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Der Band "Dies" enthält Tagebucheintragungen und eine Sammlung kroatischer Gedichtminiaturen samt ihren deutschen Übersetzungen. In den Tagebucheintragungen geht es um ganz Unterschiedliches. So hält der Autor z.B. seine Reaktionen auf literarische, theoretische und journalistische Texte ebenso fest wie einige seiner Träume oder auch das, was er als Teilnehmer einer Lehrprobe erlebt hat. Darüber hinaus erstellt der Autor einen persönlichen Kanon kurzer Texte, verfasst die eine oder andere literarische Miniatur und zitiert immer wieder aus Texten verschiedener Autoren. Bei aller inhaltlichen Verschiedenheit der Eintragungen, also ihrem Dies und Das, weisen sie doch aufgrund bestimmter Leitmotive wie der Beschäftigung mit Lyrik, des Schnees oder auch der Gesellschaftskritik eine gewisse Struktur auf. Der Autor teilt die Auffassung Elias Canettis, der zufolge es "genügt, sich eine Stunde täglich seinen Gedanken zwecklos auszuliefern, um etwas wie ein Mensch zu bleiben". Einen Teil von dem, was dem Tagebuchschreiber während einer solchen Stunde in der Zeit vom 9.12.2012 bis 1.3.2013 durch den Kopf ging, hat er in seinen Eintragungen festgehalten. Die kroatischen Miniaturen samt ihren deutschen Entsprechungen stellen ein Geschenk dar, das der Autor genau am Tag seines letzten Eintrags überreicht hat.
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Seitenzahl: 81
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Robert Korn
Robert Korn Dies © 2017 Robert Korn
Erschienen bei www.epubli.de, ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Cover: Erik Kinting | www.buchlektorat.net Konvertierung: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de
Dies
Tagebucheintragungen (9.12.2012 - 1.3.2013)
Dies
9.12.12
10.12.12
11.12.12
12.12.12
13.12.12
14.12.12
15.12.12
16.12.12
17.12.12
18.12.12
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22.12.12
23.12.12
24.12.12
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26.12.12
27.12.12
28.12.12
29.12.12
30.12.12
31.12.12
1.1.13
2.1.13
3.1.13
4.1.13
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6.1.13
7.1.13
8.1.13
9.1.13
10.1.13
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12.1.13
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20.1.13
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1.2.13
2.2.13
3.2.13
4.2.13
5.2.13
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23.2.13
24.2.13
25.2.13
26.2.13
27.2.13
28.2.13
1.3.13
Na tebe
Studirati
Studieren
Samo
Nur
Otrcano
Abgedroschen
Okus
Geschmack
Najgore
Am Schlimmsten
Zvijezde
Sterne
Drukčije
Anders
Bezglav
Kopflos
Jezik
Sprache
S pogledom
Mit Aussicht
Gdje?
Wo?
Poezija
Poesie
Knjiga
Buch
Što još?
Was noch?
Odgovor
Antwort
Preuzak
Zu eng
Šuma
Wald
Otvoren
Offen
Grad
Stadt
Reklama
Reklame
Jedan roman
Ein Roman
Ljut
Zornig
Više
Mehr
Težak
Schwer
Bol
Schmerz
Loše
Schlecht
Pomoć
Hilfe
Mali
Klein
Smjelo
Kühn
Fraze
Phrasen
Prijatelji
Freunde
Vijest
Nachricht
Stablo
Baum
Bez
Ohne
Crkva
Kirche
Razum
Verstand
Djeca
Kinder
Sunce
Sonne
Srce
Herz
Ne!
Nein!
Uvijek
Stets
Sujetan
Eitel
Vjetar
Wind
Ništa
Ein Nichts
Ponekad
Manchmal
Pun
Voll
Pust
Öd
U travi
Im Gras
Kazalište
Theater
Rječnik
Wörterbuch
Rima
Reim
Anmerkung
Tagebucheintragungen (9.12.2012 - 1.3.2013)
„Warum erschrecken wir, wenn wir uns umsehen und unsere Spuren im frischen Schnee erblicken?“ (Abram Terz)
Selbst hier bei uns viel Schnee. Die Stadt erhält dadurch ein geradezu ländliches Aussehen. An manchen Stellen jedoch fängt er schon wieder an zu schmelzen.
„Kabale und „Liebe“ zu Ende gelesen. Darin die folgende Textstelle:
„Machen Sie ihm das Mädchen verdächtig – Wahrscheinlich oder nicht. Ein Gran Hefe reicht hin, die ganze Masse in eine zerstörende Gärung zu jagen.“
Woran liegt das? Vielleicht daran, dass er sich selbst mehr liebt als seine Geliebte. Ein „Gran“ Zweifel an ihrer Integrität reicht dann schon aus, seine Eitelkeit so sehr zu verletzen, dass „eine zerstörende Gärung“ entsteht.
