Dorian Hunter 171 - Dario Vandis - E-Book

Dorian Hunter 171 E-Book

Dario Vandis

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Beschreibung

Das träge Dahingleiten in einem unendlichen Strom von Finsternis, über Jahrtausende hinweg. Das Versinken in einem bodenlosen Sumpf, ohne Aussicht auf Halt, immer tiefer hinab in die Schlünde der Ewigkeit. Einsamkeit. Äonenlange Nacht war mein Zuhause. Fernab jeglichen Lebens. Irgendwann, Epochen mussten vergangen sein, spürte ich einen fast körperlichen Schmerz. Die Pein holte mich aus dem tiefen Brunnen des Vergessens zurück, und das erste Mal seit Äonen war ich in der Lage, einen wirklich klaren Gedanken zu fassen. Es beginnt. Mein Erwachen ... Während Luguri und Rebecca sich auf ihr scheinbar unausweichliches Duell vorbereiten, erwacht eine gewaltige Gefahr für die Schwarze Familie - und auch für die Menschheit!


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Seitenzahl: 164

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

EIN ENGEL ERWACHT

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin hat Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort versteckt, den sie selbst vor Dorian geheimhält.

Auf der Suche nach dem Erbe des Hermes Trismegistos findet Dorian den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon gedient hat und sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst. Die Invasion der Janusköpfe von der Parallelwelt Malkuth wird mit Dorians Hilfe abgewehrt. Hermes Trismegistos wird klar, dass er für das Entstehen der Psychos auf Malkuth verantwortlich ist. Um zu büßen, geht er durch eins der letzten Tore nach Malkuth.

Die Vampirin Rebecca, eine Jugendfreundin Cocos, greift nach der Macht in der Schwarzen Familie und fordert den Erzdämon Luguri, den derzeitigen Fürsten der Finsternis, heraus. Um ihre Schwäche auszumerzen, engagiert sie den Hexer Leopold Nevermann, der dafür allerdings einen gewaltigen Preis fordert. Durch unvorhersehbare Umstände wird Coco in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges verschlagen und lernt Matthias Troger, die sechste Inkarnation des Dämonenkillers, kennen. Sie kann den Apokalyptischen Raid verhindern und dank der Hilfe des rätselhaften Manannan mac Lir in die Gegenwart zurückkehren.

Luguri ist indessen ein gewaltiger Schlag geglückt: Das Castillo Basajaun ist zerstört, viele Gefährten Dorians haben den Tod gefunden. Bald darauf werden bei Ausgrabungen nahe Sedom ein seltsamer Metallstab und ein geheimnisvoller Kokon entdeckt. Während der Stab in Jerusalem datiert werden soll, wird der Kokon ins Seuchenzentrum Tel Aviv gebracht. Dort erwacht der »Engel« Nathaniel und entsteigt dem Kokon ...

EIN ENGEL ERWACHT

von Dario Vandis und Martin Kay

Der Himmel über Wien strahlte in einem wolkenlosen, morgendlich kühlen Blau.

Karina Ogler genoss die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht und beobachtete entspannt das geschäftige Treiben auf dem Platz. Trotz der frühen Stunde drängten die Leute bereits in Massen auf den Markt. Der Boden vibrierte förmlich vom Trippeln unzähliger Füße auf dem taunassen Kopfsteinpflaster, und tausend abgerissene Gesprächsfetzen mischten sich zu einem gleichförmigen Geräuschpegel, der dem Brummen eines auf Hochtouren arbeitenden Motors glich.

Rundherum bis in die Nebenstraßen des Marktes reihten sich Stände aneinander, und die Händler – vorwiegend Bauern aus der Wiener Umgebung – priesen lauthals ihre Waren an. Sie eiferten danach, die größten Mengen noch während des Vormittags loszuwerden, denn kurz vor Marktschluss würden wie üblich die Preise rapide fallen und den Verkäufern wenig Spielraum für Gewinne lassen.

1. Kapitel

Karina atmete die sich langsam erwärmende Sommerluft ein und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Sie besuchte den Markt zum ersten Mal, im Gegensatz zu den meisten anderen Kunden, die sich untereinander grüßten und oftmals stehen blieben, um ein paar Worte miteinander zu wechseln.

