Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 626 - Ruth von Warden - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 626 E-Book

Ruth von Warden

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Beschreibung

Entsetzt muss Isabella von Kipfenburg am Todestag ihres Vaters erfahren, dass der Besitz hochverschuldet ist und der verhasste Onkel die Schuldscheine in Händen hält. Die junge Komtess weiß, dass dieser Mann an ihr nun die Rache nehmen wird, die er dem Vater geschworen hat. Isabella hat keine Gnade zu erwarten. Doch das Schlimmste für sie ist: Auch sonst bietet sich ihr keine hilfsbereite Hand.
Bevor der Onkel sie endgültig vom Gut vertreibt, will Isabella wenigstens von ihrem geliebten Blitz Abschied nehmen. Sie flieht förmlich in die Stallungen, sattelt den Hengst und galoppiert mit ihm davon. Ziellos reitet sie, bis sie ganz außer Atem ist, dann lässt sie sich ins Gras sinken und weint verzweifelt.
Plötzlich fährt sie auf. Eine Hand hat sich auf ihre Schulter gelegt ...


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Inhalt

Cover

Ankunft auf dem Steigner-Hof

Vorschau

Impressum

Ankunft auf dem Steigner-Hof

Warum Isabella keine Gnade zu erwarten hat

Entsetzt muss Isabella von Kipfenburg am Todestag ihres Vaters erfahren, dass der Besitz hochverschuldet ist und der verhasste Onkel die Schuldscheine in Händen hält. Die junge Komtess weiß, dass dieser Mann an ihr nun die Rache nehmen wird, die er dem Vater geschworen hat. Isabella hat keine Gnade zu erwarten. Doch das Schlimmste für sie ist: Auch sonst bietet sich ihr keine hilfsbereite Hand.

Bevor der Onkel sie endgültig vom Gut vertreibt, will Isabella wenigstens von ihrem geliebten Blitz Abschied nehmen. Sie flieht förmlich in die Stallungen, sattelt den Hengst und galoppiert mit ihm davon. Ziellos reitet sie, bis sie ganz außer Atem ist, dann lässt sie sich ins Gras sinken und weint verzweifelt.

Plötzlich fährt sie auf. Eine Hand hat sich auf ihre Schulter gelegt ...

»Komtess Isabella, kommen Sie, schnell, man bringt Ihren Vater ins Haus!«

Mit diesen Worten, ohne an die Tür geklopft zu haben, stürmte das Hausmädchen des Grafen Kipfenburg in das Zimmer der Komtess.

Isabella, dreiundzwanzig Jahre alt, sehr schlank, mit hellem Haar, wollte gerade Blumen in eine Vase stellen. Achtlos warf sie die Blumen nun auf den Tisch.

»Was ist mit meinem Vater?«, rief die Komtess und eilte zur Tür. Im Erdgeschoss waren schwere Schritte zu hören.

»Vorsichtig!«, rief eine dunkle Stimme. Ein Stöhnen folgte. Isabella hastete die Treppe hinunter.

»Vater!« Schon war sie bei ihm, nahm seine Hand, sah das Blut, das über die Wange rann.

»Was ist denn geschehen?«, rief sie entsetzt.

Vier Mann trugen den Grafen ins Haus.

»Der Graf ist von einem fallenden Baum getroffen worden«, sagte einer von ihnen.

»Aber wie konnte das geschehen?« Isabella war entsetzt, dann aber straffte sie sich. Sie durfte jetzt nicht die Nerven verlieren.

Die Komtess rannte den Gang entlang zum Arbeitszimmer des Vaters und rief den Arzt an. Hastig berichtete sie, was sie eben erfahren hatte, und bat um schnelles Kommen. Dann eilte sie zum Vater zurück.

»Isabella«, stöhnte der Verletzte, »ich will allein mit dir sprechen. Schick die Leute hinaus.«

Die Leute hatten die Worte gehört und verließen gesenkten Hauptes den Raum.

»Komm näher, Kind«, bat der Vater.

»Soll ich nicht versuchen, die Wunde zu säubern?«

»Das hat alles Zeit«, krächzte der Graf, »du hast ja den Arzt schon angerufen, nicht wahr? Es ist nicht nur der Kopf, Kind. Ich habe Schmerzen in der Brust und kann nur schwer atmen, aber ich muss mit dir reden.«

»Vater, wie konnte das nur geschehen?«, fragte die Komtess, die sich ganz dicht zum Vater ans Bett kniete.

