Mark, Sie werden das verstehen. Es ist hart für einen Vater, wenn er zwar eine heiratsfähige Tochter, dafür aber keinen Sohn hat.«

Mark von Semmer schwieg. Eduard Zöllger räusperte sich.

»Sie verstehen sich sehr gut mit meiner Tochter, ja?«

»Nun ja, ich hatte das Vergnügen ...«

»Reden wir nicht drum herum, Mark«, sagte der Unternehmer lachend. »Erina mag Sie, sie mag Sie sogar sehr. Da meine Tochter mit ihren Gefühlen bisher sehr sparsam umgegangen ist, weiß ich, was das zu bedeuten hat. Sie mögen Erina doch auch?«

»Ja, ich ...«

»Dann ist ja alles in Ordnung«, wurde er wieder unterbrochen. »Natürlich soll nichts überstürzt werden, aber Erina ist immerhin schon fünfundzwanzig Jahre alt. Das richtige Alter zum Heiraten, möchte ich sagen.«

»Herr Zöllger ...«

»Schon gut, mein Junge, ich weiß, was Sie sagen wollen. Es ist für einen jungen Mann immer eine etwas unangenehme Stunde, wenn er sich erklären soll. Mir ging es ja damals nicht anders. Wussten Sie eigentlich, dass ich seinerzeit vor dem gleichen Problem stand, wie Sie jetzt?«

»Nein, Herr Zöllger.«

»Nun, meine Frau war auch die einzige Tochter, es gab keinen Erben. Mein Schwiegervater hat mich genauso durchleuchtet, wie ich es jetzt mit Ihnen tue, aber das müssen Sie verstehen. Nicht jeder junge Mann ist befähigt, Millionenobjekte geschäftlich zu leiten. Deshalb freue ich mich ja auch so sehr, dass Erina gerade Sie so gern mag. Sie wären fähig, einmal in meine Fußstapfen zu treten. Aber nun kommen Sie, Mark, Erina wird schon ungeduldig auf Sie warten.«

Mark von Semmer erhob sich wie betäubt. Gewiss, er mochte Erina, er war auch einige Mal mit ihr ausgegangen, und er hatte sich geschmeichelt gefühlt, als man ihn heute zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen hatte. Aber über ein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen war es bisher nicht hinausgegangen.

Eduard Zöllger, etwas massig, mit schon weißem Haar, obwohl er die Sechzigerjahre erst bis zur Mitte erreicht hatte, blieb an der Tür stehen.

»Mark«, sagte er, »es ist sehr schade, dass Ihr Vater das alles nicht mehr erlebt hat. Ihr Vater und ich waren Jugendfreunde, das wussten Sie, nicht wahr?«

»Aber ja, mein Vater hatte immer sehr viel von Ihnen gesprochen. Deshalb hatte ich auch den Mut, mich damals um die Stellung bei Ihnen zu bewerben.«

»Es war ein guter Tag, als Sie zu mir kamen, Mark. Ich bin sehr mit Ihnen zufrieden. Und wenn Sie nun ... Aber wir wollen nicht vorgreifen, es soll alles seinen richtigen Weg gehen.«

Gemeinsam traten die ungleichen Männer wieder auf den Flur hinaus. Die Musik übertönte jetzt alles. Eduard Zöllger musste seine Stimme heben, um verstanden zu werden.

»Nun seien Sie ausgelassen und fröhlich, junger Freund«, ermunterte er den jungen Mark, »Erina hat sich lange auf dieses Fest gefreut.«

Der Hausherr wurde von seinen Freunden umringt. Mark blieb abwartend stehen, doch da kam Erina schon auf ihn zu.

»Hast du mit meinem Vater gesprochen?«, fragte sie bebend.

»Er hat mit mir gesprochen, Erina.«

»Und? Was sagte er?«

»Er sprach über Geschäftliches«, wich Mark aus.

Ihm gefiel diese Situation gar nicht. Er wusste nun, was von ihm erwartet wurde. Eduard Zöllger hatte es ja deutlich genug gesagt, aber Mark von Semmer zögerte.

»Wollen wir tanzen?«, erkundigte er sich.

Erina war sichtlich enttäuscht. Auch Eduard Zöllger hatte wohl etwas anderes erwartet. Er war erstaunt, als Mark seine Tochter zur Tanzfläche führte.

»Was wollte Vater von dir, Mark?«

»Wir hatten einiges zu besprechen.«

»Ich möchte gern wissen, um was es sich handelte.«

Erina Zöllger, eine dunkle Schönheit mit kohlschwarzen Augen, konnte den Zorn kaum noch verbergen. Sie wusste genau, was der Vater mit Mark besprochen hatte, und sie hatte erwartet, dass Mark ihr sofort den ersehnten Antrag machen würde. Nun aber tanzte er nur mit ihr und war nicht einmal bereit, von den Dingen zu reden.

Ein Diener trat zu dem Paar.