Sie war erst vor wenigen Monaten nach Wien gezogen, und ein Bekanntenkreis baute sich zu ihrem Verdruss nur sehr schleppend auf. Die Leute schienen häufig mit sich selbst beschäftigt zu sein und scherten sich kaum um neue Gesichter, die in einer Großstadt ohnehin niemandem auffielen. Ihr blieb keine andere Wahl, als selbst den ersten Schritt zu unternehmen.

Mit zwei gefüllten Einkaufstüten in den Händen stiefelte sie zur Nordseite des Platzes, auf der sie ihr Fahrrad abgestellt hatte, und atmete heftig unter dem Gewicht der Taschen. Ihre eigene, eher unsportliche Figur machte ihr in diesem Augenblick zu schaffen.

Sie kämpfte sich durch einen Menschenpulk, der sich vor einem Blumenstand versammelt hatte, hinter dessen Tresen der Verkäufer wie Rumpelstilzchen auf und nieder sprang und seine Sträuße anpries.

»Rosen! Schönste, frisch geschnittene Rosen! Zehn Stück zum halben Preis, liebe Leute. – I wo, was sag ich – nicht zum halben ... ich gehe noch mal um die Hälfte runter! Das ist eine einmalige Gelegenheit für Sie. Greifen Sie zu!«, rasselte er seine Sprüche herunter und teilte mit fliegenden Händen Blumen aus, um im Gegenzug eine Münze nach der anderen einzusammeln.

Er machte in seiner Hektik einen wahrhaft lächerlichen Eindruck, aber offensichtlich war seine Verkaufsstrategie von Erfolg gekrönt.

Es haben eben immer die Lauten recht, dachte Karina kopfschüttelnd und kehrte dem Stand den Rücken zu. Neben dem Blumenverkäufer bot ein unscheinbarer Mann allerlei verschieden geformte Wachskerzen an. Er saß auf einem Klappstuhl und hatte die Hände tief in seiner Daunenjacke vergraben. Unglücklich blickte er den vorüberströmenden Leuten nach und kniff die Lippen zusammen. Niemand interessierte sich für seine Kerzen.

»Junge Dame«, rief plötzlich eine Stimme von der anderen Seite, »auf Sie habe ich den ganzen Tag gewartet!«

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Karina registrierte, dass sie angesprochen worden war. Wer sollte sich in diesem Gewühl schon für sie interessieren?

»Ja, genau Sie meine ich!«, rief die Stimme wieder, als sie sich umdrehte. Ein alter, dürrer Mann in einem langen Wintermantel hob die rechte Hand, deren magere Finger sie unwillkürlich an die Beine einer Spinne erinnerten, und winkte ihr freundlich zu. Er verkaufte Gemüse an einem ausladenden Stand, der von einer großen weißgelb gestreiften Plane überdacht wurde.

Erschrocken zuckte sie zusammen und starrte den Händler an. Was wollte er von ihr?

»Kommen Sie ruhig näher, meine Liebe! Setzen Sie Ihre Taschen für einen Moment ab und erholen Sie sich ein wenig. Die Menschen laufen umher wie aufgescheucht heute Morgen!«

Wider ihren eigenen Willen schritt sie zögerlich auf ihn zu und schaute auf seine Auslagefläche.

»Frisches Obst! Frisches Gemüse!«, meinte er, als er ihren Blick bemerkte. »Noch heute Morgen geerntet. Ganz frische Ware!«

»Heute Morgen?«, erwiderte sie ungläubig.

Er nickte. »Alle Stunde bekomme ich eine neue Lieferung. Die Kunden wissen Qualität zu schätzen, und ich werde jede einzelne Kartoffel oder Gurke los. Einen Salatkopf für Sie, meine Dame?«

»Danke«, wehrte sie ab, »ich habe bereits eingekauft. Ich bin eigentlich schon auf dem Rückweg.«

Er schüttelte enttäuscht den Kopf. »Wie schade! Aber was würden Sie dazu sagen, wenn ich ihnen den Salat umsonst anbieten würde? Kostenlos! – Nur für Sie!«

»Kostenlos?«

»Ja, genau!« Er strahlte.

»Warum kostenlos? Und warum ausgerechnet ich?«, fragte sie verwundert.

