Doppelkrimi,  Ausgabe 2 - Joana Angelides - E-Book

Doppelkrimi, Ausgabe 2 E-Book

Joana Angelides

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

DER TODESENGEL Kommissar Mahrer übernimmt einen Mordfall, dessen Aufklärung anfangs in eine völlig andere Richtung weist, bis sich ungeahnte Tiefen und Abgründe auftun und in einer Überraschung endet. Wider seiner sonstigen Besonnenheit scheint er sich emotional einzubringen und dem Reiz einer Frau zu unterliegen. Es gelingt ihm jedoch, sich daraus zu befreien und den Mord in allen seinen Facetten zu klären.  Schlussendlich kommt die Wahrheit ans Licht und die Gerechtigkeit siegt. EISKALTE RACHE Ein idyllischer Sonntag wird jäh durch eine Autobombe zerrissen, eine Familie gerät in den Strudel von Rache, Vergeltung und unglücklichen Umständen. Kommissar Georg Mahrer kämpft sich durch scheinbar unerklärliche Ereignisse,  doch schlussendlich schlägt das Scjhicksal unbamherzig zu und der Mörder bekommt, was er verdient.  Eine Frau nimmt Rache, gewollt oder ungewollt, das ist die Frage! Beide Krimis spielen in Wien.

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Joana Angelides

Doppelkrimi, Ausgabe 2

Todesengel, eiskalte Rache

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Doppelkrimi, Ausgabe 2

 

 

 

 

DER TODESENGEL

 

 

 

 

Es war schon Zeit, dass der Sommer endlich wieder Einzug hielt.

 

Bellevue, das kleine Schlössel, lag inmitten eines großen Parks rund um das Haupthaus, in der lieblichen Landschaft rund um Baden bei Wien. Die grünen Fensterläden wurden neu gestrichen und die Fenster frisch geputzt. Der Rasen wurde geschnitten und die Holunderbüsche gestutzt.

 

Die Gartenmöbel standen unter den Platanen und das Seeufer war gereinigt. So geschah es jedes Jahr zu Saisonbeginn immer wieder.

 

Es wird wieder ein abwechslungsreicher Sommer werden, mit viel Musik und voller Lachen der jungen Leute. Das Schlössel gehörte der Familie Hohenberg einer Wiener Industriellenfamilie und stand der Jugend und deren Freunden traditionsgemäß den ganzen Sommer über zur Verfügung.

 

Es war weit genug vom Hauptgebäude entfernt, aber doch wieder so nahe, dass man die Infrastruktur des Anwesens nutzen konnte. War aber schwer einzusehen und so als Refugium für die Jugend prädestiniert.

 

Dr. Paul Hohenberg, der jüngste Sohn des Hauses stand auf der Terrasse vor dem Salon und blickte den beiden, die Auffahrt heraufkommenden Autos mit Freude entgegen. Er kannte die Insassen sehr gut; sie spielten schon als Kinder in dem weitläufigen Park und nun gingen sie alle auf dieselbe Universität. Sie waren außerdem die Hoffnungsträger der Oberschicht. Seine Studentenzeit war schon einige Zeit vorbei, er hatte in BWL an der WU-Wien promoviert und war in die Firma seiner Familie voll eingestiegen, aber trotzdem fühlte er sich im Kreise seiner Freunde und Studienkollegen sehr wohl. Obwohl er verheiratet war, ließ er sich die Tage dieser traditionellen Freiheit und Ausgelassenheit nicht nehmen. was immer seine Frau davon hielt. Sie waren wieder eingeladen, auch in diesem Sommer, wann immer es ihre Zeit zuließ, ganz ungezwungen zu erscheinen und an gemeinsamen Spielen und kleinen Partys teilzunehmen. Natürlich war er es, der die Party dominierte und auch für die Kosten der Verpflegung aufkam, sein finanzieller Hintergrund erlaubt ihm das. Seine Familie gehörte zu den großen Industrieunternehmen in Österreich. Dass natürlich alle sich da auch nach ihm richteten, war zwar unausgesprochen aber in der Gruppe klar. Er war sozusagen der „Leitwolf“.

 

Für dieses Wochenende waren Franziska, Clemens, Anne-Marie und Ferdi angesagt. Besonders freute sich Paul auf Anne-Marie. Sie hatten sich in den vergangenen Wochen einige Male heimlich in Wien getroffen und einige sehr heiße Nächte miteinander verbracht. Das war eigentlich ein Bruch in ihrer verschworenen Gemeinschaft und sie hielten das auch geheim. Die Vereinbarung war so, dass sie sich zu erotischen Zusammentreffen nur gemeinsam trafen und die Partner, miteinander abgestimmt, wechselnden. Sie zelebrierten diese Treffen bereits drei Sommer lang und es war bisher befriedigend und sehr anregend. Das Schlössel eignete sich dazu hervorragend, es war geräumig, hatte sechs Schlafzimmer und vier Bäder und das Personal war verschwiegen und diskret.

 

Paul lief die Treppe von der Terrasse hinunter und riss gleich die erste Wagentüre schwungvoll auf. Franziska empfing ihm mit einem sinnlichen Kuss und wie immer gierigen Händen, die sofort seine Brustnippel durch das Hemd suchten. Sie wusste, dass sie ihm damit verrückt machte. Kurz darauf lagen sie sich alle gegenseitig in den Armen und begrüßten sich stürmisch. Anne-Marie war durch ihr schlechtes Gewissen ein wenig gehemmt und verunsichert. Doch auch sie ließ sich von allen herzen und küssen und lachte mit. Die letzte inoffizielle Woche in Wien mit Paul, hatte nämlich ihre emotionalen Spuren hinterlassen.

 

„Und wer ist das?“, Paul hielt inne und blickte in die großen schwarzen Augen einer Fremden, die als Letzte aus dem Fond des Wagens stieg.

 

„Das ist Cathrine! Wir haben sie mitgenommen, weil ihre Eltern während der Ferien nicht in Wien sind und sie sonst völlig alleine wäre in der großen Stadt. Ich denke sie passt zu uns und wird eine gute Ergänzung sein!“, sagte Ferdi, griff nach ihrer Hand und zog sie in den Kreis. Cathrine konnte man als exotische Schönheit bezeichnen. Ihre schwarze, üppige Haartracht fiel auf ihre Schultern, die dunklen, großen Augen hatten einen unglaublichen Glanz und die Augenbrauen waren schwungvoll wie Schmetterlingsflügel. Ihre Eltern kamen aus Peru und besonders ihr Vater war in diplomatischen Missionen sehr viel unterwegs, manches Mal eben begleitet von seiner Frau.

