Doppelkrimi, Ausgabe 3 - Joana Angelides - E-Book

Doppelkrimi, Ausgabe 3 E-Book

Joana Angelides

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

DER POLYP Eine kleine Insel, irgendwo in der Ägäis, verträumt und voller Leben, wird von der harten Realität überrollt. Ein neu gebautes Werk verändert die Menschen und deren Umwelt. Ein neues Zeitalter vertreibt sie aus dem Garten Eden. Sie haben das Gefühl, dass sie ein Polyp mit seinen Tentakeln erbarmungslos umklammert und verzehrt. Vorerst kaum wahrnehmbare soziale Spannungen führen schlussendlich zur gesellschaftspolitischen Explosion und Mord. Spannung garantiert. Der Leser taucht in die griechische Lebensart ein und identifiziert sich mit einigen Inselcharakteren.  Action, Crime und Spannung gewährleistet! 3 TOTE UND KEIN MÖRDER: Es gibt drei Tote. Spuren die ins Nichts führen und einen ratlosen Kommissar Mahrer. Es gbt einen Mann, der sich auf der Suche nach seinem Glück in Gefahr begibt und unverhofft ein anderes Glück findet und schließlich alles hinter sich läßt.    Ein Buch voller Action, voller Gefühle und Einsicht in eine Welt voller Intrigen, Gefahren und Mord und Totschlag!

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Joana Angelides

Doppelkrimi, Ausgabe 3

Der Polyp, Drei Tote u.kein Mörder

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

DOPPELKRIMI, Ausgabe 3

 

 

 

 

 

Der Polyp

 

VORWORT

 

Der Polyp, auch Oktopus, Kopffüßler oder Kalmar, ist eine, in allen Weltmeeren verbreitete Spezies. Auf dem sackförmigen Körper sitzen eigentümlich starr blickende Augen mit Lidern, die geschmeidigen acht oder zehn Arme sind mit jeweils zwei Reihen von Saugnäpfen besetzt. Es wurden bereits Polypen mit 17 Meter langen Fangarmen, sogenannten Tentakeln gefangen. Die Vielarmigkeit ist bei weitem nicht das einzige Merkmal, welches den Oktopus von anderen Kopffüßlern unterscheidet. So haben Polypen neun Gehirne, in jedem Bein eins und ein zentrales, und sind so beweglich und flexibel, dass sie sich in Öffnungen, welche nicht kleiner sind als der Abstand ihrer Augen, hindurchzwängen können. Laut Zoologen würden die Kraken die Welt beherrschen, würden sie ihren Kindern das Erlernte beibringen. Freuen wir uns also über die Tatsache, dass jeder Polyp alles wieder in seinen durchschnittlich 4 Lebensjahren neu entdecken muss.

Charaktereigenschaften der Tiere findet man bei vielen Menschen wieder, man muss nur genau hinsehen. Die menschlichen Polypen, bzw. Oktopusse sind jene, die mit ihren gierigen Fangarmen bis tief in gesellschaftliche Strukturen eindringen, sich festsaugen und nicht mehr loslassen. Sie versuchen, alles an sich zu raffen, überziehen es dann mit dem Schleim der Habgier, Raff- und Machtsucht und verschlingen was sie können. Die Opfer sind meist hilflos und ergeben sich mehr oder minder freiwillig ihrem Schicksal.

 

 

 

 

Garten Eden, das Paradies.

 

Sie war eine kleine, fast vergessene Insel mitten in der Ägäis. Das Leben spielte sich in vorgezeichneten Bahnen ab, es war karg, aber die Menschen waren zufrieden, ja mehrheitlich glücklich, mit dem was sie hatten. Das Leben war ihnen ein kostbare Gut, bis es irgendwann verlosch, der Name des Toten am Marmorgrabstein in der Sonne verblasste und später dann die Gebeine im angeschlossenen Karner der Gemeinde ihre letzte Ruhestätte fanden. Denn der Friedhof war nicht sehr groß.

 

Der karge Boden gab nicht viel her, es gab außer uralten Olivenbäumen und eine kleine Salzgewinnungsanlage in der östlichsten Spitze der Insel, keine Besonderheiten. Das einheimische Olivenöl allerdings war eine Spezialität und wurde, ebenso wie die Oliven, als Geheimtipp gehandelt. Beides verließ die Insel in kleinen Flaschen oder Gläsern und war die einzige nennenswerte Einnahme für die Einwohner. Sie vermarkteten es in einer Art Genossenschaft, in der fast Alle mitarbeiteten. Schafe und Fische waren das zweite Standbein, wobei die Fische gerade noch zur Selbstversorgung reichten. Eine von der Sonne begünstigte Weinsorte wurde nebenbei kultiviert und meist zu dem bekannten Retsina verarbeitet, der von allen gerne getrunken wurde.

Von der aktuellen Krise ihres Landes innerhalb des Europäischen Marktes, die Probleme mit den Banken und dem fernen Brüssel war hier fast nichts zu spüren. Sie waren ja größtenteils Selbstversorger und außerdem sehr genügsam, zufrieden mit dem was sie hatten.

 

Fremde verirrten sich kaum hierher. Die Fähre kam täglich zwei Mal vorbei und spukte meist nur Einwohner aus, die Besorgungen gemacht hatten, bzw. zur Arbeit aufs Festland pendelten. Sie waren dann meist die ganze Woche abwesend. Sie kam um sechs Uhr früh vom Festland hier vorbei und legte dann erst wieder abends an, wenn sie wieder zurückfuhr. Wann, war nicht so genau definiert. Doch der Kapitän tutete immer einige Minuten bevor er anlegte, sodass man Zeit hatte, sie zu erreichen. Das war eben Griechenland und der Fahrplan nicht so streng festgelegt. Wenn man die Fähre allerdings trotzdem verpasste, musste man eben bis Morgen warten. Auch warf der Kapitän den Sack mit Poststücken einfach nur auf die Reeling, der Gemeindesekretär hob ihn auf und verteilte die Briefe und eventuelle Pakete dann. Jeder wusste von Jedem, wann und von wem er Post erhielt.

 

Heute war das anders. Ein Fremder stieg aus, ein Unbekannter, mit einer Aktenmappe unter dem Arm, einem dunklen Anzug und Krawatte. Das bedeutete nichts Gutes! Die Erfahrung lehrte die Menschen hier auf der Insel, dass es sich entweder um einen Beamten oder Gesandten der Regierung aus dem fernen Athen handeln musste, oder dem Gott-sei-bei-uns persönlich! Eine alte Frau, die auf den Stufen ihres kleinen Hauses im Hafen saß und häkelte, bekreuzigte sich und zog ihr Kopftuch tiefer ins Gesicht.

 

Einige Fischer, die neben dem Ankerplatz ihre Netze entwirrten und flickten erstarrten in der Bewegung und blickten gebannt auf die dunkle Gestalt. Einer stupste den Nachbarn, der mit Blick ins Landesinnere verkehrt dasaß, an und deutete bedeutungsvoll in Richtung Landungssteg.

 

Die offensichtlichen Unbehagen erregende männliche Gestalt blieb stehen blickte zögernd umher. Offenbar suchte er etwas. Als seine Blicken auf die Menschen trafen, wandten sich diese sofort ab und taten sehr beschäftigt. Er dürfte jedoch gefunden haben, was er gesucht hatte. Er steuerte auf das Gebäude des Bürgermeisters zu. Groß und deutlich stand über dem Eingang

 

„DIMARXEIO“,

 

was soviel wie Gemeindeamt heißt und verschwand darin.

 

Sofort begannen die Leute untereinander wieder zu tuscheln und Vermutungen anzustellen. Kosta, der Fischhändler schwang sich auf den Sitz seines Karrens und trieb den Esel an. Er wollte so schnell wie möglich aus dem Blickfeld dieses Unheimlichen entweichen. Sicher ist sicher!

 

Der Fremde hatte inzwischen das Amtshaus betreten und da es verwaist schien, rief er laut:

„Niemand da?“

 

Man konnte schlurfende Schritte hören und eine, ganz in Schwarz gekleidete ältere Frau erschien in der Türe hinter einer Art Theke, die den Eingangsbereich vom Büro trennte.

„Oriste?“, ihre Stimme war brüchig und leise.

 

„Ich hätte gerne den Bürgermeister des Ortes gesprochen, ich bin angemeldet und komme aus Athen“, er bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben und legte seinen Ausweis auf den Tisch. Seit er von Bord der Fähre gegangen war, spürte er permanent die eisige, ablehnende Haltung, die ihn überall entgegenschlug und versuchte nun, seine Unsicherheit zu überspielen.

 

Sie nahm den Ausweis und hielt ihn sehr nah an ihr Gesicht, aber er hatte den Eindruck, dass sie gar nicht lesen konnte, dann legte sie ihn wieder hin.

„Kirios Dimarchos ist nicht da, ich müsste ihn holen lassen. Sie sagen, Sie sind angemeldet?“, es klang zweifelnd, „um ihn aber holen zu lassen, muss ich wissen, was Sie von ihm wollen“, lispelte sie ängstlich.

 

Der Mann vor ihr bekam eine tiefe Stirnfalte und holte tief Luft.