Er überlegte eine Sekunde, und es arbeitete in seinem faltenübersäten Gesicht. »Sie sind mir aufgefallen, weil Sie so schwer an ihren Taschen zu schleppen haben. Dazu noch ihre unsportliche Figur ... Ich hatte einfach Mitleid mit Ihnen.« Er lachte meckernd.

Sie überhörte seine unhöfliche Bemerkung, da sie aus seinem Mund seltsamerweise nicht im geringsten spöttisch klang. Im Gegenteil, war es nicht vielmehr Mitgefühl, das er für sie entwickelte?

»Das ist aber nett von Ihnen«, entgegnete sie verlegen und nahm den Salatkopf in Empfang. Es handelte sich um ein besonders großes Exemplar.

»Saftig grün ist er! Möchten Sie eine Tüte haben?«

»Nein, nein«, erwiderte sie hastig und lächelte. »Nicht noch eine! Irgendwo werde ich schon noch Platz finden.«

»Haben Sie noch einen weiten Weg, Frau Ogler?«

»Wie bitte?«, stutzte sie. »Woher kennen Sie meinen Namen?«

»Woher?«, meinte der Alte mit einem unergründlichen Lächeln auf den Lippen. »Nun, Sie haben ihn mir doch eben selbst genannt.«

Sie zwinkerte verblüfft und räusperte sich schließlich. Wenn er es sagte.

»Nein, nur bis zum Ende des Marktes. Dort steht mein Fahrrad«, beantwortete sie seine Frage.

»Mit dem Fahrrad sind Sie hier!«, rief er sogleich entsetzt aus und schlug theatralisch die Hände vors Gesicht. »Sie scheuen auch keine Mühen, um – zu mir zu kommen, wie?«

»Zu Ihnen? Ich wollte eigentlich nur einmal den Markt besuchen. Ich bin nämlich neu in Wien, und da dachte ich ...«

»Ich weiß!«, unterbrach er sie und lächelte verschwörerisch.

»Wie bitte?«

»Ich weiß, dass Sie neu in Wien sind, Karina. Mir bleibt nichts verborgen, was in dieser Stadt vorgeht!« Er lächelte ihr zu.

Sie schaffte etwas Platz in einer ihrer Taschen und verstaute den Salatkopf darin. Die Tüte war jetzt tatsächlich bis zum Bersten gefüllt.

»Da haben Sie aber ordentlich eingekauft!«, nickte der Verkäufer anerkennend. »Das dürfte für die ganze Woche reichen. Haben Sie eine Familie zu versorgen?«

»Nein, ich lebe allein.«

»Ach, das wird sich auch noch ändern. Irgendwann findet auch jemand wie Sie einen Mann.«

»Ich möchte vorerst aber gar nicht, dass es sich ändert«, widersprach sie unwillig. »Ich fühle mich ganz wohl so. Für alles andere ist später noch Zeit.«

»Da haben Sie auch wieder recht.«

Sie stand einen Moment unschlüssig da und hoffte, dass es nicht unfreundlich klang, wenn sie das Gespräch jetzt beendete. »Es tut mir leid, aber ich habe noch einen Termin um die Mittagsstunde. Deshalb muss ich mich beeilen. Aber vielleicht begegnen wir uns ja noch einmal. Sind Sie jede Woche hier?«

Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, nur heute!«

»Oh, wie schade. Dann wird es wohl nichts mit einem Wiedersehen.«

»Bleiben Sie doch noch ein Weilchen. Ihre Verabredung wird vielleicht noch etwas warten können.«

»Ich weiß nicht ...«

»Ich bin wirklich sicher, dass es so ist.« Seine Worte klangen derart überzeugend, dass sie die Taschen, die sie sich bereits über die Schulter gehängt hatte, wieder absetzte.

»Wenn Sie meinen ...«, sagte sie unsicher.