 

Paul nahm ihre andere Hand, beugte sich darüber und hauchte einen Kuss darauf.

 

„Ohja, willkommen Cathrine!“.

 

Auch dieses Mal hatte Ferdi wieder eine bezaubernde Wahl getroffen. Die Überraschung von Paul war nur gespielt, denn sie bemühten sich immer wieder, allerdings mit wechselten Erfolgen, eine Außenstehende in ihren Kreis einzubringen umso zu vermeiden, dass in ihre erotischen Spiele Routine Einzug hielt. Dieses kleine Geheimnis blieb streng unter ihnen, um die Diskretion zu wahren und die Kandidatinnen nicht in Verlegenheit zu bringen.

 

Er warf Ferdi einen anerkennenden Blick zu, ohne dass es Cathrine merkte.

 

Unter fröhlichem Gelächter und Zurufen holten nun alle ihre Gepäckstücke aus dem Auto und stellten sie bei der Treppe ab.

 

Die Dienerschaft war inzwischen ebenfalls erschienen und sie trugen dann gemeinsam alles die Treppe hinauf. Zwischen der Dienerschaft und den Besuchern war ein gewisses Einverständnis zu bemerken, sie kannten sich ja nun schon seit längerer Zeit und das Geheimnis der Ereignisse verband sie irgendwie.

 

Die Gäste verschwanden in den einzelnen Zimmern, die sie ja schon kannten um sich frisch zu machen. Für Cathrine wurde rasch ein weiteres Zimmer hergerichtet und dann zog einmal vorläufig Stille ein.

 

Sie nahmen das Abendessen dann auf der großen Terrasse ein. Es waren Lampions ringsum in den Bäumen und an den Lampenkandelabern befestigt, das Essen wurde weitgehend schweigend serviert, nur leise Musik von Debussy und Vivaldi untermalte ihre spärliche Unterhaltung. Es herrschte eine gespannte Atmosphäre; sie wussten alle, warum sie hier waren und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Sie ließen ihre Blicke im Kreise schweifen, tauschten kleine Lächeln aus, die Mädchen öffneten lasziv und vielversprechend ihre Lippen und strichen langsam mit der Zunge darüber. Die Atmosphäre heizte sich langsam auf.

 

Paul konnte seine Blicke nicht von Cathrine lassen. Sie trug ein hautfarbenes Cocktailkleid mit schwarzer Stickerei am Oberteil, das lange schwarze Haar verschmolz fast mit den Ornamenten darauf und ihre ebenfalls sehr dunklen Augen glänzten im Licht der Lampions. Sie sah ein wenig ängstlich aber auch neugierig aus. Sie wusste noch nicht genau, was sie tatsächlich erwartete.

 

Anne-Marie wiederum hatte unter dem Tisch mit ihren Füßen Kontakt mit Paul gesucht und ihre Zunge befeuchtete in erregender Langsamkeit ihre Lippen. Sie hoffte auf eine Fortsetzung der erregenden Spiele der vergangenen Woche. Ferdi und Franziska tranken gemeinsam aus einem Glas. Clemens wiederum stand hinter Anne-Marie und seine Finger glitten langsam und lasziv an ihrem Nacken bis zu den Schulterblättern auf und ab. Sie unterbrach aber deswegen ihre Annäherungsversuche an Paul unter dem Tisch keinesfalls, obwohl Clemens sie erregte.

 

Durch die Musik, dem lauen Abend und dem Champagner begann sich die Situation langsam aufzuschaukeln. Sie waren alle hungrig aufeinander, ihre Lust hatten sich schon den ganzen Tag und während der Fahrt langsam aufgebaut und sie wollten nun endlich, dass die Nacht wie immer, zu einem lustvollen Erlebnis werden sollte.

 

Paul stand endlich auf und hob damit die Tafel auf.

„Wir sollten nun zum angenehmen Teil unseres Abends kommen“, sagte er halblaut und alle erhoben sich und gingen gemeinsam ins Haus.

 

Cathrine ging auf der Treppe hinter Paul und er konnte zaghaft ihre Finger an seinen Rückenwirbeln auf und abgleiten spüren. Offenbar war sie von den Freunden instruiert und eingeweiht worden. Paul erregte das sehr. Er liebte außerdem Frauen, die zeigten was sie wollten und ohne Umschweife darauf lossteuerten.

 

Ohne weitere Worte verschwanden die Pärchen, Ferdi mit Franziska, Clemens mit Anne-Marie und Paul mit Cathrine, in den jeweiligen Zimmern der Herren, doch die Türen blieben offen, das war so vereinbart und Usus. So konnten die Partner und Mitspieler auch zwischendurch eventuell die Räume wechseln und es ergeben sich zwangslos so „Menage a trois“-Situationen. und jeder konnte außerdem hören was sich in den anderen Zimmern abspielte.

 

Eigentlich hatte Paul Anne-Marie als erste Gespielin eingeplant, als Fortsetzung ihrer amourösen Treffen während der vergangen Woche in Wien, sozusagen. Doch nun war er von der exotischen Schönheit Cathrins so gefangen, dass er Anne-Marie nun einmal fürs erste vergaß. Er hatte Cathrine sanft in sein Zimmer gedrängt, nachdem er sie im Gehen umfasste und dabei intensiv auf den Mund küsste.

 

In den nächsten Stunden war nur leises Flüstern, Seufzen und gelegentlich kleine Aufschreie zu hören.

 

Als plötzlich ein gellender Schrei durch das Haus hallte.

 

In der offenen Türe zum Zimmer von Paul stand Cathrine, nackt, nur ein Handtuch an sich gepresst mit aufgerissenen Augen

Die anderen kamen gelaufen, ebenfalls nur spärlich bekleidet.

 

„Was ist denn los mit Cathrine?“, flüsterte Anne-Marie zu Clemens, der neben ihr stand.

 

„Ich… ich weiß es nicht!“, flüsterte dieser zurück.

 

Ferdi und Franziska kamen ebenfalls aus ihrem Zimmer und blickten erschrocken auf Cathrine.

 

Inzwischen kamen auch Melchior, der Hausdiener und Marie das Hausmädchen aus dem Obergeschoß herunter. Sie hatten beide schon geschlafen, der Schrei hatte sie geweckt.