»Ich bin zum Wald hinausgefahren und wollte der Arbeit zuschauen, du weißt ja, dass wir einen Teil des südlichen Waldes roden lassen. Ein Baum fiel anders, als berechnet worden war. Doch das ist jetzt wirklich nicht wichtig, Kind. Hör mir zu.«

Für einen Augenblick musste der Graf die Augen schließen. Isabella fürchtete schon, dass er ohnmächtig werden würde.

»Für den Fall, dass mir etwas geschehen sollte, musst du Bescheid wissen, mein Kind«, sagte er da stockend. »Unser Gut ist hoch verschuldet. Die letzten Jahre waren nicht gewinnbringend, doch ich wollte nicht aufgeben, wollte an den alten ...«

Es bereitete dem Grafen Mühe weiterzusprechen. Er holte tief Luft, ehe er fortfuhr.

»... Traditionen festhalten, das Gut gehörte ja schon immer den Kipfenburgs.«

»Sprich doch jetzt nicht davon, Vater. Es quält dich nur.«

»Aber du musst es wissen, Isabella. Bisher hielt ich ja alles von dir fern. Du solltest es nicht merken, aber das Gut, das Haus, es gehört uns schon lange nicht mehr. Wenn ich sterbe, wird man ...«

»Aber du wirst nicht sterben, Vater!«

Das war ein Aufschrei in höchster Not. Isabella liebte den Vater sehr. Ihre Mutter war bei der Geburt des zweiten Kindes gestorben, hatte auch dieses Kind mit in den Tod genommen, und Isabella konnte ihre ganze Liebe nur dem Vater schenken.

»Fasse dich, Kind. Wenn die Lebensuhr abgelaufen ist, kann man nichts machen. Isabella!«

Die Hand des Verletzten suchte die der Tochter.

»Vielleicht wird man dir einzureden versuchen, ich hätte den Tod gesucht, aber das stimmt nicht. Hörst du? Auf diese Weise würde ich niemals aufgeben und dich ungeschützt zurücklassen. Es war ein Unfall, mein Kind. Glaubst du mir das?«

»Ja, Vater. Steht es denn wirklich so schlecht um das Gut?«

»Ja. Es steht sehr schlecht, Isabella. Vielleicht wäre es mir gelungen, die Schulden in einigen Jahren zu tilgen, aber wenn ich nun sterben muss ... Isabella, fast alles, was wir besitzen, gehört Markus Schneider.«

Isabella fuhr auf. Das kann nicht stimmen, dachte sie. Der Vater musste durch den Unfall verwirrt sein.

Markus Schneider war der Schwager des Vaters. Er hatte vor etwa zehn Jahren die Schwester des Grafen geheiratet. Ein sehr reicher, arroganter Mann, den der Graf immer abgelehnt hatte. Und ausgerechnet von ihm sollte er Geld geliehen haben?

»Wenn Markus Schneider die Schuldscheine präsentiert, wirst du das Haus verlassen müssen, Kind. Allerdings hoffe ich, dass deine Tante Irene für dich eintritt. Sie mochte dich ja immer sehr gern, und wahrscheinlich bereut sie längst, dass sie diesem Mann die Hand reichte, aber Markus Schneider wird seinen Triumph auskosten, das weiß ich.«

Isabella schluckte. Auch sie mochte den Onkel nicht.

Sie erinnerte sich an den Tag vor etwa zehn Jahren, als Markus Schneider ins Haus gekommen war, um sich als zukünftigen Schwager vorzustellen.

»Ihr habt den Adel«, hatte er lachend gesagt, »und ich das Geld, das ist eine gute Mischung, denke ich. Die arme Komtess Kipfenburg wird sich nun endlich alles leisten können. Und ich, ein Mann aus dem Volk, werde es ihr ermöglichen. Adel gegen Geld, das ist ein guter Handel.«

Isabella erinnerte sich auch an die Reaktion des Vaters, der diesen überheblichen Mann überhaupt nicht beachtet und sich seiner Schwester zugewandt hatte.

»Liebste Irene, du solltest dir vielleicht überlegen, ob du diesen Mann wirklich heiratest«, hatte er ihr geraten. »Er passt nicht zu uns.«

Dieser Satz hatte die Männer zu Feinden gemacht.

Markus Schneider hatte die Komtess geheiratet und das Gut nie wieder betreten. Die Besuche der Tante waren auch seltener geworden und schließlich ganz eingeschlafen.

Und ausgerechnet von diesem Mann sollte der Vater Geld geliehen haben?

Graf Kipfenburg war wieder etwas zu Atem gekommen.