»Ich übernehme die volle Verantwortung«, beruhigte er sie. »Möchten Sie vielleicht noch etwas von dem Salatgemüse haben? Oder einen Blumenkohl? Der Blumenkohl ist ganz frisch, erst vor zehn Minuten geerntet worden!«

»Vielen Dank, aber das wird dann wirklich zu viel. Wer soll das alles essen?«

»Ja«, sinnierte er, »wer soll das nur alles essen? Sie haben vollkommen recht. Entschuldigen Sie meine aufdringliche Art, aber manchmal kann ich mich einfach nicht bremsen, wenn ich eine Frau bezaubernd finde!«

Karina stockte und bemerkte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. »Ich ... ich weiß nicht, was Sie meinen«, stotterte sie.

»Das macht nichts«, sagte der Gemüsehändler, »es war auch nur ein Scherz, und ein schlechter obendrein! Es tut mir wirklich leid.« Er kicherte verhalten.

»Aber ...«

»Sie brauchen nichts zu sagen«, unterbrach er sie, »sehen Sie sich nur an. Haben Sie nicht eine abstoßende Figur?«

»Wie bitte ...?«, keuchte sie auf.

»Das ist nur die Wahrheit!« Der Verkäufer schaute sie treuherzig an.

Als sie daraufhin an sich hinunterblickte, kam sie nicht umhin, ihm beschämt zuzustimmen.

»Ich esse gern«, verteidigte sie sich.

»Das sieht man!«, entgegnete er kopfschüttelnd. »Sie müssen sich wirklich besser in den Griff bekommen, Karina. Sehen Sie mich an und nehmen Sie sich ein Beispiel an mir. Essen Sie mehr Salat und Früchte! Nicht so viele Süßigkeiten. Jedes Pfund zu viel verringert ihre Lebenserwartung. Haben Sie daran noch nie gedacht?«

»Schon, aber ich ...«

»Ersparen Sie mir Ihre Ausflüchte, Karina!«, tadelte er sie plötzlich streng. Sie biss sich auf die Lippen.

»Sie geben mir recht, wie ich sehe«, konstatierte er. Doch dann begann er unverhofft zu lächeln. »Das allein ist jedoch noch kein Grund, in Weltuntergangsstimmung zu verfallen. Vielleicht ist Ihre Fettleibigkeit auch zum Teil ererbt.«

Sie überlegte. »Nein, ich glaube nicht. Meine Eltern waren beide sehr schlank.«

»Das ist natürlich dumm.«

Karina wand sich unter seinen stichelnden Bemerkungen. »Ich muss jetzt wirklich gehen«, erwiderte sie schwach.

»Natürlich, ich vergaß Ihre dringende Verabredung! Dann sollten wir unser Gespräch besser beenden. Vielleicht ergibt sich ja eine Möglichkeit, es später einmal fortzuführen.«

»Aber Sie sagten doch, dass Sie nächste Woche nicht mehr hier sein werden«, begehrte sie auf.

»Das stimmt, aber wenn es der Zufall will, werden wir uns irgendwo anders wiedersehen. Ich freue mich schon darauf!«

Karina erwiderte nichts und ergriff die Hand des Verkäufers. Er lächelte und entblößte erneut seine gelblichen Zahnstümpfe. »Mein Name ist übrigens Zacharias Akum. Es tut mir wirklich leid, wenn ich Sie vor den Kopf gestoßen haben sollte. Ich habe eine recht schroffe Art an mir, mit der ich schon bei vielen Leuten angeeckt bin. Ich hoffe, sie können mir verzeihen.«

»Natürlich«, sagte sie mechanisch und griff nach ihren Taschen.

»Nehmen Sie nicht so schwer, was ich gesagt habe. Ein paar Pfunde mehr kann sich doch jeder leisten!«, meinte er, als sie sich abwandte. »Ich wünsche Ihnen noch einen recht angenehmen Tag und eine wirklich zauberhafte Verabredung. Auf Wiedersehen. Und Kopf hoch!«

Sie hob die Hand und marschierte eilig los. Je schneller sie das Fahrrad erreichte, desto besser. Die Taschen würden mit jedem Schritt schwerer werden.

Sie drängelte sich zwischen den Menschentrauben hindurch, murmelte leise einige Entschuldigungen und schob sich weiter voran.

Als sie den Rand des Marktplatzes erreichte, atmete sie erleichtert auf. Zwanzig Meter weiter erblickte sie ihr blaugraues Damenfahrrad, das sie an einen Laternenpfahl gekettet hatte. Die beiden Taschen verstaute sie im Gepäckkorb und fischte den Schlüssel aus ihrer rechten Mantelaußentasche.