 

„Um Gottes Willen, was ist denn geschehen!“, rief Marie mit hoher Stimme und begann sofort zu weinen.

 

Der erste der sich fing, war Melchior.

 

„Bitte bewahren Sie Ruhe! Fräulein Cathrine, warum schreien Sie so?“ wandte er sich an die erstarrte Cathrine.

 

Cathrine wandte sich langsam ihm zu.

 

„Er ist tot und alles voller Blut…“, schluchzte sie.

 

„Wer ist tot!“, fragte Melchior und ging einen Schritt auf sie zu.

 

„Paul…“, dann wankte sie und hielt sich am Türrahmen fest, ihre Knie ließen nach. Melchior konnte sie gerade noch auffangen und zu einer der Sitzbänke im Flur führen, Er ging dann in das Zimmer und kam gleich wieder heraus.

 

„Ja, ich glaube, er ist tot. Wir müssen sofort den Notruf und dann die Polizei rufen, Bitte greifen Sie nichts an. Und ziehen Sie sich etwas über!“, sagte er gefasst, „hat jemand ein Handy griffbereit?“

 

Ferdi ging zum Nachttisch in sein Zimmer zurück und reichte es Melchior, dann setzte er sich auf das Bett und stützte seinen Kopf in die Hände.

 

Melchior rief den Notruf, machte seine Angaben und reichte ihm das Telefon wieder.

 

„Die Polizei wird sofort kommen! Und bitte noch einmal, ziehen Sie sich was über!“, seine Stimme klang tadelnd. Denn alle standen noch immer, mehr als spärlich bekleidet und wie versteinert herum.

 

Franziska und Anne-Maria weinten vor sich hin und ließen sich von Ferdi und Clemens wieder in die Zimmer zurückführen.

Melchior kümmerte sich um Cathrine, sie drohte abzurutschen.

 

„Haben Sie etwas im Zimmer, was Sie anziehen können?“ fragte er sie leise.

 

„Ja, meinen Kimono vielleicht?“ flüsterte sie schluchzend.

 

Melchior ging in das Zimmer zurück, bedacht, nichts anzurühren und holte den erwähnten Kimono, der am Boden lag neben einem kleinen Nichts von einem Slip und brachte sie Cathrine.

 

Dann wandte er sich Marie zu.

 

Das Hausmädchen stand ebenfalls noch immer unter Schock und starrte vor sich hin.

 

„Herr Paul…..“, sagte sie leise „er war so fröhlich heute Abend!!“

 

„Marie, bitte reißen Sie sich zusammen, gehen Sie in die Küche und machen Sie Kaffee oder Tee, je nachdem was die Herrschaften wollen, das beruhigt einmal die Situation, bis die Polizei da ist!“, sagte Melchior streng. Er hatte die Initiative und das Kommando übernommen.

 

 

Jähes Ende eines geruhsamen Wochenendes.

Kommissar Dr. Mahrer saß mit einem Buch und einem Glas Rotwein auf seiner Terrasse seines kleinen Häuschens in Grinzing und genoss den lauen Abend. Eigentlich wollte er und Barbara, die Pathologin aus der Rechtsmedizinischen Abteilung, ein schönes Wochenende in der Wachau bei Freunden verbringen, doch Barbra musste überraschend zu einem Pathologie-Kongress nach Deutschland fliegen und kommt erst wieder am Montag zurück. Sie blieb ihm nichts Anderes übrig, als das Wochenende mit Mephisto, seinem Raben zu verbringen. Dieser Rabe hatte ihn ausgewählt, gerade ihn, von all den anderen Hausbesitzern in der kleinen ruhigen Gasse und bestimmte auf seine Art irgendwie ihr gemeinsames Leben. Natürlich missfiel es ihm immer wieder, wenn Georg Mahrer einmal ausschlafen wollte und seine Schale mit den Körnern und dem Futter leer war. Er krächzte dann so laut, dass man es weithin hören konnte und erregte natürlich dadurch auch den Unwillen der Nachbarn. Er nahm hin und wieder auch die Schale in den Schnabel und schleuderte sie quer über die Terrasse oder er setzte sich auf das Geländer und krächzte so lange, bis Mahrer herauskam und die Schale füllte. Sonst saß er meist auf einem der Bäume im Garten oder auch auf der Hecke zum Nachbarn und beobachtete genau, was so vorging.

 

Er war aber auch ein guter Zuhörer und hatte schon in einigen verzwickten Fällen seine Meinung kundgetan, indem er zustimmend nickte oder ein unwilliges Krächzen von sich gab! Wenn er andere Meinung war, lief er auf dem Geländer auf und ab oder schüttelte und drehte seinen Kopf und seine kleinen Knopfaugen blitzen unwillig. Mit einem Wort, er benahm sich wie ein alter Ehepartner!

 

Abends war er meist verschwunden, oder er übernachtete in einem alten Katzenkörbchen, dass auf dem Grill im Garten stand.

 

In die Idylle des Abends hinein läutete plötzlich das Telefon. Unwillig schaute Mahrer auf das Display. Es war Dr. Alex Fuhrmann, sein Vorgesetzter, Dezernatsleiter und Freund.

 

Zögerlich nahm er das Handy in die Hand. Was konnte er so spät an einem Samstagabend von ihm wollen? Das roch nach Arbeit!!

 

„Hallo, Du störst!“, sagte er unwillig.

 

„Ja, ich weiß, es ist Samstag und spät auch noch. Aber wir haben ein Problem!“

 

“Wir?“

 

„Ja, wir. In der Villa vom Dr. Hohenberg ist offenbar ein Mord geschehen und er hat mich angerufen und um Hilfe gebeten!“

 

„Das liebe ich, Freunderlwirtschaft! Einen Mord können wir ja wohl nicht unter den Tisch kehren! Also lass alles seinen Weg laufen. Die Abteilung II hat ja wohl Dienst heute abends und auch die Spurensicherung!“

 

„Du weißt, welche Stellung die Hohenbergs in Wirtschaft und Politik haben, außerdem ist der Sohn vom Alten und auch der Sohn vom Minister Kargl involviert. Die hatten dort eine… na sagen wir delikate Party am Laufen und während dieser Party ist Paul, der Sohn vom Dr. Hohenberg zu Tode gekommen! Er will nicht, dass sich da gleich die Presse drüber stürzt!“

 

Kommissar Mahler seufzte.