„Also, hier geht es ja scheinbar sehr gemütlich zu. In der Amtszeit ist das Büro verwaist und die Ankündigung meines Besuches ist scheinbar verloren gegangen!“, er war sichtbar verärgert und seine Stimme war lauter als beabsichtigt. Die alte Frau hob wie zur Entschuldigung beide Schultern.

 

In diesem Moment öffnete sich die Eingangstüre hinter ihm und ein großer, bulliger Mann in einer Dreiviertelhose, einem ehemals weißen Shirt und Sandalen betrat das Gebäude.

„Sie brauchen nicht so herumzubrüllen, Sie sind erst für Morgen angemeldet, da dürften sich ja wohl Sie geirrt haben!“

 

Der Mann drehte sich erschrocken um und starrte den Sprecher an.

 

„Sind Sie der Bürgermeister?“, sein Staunen war echt.

 

„Unter Anderem. Ich bin der Bürgermeister Polizeikommandant und Hafenmeister hier. Aber alles zu seiner Zeit und keinesfalls vollzeitbeschäftigt. Ich war gerade auf meinem Boot, der Motor streikt. Was denken Sie denn, was hier auf dieser kleinen Insel, mit 1000 Einwohnern und 1000 Schafen so ein Bürgermeister den ganzen Tag im Büro zu tun hätte? Übrigens mein Name ist Konstantinos Stopoulis!“ Er streckte ihm seine Hand entgegen.

 

„Heraklis Papoulis!“, der Andere ergriff die ihm hingestreckte Hand und musste vor Schmerz die Augen schließen, denn der Händedruck des Bürgermeisters brach ihm fast den Handwurzelknochen.

 

Er nestelte an seiner Aktenmappe herum und brachte einige Papiere zum Vorschein. Er starrte auf den ersten Papierbogen und bekam hektische, rote Flecken am Hals.

 

„Ohja, da haben Sie Recht, der Termin ist erst Morgen, ich muss mich entschuldigen!“, es fiel ihm aber offenbar schwer, seinen Irrtum zuzugeben und man sah, dass es ihm unangenehm war.

 

„Na gut Kirios Papoulis. Bitte, geben Sie mir eine Stunde, wir treffen uns dann wieder hier, ich muss mich ein wenig frisch machen. Gegenüber ist ein kleines Kaffenion, da können Sie die Zeit totschlagen!“, damit verschwand er in der Tiefe des Büros und Heraklis konnte nur mehr hören, wie er sich in den Oberstock begab. Die ältere Frau war inzwischen verschwunden. Ob das seine Sekretärin war? Das war stark zu bezweifeln. Seufzend verließ er das Gebäude wieder und begab sich unter den misstrauischen Blicken der Leute rundum in das empfohlene Kaffenion.

 

Er bestellte einen Kaffee beim Hereinkommen und nahm umständlich an einem der runden Tischchen Platz. Auf den Nebensessel platzierte er seine Aktenmappe, nestelte ein Taschentuch hervor und wischte sich die Stirne. Es war bedrückend heiß, der Ventilator an der Decke brachte da nicht viel Abkühlung. Außerdem war er zu langsam eingestellt und ächzte offenbar selbst unter der Hitze. Es war momentan das einzige Geräusch im Raum. Dezent öffnete er den oberen Hemdknopf und lockerte die Krawatte. Die Männer im Raum wandten sich wieder ihrem Tavli-Spiel zu und man hörte, wie die Steine hin und her geschoben und manchmal hart aufgesetzt wurden. In der übrigen westlichen Welt nennt man dieses Spiel Back-Gammon. Die Griechen selbst zählen sich ja nicht unbedingt zu Europa gehörend, obwohl es manchem schon klar ist, dass sie auch dazu gehören, akzeptieren es die meisten nicht unbedingt.

 

Es war allen klar, dass er leibhaftig dasaß und Kaffe trank, doch sie ignorierten ihn nicht einmal, es war, als würde er Luft für sie sein. Was jedoch trügerisch war. Die Stille um ihn herum war bedrückend und er war froh, als er mit einem Blick auf der gegenüberliegenden Turmuhr der Kirche feststellte, dass die Stunde endlich um war. Er nahm seine Brille, beäugte den Kassenzettel, legte drei Geldstücke auf den Tisch, nahm seine Tasche und ging ins Gemeindehaus zurück.

 

Der Bürgermeister wartete bereits auf den Mann aus Athen. Er hatte das Fax, das ihm den Besuch ankündigte vor sich und es auch wiederholt gelesen. Man kündigte ihm an, dass Herr Heraklis Papoulis von der Firma „Hygro“ berechtigt ist, einige Wasserproben aus der Quelle im Wald bei Agios Stephanos, die ein Wasser-Reservoir, eine Zisterne, in der ansonsten verfallenen Zitadelle des Ortes speiste, zu entnehmen. Diese Zitadelle wurde bereits im Altertum gebaut und diente als Schutz gegen vorbeifahrende Seeräuber. So hatte auch diese kleine Insel ihre so genannte kleine „Akropolis“, was soviel wie „Hohe Stadt“ bedeutete und auf vielen Inseln und in vielen Städten noch heute zu finden ist. Die damaligen Erbauer hatten ein ausgeklügeltes Kanalsystem gebaut, das die Stadt und die Umgebung mit Wasser versorgte, auch wenn sie belagert und eingeschlossen sein sollten. Von dieser Akropolis waren nur mehr die Grundmauern vorhanden und eben diese Zisterne mit den angeschlossenen, leicht abfallenden Wasserrinnen. Die Bauern verwendeten das System für die Bewässerung der Felder ebenso, wie für ihre Häuser und den täglichen Gebrauch. Jene Menge Wasser, die nicht verbraucht wurde, floss einfach ins Meer.

 

Als Heraklis Papoulis das Büro des Bürgermeisters betrat, schlug ihm eine angenehme Kühle entgegen, die Klimaanlage arbeitete nun auf Hochtouren.

 

„Bitte nehmen Sie Platz. Und nun bin ich ganz Ohr und bitte Sie, mir die Hintergründe Ihres Besuches zu erläutern?!“, gespannt blickte Konstantinos sein Gegenüber an.

 

Dieser räusperte sich, wischte sich wieder mit dem Taschentuch über die Stirn, obwohl die Raumtemperatur nun sehr angenehm war.

„Also, wir sind ein Unternehmen, das Mineralwasser und Sprudel in Flaschen abfüllt und auf den Markt bringt. Einer unserer Mitarbeiter hat Familie hier und uns anlässlich seines letzten Besuches hier auf der Insel, eine Probe ihres Wassers mitgebracht und wir haben es untersucht. Das Ergebnis war sensationell und wir haben uns an das zuständige Ministerium um die Genehmigung gewandt, hier eine Abfüllanlage bauen zu dürfen. Ihr Wasser ist nicht nur einfach ein Tafelwasser, sondern hat auch gesundheitliche Auswirkungen, ist also für die Allgemeinheit von Nutzen. Es verspricht aber auch Arbeitsplätze und lokale Steuern, Sie können die Infrastruktur ausbauen und ihre Insel wird außerdem bekannt werden! Sie können den Tourismus ankurbeln! Also Wohlstand für Alle!“, er blickte Konstantinos Beifall heischend, triumphierend an.

 

Konstantinos hatte ihm interessiert zugehört. Das musste er erst verdauen! Ihr Wasser hier auf der Insel, das für alle eine Selbstverständlichkeit war, sollte nun plötzlich so wichtig sein, dass eine Firma sogar eine Abfüllanlage hier bauen will, sich irgendein Ministerium dafür stark macht? Er räusperte sich.

 

„Finden Sie nicht, dass wir da auch was mitzureden haben? Wenn sich das alles so erfüllt, wie Sie es schildern, dann verändert das die Insel, das Leben hier, die Menschen und auch die Landschaft. Ich vermute Sie roden einen Teil des Waldes, Sie bauen ein Werk, es kommen fremde Menschen her, die hier wohnen werden, oder zumindest vorübergehend. Einige Bauern werden ihre Landwirtschaft oder Schafzucht aufgeben und in der Fabrik arbeiten!“

 

„Ja, ich nehme an, dass das so sein wird. Doch da es von öffentlichem Interesse ist, werden Sie da nicht viele Argumente dagegen anführen können. Vor allem, weil es der Plan der Regierung ist, um die allgemeine Krise generell zu bewältigen, überall möglichst Fabriken, Industrie und Arbeit zu schaffen.“.

Das Argument hatte was für sich.

 

„Wissen Sie, die Krise hat unsere Insel nicht so fest im Griff, wie das am Festland und auf den größeren Inseln vielleicht der Fall ist. Die Einzigen, die wirklich Probleme hätten, wenn sie ihre Familien nicht hätten, sind die Pensionisten bei uns. Denen wurden die Pensionen radikal gekürzt Doch wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft, wir halten zusammen. Hier kennt man sich, hilft sich gegenseitig.“, Konstantinos blickte grübelnd vor sich hin. „Also, ich werde mit Ihnen zu dieser Quelle gehen, Sie können noch einige Proben nehmen, es bleibt mir ja nichts weiter übrig, wenn ich so diesen Wisch vom Ministerium hier betrachte. Ich werde aber auch sofort die maßgeblichen Menschen hier in unserem kleinen Dorf, und die von den zwei anderen kleinen Dörfern zusammenrufen und es mit ihnen besprechen. Sie sollen wissen, was da auf sie zukommt. Ich werde aber keinesfalls alleine über die Zukunft meiner, unserer Insel bestimmen, es aber auch nicht so ohne weiteres irgendwelchen Beamten in Athen überlassen!“. Er sah bedrückt aus.