Wenigstens fahre ich Fahrrad, schoss es ihr unwillkürlich durch den Kopf. Also kann mir niemand vorwerfen, dass ich nichts für meinen Körper tue!

Sie verwarf den Gedanken und öffnete das Schloss. Die Kette brachte sie in einer der Taschen unter. Dann stieg sie auf und trat angestrengt in die Pedalen. Das Rad setzte sie rasselnd in Bewegung.

Bevor sie den Marktplatz verließ, warf sie einen letzten Blick in die Gasse, in der sie den Stand des Händlers Zacharias Akum zu finden glaubte, doch von der weißgelben Plastikplane war nichts mehr zu sehen.

Sie wandte sich ab und radelte nach Hause. Unterwegs beschloss sie, ihren Termin, ein Studienseminar, ausnahmsweise einmal ausfallen zu lassen. Nicht weil sie es langweilig fand, oder weil sie insgeheim fürchtete, zu spät zu kommen.

Aber irgendetwas zog sie einfach in die eigenen vier Wände. Und in ihre Küche.

Sie verspürte plötzlich einen Bärenhunger.

Sie erreichte ihr Zuhause in Rekordzeit. Ihr Magen knurrte unablässig.

Sie wohnte nordwestlich der Innenstadt in der Währinger Straße, fast punktgenau an der Kreuzung des Gürtels – einer der Hauptverkehrsachsen Wiens, die dann südwestlich des Zentrums auf die A 23 führte.

Der Lärm und die Abgase waren besonders zu den Stoßzeiten eine große Belastung für die Anwohner. Dazu kamen die ständig durch die Straßen heulenden Rettungswagen aus dem nahe gelegenen Allgemeinen Krankenhaus.

Aber Karina hatte sich ihre kleine Wohnung nicht aussuchen können und war froh, nahe der Innenstadt überhaupt etwas zu einem annehmbaren Preis gefunden zu haben. Obgleich Wien die einzige Millionenstadt der Erde ist, deren Einwohnerzahl seit mehr als 75 Jahren stetig sinkt, sind die Wohnungsmieten für die das Stadtbild bestimmenden Altbauten längst noch nicht so tief gefallen, um von einer Durchschnittsstudentin ohne Weiteres bezahlt werden zu können.

Sie stellte ihr Fahrrad im Keller ab und schleppte die überfüllten Einkaufstüten in den zweiten Stock. Mit schweißnassen Händen schloss sie die Wohnungstür auf.

Zuerst brachte sie die Taschen in die Küche, entleerte den Inhalt auf den Tisch, stellte den Herd an und setzte Wasser auf. Den Salatkopf verstaute sie im Kühlschrank; vorerst benötigte sie etwas Kräftigeres. Ohne zu zögern, schüttete sie ein ganzes Pfund Spaghetti in den Kochtopf.

Sie hatte ein paar Fertigsoßen im Schrank, scheute aber trotz allem die Zubereitung und packte stattdessen die restlichen Waren in die Schränke. Eine Tafel Schokolade vernichtete sie, noch bevor das Wasser mit den Nudeln zu kochen begann.

Als der Tisch leer geräumt war, setzte sie sich auf einen Stuhl und schlug die Zeitung auf. Unkonzentriert überflog sie die Artikel und ertappte sich selbst dabei, wie sie gierig darauf wartete, mit dem Essen beginnen zu können.

Was ist nur los mit mir?, rief sie sich selbst zur Ordnung.

Sie verspürte einen unglaublichen Appetit.

Unruhig faltete sie die Zeitung zusammen, warf sie auf den Altpapierstoß und schaute aus dem Fenster. Draußen staute sich wieder einmal der Verkehr, obwohl die Rush Hour erst in einigen Stunden einsetzen würde.

Karina hatte die Abgase satt und fuhr beinahe aus Protest nur noch mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt oder zur Universität. Das Gros der arbeitenden Bevölkerung zog es jedoch vor, im Stau stecken zu bleiben.

Unterschwellig schoss ihr der Gedanke an das Seminar in den Kopf, das sie nun schon zum dritten Mal in den vergangenen Wochen nicht besucht hatte. Ob man sich über ihr Fehlen wunderte?