 

„Muss ja eine tolle Party gewesen sein! Ja und was erwartest Du nun von mir?“

 

„Naja, ich möchte, dass Du das bearbeitest, das heißt die Abteilung II da gar nicht erst hineinwirkt“

 

„Du weißt schon, dass ich den Inspektor Tom Bauer auch aktivieren muss, der ja auch heute frei hat und dass das auch Überstunden kosten wird?“

 

Er rechnete mit der Kostensparsamkeit seines Chefs und dachte an die ewigen Kämpfe bei den Abrechnungen.

 

„Jaja, das ist mir völlig klar! Aber das sind besondere Umstände und die erfordern besondere Maßnahmen. Das kann ich schon verantworten!“, wischte Fuhrmann das Argument vom Tisch!

 

Mahrer seufzte.

 

„Also gut! Wo ist der Tatort?“

 

Dr. Fuhrmann gab ihm die Adresse durch.

 

„Was? Das ist ja in Baden! Da sind wir Wiener ja überhaupt nicht zuständig!“, rief Mahrer hoffnungsvoll.

 

„Aufgrund der Bedeutung der Personen und der Umstände habe ich das schon geklärt. Wir übernehmen den Fall!“, sagte Dr. Fuhrmann und legte grußlos auf.

 

`Damit hat er weitere Einwände abgewürgt! ´ dachte Mahrer wütend bei sich.

 

Bevor er sich seufzend erhob, rief er noch Tom, seinen Assistenten und Inspektor seiner Abteilung am Handy an und informierte ihn. Dieser war auch nicht sehr erfreut, er war beim Bowling und gerade am gewinnen.

 

„Ach Chef, muss das sein?“, fragte er mürrisch.

 

„Leider Tom, ich bin auch verärgert, aber es kommt von höchster Stelle. Dr. Fuhrmann hat uns das aufs Auge gedrückt, und ihm wahrscheinlich der Minister! Der Sohn des Industriellen Hohenberg und ein Ministersohn sind da involviert! Der Tote ist noch dazu der Sohn Hohenbergs selbst! Ich hole Sie ab! Wo sind Sie denn?“

 

„In der Stadthalle, ich warte auf Sie beim Haupteingang!“, sagte Tom seufzend.

 

Auf der Fahrt nach Baden sprachen sie kein Wort. Tom wusste nicht genau, inwieweit sein Chef da verbündet mit Dr. Fuhrmann war. Außerdem war es immer ratsam vorsichtig zu sein, wenn so Leute der High-Society in Fälle verstrickt waren! Obwohl, Mahrer war da nicht so heikel, aber trotzdem.

 

Als Sie bei der Villa ankamen, stand schon ein Einsatzwagen der Badener Polizei mit drei Polizisten vor dem großen Eingangstor zu einem offensichtlich weitläufigen Park und passten auf, dass niemand das Grundstück betrat. Natürlich waren auch drei Pressefritzen da, die wahrscheinlich den Polizeinotdienst abgehört hatten und redeten wild auf diese ein. Doch die Polizisten hatten die Arme vor der Brust verschränkt und schauten teilnahmslos drein.

 

Mahrer hielt seinen Polizeiausweis aus dem Fenster, einer der Polizisten salutierte und ließ ihn passieren. Sie fuhren die Auffahrt hinauf und dort stand ein zweites Polizeiauto, jedoch mit nur zwei Polizisten. Sie wiesen sich auch hier aus und parkten sich neben dem Einsatzauto der Polizei ein.

 

Mahrer blickte auf das Schlössel und verglich es mit seinem bescheidenen kleinen Einfamilienhäuschen, er seufzte.

 

Oben auf der Treppe zum Eingang erschein ein älterer weißhaariger Mann im Smoking mit einem zweiten Mann in Livreejacke, es war Dr. Franz Hohenberg und Melchior, der Hausmeister.

 

Tom und Mahrer gingen hinauf.

 

Bevor sie jedoch mit den beiden hineingingen, drehte sich Mahrer zu den beiden Polizisten um.

 

„Es kommt noch die Spurensicherung und auch ein Pathologe, sie sollen mir nachkommen! Danke!“

 

Er bedauerte, dass die Pathologin Dr. Barbara Rauch in Deutschland bei diesem Kongress war, er arbeitete lieber mit ihr. Nicht nur weil er es so gewohnt war!

 

Er wandte sich nun Dr. Hohenberg und Melchior zu.

 

„Sie haben hoffentlich am Tatort nichts verändert, oder die Leiche bewegt?“

 

„Nein!“, sagte Melchior „ich habe nur an der Schlagader gefühlt, wollte wissen ob er noch lebt. Er war aber tot!“, sagte er mit gepresster Stimme.

 

„Wo ist der Tote nun?“, fragte Mahrer.

 

„Bitte folgen Sie mir!“, sagte Melchior und führte sie in den ersten Stock. Er hatte sich inzwischen komplett angezogen, in seine Dienstuniform geschmissen sozusagen und hatte eine ernste Miene aufgesetzt.

 

Der Tote lag am Rücken, nackt im breiten Bett, hatte nur einen Slip an und schien zu schlafen. Seine Beine waren bedeckt nur mit einem Laken. In seiner Brust stecke ein Messer.

 

„Herr Melchior, ich sehe hier nun zehn Personen, einschließlich Ihnen und dem Hausmädchen. Gibt es sonst noch irgendwelche Personen im Haus oder auf dem Anwesen?“

 

„Nein, das sind alle Menschen, die heute Nacht hier sind“, sagte Melchior.

 

Mahrer wandte sich an die jungen Leute, die nun eng beieinander neben Cathrine im Flur versammelt waren.

 

„Haben Sie irgend jemand im Haus gehört, oder irgendwelche Geräusche gehört, die Sie sich nun nicht erklären können?“, fragte er und blickte jeden Einzelnen dabei an.

 

Sie schüttelten alle den Kopf.

 

Mahrer wandte sich nun an Dr. Hohenberg.

 

„Herr Dr. Hohenberg, was hier geschehen ist, tut mir sehr leid, aber darf ich Ihnen trotzdem ein paar Fragen stellen?“

 

Dieser atmete tief ein und nickte. Offenbar kam er direkt von einem Abendessen, er war im Smoking und stützte sich auf einen Stock. Wobei der Stock offensichtlich nur als Accessoire diente, er schien keine Probleme beim Gehen zu haben.