 

„Ist es möglich, dass wir das gleich erledigen können, damit ich die Fähre zurück noch an diesem Abend nehmen kann?“

 

Konstantinos blickte auf seine Uhr. Eigentlich war es Zeit für das Mittagessen und eine anschließende Siesta. Es war schon jetzt sehr heiß, die Mittagsonne näherte sich ihrem Höchststand. Sie könnten mit dem Auto zwar bis fast zur kleinen Akropolis fahren, doch dann müsste man noch einen Fußmarsch von ca. einer Stunde bis zur Quelle einrechnen. Also, das heute noch zu machen, wäre unklug und auch nur schwer machbar, stellte er bei sich fest.

 

„Da muss ich Sie leider enttäuschen. Es ist viel zu heiß, Sie würden es auch gar nicht schaffen. Vor allem nicht in dieser Kleidung und diesem Schuhwerk! Da geht es durch den Wald und immer bergauf, der Weg ist steinig und rutschig“, er zeigte mit einem amüsierten Lächeln auf das Outfit seines Gegenübers.

 

Dieser blickte an sich hinab. Er musste zugeben, dass seine Kleidung unpassend erscheinen musste.

 

„Wissen Sie was? Ich nehme Sie mit zu mir nach Hause. Sie übernachten in meinem Gästezimmer, wir suchen eine legere Kleidung für Sie und gleich am Morgen, wo es noch am kühlsten ist, machen wir uns auf den Weg, etsi?“, er blickte ihn fragend an.

 

Heraklis fühlte sich irgendwie überrumpelt. Unschlüssig blickte er an sich herunter.

 

„Sie meinen, von Ihrer Kleidung wird mir was passen?“

 

„Naja, wir werden sehen. Vor fünf Jahren war ich auch noch schlanker. Aber…. nicht kleiner……“, er war nun auch ein wenig skeptisch. Doch er war ein geborener Optimist und hoffte, dass er in seinem Kleiderschrank etwas finden wird.

 

„Kürzer machen kann man eine Hose ja immer, nur nicht länger“, lachte er dann befreit.

 

Einen kurzen Moment lehnte sich der Mann aus Athen noch innerlich auf ‚er wollte nicht so vereinnahmt werden.

 

„Gibt es denn kein Hotel hier, wo ich übernachten kann?“.

 

„Ein Hotel? Nein, wer sollte denn da nächtigen? Wir haben keine Fremden hier und die Insel ist so klein, dass jeder innerhalb einer Stunde wieder zu Hause sein kann, der eine der anderen Ansiedlungen hier besucht“.

 

Es schien der Garten Eden zu sein!

 

„Also, kommen Sie, meine Frau wartet mit dem Mittagessen und Sie werden sich auch ein wenig ausruhen wollen und dann sollten wir ja auch noch eine passende Kleidung für Sie suchen“.

 

„Ja, aber ist denn dann das Gemeindeamt geschlossen? Was ist, wenn Sie gebraucht werden?“

 

„Erstens gibt es ein Telefon, zweitens weiß ja jeder wo ich zu finden bin und außerdem wohnt der Gemeindesekretär gegenüber, er ist auch unser Friseur und schläft sogar mittags in seinem Laden, falls doch eine Kundschaft kommt!“, Konstantinos lachte schallend und amüsiert, das Gesicht des Mannes aus der Hauptstadt sprach Bände. Dann ging er vor und sperrte das Gemeindeamt einfach ab.

 

Sie fuhren in dem kleinen wackeligen Hyundai mit hinterer Ladefläche aus der kleinen Stadt hinaus und hielten in einer Art Vorort. Die einstöckigen Häuser mit bescheidenen Vorgärten waren alle mit Blumen übersät, die teilweise in Kaskaden vom Balkon bis zum Erdgeschoß reichten. Irgendwo bellte ein Hund und ein paar Hühner liefen aufgeschreckt herum. Nur eine Katze blieb völlig ruhig und unbeeindruckt auf den Stufen liegen, sie blinzelte gerade noch, doch dann rollte sie sich wieder zusammen.

 

„So, bitte steigen Sie aus, wir sind da“, er zeigte offenbar stolz auf das wirklich sehr nett anzusehende Einfamilienhäuschen.

Er parkte das Auto im Schatten einer großen Platane. Heraklis bemerkte, dass er es nicht abschloss. Offenbar hatte er keine Angst vor Dieben; aber wer sollte es hier schon stehlen und außerdem, auf dieser kleinen Insel konnte es der Dieb wohl kaum nutzen. Er merkte, dass er sich, obwohl er noch keinen ganzen Tag hier war, bereits der hier gängige Denkensart angenähert hatte. Man konnte sich eigentlich sogar wundern, dass es eine Autonummer hatte, überlegte er sich sarkastisch.

 

Die Türe ging auf und im Türrahmen erschien eine unglaublich apart aussehende Frau. Sie hatte ihr schwarzes Haar straff nach rückwärts zu einem Knoten gebunden und ihre geöffneten Lippen zeigten eine Reihe weißer, blitzender Zähne. Ihre Augen waren groß und ausdrucksvoll, um den Hals trug sie eine üppige Kette aus Muscheln und Glasperlen. Ihre Figur war das Aufregendste, was Heraklis je gesehen hatte, ihr großer Busen schien das enge Mieder zu sprengen, der blaue Rock bauschte sich im Luftzug. Heraklis blieb der Atem vor so viel Schönheit, weg.

 

„Maria, ich bringe einen Gast zum Essen mit. Das ist Kirios Papoulis aus Athen. Er wird bei uns übernachten, da wir ja leider kein Hotel auf der Insel haben. Wir müssen morgen früh nach Agios Stephanos fahren, um eine Wasserprobe von der Quelle zu holen, heute ist es schon zu spät! Bitte, zeige ihm das Gästezimmer und stelle noch einen Teller auf den Tisch!“, er umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange „Meine Frau Maria!“, er zeigte auf sie und seine Haltung und Geste zeigte einen gewisser Stolz.

 

„Willkommen, kommen Sie weiter, das Gästezimmer ist oben, Sie können sich inzwischen frisch machen. Wir essen in einer Viertelstunde!“. Sie stieg vor ihm die Treppe hinauf und er wusste nicht, wohin er seinen Blick richten sollte. Ihre Hüften wogten vor seinen Augen hin und her, ihr schwarzes Haar glänzte im Licht. Er musste wieder sein Taschentuch hervorholen, Schweißperlen standen auf seiner Stirne. Sie öffnete eine der Türen und ging dann wieder nach unten.

 

Diese Insel machte ihn irgendwie nervös. Alles war so anders als in Athen, oder auch anderswo. Hier schienen alle Regeln und Normen aufgehoben. Vielleicht war das hier das letzte natürliche Refugium Gottes, der Garten Eden. Natürlich war er schon auf einigen Inseln gewesen, geschäftlich und auch auf Urlaub, doch war er ein typischer Stadtmensch und wirklich wohl gefühlt hatte er sich eigentlich nirgends.

 

Das Mittagessen fand offenbar auf der Terrasse hinter dem Haus statt. Es war mehr eine Laube, halb ins Haus hinein gebaut, der Rest war mit einem Spalier umrandet, der Schatten wurde durch wilde Weintraubenranken gebildet. Es war angenehm kühl und auffallend ruhig. Man hörte nur das leise Plätschern des Meeres, das nur wenige Meter vom Haus entfernt war. Wenn er da an Athen dachte, wo die Restaurants und Tavernen in den Straßen, vom Verkehr umbrandet und stark frequentiert waren! Der Hitze konnte man dort kaum entgehen, außer man begab sich in die Speiseräume, wo es Klimaanlagen gab.

Konstantinos, der Bürgermeister hatte sich inzwischen geduscht und seine Kleidung gewechselt, öffnete mit einem breiten Lächeln eine Flasche Wein und machte eine einladende Handbewegung zum Tisch hin.

 

„Bitte, nehmen Sie Platz Kirios Papoulis und greifen Sie zu!“, er musterte amüsiert den verkrampften Heraklis, wie er so da stand in seinem dunklen Anzug, mit der Krawatte und den engen Lederschuhen, das unvermeidliche Taschentuch in der Hand, mit dem er sich unentwegt über die Stirne strich und seiner schwarzen Aktentasche. Er tat ihm fast leid. Wie konnte man sich nur bei dieser Hitze, im Wissen, dass man auf eine Insel fährt, so kleiden? Aber wahrscheinlich war das in Athen so Vorschrift.

 

Heraklis nahm steif am Tisch Platz und griff gleich nach der Wasserflasche, die kühl aussah, sie war angelaufen und einige Eiswürfel schwammen darin.

„Wollen Sie nicht von dem Wein kosten, er ist Eigenbau. Wir bauen den Wein hier auf der Insel im Kollektiv an und jeder bekommt sein Kontingent“.

 

„Ja, dann zum Essen, danke, ich bin aber sehr durstig“, sprach dieser und trank das Glas auf einen Zug leer. Während des Essens, das einfach wunderbar und bodenständig war, kam die Unterhaltung nur langsam in Schwung. Heraklis war noch immer gehemmt und fühlte sich in seiner Haut noch immer nicht sehr wohl.

