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Dorian schaute Hugo Nowottny genau auf die Finger, während dieser die Hände zu einigen raschen Bewegungen hob. Aber weder in den Zeichen, die er in die Luft malte, noch in den zugehörigen, betont langsam ausgesprochenen Zauberformeln vermochte er irgendeine Struktur zu erkennen. Es war unmöglich, sich die komplizierten Sätze zu merken. Der Erfolg ließ allerdings nicht lange auf sich warten. Die Eisscholle, die Dorian bisher für einen massiven Teil des Gletscherstroms gehalten hatte, bröckelte in der Mitte auseinander und öffnete sich zu einem kreisrunden Loch, das den Eingang in einen dunklen Gang markierte. Das Ende der Röhre verschwand in undurchdringlicher Finsternis. Nowottny blickte Dorian und Burgdörfler auffordernd an ...
Mit zwei zweifelhaften Verbündeten heftet sich Dorian Hunter auf die Fersen von Leopold Nevermann, den ein magisches Band mit der mächtigen Vampirin Rebecca verbindet. Wird der Dämonenkiller den Hexer in seinem Versteck unter dem Eis der Schweizer Alpen aufstöbern können?
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Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Was bisher geschah
UNTER DEM EIS
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.
Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.
In seinem Kampf findet Dorian mächtige Verbündete – die Freimaurerloge der Magischen Bruderschaft; den Hermaphroditen Phillip, der stets in fremden Sphären zu leben scheint; den Steinzeitmenschen Unga, der einst dem legendären Weißmagier Hermes Trismegistos diente; den früheren Secret-Service-Agenten Donald Chapman, der von einem Dämon auf Puppengröße geschrumpft wurde; vor allem aber die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat und ihm einen Sohn, Martin, geboren hat. Aber die Dämonen bleiben nicht untätig: Es gelingt ihnen, mit dem Castillo Basajaun einen wichtigen Stützpunkt der Magischen Bruderschaft in Andorra zu zerstören. Damit bleibt Dorian als Rückzugsort nur noch die Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road.
Bei Ausgrabungen in Israel wird ein geheimnisvoller Kokon entdeckt, dem der Angisus Nathaniel – ein »Engel« – entsteigt. Dieses mächtige Wesen ist schockiert über den Zustand auf der Erde. Nathaniel plant den Untergang der Dämonen und Menschen, um der Welt einen kompletten Neubeginn zu ermöglichen. Doch ohne seine Waffe, den Diz, ist dies nicht möglich. Der Erzdämon Luguri, der derzeitige Fürst der Finsternis, hat sich den Diz dank einer abtrünnigen Artgenossin Nathaniels aneignen können und zerstört ihn. Nathaniel entführt den Hermaphroditen Phillip aus der Jugendstilvilla und ist verschwunden.
In Wien bereitet die Vampirin Rebecca, eine Jugendfreundin Cocos und dank des Erbes des Baphomet mit überragenden magischen Fähigkeiten ausgestattet, den Sturz Luguris vor. Ihre Schwachstelle ist das magische Band, das ihr Leben mit dem Hexer Leopold Nevermann verknüpft. Dorian Hunter verbündet sich mit dem mächtigen Wiener Dämon Hugo Nowottny, um Nevermann in den Schweizer Alpen aufzuspüren. Rebecca stellt Luguri inzwischen ein Ultimatum: Sie gibt ihm drei Tage Zeit, um den Schwarzen Thron für sie zu räumen ...
UNTER DEM EIS
von Dario Vandis
Die Szene war gespenstisch und gleichzeitig so banal, dass Marten Randi vom bloßen Gegensatz schier erdrückt wurde, während Bettina erneut ausholte und mit der Untertasse nach ihm warf.
Teures Porzellan.
Markenware!, dachte er und duckte sich rasch zur Seite weg. Selbst der Automatismus dieser Bewegung wirkte merkwürdig bizarr.
Muss es denn jedes Mal so enden?, fragte er sich, während er sich wieder aufrichtete und gerade noch Zeit fand, dem nächsten Geschoss auszuweichen.