 

„Sie tun nur Ihre Arbeit!“, sagte er dann leise, „bitte kommen Sie mit mir hinunter in den Salon, da können wir uns setzen und ich muss nicht die Leiche meines Sohnes sehen!“

 

Mahrer nickte. Es war tatsächlich besser so, denn der Pathologe und auch die Spurensicherung waren inzwischen angekommen und sie standen nur im Weg.

 

„Aus welchem Anlass sind alle diese Leute hier zusammengekommen und welche Rolle spielten Sie dabei?“, fragte Mahrer den alten Herrn, nachdem sie sich gesetzt hatten.

 

„Das war ein Zusammentreffen von Freunden meines Sohnes, die immer wieder hier stattfanden. Sie sind Studienfreunde und nutzen den Pavillon eben im Sommer immer wieder. Im Winter geht das nicht, er ist nur schlecht beheizbar. Ich war nicht anwesend, ich war bei Freunden, bei einem Hauskonzert. Melchior hat mich angerufen und ich bin sofort hier herbeigeeilt!“, sagte er mit gepresster Stimme.

 

„Leben Sie, bzw. lebten Sie mit Ihrem Sohn in einem gemeinsamen Haushalt?“

 

„Nein, ich lebe alleine, ich bin verwitwet, meine Frau starb vor fünf Jahren nach langer Krankheit. Ich habe nur eine Haushälterin und einen Chauffeur, der übrigens draußen auf mich wartet. Der kann bestätigen, dass ich auf dem Hauskonzert war. Mein Sohn ist verheiratet und bewohnt mit seiner Frau ein Haus in Döbling in der Sieveringer Straße.“

 

„Seine Frau ist auch hier? Könnte ich sie sprechen?“, fragte Mahrer. Eigentlich wäre anzunehmen, dass sie sich an der Seite ihres Schwiegervaters aufhalten würde in dieser Situation.

 

„Nein Melanie nimmt an diesen Treffen nie Teil, sie hat einen ganz anderen Freundeskreis und verabscheut außerdem solche Partys!“, sagte Dr. Hohenberg ausweichend. Man merkte ihm an, dass dieses Thema für ihn unangenehm war.

 

„Bitte geben Sie meinem Inspektor den genauen Namen und die Anschrift bekannt, wir werden uns mit der Ehefrau in Verbindung setzen“, sagte Maher verwundert. Es wunderte ihn schon sehr, dass man sie nicht auch verständigt hatte und sie ebenfalls sofort an den Tatort kam. Immerhin wurde ihr Ehemann ermordet!

 

Dr. Hohenberg merkte, dass sich Mahrer Gedanken machte und sagte daher:

 

„Wissen Sie, die Beiden führen eine sehr offene Ehe, lassen sich gegenseitig sehr viel Freiraum und jeder geht seinen eigenen Interessen nach. Melanie ist mehr Wissenschaftlerin als Ehefrau, lebt sehr zurück gezogen und widmet sich mehr der Geologischen Beschaffenheit der Erde und ihrer Tierwelt, als dem heutigen Leben. Man kann sagen, sie ist eine Träumerin. Aber offenbar lieben, liebten sie sich und waren glücklich miteinander! Ich weiß gar nicht, wie ich ihr das sagen soll. Ich werde sie gleich anschließend an unser Gespräch anrufen“, sagte er seufzend, „wenn es nicht Melchior schon getan hat.“

 

Man merkte, dass er nicht wirklich Verständnis für die Art seines Sohnes hatte, wie er seine Ehe führte.

 

`So hat halt jede Familie ihre eigenen Probleme und Schattenseiten!´ dachte sich Mahrer dabei.

 

Tom notierte sich die genaue Adresse und auch die Telefonnummer von Melanie Hohenberg. Sie werden sie morgen kontaktieren.

 

Sie verabschiedeten sich von Dr. Hohenberg.

 

„Herr Doktor, wir verabschieden uns für heute. Hier ist meine Karte, ich werde Sie gerne weiter informieren. Wir sehen uns sicher in der Polizeidirektion in den nächsten Tagen, wie auch all die anderen Teilnehmer an dieser Party!“, Mahrer reichte dem alten Herrn die Hand. Dieser überreichte ihm ebenfalls seine Karte.

 

„Danke Herr Kommissar. Ich werde nun noch mit Melchior dafür sorgen, dass die jungen Leute wieder nach Hause kommen und wahrscheinlich dann hier die restliche Nacht verbleiben. Wohin bringt der Pathologe meinen Sohn und wann wird er für die Beerdigung freigegeben werden?“

 

„Wenn die Spurensicherung hier fertig ist und auch der Pathologe seine Daten gesammelt hat, wird der Leichnam Ihres Sohnes in die Pathologie gebracht. Wann Sie über den Leichnam verfügen können, hängt ganz von den Untersuchungen und dem Stand der Ermittlungen ab. Vorläufig kann ich Ihnen das nicht sagen. Es tut mir leid!“

 

Der alte Mann ging mit schweren Schritten aus dem Raum.

 

Mahrer wandte sich an den Hausangestellten Melchior.

 

„Sie sind hier angestellt? Das ganze Jahr über, oder nur wenn es solche Treffen gibt?“

 

„Ich wohne ganzjährig hier, habe hier ein eigenes Zimmer! Ich gebe auf das Haus Obacht, betreue auch den Garten“, sagte Melchior, nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme.

 

„Wie oft finden den solche Treffen hier statt?“

 

„Das ist unterschiedlich. In diesem Jahr ist es das erste Mal!“

„Und, sind es immer dieselben Teilnehmer oder wechselt das?“

 

„Außer dieses Mal dem Fräulein Lopez, sind es immer dieselben! Sie kennen sich schon jahrelang und sind Studienkollegen. Wie aber Fräulein Lopez, gibt es immer wieder vereinzelt ein oder zwei Gäste, die neu sind!“

 

„Danke, das ist für heute alles, wir sehen uns am Montag ab 9.00h in unserem Büro, für eine Einvernahme und ein Protokoll, wenn Sie es sich einrichten können!“. Mahrer übereichte ihm seine Karte und Melchior nickte.

 

Dann wandte sich Mahrer an Tom.

 

„Tom, bitte nehmen Sie die Daten aller hier Anwesenden auf und bestellen Sie sie für Montagmorgen zu uns ins Büro. Gilt auch für das Personal!“

 

„Ja, mache ich!“, versprach Tom.