»Natürlich habe ich ihn nie selbst um Geld gebeten«, murmelte der Graf erklärend, »aber mein Schwager hat es verstanden, alle Schuldscheine an sich zu bringen. Und er wird sie präsentieren, ob ich überlebe oder nicht. Isabella, du wirst sehr tapfer sein müssen.«

»Ich bin tapfer, Vater. Das verspreche ich dir.«

»Vergiss nie, dass du eine Kipfenburg bist.«

»Nein, Vater.« Isabella schaute zur Uhr. Wo blieb der Arzt?

»Isabella, Isabella ...« Die Hand des Vaters krampfte sich um die Mädchenhand.

»Ich bin hier, Vater, hier, bei dir.«

»Es wird so dunkel, mir wird so kalt.«

Isabella zog mit der einen freien Hand die Decke höher.

»Der Arzt muss jeden Augenblick hier sein, Vater.« Sie wollte trösten, doch ihre Stimme war verzweifelt.

»Isabella, ich habe dich immer sehr geliebt, weißt du das?«

»Ja, Vater, ja.«

Der Komtess schossen die Tränen aus den Augen. Sie presste die Lippen auf des Vaters Hand.

»Ich liebe dich auch, Vater.«

»Das weiß ich, ich war auch immer sehr stolz darüber. Isabella, ich wünschte, dass ich es dir ersparen könnte. Vielleicht kann ich leben, dann gehen wir fort, suchen uns eine kleine komfortable Wohnung, vielleicht ...«

Er brach ab, netzte die Lippen, dann schloss er die Augen.

»Die Lider sind so schwer«, flüsterte er. »Versprich mir, dass du dich nicht von Markus Schneider unterkriegen lässt.«

»Ich verspreche es dir, Vater.«

Die Hand des Grafen fiel plötzlich zurück.

»Vater? Vater, hörst du mich?« Ihre Stimme war schrill. Da hörte sie den Wagen des Arztes kommen. Sie sprang auf, eilte dem Doktor entgegen. »Schnell«, rief sie, »ich glaube, er hat die Besinnung verloren!«

Schon eilte sie voran, dass der Doktor kaum folgen konnte. Doch als er sich über den Grafen beugte, wusste er sofort, dass er zu spät kam.

Mit sanftem Druck schloss er die Augenlider für immer.

»Es tut mir leid, Komtess Kipfenburg, aber ich kann nichts mehr für Ihren Vater tun.«

Der Arzt richtete sich langsam auf. Isabella presste die Hand gegen den Mund.

»Aber er kann doch nicht tot sein«, stammelte sie, »er hat doch eben noch mit mir gesprochen.«

Der alte weißhaarige Arzt nahm die Komtess in seine Arme.

Isabella drückte den Kopf an seine Schulter. Lange stand sie so, dann wurde ihr Körper vom Schluchzen geschüttelt. Der Arzt hielt sie fest, bis dieser erste Sturm abebbte.

Wie lange Isabella brauchte, um sich zu beruhigen, hätte sie später nicht zu sagen gewusst. Plötzlich aber richtete sie sich auf.

»Er ist wirklich tot?« Tonlos kam es von den Lippen.

»Ja, Komtess Kipfenburg. Es tut mir sehr leid.«

Der Arzt stellte den Totenschein aus, dann verließ er das Haus.

♥♥♥

Über eine Stunde saß die Tochter weinend am Bett des Vaters, sie küsste ihn noch einmal, dann erhob sie sich. Es waren viele Dinge zu tun.

Isabella Komtess Kipfenburg versuchte genau nach dem Wunsch des Vaters zu handeln.

Sie wirkte ruhig, als sie ein Beerdigungsinstitut beauftragte, die nötigen Schritte zu veranlassen. Sie weinte auch nicht, als man den Vater abholte. Schon als Kind hatte sie gelernt, Haltung zu bewahren.

Anschließend sprach sie ein paar Worte zum Personal, zu den Arbeitern des Gutes. Einen Verwalter gab es nicht. Graf Kipfenburg hatte die Zügel nie aus den Händen gegeben.

Ein stürzender Baum hatte diesen Mann, den letzten Kipfenburg, getötet. Einen weiteren männlichen Erben gab es nicht. Er war der letzte, denn Isabella würde, wenn sie einmal heiratete, den Namen preisgeben.

Das Haus ist so leer ohne ihn, dachte die Komtess, und plötzlich glaubte sie zu ersticken.

Schnell zog sie ihre Reitkleidung an und rannte aus dem Haus.

»Arno, satteln Sie mir meinen Blitz«, rief sie und konnte es kaum erwarten, dass man ihr das gesattelte Pferd brachte.

Blitz war von Isabella aufgezogen worden. Als Fohlen hatte sie es bekommen, dieses edle Tier, das ein kleines Vermögen wert sein mochte.