»Ich hasse dich!«, schrie Bettina aus voller Kehle. »Verschwinde aus meiner Wohnung und lass dich hier nie wieder blicken, du Scheusal! Von mir aus kannst du bleiben, wo der Pfeffer wächst!«
Er beschloss, der eigenartigen Szene ein Ende zu machen. Was bildete diese verrückte Gans sich eigentlich ein? Schön, sollte sie nur mit seinen Allüren unzufrieden sein. Es war nicht Sache einer jeden Frau, ihren Mann höchstens einmal in der Woche zu Gesicht zu bekommen und die wenigen gemeinsamen Stunden dann hauptsächlich im Bett zu verbringen. Natürlich, weil er es so wollte.
Sie war nicht die Erste, die dieses Spiel nur begrenzte Zeit mitzumachen bereit war, und selbst ihr Hang zur Selbstzerstörung, der sie nun den gesamten Satz ihres Lieblingsgeschirrs auf ihn schleudern ließ, konnte ihn nicht wirklich schrecken. In einem entscheidenden Augenblick, als sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Küchenschrank zuwandte, um sich mit neuer Munition zu versorgen, schob er den Stuhl zurück und glitt wie ein geölter Blitz auf sie zu. Sie sah die Faust heranfliegen, fand aber keine Zeit mehr zu reagieren. Es klatschte dumpf, als ihr Schädel zurückflog und sie mit einem tiefen Seufzer benommen zu Boden glitt. Blut sickerte aus einer Platzwunde an ihrer Schläfe.
»Nicht dass du Schlampe glaubst, ich lasse alles mit mir machen!«, brummte er.
Dann warf er sich den zierlichen Körper über die Schulter und trug ihn ins Schlafzimmer, wo er ihn zärtlich auf das straff gespannte Bettlaken gleiten ließ. Bettinas Gliedmaßen zuckten ein wenig, und sie schien Schwierigkeiten zu haben, die Kontrolle über ihre Bewegungen zurückzuerlangen, aber das würde sich innerhalb der nächsten Minuten geben.
Es hatte sich immer alles innerhalb der nächsten Minuten gegeben.
Er ging ins Badezimmer und feuchtete einen Waschlappen an, den er ihr auf die blutende Wunde legte. Doch für das kostbare Laken kam jede Hilfe zu spät. Bettina würde es einweichen müssen, sobald sie wieder halbwegs bei Sinnen war.
Sie atmete heftig durch den offenen Mund und legte sich schließlich auf die Seite. Normalerweise hätte Marten es ihr nicht gestattet, sich einfach von ihm abzuwenden, aber diesmal ließ er ihr Zeit, sich zu erholen. Vielleicht hatte er tatsächlich ein bisschen zu viel Kraft in den Schlag gelegt.
Aber sie hatte ihn wirklich auf die Palme gebracht, und das Scherbenchaos in der Küche musste schließlich auch irgendjemand bezahlen. Er finanzierte Bettina so ziemlich jeden Atemzug ihres jungen, nichtsnutzigen Lebens.
Entsprechend absurd war natürlich ihre Forderung, er solle aus ihrer Wohnung verschwinden. Fast hätte bei diesen Worten laut aufgelacht, gehörten ihr doch noch nicht einmal die Kleider, die sie am Leibe trug. Sie würde schon noch bettelnd zu ihm zurückkehren, damit sie nicht einfach nackt auf der Straße landete. Und im Grunde genommen war Marten auch bereit, ihre kleinen Aussetzer zu verzeihen. Sie war immer noch eine Abwechslung im Bett, und es würde seine Zeit dauern, bis sie ihn zu langweilen begann. Er brauchte dieses Ventil nach einer harten, arbeitsreichen Woche.
Erschrocken drehte er sich um. Das Handy klingelte mal wieder im unpassendsten Augenblick. Er zog es aus der Manteltasche und stellte die Verbindung her.
»Marten Randi?«, erklang eine wohltönende Bassstimme am anderen Ende.
»Am Apparat.« Er ließ sich auf dem Bett nieder und warf Bettina einen besorgten Blick zu. Sie regte sich tatsächlich noch immer nicht. Da war doch hoffentlich nichts Schlimmeres passiert?
»Was gibt's?«, fragte er und verscheuchte die düsteren Gedanken.