 

„Wie steht es mit Ihnen, können Sie mit der Spurensicherung dann nach Wien mitfahren, oder soll ich auf Sie warten?“

 

„Nein, Chef, das geht in Ordnung. Ich fahre mit der Spusi nach Wien und nehme mir dann ein Taxi nach Hause. Das geht doch in Ordnung? Es ist schon weit nach Mitternacht und da fährt keine Straßenbahn oder Bus mehr!“, sagte Tom und nickte.

 

„Jaja, das geht in Ordnung, vergessen Sie aber den Beleg nicht! Wir sehen uns dann Morgen im Büro! Ich weiß, dass morgen Sonntag ist, aber wir müssen vor allem mit der Frau des Toten so rasch als möglich sprechen!“, lächelte Mahrer und bestieg seinen Wagen. Er sehnte sich nach seinem Bett!

 

In der Zwischenzeit hatte Melchior dafür gesorgt, dass die jungen Leute ein wenig zur Ruhe kamen, sich wieder angezogen hatten und mit zwei Taxis abfuhren. Das alles geschah sehr moderat, es wurde fast nichts gesprochen.

Nur Anne-Marie schluchzte noch vor sich hin, Franziska stand noch ein wenig unter Schock und war fast lethargisch. Cathrine war nun aber die

Gefasstere von den Dreien. Sie war natürlich auch geschockt, doch kannte sie ja Paul gar nicht und war emotional daher nicht so beansprucht. Sie fuhr mit Ferdi in einem Taxi, während die beiden anderen Mädchen mit Clemens fuhren. Bevor sie jedoch abfuhren, nahm Tom noch ihre Daten auf und sie erklärten sich bereit, am Montag um 9.ooh morgens in der Polizeidirektion pünktlich zu erscheinen.

 

Melchior und Marie, das Hausmädchen wurden von Tom dann für 14.ooh bestellt.

 

Zeugenaussagen

Die Einvernahmen der Zeugen gestaltet sich als schwierig.

Eine der wichtigsten Zeuginnen, nämlich Cathrine, ließ sich per Fax durch einen Anwalt entschuldigen, sie habe einen Schock erlitten und man faxte ein ärztliches Attest, dass sie momentan nicht vernehmungsfähig sein. Man wird sich im Laufe der Woche melden.

Die Nacht war für Kommissar Mahrer und Tom eher kurz. Sie erschienen beide schon um 8.ooh im fast leeren Büro, Kaffe gab es nur aus dem Automaten, die Bürokaffeemaschine wurde meist nur von Inspektor Monika Pohl bedient, doch auch sie hatte heute frei.

Tom kam gleich mit Kommissar Mahrer in sein Büro mit und setzte sich ihm gegenüber. Er holte seinen Notizblock heraus und legte es aufgeschlagen hin.

„Die Sache mit der Zeugin Cathrine Lopez ist ärgerlich. Eigentlich ist sie unsere Hauptzeugin, sie kann oder aber will nicht sofort aussagen! Ich hätte sie gleich verhaften sollen! Immerhin war sie es ja, die mit dem Toten in einem Raum war. Sie ist unsere Hauptverdächtige!“

„Ja, darüber habe ich auch nachgedacht, Aber sie war so durch den Wind und der Sanitäter hatte ihr eine Beruhigungsspritze gegeben, wir hätten sie sowieso nicht befragen können“, gab Mahrer zu, „außerdem glaube ich nicht, dass diese kleine zarte Person die Kraft gehabt hätte, den massigen Paul Hohenberg zu überwältigen und ihm das Messer hineinrammen und viermal zustechen hätte können. Warten wir einmal ab!“

„Sie wollten die Telefonnummer von Melanie Hohenberg!“, fragte Tom.

Mahrer nickt dankend und griff zum Telefon.

„Na, dann rufen wir die Dame gleich einmal an!“

Es läutete nur zwei Mal bis sie abhob.

„Ja, Hohenberg!“, ihre Stimme klang ein wenig belegt.

„Guten Morgen Frau Hohenberg. Es tut mir leid, dass ich sie so früh anrufe, doch hier spricht die Mordkommission der Polizeidirektion Wien. Ich nehme an, dass Sie schon Bescheid wissen, was heute Nacht geschehen ist?“

„Ja, ich weiß was geschehen ist, mein Schwiegervater hat mich noch in der Nacht informiert“, sagte sie leise.

„Frau Hohenberg, wir würden gerne heute bei Ihnen vorbeikommen, wir haben einige Fragen an Sie. Wann ist es Ihnen den Recht?“

„Ich bin da, so gegen Mittag? Aber ich kann Ihnen sicherlich nicht helfen, ich war ja gar nicht draußen im Schlössel!“, sagte sie.

„Ja, das geht sich gut aus. Inspektor Thomas Bauer und ich werden dann so um 11.00h bei Ihnen sein. Die Adresse haben wir ja.“

Sie legte grußlos auf.

„Sehr erschüttert dürfte sie ja nicht sein. Sie haben es gehört, so um 11, loh sollten wir bei ihr sein. Am Sonntag gibt es bekanntlich nicht so viel Verkehr, wir sind sicher in ca. zwanzig Minuten bei ihr, das geht sich noch aus, dass sie ein File anlegen, mit all den Namen und Daten der gestern Anwesenden. Sowie ein kurzes Protokoll“, sagte Mahrer zu Tom.

Inspektor Bauer nahm seine Kaffeetasse und ging in den Nebenraum zu seinem Schreibtisch, um das alles zu erledigen.

Mahrer war neugierig geworden, warf seinen Computer an und suchte nach Informationen über Melanie Hohenberg. Was er hier las, überraschte ihn dann doch ein wenig.

Melanie Hohenberg hatte zwei Doktortitel, war ordentliche Professorin auf der Universität für Bodenkultur und der Universität Wien, wo sie einen Lehrstuhl für Geographie und Meereskunde hatte. Sie war offenbar eine anerkannte Wissenschaftlerin betreffend den Dinosaurier und der Zeit davor.

Er betrachtete ihr Bild eingehend und was er sah, passte so gar nicht zu seiner Vorstellung, wie eine Professoren, mit zwei Doktortitel und zwei Lehrstühlen an der Uni auszusehen hatte. Sie erinnerte in eher an eine französische Schauspielerin aus seiner Jugend, namens Leslie Caron! Sie sah so Beschützens wert aus, so zerbrechlich! Sie ähnelte den zarten Püppchen, wie man sie in Spieldosen tanzen sah! Sie hatte ganz kurzes dunkles Haar, und übergroße blaue Augen. Ihr Antlitz faszinierte ihn.