Wenig später jagte sie vom Hof. Die Arbeiter schauten ihr nach.

»Arme Komtess«, murmelten sie.

Sie war eine ausgezeichnete Reiterin, und sie liebte diesen Sport. Es gab keinen Tag, an dem sie nicht ausritt. Als beste Reiterin weit und breit war sie bekannt.

Nun aber ritt Isabella, als wären Teufel hinter ihr her. Es ging über Stock und Stein, über Hürden, über einen Bach. Der Wind wehte das helle Haar der Komtess zurück.

»Lauf, Blitz, lauf«, flüsterte sie, als gelte es ein Rennen zu gewinnen, und das kluge Pferd spitzte die Ohren und rannte weiter.

Erst eine Stunde später verhielt Isabella das Pferd. Weinend sank sie ein wenig zusammen. Sie war erschöpft von diesem Ritt.

Sich ins weiche Gras setzend, überdachte sie die veränderte Situation. Bisher waren ihr nie Gedanken gekommen, dass sie nicht reich sein könnte. Der Vater hatte alle Probleme von ihr ferngehalten. Nun aber würde die graue Wirklichkeit nach ihr greifen.

Ich muss es durchstehen, dachte sie, ich habe es Vater versprochen. Wenn er von irgendwoher auf mich blicken kann, soll er sehen, dass ich mich nicht unterkriegen lasse, auch nicht von einem Markus Schneider.

Isabella erschauerte, als sie nun an ihn dachte.

»Wie wird es weitergehen?«, murmelte die Komtess vor sich hin, dann erhob sie sich seufzend und ritt zurück zum Gut.

♥♥♥

»... Erde zu Erde, Staub zu Staub ...«

Der Pfarrer, der eine wundervolle Rede gehalten hatte, sprach die letzten Worte.

Graf Kipfenburg war zu Grabe getragen worden. Es waren dem Sarg viele Menschen gefolgt, und nicht einmal alle hatten Platz in der Kapelle gefunden. Jetzt umstanden die Menschen dicht gedrängt die Gruft.

Isabella warf dem Vater einen Strauß weißer Rosen nach, dann trat sie zurück. Ihr Gesicht war vom Schmerz gezeichnet, aber sie weinte nicht, und dankbar nahm sie die mitleidigen Beileidsworte der vielen Leute entgegen.

Frank Steigner, ein Jugendfreund, trat zu ihr. Sein Gesicht war ernst, als er ihr die Hand reichte.

»Wenn du mich brauchst, Isabella«, raunte er ihr zu, »wenn ich irgendetwas für dich tun kann, werde ich zur Stelle sein.«

Isabella sah den Freund dankbar an. Frank Steigner war ein ernster Mann, nicht viel älter als sie. Er bewirtschaftete mit seinem Vater einen kleinen Hof.

Als Kinder hatten sie viel Zeit miteinander verbracht, bis Frank Steigner begriffen hatte, dass er der Sohn eines Bauern und Isabella eine Komtess war. Es war ein schmerzlicher Augenblick für den Mann gewesen, denn Isabella war schon immer der Inhalt all seines Denkens gewesen.

Als Junge hatte er sich für sie geschlagen und sie beschützt.

»Spiel mit Kindern, die zu dir passen, mein Sohn!«, hatte sein Vater oft gesagt, und diese Worte hatten ihn sehr aufgewühlt. So hatte Frank es im Laufe der Jahre gelernt, seine Gefühle zu beherrschen. Und keiner, auch Isabella nicht, ahnte etwas davon.

Nach dem Begräbnis fuhr man ins Gutshaus zurück. Dort war alles für den Totenschmaus vorbereitet worden. Schnell und schweigend bediente das Personal.

Isabella saß am Kopfende des Tisches, dort, wo sonst der Vater seinen Platz hatte. Es war, als wollte sie demonstrieren, dass sie nun dem Haus vorstand.

Neben ihr saß die Tante, zur Linken aber Markus Schneider. Er tupfte sich mit der Serviette den Mund ab.

»Ich möchte dich gern zu einer Unterredung im Arbeitszimmer treffen, Isabella«, sagte er dann.

Jetzt wird es geschehen, dachte Isabella, doch sie zeigte nicht, wie aufgeregt sie war, sie nickte nur.

»Ich möchte bei dieser Unterredung dabei sein.« Das war die Stimme der Tante.

»Bitte sehr.« Markus Schneider lachte. »Ich habe nichts dagegen, meine Liebe.«

Und so kam es, dass Isabella wenig später im Arbeitszimmer des Vaters dem Onkel gegenübersaß. Markus Schneider wollte sofort den Platz am Schreibtisch einnehmen, doch Isabella hielt ihn ruhig, aber bestimmt auf.