»Einen Auftrag, was sonst?«, spöttelte der Anrufer. »Wir sind jemandem einen Gefallen schuldig.«
Marten nickte. Er wusste bis heute nicht genau, wer Wir war, aber solange das Geld pünktlich auf seinem Konto landete, hütete er sich, genauer nachzufragen. »Wann soll es losgehen?«
»Vorgestern.«
»Ich verstehe«, brummte er missmutig. Er würde also nicht einmal mehr Zeit haben, sich noch etwas mit seiner Geliebten zu vergnügen.
»Ich bin schon unterwegs«, antwortete er und legte auf. Der Treffpunkt, an dem ihn der andere erwartete, wechselte von Zeit zu Zeit nach einem gewissen Plan. Es gab Dinge, die man nicht unbedingt am Telefon besprechen musste.
Er tupfte Bettina vorsichtig das restliche Blut von der Stirn und bemerkte zufrieden, dass die Wunde bereits zu verschorfen begann. Eine Beule würde sie sicherlich davontragen, aber das hielt sie vielleicht die nächsten Tage davon ab, weitere Dummheiten zu begehen.
Er sah, wie ihre Augenlider flatterten und sie langsam den Kopf wandte.
»Wie lange bleibst du fort?«, flüsterte sie.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte er und küsste sie auf die Stirn. Er wusste es nie. Warum musste sie nur immer so dumme Fragen stellen?
»Ich werde mich beeilen«, versprach er und stand auf. »Brauchst du noch irgendetwas? Soll ich dir ein Glas Wasser holen?«
Sie nickte, und er verschwand in der Küche. Die Scherben knirschten unter seinen schweren Schritten, als er sich auf den Küchenschrank zubewegte. Nachdem er die Türen geöffnet hatte, blieb er überrascht stehen. Die Regalflächen waren halb leer. Diesmal war wirklich eine Menge zu Bruch gegangen.
Er brachte Bettina das Glas Wasser, und sie warf ihm einen dankbaren Blick zu. Ihre Kehle schien zu ausgetrocknet zum Sprechen. Vielleicht kam das vom Schock, Marten kannte sich da nicht so aus.
»Ich muss los«, sagte er schulterzuckend und streifte sich seine Jacke über. »Wie wäre es mit einem Essen heute Abend irgendwo in der Stadt? Nur wir beide? Vorausgesetzt natürlich, dass ich bis dahin wieder hier bin.«
»Ja«, krächzte sie, nachdem sie ausgetrunken hatte, »vielleicht.«
Aus dem sehnsüchtigen Blick, den sie ihm zuwarf, schloss er, dass sie ihm bereits verziehen hatte.
Er wandte sich ab und verließ die Wohnung. Hinter ihm fiel die Tür wie ein Sargdeckel ins Schloss.
Nachdenklich sog er an einer Zigarette, während er sich mit dem Wagen durch die Berner Innenstadt quälte. Im Radio spielten sie mal wieder irgendwelche englischsprachige Firlefanzmusik. Nachdem er dreimal den Sender gewechselt hatte, drehte er entnervt aus. Seine Gedanken kreisten um den Auftrag, der auf ihn wartete.
Der Treffpunkt befand sich wie immer im Gewerbegebiet, was eine wenig präzise Angabe war, da Bern eigentlich gar kein richtiges Gewerbegebiet besaß. Die Großindustrie hatte sich im Zuge eines jahrzehntelangen, stetigen Wachstums an allen möglichen Stellen der Stadt niedergelassen. Diesmal würde ihn der Weg nach Süden führen. Über einen kurzen Abschnitt auf der Nationalstraße 4 gelangte er auf einen abgelegenen Asphaltweg, an dem sich zu beiden Seiten mehrere Lagergebäude aufreihten. Der Teufel wusste, ob diese Hallen wirklich die vorbestimmten Güter beherbergten oder irgendwelche Schmuggelware darin aufgestapelt wurde. Marten hatte nicht vor, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Vor dem letzten Gebäude hielt er an und schaltete den Motor aus. Es war niemand zu sehen, aber das hatte erfahrungsgemäß nicht viel zu bedeuten.