 

„Was glauben Sie denn, wie wird das denn ablaufen, wenn der Entscheid da ist, dass die Abfüllanlage gebaut wird?“, fragte schließlich der Bürgermeister zwischen zwei Schlucken aus seinem Weinglas.

 

„Naja, vorerst einmal wird eine Delegation kommen und das Terrain besichtigen. Man wird bestimmen, wo das Haupthaus, also die Büros und die Lagerhalle hinkommen, dann werden wir eine Bedarfsanalyse aufstellen, welche neuen Geschäfte gebraucht werden, vielleicht sogar ein Supermarket.“

„Aber wir haben ja einen Bakali, also einen Lebensmittelladen, wo man eigentlich alles bekommt“, wand Konstantinos ein.

 

„Ach, das ist ja lächerlich! Am Anfang werden da sicher mehr als fünfzig Arbeiter, vielleicht manche auch mit Familie kommen, die müssen ja auch irgendwo wohnen und einkaufen. Bis dann alles fertig gebaut ist, genügen uns ja so ca. zwanzig Leute, um das Werk am Laufen zu halten. Wobei es durchaus sein kann, dass Leute aus ihrem Dorf bei uns eine Anstellung finden, je nach Eignung natürlich. Wie stellen Sie sich das denn vor, mit dem kleinen Laden, den ich am Hauptplatz gesehen habe? Den brauchen wir dann gar nicht mehr, der kann zusperren!“, er blickte den Bürgermeister spöttisch an.

 

Konstantinos schluckte und blickte nachdenklich vor sich hin. Seine Ahnung, dass es mit dem bisherigen ruhigen Leben bald vorbei sein würde bestätigte sich. Er räusperte sich.

„Also, so kann es nicht sein, dass dieses Projekt die Lebensgrundlage unserer Einwohner zerstört! Und wie meinen Sie das, wenn sie sagen, dass die Arbeiter auch wo wohnen müssen?“

„Naja wir werden einige Wohn- und Baubüro-Container irgendwohin hinstellen müssen, sie brauchen auch eine größere Tankstelle und natürlich auch noch Kaffeehäuser und ein oder zwei zusätzliche Tavernen. Außerdem müssen im Hafen einige Häuser weg, da wir ja für die Lastwagen, die dann mit der Fähre übersetzen, mehr Platz zum Wenden brauchen. Der Hafen wird vielleicht ausgebaggert gehört, da ja dann größere Fähren hier anlegen werden müssen“, er steigerte sich so richtig hinein, war mit seinen Ausführungen sehr zufrieden und lächelte selbstgefällig.

 

Dem Bürgermeister hatte es die Rede verschlagen. Den Rest des Mittagsmahles nahmen sie fast schweigend ein. Nach dem Essen trug Maria die Reste und das Geschirr ins Haus, die beiden Männer blieben noch eine Weile sitzen, jeder hing seinen Gedanken nach. Dann dämpfte Konstantinos seine Zigarette aus und erhob sich.

 

„Kirios Papoulis, ich wünsche Ihnen eine angenehme Mittagsruhe. Sie können hier sitzen bleiben, oder sich auf Ihr Zimmer begeben und ein wenig ruhen, wir sehen uns wieder zum Kaffe und werden dann unsere weiteren Pläne für heute Abend und Morgen besprechen“, er rückte seinen Stuhl zurecht und ging ebenfalls ins Haus.

 

Heraklis erhob sich und beschloss, bevor er in sein Zimmer ging, noch einen kleinen Abstecher zum Meer zu machen. Aber schon nach einigen Schritten hatte er Sand in seinen Schuhen, ja sank sogar in den weichen weißen Untergrund ein. Er schaffte es gerade noch bis zu dem kleinen verkehrt daliegenden kleinen Boot, um sich anzulehnen und seine Schuhe und Socken auszuziehen. Den Sand leerte er aus den Schuhen, die er dann in der Hand hielt und machte eigentlich im Großen und Ganzen einen jämmerlichen Eindruck. Das fanden auch Maria und Konstantinos, die ihm vom Haus her beobachteten. Trotz der ernsten Gedanken, die Konstantinos bewegten, musste er lachen.

 

Weil Heraklis aber nun schon einmal da war, krempelte er seine Hose etwas hinauf und versuchte mit den Zehen in das Wasser einzutauchen. Eine größere Welle schwappte nach oben und machte so seine Anzugshose nass, er sprang zurück. Der Anzug war Geschichte!

 

Unglücklich mit sich und der ganzen Situation, zornig auf seinen Chef, der ihn in eine solche Lage gebracht hatte, lief er auf Zehenspitzen zurück. Der Sand war zu heiß, um mit dem ganzen Fuß aufzutreten, es war immerhin Mittag und die Sonne brannte herunter. Er versuchte, so gut es ging, den nassen Sand noch vor dem Eingang in den Flur, von seinen Füßen loszuwerden und schlich, mit den Schuhen in der Hand leise in den ersten Stock. Im ganzen Haus war kein Laut zu hören, es war offenbar Mittagsruhe. In seinem Zimmer angekommen, zog er sich bis auf die Unterhose aus und versuchte seine Anzugshose, die er flach auf dem Tisch ausgebreitet hatte, wieder in Form zu bringen. Dort wo das Meerwasser hinkam, wird es sicher einen Salzrand geben!

 

Das Gästezimmer hatte ein kleines Bad mit Dusche. Als er geduscht hatte, legte er sich auf das Bett. Das Laken war frisch bezogen, roch nach Wind und Meer und fühlte sich kühl an Der unvermeidliche Ventilator über ihm drehte sich genau so träge, wie der im Kaffenion. Es war fast wie in dem uralten Film „Casablanca“, fiel ihm plötzlich ein. Er schloß die Augen. Was für ein Tag!

 

Zwei Zimmer weiter lag Konstantinos und starrte an die Decke. Auch dort drehte sich der Ventilator und irgendwo summte eine Fliege. Die Zukunftsvision, die ihm der Mann aus Athen kurz skizziert hatte, machte ihm Angst. Sollte es zu diesem Szenario kommen, wie werden das die Menschen hier auf der Insel verkraften? Werden sie ihn meistern, diesen Schritt aus dem Garten Eden in die neue Zeit, von der Ruhe und Gelassenheit in die Hektik eines Industriebetriebes?

Er blickte zur Seite und sah das ebenmäßige Gesicht Marias, hörte ihren ruhigen Atem und bemerkte das leichte Lächeln um ihren Mund. Bis zu ihr, in ihre kleine, überschaubare Welt ist das alles nicht durchgedrungen. Sie hat die Konsequenzen noch nicht verstanden, die diese Veränderungen mit sich bringen werden.

 

Ein kurzer Schlaf brachte ihm auch wenig Erholung, er erhob sich und öffnete seinen Kleiderschrank. Er musste etwas finden, was er seinen Gast zum anziehen anbieten kann. Er fand zwei Hemden, die er schon lange nicht mehr getragen hatte, sie waren zu eng geworden, er legte sie über einen Stuhl. Das war einmal gelöst. Schwieriger war es schon, eine Hose zu finden. Er war gut einen Kopf größer als der Mann aus Athen und er hoffte, dass Maria eine seiner alten Hosen kürzer machen wird können.

Er nahm ein Kleidungsstück nach dem anderen aus dem Schrank und lächelte hin und wieder. Es kamen verschiedene Erinnerungen auf, die mit ihnen verbunden waren. Da fiel ihm eine kürzere, wadenlange Hose in die Hände, die er immer zum Fischen trug und er fand, dass dies die zündende Idee war. Er legte sie zu den bereit gelegten Hemden. Dann suchte er im anderen Schrank, wo seine aktuellen Outfits waren und nahm auch für sich eine solche Hose heraus. Er lächelte zufrieden, die Situation war gerettet.

 

Als Konstantinos und Maria nach der Mittagsruhe unter den Weinranken saßen und langsam ihren Kaffee schlürften, hörten sie, wie sich die Balkontüre des Gästezimmers öffnete. Ihr Gast war scheinbar auch schon erwacht. Konstantinos trat ein wenig nach vor und blickte hinauf.

 

„Kirios Papoulis, darf ich hinaufkommen, ich habe für Sie eine passende Kleidung gefunden und würde sie Ihnen gerne bringen?“

 

„Ohja, das wäre nett!“, er klang erleichtert. Seine Hose war noch immer nass und er hatte schon überlegt, wie er sich jetzt verhalten soll.

 

Als Konstantinos ihm die bunten Hemden überreichte, zuckt er innerlich leicht zusammen. Das war keinesfalls sein Stil, aber er beruhigte sich selbst, indem er überlegte, dass ihn hier ja niemand kannte. Doch die kurze Hose gab ihm den Rest. Nicht einmal in einer seiner spärlichen Urlaube hatte er „so etwas“ getragen! Aber er macht gute Miene zum bösen Spiel und bedankte sich mit einem gequälten Lächeln.