Er musste über sich selbst lächeln und schüttelte den Kopf! Seit wann war er so empfänglich für Äußerlichkeiten?

Er las weiter. Sie war schon um die halbe Welt gereist, hatte an Workshops und Forschungsreisen teilgenommen, die sie bis Feuerland und Patagonien, sowie Nepal und dem Gebiet um den Himalaya geführt hatten. Sie stammte aus einer Gelehrtenfamilie, ihr Vater und auch der Großvater waren bekannte Geologen.

Seine Neugierde auf diese Frau war plötzlich riesengroß!

Sie waren pünktlich zur verabredeten Zeit bei der kleinen Villa. Es war ein eher modernes Haus, mit dunklen Glasscheiben, zwischen Mauerstützen, einem Alpengarten rundherum und einem angeschlossenen Glashaus. Im Garten standen zwei Bronzefiguren, die so geschätzte 2,5 Meter groß waren. Sie stellten offenbar zwei Diskuswerfer dar. Sie erinnerten ihn ein wenig an die Figuren von Rodin, sowie ein Steingebilde, das eine Arte Sprungbrunnen darstellte.

Tom stand mit offenem Mund da und staunte.

Mahrer läutete kurz an und sofort ging ein Surren los und die Gartentüre öffnete sich und sie gingen den kurzen Weg hinauf zum Haus. Melanie Hohenberg stand schon in der geöffneten Tür.

Der Eindruck den Mahrer von ihr via Bildschirm gewann bestätigte sich. Nur dass sie etwas größer war, als er sie sich vorgestellt hatte.

Sie hatte eine schwarze, sehr weite Hose an und ein enges weißes Oberteil, dass ihre breiten Schultern ahnen ließ. Ihre Brüste waren eher klein, doch betonte durch das eng anliegende Oberteil. Die Oberarme waren muskulös und die breiten Schultern gingen in die Schlüsselbeine am Hals über, was durch den weitgezogenen, ovalen Ausschnitt noch betont wurde. Ihre Füße steckten in offenen Sandalen und weißen Socken. Auffallend waren ihre langen schmalen Finger, mit den überlangen, dunkelrot lackierten Fingernägel. Für eine Wissenschaftlerin waren sie ein wenig zu Rot, fand Mahrer, verwarf diesen Gedanken aber als Vorurteil!

Sie begrüßte sie mit einem Lächeln und machte eine einladende Handbewegung.

„Bitte, kommen Sie weiter!“

Sie betraten unmittelbar einen großen, weiten Raum, der lichtdurchflutet war. Die Front zum Garten bestand fast ausschließlich aus großen Glasscheiben mit Jugendstilmotiven in sehr hellen Farben und sie ließen den Blick in den hinteren Teil des Anwesens frei. Eine frei schwebende Treppe führte in den Oberstock. Überall standen überdimensionale Topfpflanzen herum. In einer Ecke ein großer Wasserbrunnen, der leise sprudelte. Der Raum war in Gold und Weiß gehalten, sogar der Kamin, über dem ein überdimensionaler Spiegel hing. Das Grün der üppigen Pflanzen lockerte das Ganze gefällig auf.

Im Hintergrund lief eine fremdartige Musik, wie Flötenmusik, wesentlich höher, langanhaltend, Spährenklängen ähnlich, aber sehr leise. Konnte das eine sehr hohe Stimme sein?

Auf diesem Kamin, platziert vor dem Spiegel, stand eine Skulptur von Ernst Fuchs, „Die Sphinx mit dem Goldhelm“. Es gab einige Ausgaben von dieser Sphinx, in verschiedenen Größen, immer sehr teuer und für einen Beamtengehalt fast unerschwinglich, egal in welche Größe, wusste Mahrer.

Sie klatschte in die Hände und es wurde still, die Musik war weg.

In der Mitte des Raumes stand eine Sitzgarnitur, ganz in weißem Leder mit kleinen Rauchglas-Tischchen für die Ablage von Gläsern oder Tassen.

Sie hatte offenbar ein Catering angerufen, sie bot den Beiden kleine Kanapees an und hatte auch bereits eine große Kanne Kaffe vorbereitet.

Die Sitzgarnitur bestand aus einer großen Sitzbank und zwei kleineren, zweisitzigen Bänken.

Mahrer und Tom nahmen auf einer der kleineren Bänke Platz und Melani Hohenberg setzte sich auf die große Seite, zog die Beine an und schaute sie beide erwartungsvoll an. Sie hatte kurzes schwarzes Haar, ihre großen blauen Augen dominierten das Gesicht. Und wieder erinnerte sie Mahrer an diese kleine französische Schauspielerin, Leslie Caron.

Tom griff gerne zu, er hatte ja heute noch gar nichts gegessen, Mahrer winkte leicht ab, nahm aber dann doch eine Tasse Kaffe.

„Frau Dr. Hohenberg, es ist ein trauriger Anlass, der uns herführt und es tut uns leid, dass wir Sie so früh überfallen, aber wir hätten verständlicher Weise einige Fragen an Sie. Fühlen Sie sich in der Lage, sie zu beantworten?“

„Ich verstehe das natürlich, fragen Sie, aber ich kann Ihnen wahrscheinlich gar nichts sagen, wie sie wissen war ich nicht draußen im Schlössel, weiß also nicht was sich da abgespielt hat!“

„Ja, wir wissen, dass Sie nicht da waren. Und das ist gleich meine erste Frage. Die jungen Leute treffen sich da öfter zu einer Zusammenkunft in Baden und wie wir eruiert haben, nur zu dem Zwecke, um sich miteinander zu amüsieren. Haben Sie das gewusst? Haben Sie gewusst, dass Ihr Mann da auch immer mit den Mädchen Sex hatte und dass sie untereinander die Partner tauschten? Der Zweck dieser Treffen war eigentlich nur der, um Sex mit mehreren Partnern durcheinander zu haben. Ihr Mann Paul war der Initiator. Akzeptierten Sie das?“ er war neugierig, was sie da antworten wird. Er nahm an, dass er sie in Verlegenheit bringen wird. Doch dem war nicht der Fall. Sie blickte ihn voll an und antwortete sofort.