Er stieg aus und begab sich auf den Vorplatz der Lagerhalle. In diesem Augenblick öffnete sich an der rechten Flanke des Gebäudes eine kleine Nebentür, in der ein hochgewachsener, schlanker Mann in einem dunkelblauen Jeansanzug erschien. Mit einer knappen Geste winkte er Marten zu sich heran.
»Eine relativ ungefährliche Sache, wie es aussieht«, kam der Fremde übergangslos zur Sache. »Es gibt da einen Mann in Prag, dem wir wie gesagt einen Gefallen schuldig sind. Er hat uns angerufen und gebeten, ihm einen kleinen Dienst zu erweisen. Kostenlos, versteht sich.«
Nein, dachte Marten, das verstand sich überhaupt nicht. In seinem Gewerbe wurden Dienstleistungen bezahlt wie in jedem anderen auch. Vielleicht nicht immer mit barer Münze, aber ein jeder achtete darauf, seine Rechnungen zu begleichen. Es musste sich bei dem Tschechen um einen recht einflussreichen Menschen handeln, wenn er sogar Martens Chef um einen Freundschaftsdienst bitten konnte.
»Eine krumme Geschichte?«, erkundigte er sich. Nicht dass es ihn besonders gestört hätte.
Der andere zuckte die Schultern. »Soweit ich weiß nicht, aber das wirst du notfalls vor Ort erfahren. Zuerst fährst du zum zweiten Treffpunkt und holst dort den Helikopter ab. Die Leute wissen Bescheid, und auch der Flug ist bereits genehmigt, alles kein Problem. Unter dem Pilotensitz findest du eine Wegbeschreibung. Du fliegst an den vorbestimmten Ort ...«
»... lädst die Ware ein und kehrst schnurstracks zum Treffpunkt zurück.« Marten lächelte. »Sonst noch etwas?«
»Allerdings«, erwiderte der andere, »es gibt nämlich keine Ware. Und der Job wird auch etwas länger dauern als üblich. Dafür ist er aber um einiges ungefährlicher. Am Zielort wirst du keine Kisten einladen, sondern ein paar Personen. Deren Anweisungen hast du unbedingt Folge zu leisten. Und wenn alles glattgeht, bist du spätestens übermorgen Abend wieder hier.«
Marten kniff die Augen zusammen. »Was für Leute sind das, die ich da aufgabeln soll?« Personentransporte behagten ihm überhaupt nicht. Er erledigte seine Arbeit lieber im Stillen und unbeaufsichtigt.
»Wirst du schon sehen. Ich glaube, der Typ aus Prag ist selbst dabei. Aber frag mich nicht nach irgendwelchen Einzelheiten.«
Sie verabschiedeten sich kurz, und Marten lief zurück zum Auto. Die Strecke zum Hubschrauber schaffte er in wenigen Minuten. Dass er den Helikopter benutzen sollte, war nicht ungewöhnlich. Er war einer der wenigen Leute in der Mannschaft, die eine Flugerlaubnis besaßen, und dementsprechend oft war sein Einsatz erwünscht. Auch am zweiten Treffpunkt wurde er bereits erwartet. Die meisten der Anwesenden kannte er von früheren Touren. Und die anderen ... Wer kümmerte sich schon um Leute, die einen nichts angingen?
Er setzte sich in den Hubschrauber und schaute sich die Wegbeschreibung an. Für die kurze Strecke allein wurde bestimmt kein Helikopter benötigt. Er war gespannt, wer ihn am Zielort erwartete, und vor allem wohin die Reise ihn danach noch führen würde.
Mit ein paar routinierten Handgriffen setzte er die Rotoren in Gang, und wenige Minuten später verließ die Maschine den Platz und schraubte sich dem Himmel entgegen.
»Ein Helikopter!«, stöhnte Dorian und musste fast schreien, um unter dem lautstarken Flappen der Rotoren Gehör zu finden.