»Dieser Platz bleibt frei, Onkel Markus«, erklärte sie. »Es ist der Platz meines Vaters.«

»Dein Vater lebt nicht mehr, mein Kind.«

»Das weiß ich, trotzdem wünsche ich nicht, dass du diesen Platz einnimmst.«

Das war deutlich. Markus Schneider kniff die Augen zusammen. Er war ein großer Mann mit einem breiten Gesicht, mit Augen, die manchmal recht verschlagen blicken konnten.

»Also gut«, sagte er gönnerhaft, »setze ich mich erst einmal hierher, es spielt keine Rolle.«

Er schlug die Beine übereinander.

»Isabella, ich habe dir etwas zu sagen und dir auch ein paar Fragen zu stellen. Bist du bereit, mir zu antworten?«

»Ja, Onkel Markus.«

»Hm, weißt du eigentlich, dass dein Vater Schulden hatte?«

»Ja.«

»Wie lange weißt du es schon?«

»In seiner Todesstunde berichtete mein Vater davon.«

»So, so! In seiner Todesstunde! Berichtete er auch, wer seine Schuldscheine hat?«

»Ja, Onkel Markus. Du.«

»So, so, das also hat er dir auch gesagt. Hört, hört. Nun ja, dein Vater war ein schlechter Geschäftsmann, außer einem klingenden Namen hatte er nichts aufzuweisen.«

Isabella sprang auf.

»Ich verbiete dir, in diesem Ton von meinem Vater zu reden!«, stieß sie hervor. »Das dulde ich nicht! Mein Vater war ein herzensguter Mann!«

»Schon gut, Isabella.« Markus Schneider lachte. »Dein Vater mag ja herzensgut gewesen sein, aber er war kein Geschäftsmann, sondern ein verwöhnter Graf, dem man die gebratenen Tauben bis ins Haus tragen musste.«

»Onkel Markus«, fuhr Isabella zornig auf, »hast du mich nicht verstanden? Ich dulde es nicht, dass du üble Reden nach seinem Tod führst.«

»Ich sage die Wahrheit.« Er schaute Isabella durchdringend an und rief plötzlich in strengem Ton: »Setz dich gefälligst, Isabella.«

»Ich möchte stehen«, war ihre Antwort.

»Und ich sage dir, dass du dich hinsetzen sollst. In diesem Haus befehle ab heute ich. Du hast vielleicht keine Ahnung, wie verschuldet dein Vater war, mein Kind. Dir gehört nicht einmal ein Ziegelstein! Ist das klar? Setz dich also hin, das rate ich dir.«

Isabella blieb ungerührt stehen, verschränkte die Arme vor der Brust.

»Sprich weiter«, sagte sie, »ich höre also, dass mir nichts gehört. Soll ich das Haus verlassen? Alt genug bin ich. Wenn du ...«

Weiter kam sie nicht, denn nun erhob sich der mächtige Mann und kam auf sie zu.

»Hör zu«, zischte er, »in diesem Ton wirst du nicht mit mir reden. Du bist arm wie eine Kirchenmaus, verstehst du? Wenn du hierbleiben kannst, dann wirst du es meiner Güte verdanken. Im Allgemeinen verschenke ich keine Almosen.«

»Onkel Markus ...«

»Schweig endlich, du hochmütige Person. Auf was bildest du dir eigentlich etwas ein? Wie kannst du noch stolz sein? Aber deinen Stolz werde ich brechen, meine schöne Nichte. Ganz klein wirst du werden.«

Unwillkürlich richtete sich Isabella noch etwas steiler auf.

»Das schaffst du nicht«, sagte sie bebend. »Dazu bist du nicht groß genug, Onkel Markus.«

»Bin ich nicht?«

»Nein!«

»Markus«, wisperte seine Frau kläglich, »nimm doch bitte etwas Rücksicht, Isabella hat schließlich den Vater verloren. Denke doch daran.«

»Das tue ich ja, meine Liebe, sonst würde ich nämlich noch ganz anders mit ihr umspringen. Wer ist sie denn?« Er deutete ungeniert auf Isabella. »Ein armes Mädchen, das auch noch frech wird.«

Er begann durch den Raum zu laufen.

»Ha«, rief er, »die Tochter eines Grafen, der auf mich herabsah, dem ich für die Schwester nicht gut genug war. Ich habe dieses lausige Gut schon zu Lebzeiten deines Bruders erworben, meine Liebe. Und jetzt werde ich diesem Mädchen, dieser Komtess, ein bisschen die Flügel beschneiden.«

Wieder wandte er sich an Isabella.