„Ja, ich wusste das. Sehen Sie, wir führten eine offene Beziehung, wir ließen dem Anderen seine Freiheiten. Paul liebte das und brauchte es auch. Deshalb haben wir uns ja nicht weniger geliebt. Es belebte auch unsere Ehe. Ich weiß, dass die meisten Menschen das anders sehen, auch mein Schwiegervater! Paul hat mir am Montag dann immer erzählt, was sich so abgespielt hat, worüber sie geredet haben, welche Musik sie gehört haben, ich weiß von Anne-Marie und auch von Franziska!“

Während sie sprach bewegte sie sich hin und her, streckte ihre langen Arme aus, dann wieder verschränkte sie sie. Ihre blauen Augen waren voll auf Mahrer gerichtet. Sie hatten einen schwermütigen Ausdruck.

„Naja, wenn das so ist! Ist Ihnen bei Ihrem Mann in letzter Zeit etwas aufgefallen, war Ihr Mann nervös, bekam er unerklärliche Anrufe? War er abweisend zu Ihnen?“

„Nein, er war wie immer. Er war ein zärtlicher Ehemann!“, nun schwangen doch einige Emotionen mit. Sie zog aus dem Ärmel ein kleines Taschentuch hervor und wischte sich über die Augen.

„Wie steht es denn geschäftlich? Hatte Ihr Mann da Schwierigkeiten?“

„Das weiß ich nicht, das müssten Sie mit meinem Schwiegervater besprechen. Mein Mann hat eine Sparte des Unternehmens übernommen, als er mit dem Studium fertig war. Alles Geschäftliche überwacht und dirigiert eigentlich Franz, also Herr Dr. Hohenberg, mein Schwiegervater. Das ergab hin und wieder hitzige Debatten, weil mein Mann doch neue Ideen hatte und Franz eher konservativ ist. Leider hat er alle seine Ideen abgeschmettert!“, um ihre Mundwinkel konnte Mahrer sowas wie ein kurzes Zucken sehen.

„Ja, und? Wie ging das aus?“

„Franz setzte seinen Willen meist durch!“

„Wie ertrug Ihr Mann das?“, fragte Mahrer hellhörig.

„Naja, so genau weiß ich das nicht. Aber manches Mal träumte er schon von einer eigenen Firma!“, lächelte Melanie Hohenberg ein wenig, „aber nicht, dass Sie nun da verkehrt denken, mein Mann liebte seinen Vater und der liebte seinen Sohn. Franz würde ihm nie etwas antun!“, sagte sie sofort erschrocken.

„Nein, das nehmen wir auch nicht an, da er ja außerdem, nach seinen eigenen Angaben, zum Tatzeitpunkt bei einem Hauskonzert war. Wir werden das allerdings noch überprüfen. Wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen Ihnen und Dr. Hohenberg Senior?“

„Ein etwas Distanziertes. Er hat sich als Schwiegertochter eine Frau gewünscht, die eventuell auch in der Firma mitarbeitet, oder zumindest ihre Repräsentationspflichten bei diversen Empfängen oder Firmenfeiern wahrnimmt, was ich nicht gerne und auch fast nie mache. Ich drücke mich davor, wo ich nur kann. Ich hasse solche Veranstaltungen, die Bussi-Gesellschaft im Allgemeinen und die zur Schaustellung von falschen Freundlichkeiten! Was ihn aber nicht daran hindert, dass er schon einige Forschungsprojekte von mir finanziert hat. Irgendwie ist er eine nicht leicht zu durchschauende Persönlichkeit“, sagte sie lächelnd.

„Ihren Mann hat es nicht gestört, dass Sie zu den Empfängen nicht mitgekommen sind??“

„Nein. Er hat das verstanden und außerdem war er eigentlich auch ein wenig unkonventionell. Da ich ja keine Mitarbeiterin in der Firma bin, war es immer leicht erklärbar. Ich eigne mich nun einmal nicht als Schmuckstück für einen erfolgreichen Mann! Dafür hat es mich nicht gestört, wenn er sich mit seinen alten Studienkollegen traf und sie da ein wenig, ebenfalls unkonventionell, über die Stränge geschlagen haben. Wir haben das nicht so eng gesehen. Auch wenn er hin und wieder mit anderen Frauen geschlafen hat, war das nur rein körperlich, hat nichts bedeutet. Er hat nur mich geliebt!“

Tom starrte sie einen Moment verständnislos an, dann machte er seine Notizen. Er fing sehr wohl auch den warnenden Blick von Mahrer auf. Er hielt sich daher mit Fragen und Kommentaren zurück.

„Und wie war das mit Ihnen, haben Sie Ihren Mann ebenfalls geliebt?“

„Ja, natürlich, das basierte auf Gegenseitigkeit!“, sagte sie fast trotzig.

„Gnädige Frau, ich muss Sie trotzdem bitten, dass Sie in den nächsten Tagen, vielleicht am Mittwoch, zu uns in die Polizeidirektion kommen, um ein Protokoll aufzunehmen, falls wir noch Fragen haben. Denn Morgen, also Montag und dann auch Dienstag, werden wir mit all den anderen Protagonisten wegen Protokollen beschäftigt sein. Das heißt, am Mittwoch dann kommt Herr Dr. Hohenberg ebenfalls zu uns, wenn Sie wollen, können Sie aber mit ihm gemeinsam kommen?“

„Nein, nein, das geht schon in Ordnung, Mittwoch passt mir besser. Ich bin um 10.00h morgens dann in Ihrem Büro!“, sagte sie hastig, sie wollte offenbar kein Zusammentreffen mit ihrem Schwiegervater.

Mahrer legte seine Visitenkarte auf eines der Ablagetischchen und dann verabschiedeten sie sich und verließen das Haus.

Noch im Garten konnte Tom seine Verwunderung jedoch nicht mehr für sich behalten.

„Also, Chef, könnten Sie sich vorstellen, eine solche Ehe zu führen? Würde es Ihnen nichts ausmachen, wenn Ihre Partnerin so gelegentlich mit einigen anderen Gespielen übers Wochenende über fremde Bettlaken rutscht und dabei ein oder zwei Partner vernascht?“

„Tom, erstens sind das keine fremden Bettlaken, sondern seine eigenen!“, lachte Mahrer, „aber lassen wir das beiseite. Es ist alles eine Vereinbarungssache und vielleicht will der andere Partner das ja auch? Versuchen Sie einmal rauszukriegen, ob auch sie einen Liebhaber hat“.

„Wie soll ich denn das machen?“, fragte Tom.