»Wie zum Teufel hast du dir das vorgestellt?«, fuhr er das Oberhaupt der Nowottny-Sippe an. »Sobald wir auch nur in die Nähe von Nevermanns Unterschlupf gelangen, wird der Hexer gewarnt sein. Vielleicht sollten wir uns gleich noch telefonisch anmelden ...«
Hugo Nowottny ignorierte den Einwand des Dämonenkillers und schaute zu, wie der Hubschrauber sich auf den Vorplatz des abbruchreifen Hauses herabsenkte. Als die Maschine aufgesetzt hatte, winkte er den anderen, ihm zu folgen, und schritt auf den Helikopter zu. Dorian schloss seine Jacke und zog unwillkürlich den Kopf ein, während er unter den Rotoren hindurchschritt. Seine Trommelfelle schienen zu vibrieren, und der Luftwirbel zerzauste ihm die Haare.
Die Einstiegsluke öffnete sich, und das Gaunergesicht eines bulligen, etwa mittelgroßen Mannes Ende vierzig kam darin zum Vorschein. Er war Dorian auf Anhieb unsympathisch, obgleich er an ihm auch mithilfe des Kommandostabes keine dämonische Aura feststellen konnte. Hugo Nowottny begrüßte den Piloten und ließ gleichzeitig Dorian den Vortritt. Dann hob er den verkrüppelten Burgdörfler hinauf und folgte schließlich selbst. Heinz, Andreas und Mareike gebot er dazubleiben. Die drei zogen sich widerspruchslos bis zum Eingang des verfallenen Gebäudes zurück. Hugo schloss die Luke und bedeutete dem Piloten zu starten. Er nannte ihm das grobe Ziel.
Marten Randi stellte keine überflüssigen Fragen, sondern nickte und zog die Maschine hoch.
Der Flug versprach eine knappe Stunde gepflegter Langeweile zu werden, obwohl es zumindest mit Johannes Burgdörfler noch eine Menge zu besprechen gegeben hätte. Gedankenverloren starrte Dorian aus dem Fenster. Dieser Randi mochte ihm überhaupt nicht gefallen, und es schien ihm unzweideutig, aus welchem Milieu der grobschlächtige Pilot zu stammen schien. Viele Dämonen besaßen aufgrund ihrer Natur einen guten Draht zu kriminellen menschlichen Kreisen, und Hugo Nowottny machte da keine Ausnahme. Im Grunde aber war es Dorian egal. Für ihn zählte nur, dass sie so schnell wie möglich die Alpenregion erreichten.
Nach einer knappen Viertelstunde tauchte der Thuner See unter ihnen auf, der sich über eine Länge von fast zwanzig Kilometern in südöstlicher Richtung dahinzog. Zwar befanden sie sich bereits mitten in den Berner Alpen, aber die schneeweißen Gipfel der Viertausender ließen noch auf sich warten. Hinter dem Thuner See endlich tauchten die ersten der Ehrfurcht gebietenden Bergriesen auf.
Dorian fragte sich, wie Nowottny sich in dieser zerklüfteten Landschaft orientieren wollte. Für den Dämonenkiller sah ein Gipfel wie der andere aus.
In diesem Augenblick wandte sich Marten Randi um. »Entschuldigen Sie, aber ich benötige demnächst eine genauere Zielbeschreibung. Wir fliegen im Moment direkt auf den Finsteraarhorn zu.«
Hugo nickte und gab Burgdörfler, der sich vorausschauend neben dem Piloten niedergelassen hatte, ein Zeichen. Der Freak nickte und beschrieb dem Piloten mit wortreichen Gesten den weiteren Weg.
Marten hörte sich die Beschreibung des Verkrüppelten an und schüttelte innerlich den Kopf, als der das Grünhorn als Ziel nannte. Wo zum Teufel sollte er da landen? Und was hatten diese Leute in einer solch einsamen Gegend überhaupt verloren? Aber er hütete sich vorerst, irgendeinen Einwand vorzubringen.
Der See war längst hinter ihnen zurückgeblieben. Vereinzelt zeigten sich jetzt noch einige Grüntäler, aber die Gletscher des Finsteraarhorngebirges kamen immer näher.
Burgdörfler drehte sich um.
»Wir sind gleich da«, meinte er.