»Herr von Semmer, Sie werden am Telefon verlangt. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«

Mark war dankbar für die Störung. Er ging hinaus, aber Erina folgte ihm. Sie schloss die Tür zum Arbeitszimmer des Vaters, und als Mark den Hörer aufnahm und sich meldete, dachte sie: Das Gespräch kommt wie gerufen. Jetzt sind wir allein. Nach dem Gespräch wird Mark mich endlich fragen, ob ich seine Frau werden will.

»Ich komme sofort«, hörte sie Mark sagen, ehe er auflegte.

»Mark«, rief sie entsetzt, »du willst doch nicht etwa fort?«

»Mein Bruder ist verunglückt, man rief mich aus dem Krankenhaus an. Es war gut, dass ich die Telefonnummer von euch hinterließ.«

»Aber Mark, du kannst doch jetzt nicht ...«

»Erina«, sagte er ernst, »hast du mich nicht verstanden? Mein Bruder ist verunglückt. Er ist schwer verletzt. Ich muss sofort zu ihm.«

»Kann ich dich begleiten?«

»Nein, ich melde mich später.«

Ohne dem Mädchen noch einen Blick zuzuwerfen, lief der Mann hinaus. Erina ballte die Hände zu Fäusten.

»Ausgerechnet jetzt muss das passieren«, murmelte sie zornig, »konnte der Anruf nicht ein wenig später kommen?«

Vor Wut griff sie nach dem Kristallaschenbecher und warf ihn auf den Boden. Er zersplitterte in viele Stücke.

Eduard Zöllger trat ein.

»Erina, was ist denn geschehen? Ich sah, dass Mark fortging. Ihr habt euch doch nicht etwa gestritten?«

»Nein«, rief das Mädchen mit hochroten Wangen, »nicht einmal dazu hatten wir Zeit. Marks Bruder ist verunglückt. Er ist ins Krankenhaus gefahren.«

»Das tut mir leid.«

»Vater«, rief das Mädchen zornig, »hast du mit Mark gesprochen?«

»Ja, so wie ich es dir versprochen hatte.«

»Und? Was sagte er? Mark tat, als hättet ihr euch nur über Geschäfte unterhalten.«

»Erina, du musst dich in Geduld fassen. Mark ist kein Mann, den man auf einen bestimmten Platz schieben kann.«

»Aber ich will nicht länger geduldig sein, Vater. Ich liebe ihn schon lange. Ich habe nur Augen für ihn, aber er scheint es nicht einmal zu bemerken. Ich habe es satt, ihm nachzulaufen.«

»Sei froh, dass er nicht auf das Geld aus ist, Kind. Jeder andere Mann hätte schon mit beiden Händen zugegriffen, aber Mark lässt sich Zeit. Ich finde, dass er sehr anständig ist.«

»Ich will nicht länger warten, Vater.«

»Erina, deutlicher habe ich es ihm wirklich nicht klarmachen können. Ich habe ihm gesagt, dass er willkommen ist, dass die Geschäftsfreunde ihn schätzen, dass ich einmal gern alles in seine Hände legen würde. Ich kann ihn ja schließlich nicht zu einem Antrag zwingen.«

»Sicherlich hast du alles ganz falsch gemacht.«

»Ich möchte diese Worte nicht gehört haben, mein Kind. Du hast mich gebeten, die Sache in die Hände zu nehmen, und das habe ich auch getan. Mir war gar nicht wohl dabei, das kannst du mir glauben. Mark hat mich angesehen, als verstünde er überhaupt nicht. Bist du sicher, dass er dich liebt? Bist du sicher, dass er nur aus Schüchternheit nicht gewagt hat, um deine Hand anzuhalten?»

»Ich glaubte es bisher.«

»Hat Mark denn überhaupt schon eine Andeutung gemacht?«

»Ich habe dir doch alles erzählt, Vater. Wir waren tanzen, das erste Mal trafen wir ganz zufällig aufeinander.«

»Aber er hat dich geküsst, ja? Immerhin sagt ihr Du zueinander.«

»Wir tranken Brüderschaft. Wir alle waren ausgelassen und vergnügt.«

Eduard Zöllger fuhr sich durch das Haar.

»Jetzt stellst du die Dinge aber ganz anders dar, Erina. Vorher musste ich annehmen, dass Mark dich liebt und nur nicht wagt, einen Antrag zu machen. Aber anscheinend ...«

»Hör auf«, rief Erina zornig, »ich will jetzt nichts mehr davon hören. Ich liebe Mark und wünsche mir, seine Frau zu werden.«

»Aber Erina!«

»Ach, das verstehst du nicht«, sagte das Mädchen schmollend. »Von allen Männern, die ich bisher kennenlernte, ist Mark derjenige, der mich wirklich begeistert. Er ist höflich, immer korrekt, und er würde niemals eine Situation ausnutzen. Ich will Mark, Vater! Ich will ihn ganz für mich haben und seine Frau werden, denn bei Mark bin ich sicher, dass er mich nicht um des Geldes willen heiratet.«

»Aber du bist doch seiner Liebe gar nicht gewiss, Kind.«

»Er liebt mich«, sagte sie störrisch, »ich fühle es genau. Vielleicht hätte er jetzt schon seinen Antrag gemacht, wenn dieser dumme Bruder nicht ausgerechnet in diesem Augenblick verunglückt wäre.«

»Erina, du solltest die Dinge wirklich nicht so sehen. Schließlich ist ein Unglück geschehen.«

Sie stampfte mit dem Fuß auf.