„Geben Sie mir Ihr Hemd und den Anzug, Maria wird es für Sie waschen und auch den Anzug bügeln, damit sie wieder standesgemäß gekleidet sind, wenn Sie wieder abreisen“, Konstantinos streckte ihm seine Hand fordernd entgegen. Nur zögerlich zog er sich aus, es widerstrebte ihm, vor dem Bürgermeister in Unterhosen dazustehen.

 

Der Abend wurde trotzdem sehr nett, Konstantinos gab beim Abendessen einige Anekdoten aus seinem Dasein als Bürgermeister zum Besten und Heraklis lachte sogar einige Male herzlich. Konstantinos war es eigentlich gar nicht zum Scherzen zu Mute, doch er zeigte es nicht. Er hatte das Gefühl, dass von irgendwoher die langen Arme eines Oktopusses langsam auf die Insel zukamen und sie vereinnahmten.

 

Sie brachen sehr früh auf, um der Hitze des Tages zu entgehen und erreichten den kleinen Ort Agios Stephanos innerhalb von einer Stunde. Hier scharrten sich einige Häuser um einen Dorfplatz und der Kirche des Ortes. Konstantinos hatte vor seiner Abreise mit dem Gemeindesekretär telefoniert und ihm kurz erklärt, was vorging. Dieser saß bereits vor der einzigen Taverne, die der Ort hatte und sprang sofort auf, als er das Auto kommen sah. Konstantinos war der einzige Bürgermeister auf der gesamten Insel, die beiden anderen Dörfer wurden von eingesetzten Gemeindesekretären verwaltet, die mit ihm in engem Kontakt standen.

Der junge Mann, der auch gleichzeitig Schmied, Messner und Bestatter des Ortes war innerlich freudig erregt. Der Ort, bzw. die ganze Insel bot für junge Menschen nicht viel und die Schilderung des Bürgermeisters ließ Hoffnung aufkommen, dass sich das nun ändern wird und dass endlich das Leben auf die Insel kam. Er bot sich sofort an, sie zur Quelle zu führen.

Nach einem kurzen, jedoch steilen Aufstieg kamen sie auf eine kleine Lichtung. Das Wasser kam dort direkt aus einem Fels und wurde da sofort von einem Keramikrohr aufgefangen und bergab geleitet. Um die Quelle herum war ein Zaun, der den Zutritt verwehrte. Daneben hatte man eine kleine Abzweigung in Form eines Wasserhahnes über einem Steinbecken montiert. An einer Kette war ein Metallbecher befestigt, der offenbar zum Trinken gedacht war.

Heraklis, der so gar keine Kondition hatte, war durch den Aufstieg außer Atem gekommen und nahm das erfrischende Angebot an. Das Wasser kam kalt aus dem Fels und es war glasklar. Er stillte vorerst seinen Durst, nahm erleichtert auf der in den Stein gemeißelten Bank Platz und wischte sich wieder mit seinem Taschentuch über die Stirne. Es war bemerkenswert still hier heroben. Außer dem Rauschen des Wassers, das in die Keramikröhre floss sowie den Geräusche des Waldes und Vögelgezwitscher war nichts zu hören. Heraklis hatte zwei Behälter mitgebracht, die er an einem Riemen über der Schulter trug.

„Wie kann ich nun direkt zur Quelle kommen, um meine Proben direkt zu entnehmen?“

Der junge Mann aus dem Dorf nahm sie ihm ab und schwang sich über den Zaun, er war kein Ernst zu nehmendes Hindernis für ihn. Er füllte die beiden Behälter, verschloss sie, schwang sich wieder herüber und überreichte sie ihm.

„Ich hoffe, dass das Wasser den Erwartungen Ihrer Firma in Athen entspricht! Es wäre schön, wenn unsere Insel erwachen könnte und endlich der Anschluss an die Welt da draußen gelänge“, sagte er lächelnd.

 

Konstantinos lächelte höflich, doch seine Gedanken, Bedenken und Ahnungen waren wesentlich düsterer und geprägt von Angst.

 

Ein Spruch aus der Bibel fiel ihm ein:

´Denn sie wissen nicht was sie tun! ` dachte er unwillkürlich. Er hatte die Befürchtung, dass sie die Geister, die sie hier rufen, nicht mehr loswerden.

 

Heraklis hatte ganz andere Gedanken. Im Geiste sah er schon die errichtete Abfüllanlage hier stehen, das Bürogebäude und die Lagerhalle weiter rechts, sah die voll beladenen Lkws zu und abfahren und sein Herz schlug schneller in seiner Brust vor lauter Begeisterung.

 

„Wollen Sie hier Mittagessen? Wenn ja, muss ich den Wirt holen, damit er die Taverne aufsperrt, sie ist erst abends in Betrieb und dann gibt es auch nur was vom Grill. Mittags geht hier niemand essen“, der Gemeindesekretär sah sie fragend an.

„Nein, nein danke, wir fahren gleich wieder zurück, ich muss ja abends dann noch die Fähre erreichen!“ Heraklis wehrte ab.

 

Die Rückfahrt verlief größtenteils schweigend. Beide hingen ihren Gedanken nach. Konstantinos wurde von dunklen Gedanken bedrückt, Heraklis erging sich in Begeisterung über die Möglichkeiten Vorort.

Er war aber auch weitgehend überrascht, wie es möglich war, dass die Welt hier auf der Insel so außen vor war. Dieses Eiland war wie eine Enklave in einer stürmischen See. Eine Insel, wo es keine Verkehrsverbindung gab, wahrscheinlich hatten sie Stromaggregate zur Stromerzeugung, nicht einmal eine Kanalisation, kein Hotel und die Geschäfte sperrten auf, wenn jemand was brauchte. Manche hatten Multifunktionen, der Bürgermeister fischte am Morgen, vormittags kam er kurz ins Büro, dann hielt er Siesta und das war´s dann. Sicher gab es auch keine Verbrechen, vielleicht fiel ein Fahrrad um oder eine Katze saß am Baum. Er schüttelte den Kopf. War das hier vielleicht doch der Garten Eden, oder eine vergessene Welt?

 

Als am Abend die Fähre auf ihrem Rückweg wieder anlegte, ging der Mann im schwarzen Anzug wieder an Bord. In seinem Gepäck hatte er die beiden Behältnisse mit den Wasserproben und ein kleines Abschiedsgeschenk des Bürgermeisters, eine Flasche des reinsten Olivenöles, original von der Insel.

 

 

 

Die Witwe.

 

Es war einer jener heißen Sonntage, an denen sogar die Fliegen träge waren.

 

Der Dorfplatz lag in der prallen Mittagsonne. Das Kaffee, im Schatten der riesigen Platane am Platz vor der Kirche gelegen, war gut besucht; es saßen Männer jeder Altersklasse darin. Da waren der Arzt, der Apotheker und der einzige Lehrer der Insel, dann der Schmied der gleichzeitig auch Totengräber war. Der Friseur, der Bäcker und der Schuster, der auch alle Fahrräder reparierte und noch einige kleine Handwerker und Ladenbesitzer. Ja sogar der Gärtner verbrachte hier seinen wohlverdienten Ruhetag. Sie alle fanden sich hier nach dem Kirchgang ein und tauschten sich aus.

Die Frauen allerdings waren zu Hause, wie es sich eben so gehört.

 

Die Männer debattierten über das Wetter, die Politik und die Agrarpreise. Der Mann im schwarzen Anzug war schon seit Tagen kein Thema mehr, war vergessen.

 

Der Pfarrer verließ als Letzter die Kirche, die sonntägliche Messe war ja vorüber. Er überquerte den Platz und gesellte sich zu den Männern. Mit einer flüchtigen Handbewegung nach hinten in das Innere des Kaffees machte er seine Bestellung. Es war immer das Selbe, daher bedurfte es keiner Worte.

 

Plötzlich verstummte jegliche Unterhalten und alle Blicke richteten sich auf die gegenüber liegende Seite des Platzes.

 

Sie stand da, groß und hoch aufgerichtet, den Kopf erhoben, am Arm trug sie einen Korb. Sie war völlig in Schwarz gekleidet.

Die Wickelbluse spannte sich über ihren prallen Oberkörper und ließ die Brüste hervortreten und betonte gleichzeitig die schlanke Taille.

Der Rock war nach unten ausschwingend und bedeckte ihre Waden zur Hälfte. Die schlanken Fesseln steckten in hochhackigen Schuhen und betonten die langen Beine, die unter dem Saum verschwanden und im Nirwana endeten.

Obwohl ihre Kleidung züchtig geschlossen und schwarz war, stellte sie die Sünde in Reinkultur dar.

Seit Kurzem war sie Witwe, sie war jung und schön und strahlte eine Erotik aus, die sie als Frau des Hühnerzüchters und Gärtners, als er noch lebte, niemals hatte.

 

Das ebenfalls schwarze Kopftuch, nach hinten in einen Knoten gebunden, betonte ihr blasses, schönes Gesicht. Der sinnliche Mund war wie im Trotz aufgeworfen und das Kinn etwas nach vorne geschoben.

 

Ihre großen Augen waren voll auf die Männer vor ihr gerichtet, sie hatten einen spöttischen Glanz. Sie kannte ihre Wirkung und es bereitete ihr großes Vergnügen, dass die Männer sie so anstarrten.

 

Quälend langsam kam sie näher.

 

Einige der Männer fuhren sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen, wieder andere führten einen Finger zum Mund und starrten sie an. Keiner konnte sich ihrer Wirkung entziehen. Das Geräusch des leise surrenden Ventilators dröhnte direkt aufdringlich in die Stille.