Dorian war gespannt auf den Plan, den der Dämon ausgeheckt hatte. Die Gegend sah reichlich unwirtlich aus, und die niedrigen Temperaturen machten es unmöglich, sich ohne entsprechende Kleidung im Freien zu bewegen. Aber vielleicht war Hugo Nowottny stark genug, sie mit seiner Magie zu schützen. Und sollte der Dämon einen Hinterhalt planen, indem er Dorian einfach ungeschützt in der Eiseskälte der Gletscher zurückließ, würde der Dämonenkiller immer noch Zeit finden, seinen Kommandostab einzusetzen und Nowottny den Garaus zu machen. Hoffte er.
Seine Hand schloss sich um die Waffe wie um einen Rettungsanker.
»Das ist die Jungfrau, einer der höchsten Gipfel der Alpen«, ließ sich Johannes Burgdörfler vernehmen und deute auf eine Spitze direkt zu ihrer Rechten. »Sie wird als Top of Europe bezeichnet, aber der Finsteraarhorn dort vorn überragt sie noch um gute hundert Meter.«
Dorian machte sich nichts aus der Erbsenzählerei der Geografen. Ein paar Meter Unterschied hin oder her, das Gebirge unter ihnen sah wahrhaft beeindruckend aus.
Sie überflogen die Gletschermassen des Jungfraufirns und näherten sich dem Konkordiaplatz. In südlicher Richtung floss der große Aletschgletscher ins Tal, der größte Gletscherstrom Europas, der auf dem Konkordiaplatz von drei verschiedenen Eisflüssen gespeist wird. Der Anblick der dahinfließenden Gletscher war erhebend und faszinierend zugleich, doch Dorian war nicht hier, um die Naturwunder der Gegend zu bestaunen.
Sie ließen den Konkordiaplatz rechts liegen, und Burgdörfler befahl dem Piloten kurz vor dem Gipfel des Grünhorn zu stoppen. Am Konkordiaplatz selbst befand sich eine Touristenaussicht, und so war Hugo Nowottny gezwungen, einen Teil seiner Kräfte für einen Illusionszauber aufzuwenden, der den Hubschrauber vor den Blicken der Menschen verbarg.
Neugierig verfolgte Marten Randi im Augenwinkel, wie der Dämon eine seltsame Geste ausführte und gleichzeitig den Mund zu einem Zauberspruch öffnete. Diese drei Typen mussten einen kompletten Schuss weghaben. Er sehnte sich bereits nach der Sekunde, in der sie seinen Hubschrauber verließen.
»Was ist?«, fragte Dorian barsch, als der Helikopter über dem Gletscher verharrte. »Haben wir unser Ziel erreicht?«
Burgdörfler nickte.
»Wir werden hier landen«, erwiderte er. »Die Höhle Nevermanns befindet sich unter dem Gletscher.«
Jetzt da es heraus war, schüttelte Dorian ungläubig den Kopf. Aber er hütete sich, Burgdörflers Erklärung als lächerlich abzutun.
Marten Randi allerdings, sonst immer darauf bedacht, seinen Auftraggebern keine Scherereien zu bereiten, fühlte sich diesmal berufen, den Freak zu belehren.
»Sie wollen unter den Gletscher gelangen? Ich habe mich wohl verhört! Wissen Sie, worum es sich bei diesem weißen Zeug handelt?«, fragte er.
Der Freak nickte. »Natürlich. Das ist achthundert Meter tiefes, pures Eis«, erwiderte er gelassen.
»Ich wusste nicht, dass ich es mit drei Verrückten zu tun bekomme. Es wäre nett, wenn Sie mir jetzt den wirklichen Zielort verraten würden.«
Hugo Nowottny fand, dass es nun Zeit wurde, den Piloten zu hypnotisieren. Unter dem Zwang des fremden Willens gab Marten Randi seinen Widerstand auf und senkte die Maschine lammfromm auf das unwirtliche Gelände herab.
Auf das Ewigschneefeld.
Das Versteck Leopold Nevermanns.
»Das ist fließendes Eis, wenn ihr versteht, was ich meine«, meldete sich Dorian brummend, während der Helikopter immer weiter absackte. »Die Oberfläche dürfte nicht sehr stabil sein. Ich hoffe, ihr wisst, was ihr tut.«