»Robert Semmer hätte auch an einem anderen Tag verunglücken können«, rief sie zornig. »Mir ist die ganze Freude an dem Fest verdorben.«

»Mark wird doch wiederkommen?«

»Ich weiß es nicht.«

Eduard Zöllger nahm seine Tochter in die Arme.

»Du musst lernen, Geduld zu haben«, sagte er sanft.

Erina riss sich los und lief hinaus.

Der Unternehmer schüttelte den Kopf und besah die Scherben.

»Sie ist noch immer das kleine störrische Mädchen«, murmelte er. »Wann wird sie endlich erwachsen werden?«

Er nahm das Bild seiner verstorbenen Frau in die Hand.

»Ich glaube, ich habe in der Erziehung versagt, obwohl ich immer nur das Beste wollte«, sagte er gedankenschwer.

Der Unternehmer stellte das Foto auf den Schreibtisch zurück.

Die Mutterhand hat ihr gefehlt, dachte er. Es ist für einen Mann sehr schwer, ein eigenwilliges junges Mädchen zu leiten. Aber wenn Erina Mark von Semmer heiratet, wird alles in Ordnung sein. Sie liebt ihn, und er wird sie leiten können. Ehemänner können da mehr ausrichten als Väter.

Langsam ging der Mann zu seinen Gästen zurück.

♥♥♥

Mark von Semmer fuhr durch die dunklen Straßen. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Robert war verunglückt. Deshalb war er nicht zur vereinbarten Zeit eingetroffen.

Bald lag das Krankenhaus vor ihm. Robert hatte ihn zu sprechen gewünscht, also konnte er nicht so schwer verletzt sein.

Der Flur des Krankenhauses war nur matt erleuchtet. Es herrschte schon überall Ruhe.

Eine Schwester kam Mark entgegen. Er nannte seinen Namen.

»Kommen Sie«, sagte sie. »Ihr Bruder erwartet Sie schon.«

»Ist er schwer verletzt, Schwester?«

»Sie haben noch nicht mit dem Arzt gesprochen?«

»Nein.«

»Dann sollten Sie vielleicht ...«

»Bitte«, unterbrach der Mann sie, »ich möchte zuerst zu meinem Bruder und später dann mit dem Arzt sprechen.«

»Wie Sie wünschen, Herr von Semmer. Aber bleiben Sie bitte nur ein paar Minuten im Krankenzimmer, der Patient braucht Ruhe.«

Die Schwester öffnete ihm die Tür. Mark atmete auf, als er sah, dass sein Bruder nicht über und über mit Verbänden bedeckt war.

»Robert?«, rief er leise.

Der Kranke öffnete die Augen. Ein erkennendes Lächeln huschte über sein Gesicht.

»Mark, wie schön, dass du da bist!«

»Robert, alter Junge, da haben wir uns ein paar Jahre nicht gesehen, und nun machst du solche Geschichten. Wie ist es denn passiert?«

»Ein Hund, er lief ... Ach, es ist doch gleichgültig. Es ist eben passiert.«

»Hast du Schmerzen?«

»In der Brust, ja.«

Mark von Semmer hatte sich einen Stuhl dicht ans Krankenbett gezogen. Er sah die kleinen Schweißperlen, die die Stirn des Bruders bedeckten. Er nahm ein Taschentuch und wischte dessen Gesicht ab.

»Mark?«

»Ja?«

»Kümmere dich um Annerose.«

»Soll ich Annerose benachrichtigen? Wer ist sie? Deine Freundin, deine Braut? Oder hast du Schwerenöter geheiratet, ohne es mir mitzuteilen?«

Unmerklich schüttelte der Verletzte den Kopf.

»Annerose«, murmelte er wieder. »Annerose ...«

»Ja, Robert, ich habe verstanden, aber wie heißt sie weiter? Wo kann ich sie finden?«

»In Birkenfeld, verstehst du? Birkenfeld.«

»In Birkenfeld? Meinst du das kleine Dorf, in dem wir mit den Eltern vor langen Jahren einen Urlaub verlebten?«

Robert von Semmer nickte schwach. Der Atem kam jetzt stoßweise und keuchend aus der Brust. Der Schweiß brach wieder aus allen Poren.

»Robert, geht es dir schlechter? Soll ich den Arzt rufen?«

»Annerose«, murmelte der Kranke, »sage Annerose ... Birkenfeld, hörst du, Mark?«

Entsetzt blickte Mark auf seinen Bruder. Er sprang auf, lief hinaus und holte die Schwester.

Sie eilte im Laufschritt über den Korridor. Mark von Semmer wagte nicht zu atmen. Er starrte auf die Schwester, die sich nun über das Bett beugte.

Mark sah, wie sie die Hand des Bruders ergriff, wie sie den Puls fühlte, wie sie die Augenlider prüfend hochzog.