 

Sie kam, wie jeden Sonntag in die Taverne gegenüber, um ihre Eier abzuliefern.

Einige der Männer fuhren sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen, wieder andere führten einen Finger zum Mund und starrten sie an. Keiner konnte sich ihrer Wirkung entziehen.

Sie blickte in die Runde und überlegte, welcher von den Männern es wohl sein könnte?

 

Wer von ihnen kam in manchen dunklen Nächten in ihr Haus, schlich die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf und schlüpfte unter ihre Decke? Wessen Hand legte sich auf ihren Mund und wessen Hand verhinderte es, dass sie Licht machte? Sie hatte längst aufgegeben, es erfahren zu wollen.

 

Sie ertappte sich dabei, wie sie in manchen Nächten auf ihn wartete, ihr anfängliches Sträuben hatte sie längst aufgegeben. Der Griff nach dem Schalter der Lampe war mehr eine Geste, als wirkliche Absicht. Er stoppte ihre Hand jedes Mal mit einem sanften Druck und so blieb es dunkel im Raum. Sie wollte sowieso nie wirklich das Licht anmachen.

 

Sie liebten sich, stumm, ohne Worte. Es war Erotik pur! Er erforschte ihre intimsten Wünsche, drang in Gefühlswelten vor, die sie vorher nicht gekannt hatte und entfachte eine Leidenschaft in ihr, die brennender nicht sein konnte.

Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wie es früher war, als ihr Mann noch lebtet, es war wie ausgelöscht.

 

Er sprach nie auch nur ein Wort. Er bedeckte ihren Körper mit Küssen und seine Hände vermittelten ihr den Himmel auf Erden. Wenn er in sie eindrang, geriet sie völlig außer Kontrolle, ihr Seufzen und leises Stöhnen waren die einzigen Laute, die man vernehmen konnte.

 

Er trug sie von einem Höhepunkt zum Nächsten und es schien ihr jedes Mal, als würde sie nie wieder auf die Erde zurückfinden.

 

Bevor der Tag herauf dämmerte verließ er sie jedes Mal ebenso stumm und unvermittelt, wie er gekommen war….

 

„Ich bringe die Eier! “

Ihre Stimme zerriss die Stille und der Bann war gebrochen. Wie ertappt wendeten sich die Männer wieder ihren Gesprächen und ihren Getränken zu und das Räuspern des Pfarrers war über den ganzen Platz zu hören.

 

Der Wirt nahm ihr den Korb ab, ohne die Eier zu überprüfen oder zu zählen und drückte ihr das Geld in die Hand. Sie steckte es ein, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. Es war eine eingespielte Zeremonie.

 

Sie machte noch einen Blick in die Runde, verweilte auf diesem und jenem muskulösen Oberkörper, überlegte noch einmal, welcher von ihnen es wohl sein könnte, drehte sich um und ging wieder quer über den Platz zurück und verschwand hinter den Häusern.

 

Und wieder folgten ihr hungrige Blicke, blieben an ihren wiegenden Hüften, oder an der Verlängerung des Rückens hängen. Das Surren des Ventilators war wieder für Sekunden das einzige Geräusch.

 

Sie spürte einen der Blicke besonders intensiv in ihrem Rücken, der sich einbrannte und ihr angenehmen Schauer verursachten, doch sie drehte sich nicht um.

 

Das war eigentlich das einzig Aufregende an jedem Sonntag, das sich sogar der Pfarrer niemals entgehen ließ.

 

 

Die junge Witwe hatte ihr Anwesen nur einige Kilometer von der kleinen „Hauptstadt“ der Insel entfernt.

Sie züchtete Hühner und als ihr Mann noch lebte, konstruierte er eine Glashausanlage, in der er Tomaten, Gurken, Zucchini, Melanzani und Marulli, einen grünen Salat, züchtete. In den heißen Sommermonaten waren die Fenster der Anlage geöffnet um Luft durchstreichen zu lassen, in den kühleren Wintermonaten schützte es die Pflanzen vor den stürmischen Winden, die über die Insel tobten.

 

Sie hatte zwei weibliche Hilfskräfte und einen jungen Gärtner, der das Ganze leitete und ihr auch regelmäßig Bericht erstattete. Die Bediensteten wohnten in einem der Nebengebäude des Anwesens. Das war praktisch und sparte Zeit.

 

Wenn der Gärtner im oberen Glashaus arbeitete, hatte er einen guten Ausblick auf das Haupthaus, in dem die junge Witwe nun alleine wohnte.

Da er immer schon sehr zeitig am Morgen herumwerkte, wusste er über ihren Tagesablauf sehr gut Bescheid.

Wenn die ersten Sonnenstrahlen das offene Fenster ihres Schlafzimmers erreichten und sich der Vorhang im leichten Morgenwind blähte, sah er ihren nackten Arm den zarten Stoff umfassen und zurück werfen um die äußeren Fensterläden zu schließen und das Sonnenlicht auszusperren.

Sie hob diesen Arm immer, da sich der Vorhang regelmäßig am Fenster verfing und dabei streckte sie ihren Oberkörper und ihre prallen Brüste traten in das gleißende Licht. Durch den dünnen Stoff ihres Nachthemdchens konnte man deutlich ihr Brustspitzen sehen.

Sie war tagsüber immer nur in Schwarz gekleidet, daher fiel das gleißende Weiß des Nachthemdes besonders auf.

Dieser Anblick erregte ihn jedes Mal so sehr, dass er sich an den inneren Türrahmen des Glashauses anlehnen musste und ihn leichter Schwindel befiel. Seit sie nun Witwe war, hatten sich seine Einstellung und auch seine Gefühle für sie entscheidend verändert. War sie früher für ihn tabu, so begehrte er sie nun fast bis zum Wahnsinn.

 

Wenig später trat sie dann auf den Balkon des Hauses heraus und legte die leichte weiße Decke mit den Quasten an jeder Ecke und ihre Polster in die Sonne. Sie schüttelte beide leicht und dabei bewegten sich ihre Arme anmutig und berührten unwillkürlich diese wunderbaren festen Brüste, die dadurch in leichte Bewegung gerieten. Das weiße duftige Nachthemdchen fiel glatt und weich an ihrer Figur herab, betonte die Hüften und man konnte ahnen, wo ihre langen Beine begannen und oben, schier nicht endend wollend, in die Hüften übergingen. Wie sie so dastand, im gleißenden Sonnenlicht, konnte man das schwarze Delta am Ende ihrer Beine durch den weißen dünnen Stoff mehr ahnen als wirklich sehen. Allein der Gedanke daran machte ihn aber regelmäßig taumeln.

Sie verschwendete keinen Gedanken daran, ob man sie so sehen konnte oder nicht, da ja unmittelbar gegenüber keinem Hause stand und sie nicht vermuten konnte, dass sie jemand vom Glashaus aus beobachtete.

Immer wenn sie dann in der Tiefe des Raumes dahinter wieder verschwand, stellte er sich vor, wie sie das Hemd über ihren Kopf ziehend, auszog und sich vielleicht unter die Dusche in ihr Badezimmer begab. Er spürte förmlich, wie das lauwarme Wasser über ihren Körper rieselte, Tropfen an ihren Brustspitzen hängen blieben, sie sich einseifte und sich dabei am ganzen Körper berührte. Er war eifersüchtig auf den Wasserstahl, der sie so ohne Einschränkungen umhüllen, liebkosen und streicheln durfte.

Er lehnte so eine ganze Weile mit geschlossenen Augen am Türstock des Glashauses und erst als er sie im Hause rumoren hörte und sie dann nach rückwärts zu den Hühnern ging, um sie zu füttern und um die Eier einzusammeln, löste er sich von der Wand und nahm wieder seine Arbeit auf.

Heute musste er im vorderen Teil der Gärtnerei die Erde umgraben und neue Blumen setzen.

Er nahm die Schaufel mit dem langen Griff zur Hand und begann. Er stieß sie tief in die dunkle, satte Erde und es verursachte ihm ein unglaubliches Glücksgefühl, als er spürte, wie einfach und leicht die Spitze der Schaufel in die Erde eindrang, wie sich die Erde um das Schaufelblatt legte und sich willig ausheben ließ.

Er nahm die kleinen Pflänzchen liebevoll in die Hände und legte sie in die offenen Mulden. Mit zwei Fingern seiner Hand versenkte er sie tief und strich gleichzeitig mit dem Daumen über die Blüten und Knospen. Er liebte seinen Beruf, er war gerne Gärtner.

Dann nahm der die weiche, satte Erde und presste sie rund um die Wurzeln der Setzlinge und drückte sie sanft, aber doch sehr fest an. Es war ihm als wurde der Boden unter seinen Berührungen seufzen und sich um die Wurzeln der Pflanzen schmiegen. Es war, als würde er eine Frau berühren, ihren weichen Körper formen.

 

Er wusste er musste sich beeilen, dann regelmäßig um diese Stunde kam die Witwe dann den Hang herab um ihre Besorgungen zu machen und die angefallenen Eier ihrer kleinen Hühnerfarm ins Dorf zu den Geschäften zu bringen. Dann stand er immer da, auf seine Schaufel gestützt und begrüßte sie. Einen Blick aus ihren dunklen Augen und ihr zartes, freundliches Lächeln benötigte er, um den weiteren Tag erträglich zu machen.