Andererseits hatte der Gemüsehändler – wie hieß er doch noch gleich? – versprochen, sie zu entschuldigen.

Unsinn. Sie schüttelte den Kopf. Hatte der Mann wirklich etwas Derartiges gesagt? Sie konnte sich kaum noch an das Gespräch erinnern.

Gedankenverloren öffnete sie die Tür des Vorratsschrankes und ließ ihren Blick über die Pappverpackungen und Konservendosen wandern. Zu ihrer Enttäuschung befand sich nichts darunter, was man in der Zwischenzeit mit wenigen Handgriffen hätte zubereiten können.

Kurz entschlossen griff sie nach zwei Dosen Erbsen und stellte sie auf die Arbeitsfläche. Aus dem Schrank unter dem Spülstein holte sie einen kleinen Eimer Kartoffeln hervor.

Das reicht bestimmt nicht, dachte sie. Aber es ist ein Anfang.

Sie stellte zwei weitere Töpfe auf den Herd und öffnete ungeduldig die Konserven. Rasch setzte sie die Erbsen auf.

Auf der dritten Herdplatte kochte sie die Kartoffeln, die sie nach einem kurzen Moment des Zweifelns ungeschält in den Kochtopf warf. Dann gab es eben Pellkartoffeln.

Das Klingen des Telefons ließ sie erschrocken zusammenfahren. Unwillig schlurfte sie zum Apparat und hob ab.

»Karina Ogler.«

»Karina? Hier ist Wolfgang.«

»Wolfgang?« Langsam dämmerte es ihr. »Was gibt's?«

»Ich muss dich wegen der Prüfung nächste Woche sprechen.«

»Tut mir leid, ich hab jetzt keine Zeit.«

Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang verärgert. »Es ist dringend! Bitte!«

»Ich hab was auf dem Herd«, meinte Karina gleichgültig, »mir brennt alles an, wenn ich jetzt nicht Schluss mache. Soll ich dich irgendwann zurückrufen? Heute Abend vielleicht?«

»Karina! Es ist wirklich wichtig. Ich habe ...«

»Wolfgang, ich hab wirklich keine Zeit. Bis später.«

»Kannst du das Essen nicht warten lassen? Das läuft dir doch nicht weg. Ich habe ...«

Sie legte auf und kehrte in die Küche zurück.

Zufrieden stellte sie fest, dass die Spaghetti fertig waren. Eilig goss sie das Wasser ab, setzte sich an den Tisch und aß die Nudeln direkt aus dem Topf. Das tat gut!

Nachdem sie fertig war, fühlte sie sich gleich etwas besser. Doch ihre Hoffnung, der in ihren Eingeweiden wühlende Hunger werde endlich nachlassen, erwies sich als trügerisch. Unruhig wanderte sie im Zimmer hin und her und starrte auf den Topf voller Erbsen. Sie verschlang sie zusammen mit den halb garen Kartoffeln, und ihre Speiseröhre schmerzte, ohne dass der Hunger in ihren Eingeweiden nachgelassen hatte.

Unermüdlich lief sie in der Küche auf und ab, öffnete schließlich abermals ihre Vorratsschränke und holte alles, was sie an Konserven und Fertiggerichten zusammenbringen konnte, heraus. Gemüse, Eintöpfe, Soßen, Kartoffeln, Fleisch? Sie konnte sich kaum entscheiden, was sie zuerst essen sollte.

Zuletzt leerte sie den Brotkorb.

Ich platze!, dachte sie erschüttert. Aber der Hunger wühlte weiter in ihrem Unterleib.

Nachdem sie auch die gekochten Kartoffeln verspeist hatte, fühlte sie, dass ihre Bauchdecke zu spannen begann. Wie im Traum öffnete sie weitere Konservendosen und schaufelte sich das Gemüse in den Mund.

Ihr Magen begann zu schmerzen.

Mehr!, dachte sie benommen.

In der folgenden halben Stunde aß sie den Salatkopf, das frische Obst und Gemüse vom Markt, darunter die rohen Blumenkohl- und Brokkoliköpfe und vier Apfelsinen, die sie mitsamt der Schale verspeiste, und eine Papiertüte voller Tomaten.