Diesmal mehr als sonst bei der Lektüre eines Dramas auf die Regieanweisungen geachtet. Sie können einem helfen, genauer in Worte zu fassen, was einem am Verhalten anderer oder auch an dem eigenen auffällt. Werde später einmal weitere Stücke Schillers auf ihre Regieanweisungen hin durchsehen und mir davon die eine oder andere herausschreiben.
Gestern einige philosophische Reflexionen aus dem Buch „Denkstücke“ von Thomas Vašek gelesen. Darin setzt er sich in mehr oder weniger kurzen Texten mit einer Vielzahl philosophischer Themen bzw. Probleme auseinander. Sie alle sind in der Tat „lehrreich und anregend“ geschrieben. Zwei von Vašek in seinem Buch zitierte Sätze sollte ich mir besonders merken:
- „Wem wenig nicht genügt, dem genügt nichts.“ Im Internet fand ich eine bessere Version dieses Satzes von Epikur. Sie lautet so: „Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.“
- „Der Anfang ist die Hälfte vom Ganzen.“ (Aristoteles)
Mir vor kurzem bei „Jokers“ zwei schön gestaltete Hardcover-Bände mit den Tagebüchern von Sándor Márai gekauft, die er in den Jahren 1941-1945 geführt hat. Bin erst heute dazu gekommen, einmal eine kurze Zeitlang in ihnen zu blättern. Hier zwei Zitate daraus:
- „Wir müssen alle Einfälle, Gedankensplitter notieren, denn niemand ist so vergesslich wie ein denkender Mensch. Aber wir dürfen nichts, was noch Einfall ist, vor seiner Zeit in ein Werk verwandeln.“
- „Das Gedicht ist nicht nur eine Gnade, sondern auch Praxis, Bastelei, wenn ihr wollt Kunsthandwerk, sorgsame Aufmerksamkeit und Geschick.“
Auf dem zum Fenster hin gelegen Teil unseres Esstischs steht ein Adventskranz. Zwei seiner vier weißen Kerzen haben heute Abend gebrannt. Als ich sie gelöscht hatte, empfand ich ihren Anblick plötzlich als traurig. Mir war, als wüssten sie schon von Golgatha.
Heute Nacht geträumt, einen Rollkragenpullover mit hohem Kragen zu tragen. Glaubte, dadurch ein markantes Kinn zu bekommen. Ich fühlte mich wieder jung.
Danach ein sexueller Traum. G. steckte mir einen Trinkhalm in den Mund. Anschließend küsste sie um ihn herum meine Lippen ab.
Wieder in dem Buch „1913“ von Florian Illies gelesen. Es besteht aus einer großen Anzahl von kurzen Texten, die mosaikartig ein Bild des Jahres „1913“ ergeben. Neben vielen anderen Personen handeln sie zum Beispiel von Thomas Mann, Franz Kafka, Franz Marc, aber auch von Hitler und Stalin. Die Texte sind so interessant geschrieben, dass man nicht mehr aufhören möchte, sie zu lesen. Hatte mir deshalb vor einiger Zeit nach meiner Lektüre der digitalen Leseprobe von „1913“ gleich den Gesamttext dieses Buchs auf mein Lesegerät heruntergeladen. Von dem Autor Florian Illies hatte ich vorher noch nichts gelesen.
Auch heute kam mir wieder ein Satz von Karl Kraus in den Sinn, auf den ich in „1913“ gestoßen war. Er lautet wie folgt:
„Ein Gedicht ist so lange gut, bis man weiß, von wem es ist.“
Kraus bezieht sich hier auf Franz Werfel. Zunächst hatte er die Gedichte Werfels gerühmt. Doch dann äußerte sich Kraus von dem Augenblick an über sie abfällig, als er erfuhr, dass Werfel über Sidonie Nádherný Gerüchte verbreitete. Diese Frau war damals Kraus’ Geliebte.
Musste bei dem Satz von Kraus daran denken, dass ich seit langem schon keinen Text von Peter Handke mehr lesen kann. Dass sich letzterer nach wie vor nicht von seiner Parteinahme für Milošević distanziert hat, erbittert mich immer noch zu sehr, als dass ich mich auf einen Text von ihm einlassen könnte.
Noch eine weitere Stelle aus „1913“ fiel mir heute wieder ein. In ihr sagt Döblin über die Kokotte: „Die Sexualorgane sind ihre Betriebswerkzeuge.“ Habe mich bei diesem Zitat sofort an Kants berühmt-berüchtigte Definition der Ehe erinnert, in der er vom „Besitz“ der „Geschlechtseigenschaften“ spricht. Sollte die Ehe bei Kant also nur eine verkappte Form von Prostitution sein?