 

Sie ging an ihm vorbei und ihr zarter Duft, der ihn an Zimt und Kardamom erinnerte, hing für einige Augenblicke in der Luft. Dieser Duft machte ihn fast verrückt. Sie beachtete ihn jedoch kaum. Wie sie mit leicht angehoben Schultern, mit leichtem Schwung der Hüften und des sich langsam auf und ab bewegenden verlängerten Rückens dahinschwebte, war sie die Verkörperung von Lust und Erfüllung. Er blieb so lange dastehen und genoss den Anblick ihrer Rückenansicht, bis sie an der Wegbiegung verschwunden war.

Leise flüsterte er andächtig ihren Namen.

Dann widmete er sich wieder seinen Pflanzen. Sie waren nun alle in die Erde gepflanzt, standen ein wenig im Morgenwind zitternd, da. Nun mussten sie gegossen werden.

Er nahm die schon vorbereitete Gießkanne und richtete den Strahl vorsichtig auf die zarten Pflänzchen. Das Wasser drang langsam in die Erde ein und machte sie noch dunkler und satter.

Er blieb einige Augenblicke stehen und betrachtete sein Werk zufrieden. Nun musste er sich um die andere tägliche Arbeitsroutine kümmern.

 

Er nahm sich vor, wenn er heute Nacht, im Schutze der Dunkelheit zu ihr hinübergehen wird, sie besonders zärtlich in die Arme zu nehmen. Sie verkörperte für ihn in jeder dieser Nächte eine andere Blume. Heute Nacht wird er sie wie eine Orchidee zum Blühen bringen, deren betörenden Duft wird sie nur für ihn in dieser Nacht verströmen.

Die Witwe hatte keine Ahnung, dass des Rätsels Lösung so nahe, ja sogar in ihrem eigenen Garten zu finden war.

 

 

 

 

SCHWERE ENTSCHEIDUNGEN.

 

Nicht immer, aber doch des Öfteren saß Konstantinos, der Bürgermeister mitten unter ihnen und so manche Entscheidung der kommenden Woche wurde schon hier zwischen Kaffe und Wasserpfeife, oder während einer Partie des Tavli-Spieles getroffen.

 

Auch heute saß Konstantinos unter ihnen und ließ seinen Blick in der Runde schweifen. Werden sie ihre Gewohnheiten und auch Einigkeit in vielen Dingen so beibehalten, wenn die großen Baumaschinen kommen, wenn das eine oder andere Haus abgerissen wird, oder der kleine Laden dort an der Ecke verschwinden wird und ein Supermarket entsteht? Er hatte nämlich am Samstag das lang gefürchtete Fax der Firma Hygro erhalten, dass die Untersuchung des Wassers positiv ausgefallen sei und es sich lohnt, es abzufüllen. Sie werden nun die nötigen Genehmigungen und Baubewilligungen einreichen und dann auf die Insel kommen, um die letzte Hürde, nämlich das Einverständnis der Gemeinde zu nehmen.

 

Konstantinos seufzte und trank seinen kleinen, schwarzen türkischen Kaffe mit kleinen Schlückchen. Er hatte sich vorgenommen, es erst mit der Gemeinde zu besprechen, wenn es wirklich fix war. Er wusste, dass die Menschen hier in zwei Lagern aufzuteilen sein werden. Jene, die sich einen wirtschaftlichen Aufschwung erhoffen und ihn auch machen werden und jene, die dafür mit ihrer Ruhe und Beschaulichkeit dafür zahlen werden müssen. Und nun war es fix.

 

Er blickte zur gegenüberliegenden Seite des Platzes. Einige Häuser auf der linken Seite des Platzes werden sicher weichen müssen. Das uralte Haus von Kosta, dem Fischer zum Beispiel, der jeden Tag, zusammen mit seinem Esel und mit einem Teil seines Fanges durch die engen Gassen trabte und seine Fische anbietet, daneben noch zwei oder drei Häuser, die schon seit Generationen hier stehen und in denen einige seiner Freunde aufgewachsen sind; deren Eltern noch darin leben und jeden Abend auf der Bank vor dem Haus saßen, den Sonnenuntergang beobachteten und jeden grüßten der über den Platz ging. Kosta machte das auch heute noch, jeden Abend. Manches Mail bleibt auch der eine oder andere auf einen kleinen Plausch stehen.

 

Plötzlich schmeckte ihm der Kaffe nicht mehr, er stand auf, winkte den Freunden zu und fuhr nach Hause.

 

 

Das schicksalsträchtige Schreiben lag auf seinem Schreibtisch im Büro und ihm schwer im Magen. Demnach soll der Firmenchef in einer Woche mit einem Aufgebot an eventuelle Mitarbeiter mit seiner eigenen Yacht ankommen. Es wird gebeten, die Inselbewohner zu versammeln, damit man das Objekt anschaulich vorstellen kann. Beigefügt waren einige Pläne und Skizzen, aus denen hervorging, welche Arbeiten wann und wo durchgeführt werden sollen.

Das Schreiben war im Postsack und auch die große, auffallende Rolle mit den Plänen und Zeichnungen. Natürlich waren diese Poststücke Gesprächsthema am Nachmittag im Kaffenion und regten einige Spekulationen an. Was konnte denn da drinnen gewesen sein?

 

Konstantinos breitete einige dieser Pläne und Zeichnungen auf dem großen Tisch im Sitzungszimmer im ersten Stock aus. Das Sitzungszimmer war ein größerer Raum mit zwei Fenstern und einer Türe zur Terrasse im ersten Stock des Gemeindeamtes. Hier hielten sie ein bis zweimal im Jahr ihre Versammlungen ab, trafen sich, wenn etwas zu beschließen war, oder der Rechnungsabschluss über die Finanzgebarung der Insel abgesegnet wurde. Sie hatten ein fast immer gleichbleibendes Budget und immer fast gleichbleibende Ausgaben. Es gab zwar immer Reparaturen, aber immer wieder was Anderes und es bewegte sich im Rahmen. Natürlich wäre ein größeres, großzügigeres Budget wünschenswert. Die einzige Straße der Insel die vom Hafen auch zu den beiden anderen Dörfern führte gehörte wieder einmal geteert und das Hafenbecken saniert. Er holte tief Luft. Das mit dem Hafenbecken hatte sich ja nun erledigt, das wird höchstwahrscheinlich ja von der Firma Hygro nun übernommen werden. Er fuhr sich mit seinen großen Händen durch das üppige Haar und stützte den Kopf sorgenvoll auf. Er hatte ein mulmiges Gefühl, wenn er dran dachte, wie er das nun seinen Freunden und Inselbewohnern erklären sollte.

 

Er griff zum Telefon. Er rief Dr.Gablous, seinen väterlichen Freund und dem einzigen Arzt auf der Insel, an. Dieser hatte die Ordination seines verstorbenen Vaters vor vielen Jahren übernommen und es war ihm damals gelungen, ebenfalls das Vertrauen der Inselbewohner zu erringen, das schon sein Vater innehatte.

„Sag, kannst Du zu mir herüberkommen? Ich muss Dir eine Menge erzählen!“.

Der Freund merkte an seiner Stimme, die ein wenig belegt war, dass es sich um etwas sehr Wichtiges handeln musste.

„In einer Stunde? Ja das geht, ich habe nur noch zwei Patienten da. Zu Dir ins Gemeindeamt oder nach Hause?“, fragte er dann noch.

„Ja, ok, geht in Ordnung, ins Gemeindeamt bitte“.

 

´Das musste ja was sehr Gewichtiges sein`, dachte sich der Arzt, wenn er ihn ins Gemeindeamt zitierte!

 

Konstantinos beugte sich wieder über die Pläne. Der Platz, der sich gleich an den Hafen anschloss wurde hier größtenteils nicht berührt, außer die vier letzten Häuser auf der linken Seite waren rot gekennzeichnet, die müssten, wenn es nach dem Plan hier ging, geschliffen werden. Das wird wehtun! Es war das Haus der alten Hebamme, das Haus von Kostas dem Fischer und die Schule. Naja, die Schule hatte er sowieso schon lange im Visier, denn sie würde total saniert gehört, die Nassräume und der viel zu kleine Turnsaal waren in einem erbärmlichen Zustand. Es gab nur drei Klassenzimmer, wobei eines als Lehrerzimmer eingerichtet war, sie hatten zeitweilig nicht mehr als zehn Schüler. Da in Kürze sowieso die Ferien begannen, müsste man da bis Herbst eine Lösung finden können. Es gab noch in Nea Nicolajos eine Schule, vielleicht könnte man die Kinder zwischenzeitlich dort unterbringen. Aber die beiden anderen Häuser und ihre Bewohner machten ihm Sorgen. Die alte Hebamme, Kiria Paraskevi, war schon weit über 80 und hörte fast nichts mehr. Ihr das zu erklären und sie dann auch noch umzusiedeln, wird ein hartes Stück Arbeit werden! Mit dem Fischer Kostas wird es auch nicht leichter werden.

 

Dann widmete er sich den anderen weitaus umfangreicheren Veränderungen zu. Oben, bei Agios Stephanos ist ein ansehnliches Areal zur Rodung vorgesehen, dort sollen auch die Abfüllanlage und das Büro- und Lagerhaus stehen. Er öffnete seinen Aktenschank und nahm die Unterlagen über die Besitzverhältnisse heraus. Es war nicht leicht, da durchzublicken. Er wusste, dass es in vielen Ländern üblich war, dass es ein Katasteramt und ein Grundbuch gab, das war in Griechenland jedoch bis vor kurzem fast nirgendwo vorhanden. Irgendwann gab es eine Weisung aus Athen, (war das vor ein oder zwei Jahren?), aber niemand nahm das hier auf der Insel sonderlich ernst und die Verordnung verschwand irgendwo in den Akten. Heute tat ihm das leid. Ahja, da waren ja die spärlichen Aufzeichnungen! Demnach gehörte der Großteil des Areals der Gemeinde und dem Monastir von Agios Stephanos, nur einige kleinere Grundstücke, die landwirtschaftlich bebaut waren, waren in privater Hand.

 

Probleme wird es vielleicht mit dem Kloster geben, da das Kloster dort am Südhang ihren eigenen, sehr guten Wein anbaut. Er kannte den Abt des Klosters, es war ein alter, sehr sturer Bürokrat. Die neun Patres, die dort leben, werden nicht viel mitzureden haben. Er blickte auf die Uhr, für heute war es zu spät noch mit dem Abt zu telefonieren und ihn bitten, im Laufe der Woche zu ihm ins Gemeindeamt zu kommen. Er wusste, dass sie immer abends, nach der Fünfuhrmesse um 18.00 ihr Abendbrot zu sich nahmen und anschließend ihre Abendandacht abhielten. Er wird ihn Morgen früh anrufen.

Aber er telefonierte noch mit den beiden Gemeindesekretären in Agios Stephanos und Nea Nicolajos. Er bestellte sie für Morgen früh in sein Büro. Er wollte das mit ihnen besprechen, ihnen das Projekt unterbreiten, bevor er dann die Anderen informierte.

 

„Wow, über welchen Plänen bist Du denn da gebeugt? Das schaut ja nach viel Arbeit aus!“, rief in diesem Moment die wohlbekannte Stimme von Dr. Gablous von der Türe her. Er war um fast einen Kopf größer als der ohnehin schon sehr massige Konstantinos,

„Ja, nach Arbeit und auch vielen Problemen!“, seufzte Konstantinos.

 

Er bot ihm einen Platz an und stellte ihm eine Karaffe Wasser hin. Dann informierte er den immer mehr staunenden Freund über die Situation.

 

„Na, das ist ja ein Hammer! Natürlich bedeutet das für die Leute hier einen enormen Aufschwung und ich denke, man sollte ihnen das nicht verbauen. Apropos bauen, vielleicht könnte man das Projekt aber ein wenig kleiner halten, als es offenbar geplant ist. Diese Vorhaben, wie Du sie schilderst, verändern ja fast die ganze Insel. Dass der Hafen ausgebaut wird, begrüße ich sehr, die Kaimauer ist sowieso sanierungsbedürftig. Nur sollte man da vorher Taucher runterschicken, es tauchen ja immer wieder irgendwelche Artefakte, wie alte Keramikvasen und Teile von Statuen auf, wenn man nur ein wenig im Grund gräbt. Als wir die Hafenanlage gebaut haben, wurden von dem Baumeister sogar einige Stück vernichtet, nur um keine Aufmerksamkeit beim Denkmalamt aufkommen zu lassen. Ich konnte aber einige kleine Stücke retten Ich denke, da muss vor langer Zeit ein Erdbeben oder ein Erdrutsch einen Teil der Ansiedlung mitgerissen haben. Dein Vorgänger, der alte Elias hat das nie nach Athen gemeldet, denn das hätte sofortigen Baustopp bedeutet und wir wären nie zu einer Hafenanlage gekommen“.

 

„Echt? Wow, das wusste ich gar nicht. Mein Gott, es tauchen immer wieder neue Probleme auf. Ich werde aber ein Konzept erarbeiten, werde doch diesen Sonntag eine Gemeindesitzung einberufen, alle dazu einladen und einmal einfach die Situation erklären. Was meinst Du?“

 

„Ja, das wäre gut. Je früher, desto besser. Die Leute brauchen Zeit, das zu überlegen, das auszudiskutieren und sich an den Gedanken zu gewöhnen. In der Nähe von Saloniki, der Ort heißt Souroti, gibt es schon so eine Anlage. Die haben dort auch eine Quelle mit sehr gutem Wasser, das vorwiegend im Norden von Griechenland getrunken wird. Sie haben es nach dem Ort benannt und sind durch dieses Wasser wohlhabend geworden!“.

 

„Ich werde die Versammlungsankündigung beim Eingang unten auf der Anschlagtafel anschlagen und auch die beiden Gemeindesekretäre in Agios Stephanos und in Nea Nicolajos bitten, das Gleiche zu machen. Ich bin gespannt, wie viele kommen werden!“.

 

„Ich meine, da werden sehr viele, wenn nicht Alle, kommen. Naja, ich glaube zumindest die Männer!“, lachte er.

 

„Wir werden sehen. Kommst Du noch mit? Maria hat angekündigt, dass wir heute abends im Garten grillen werden“.

 

Der Freund sagte zu, sie verließen das Bürgermeisteramt, fuhren zum Haus von Konstantinos und verbrachten einen wunderbaren Abend bei gutem Essen und gut gekühltem Retsina.

 

Konstantinos hatte die Ankündigung der Bürgerversammlung an der Tafel angeschlagen und es bildete sich eine Menschenschlange, die es lesen wollte.

Als Betreff hatte er lediglich angegeben: AUSBAU DER WASSERQUELLE

 

Niemand konnte sich was Konkretes darunter vorstellen, funktionierte doch die Wasserverteilung auf der Insel ohne irgendwelche Probleme. Die Zisterne war zwar alt, aber voll funktionsfähig und wurde erst vor einigen Jahren überholt, da sie an einigen Stellen durchlässig war. Es entstanden einige Debatten und alle waren neugierig.

 

Konstantinos hatte die Versammlung für Sonntag, nach der Messe anberaumt. Erstens wollte er den Pfarrer nicht verärgern und außerdem wusste er, dass alle bis spätestens 15.ooh zum Essen zu Hause sein wollten. Das heißt, dass sich die Debatte voraussichtlich nicht zu lange hinziehen wird.

 

Doch bis Sonntag waren noch drei Tage hin.

 

 

Das Monastir.

 

Der Abt von Agios Stephanos, Pope Pavlos, kam wie vereinbart am Samstagmorgen und brachte ein geweihtes Brot und Oliven im Glas aus eigener Erzeugung als Geschenk mit. Er begrüßte Konstantinos, segnete ihm und begann mit belanglosem Small-Talk. Doch seine listigen Äuglein waren hellwach und man spürte, er war auf der Hut.

 

Konstantinos zeigte ihm den Schriftverkehr und auch die übermittelten Pläne betreffend die diversen, strukturellen Veränderungen auf der Insel und wartete geduldig, bis Abt Pavlos alles durchgesehen hatte. Dieser legte die letzten Papiere auf den Tisch und trank dann genüsslich aus seiner Kaffeetasse, dann räusperte er sich, strich behutsam durch seinen langen Bart und hob an:

 

„Also, an sich finde ich das alles sehr positiv. Das wird unserer Insel viel Geld bringen. Allerdings, wie Sie schon erwähnten, wird es auch umfangreiche Veränderungen geben, die von der Bevölkerung erst verdaut werden müssen. Die Jungen werden das ja alle begrüßen, nehme ich an. Doch die Älteren werden sich sträuben. Vor allem, wenn sie Grundstücke abtreten, bzw. ihre Häuser abgerissen werden sollen, besonders hier im Hafen! Da wird Ihr Geschick gefordert sein, um die Ablösen, die die Firma zu zahlen hat, so in die Höhe zu treiben, dass sie zustimmen. Einige werden ja zu ihren Kindern ziehen können, denen sicher die Ablöse willkommen sein wird. Was die Gebietsansprüche an uns betrifft, so bin ich da sehr skeptisch, dass meine Mitbrüder damit einverstanden sein werden. Auf dem nördlichen Grundstück, das hier rot eingezeichnet ist, bauen wir seit Jahrhunderten Wein an und um darauf zu verzichten, müssten wir schon gerecht entschädigt werden!“, er schloss einen Moment die Augen, um seine Demut und Bescheidenheit zu demonstrieren und strich sich wieder durch den Bart.

Doch Konstantinos wusste, dass das reine Berechnung war. Das Kloster hatte noch einige andere Areale und Sonnenabhänge, wo sie noch genügend Wein anbauen konnten.

 

„Was haben Sie sich denn da so vorgestellt, von welcher Summe sprechen wir da?“

 

„Also, ich will da noch keine Summe nennen, mir wäre auch viel lieber, wenn wir uns darauf einigen könnten, dass sie uns bei der Renovierung des Klosters unter die Arme greifen? Ich werde, ganz abgesehen von eventueller Vereinbarung, inzwischen berechnen, wie viel das Areal Wert ist und welche Summe ich mir als Ablöse von dem Betreiber vorstelle. Das sind zwei total getrennte Verhandlungen“.