Zwei Bilder, mit denen ich mich einmal näher beschäftigen möchte:
- „Wölfe (Balkankrieg)“ von Franz Marc
- “Berliner Straßenszene“ von Ludwig Kirchner
Heute in einem Zeitungsartikel gelesen, dass es nach 1945 in Polen Pogrome gegen Juden gegeben hat. Die damals herrschenden polnischen Kommunisten unternahmen dagegen nur wenig. Warum? Sie wollten nicht, so der Artikel, dass die Polen in ihnen Anwälte jüdischer Interessen sähen.
Hier einige Regieanweisungen aus Stücken Schillers:
mit zerstörtem Gesicht, mit großer innerer Bewegung, mit schmerzvollem Lächeln, mit ungewissem Blick, einen schmelzend ansehen, weichmütig, krampfig, schäumend, mit Befremden umhersehen, mit vollem Blick
Noch zwei Wochen bis Weihnachten. Der Trubel in der Stadt ist deshalb sehr groß. Mitten im Gedränge fiel mein Blick einmal auf einen nahe gelegenen Kirchturm. Er kam mir plötzlich höher vor als sonst.
Heute früh am Morgen wieder einen Teller Müsli mit Sojamilch und etwas Wasser zum Frühstück gegessen. Anschließend auf dem Wohnzimmersofa eine Tasse Kaffee ohne Milch und Zucker getrunken. Dazu einige Kekse gegessen, die ich wie auch sonst immer vor jedem Biss in den Kaffee getunkt habe.
Später vom Sofa aus noch eine kurze Weile beobachtet, wie sich das kahle Geäst des Baumes vor einem Teil unseres Fensters sacht im Wind bewegte. Die Dunkelheit, die jetzt frühmorgens draußen herrscht, wird bei uns teilweise aufgehellt durch das Licht der Straßenlaternen hier in der Nähe.
Einem unaufmerksamen Kind eine kleine Mappe mit Zetteln entrissen und sie ihm dann an den Kopf geworfen. Ich bin erleichtert, als ich sehe, dass ich das Kind nicht verletzt habe. Dann plötzlich die Angst in mir, es könnte den Vorfall trotzdem dem Direktor melden. Nach dem Aufwachen jedoch wieder erleichtert: Ich hatte alles nur geträumt.
In der Mittagspause die Idee zu einem Essay über den Begriff „Ruhe-stand“. Er soll darin abgegrenzt werden von einer Art Stand-by-Betrieb, d.h. einem Zustand, in dem ein Mensch zwar beruflich nicht tätig ist, aber stets damit rechnen muss, wieder zu einer beruflichen Aktivität aufgefordert zu werden. Wo immer er sich auch aufhalten mag, er ist heute durch sein Smartphone oder Tablet-PC jederzeit leicht erreichbar. Dabei wird von ihm verlangt, möglichst prompt auf eine Nachricht zu reagieren. Er vermag so nicht mehr wirklich zur Ruhe zu kommen.
In diesem Zusammenhang böte sich ein Zitat von Nietzsche an:
„Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Zivilisation in eine neue Barbarei aus.“
Nietzsche fordert deshalb, „das beschauliche Moment in großem Maße zu verstärken.“
In dem Essay sollte auch auf den Titel eines Buches von Cees Nooteboom eingegangen werden. Er lautet in deutsche Übersetzung: „Das Paradies ist nebenan“. Dieser Titel könnte dann mithilfe eines Grundgedankens der Philosophie Schopenhauers erläutert werden, dem zufolge jeder, der sich Zeit nimmt, gründlich über sich und die Welt nachzudenken, in eine Art paradiesisches Jenseits gelangt, das nicht mehr vom blinden Willen beherrscht wird.
Mehrere Rilke-Gedichte gelesen. Rilke richtet sich darin gegen jede Form von Verdinglichung. So etwa in diesen beiden Versen:
„Alles Erworbene bedroht die Maschine, solange/ sie sich erdreistet, im Geist, statt im Gehorchen, zu sein.“
Nimmt Rilke hier nicht Heideggers „Haltung des gleichzeitigen Ja und Nein zur technischen Welt“ vorweg, also Heideggers „Gelassenheit zu den Dingen“?
In einem von Rilkes „Briefe(n) an einen jungen Dichter“ auf eine Textstelle gestoßen, die vom Missbrauch der Sexualität handelt. Sie lautet wie folgt:
„Das Geschlecht ist schwer; ja. (…) Die körperliche Wollust ist ein sinnliches Erlebnis, nicht anders als das reine Schauen oder das reine Gefühl, mit dem eine schöne Frucht die Zunge füllt; sie ist eine große unendliche Erfahrung (…) Und nicht, dass wir sie empfangen, ist schlecht; schlecht ist, dass fast alle diese Erfahrung missbrauchen und vergeuden und sie als Reiz an den müden Stellen des Lebens setzen und als Zerstreuung statt als Sammlung zu Höhepunkten.“
Den meisten geht es also nach Rilke letztlich gar nicht um Sex, sondern nur um Zerstreuung. Sollte dies zutreffen, so wäre allem Anschein zum Trotz die derzeitige Sexualisierung im Grunde asexuell.