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Tod und Verderben hingen wie eine unsichtbare Bedrohung über den beiden Städten. Eine geheimnisvolle Ausstrahlung, die vom Ende allen Seins kündete, war in die Straßen und Häuser eingekehrt. Ich konnte die Spannung förmlich spüren. Etwas Gewaltiges, Endgültiges würde geschehen, etwas, dem sich auch die Bewohner der beiden Städte hier nicht verschließen konnten - und dennoch taten sie es. Als ich ein letztes Mal durch die Straßen der dem Untergang geweihten Siedlungen schlenderte, begegneten mir die Menschen mit einer Sorglosigkeit, die mich geradezu erschreckte und irgendwie ... abstieß. Vielleicht hatten sie alle es wirklich verdient, nicht länger am Leben zu bleiben, niemand von ihnen. Auf der anderen Seite aber fragte ich mich häufiger denn je, ob die Ursache ihrer Schuld nicht einzig und allein in der Präsenz des Bösen zu suchen war. Es war ein offenes Geheimnis, dass sich finstere Kreaturen mitten unter den Bewohnern befanden.
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Was bisher geschah
SPUREN DER VERGANGENHEIT
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.
Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.
Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin hat Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort versteckt, den sie selbst vor Dorian geheimhält.
Auf der Suche nach dem Erbe des Hermes Trismegistos findet Dorian den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon gedient hat und sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst. Die Invasion der Janusköpfe von der Parallelwelt Malkuth wird mit Dorians Hilfe abgewehrt. Hermes Trismegistos wird klar, dass er für das Entstehen der Psychos auf Malkuth verantwortlich ist. Um zu büßen, geht er durch eins der letzten Tore nach Malkuth.
Die Vampirin Rebecca, eine Jugendfreundin Cocos, greift nach der Macht in der Schwarzen Familie und fordert den Erzdämon Luguri, den derzeitigen Fürsten der Finsternis, heraus. Durch unvorhersehbare Umstände wird Coco in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges verschlagen und lernt Matthias Troger, die sechste Inkarnation des Dämonenkillers, kennen. Aber auch die Dämonen, ihr Fürst Asmodi I. und seine Apokalyptischen Reiter sind in dieser Zeit aktiv. Trogers Gemahlin, die Weiße Hexe Geneviève, opfert sich, um das Schloss Mummelsee vor den Dämonen zu bewahren. Coco verletzt Asmodi schwer.
Am Bodensee gerät Coco in eine Falle des Ottavio Arras – wie sich Olivaro in der Vergangenheit nennt. Sie altert rapide. Matthias, der Arras besiegt, kann nichts dagegen tun. Der rätselhafte Manannan mac Lir schleudert Coco in einen Zeitschacht – den sie in der Gegenwart so jung wie zu Beginn ihrer Zeitreise verlässt. Hier wird sie von Dorian erwartet und erfährt von Luguris Schlag: der Zerstörung des Castillos Basajaun.
SPUREN DER VERGANGENHEIT
von Dario Vandis und Martin Kay
Vergangenheit, irgendwann vorChristi Geburt – ein Beobachter
Tod und Verderben hingen wie eine unsichtbare Bedrohung über den beiden Städten. Eine geheimnisvolle Ausstrahlung, die vom Ende allen Seins kündete, war in die Straßen und Häuser eingekehrt.
Ich konnte die Spannung förmlich spüren. Etwas Gewaltiges, Endgültiges würde geschehen, etwas, dem sich auch die Bewohner der beiden Städte hier nicht verschließen konnten – und dennoch taten sie es. Als ich ein letztes Mal durch die Straßen der dem Untergang geweihten Siedlungen schlenderte, begegneten mir die Menschen mit einer Sorglosigkeit, die mich geradezu erschreckte und irgendwie ... abstieß. Vielleicht hatten sie alle es wirklich verdient, nicht länger am Leben zu bleiben, niemand von ihnen. Auf der anderen Seite aber fragte ich mich häufiger denn je, ob die Ursache ihrer Schuld nicht einzig und allein in der Präsenz des Bösen zu suchen war. Es war ein offenes Geheimnis, dass sich finstere Kreaturen mitten unter den Bewohnern befanden.
Vom Satan gesandte dämonische Kräfte, die die dunklen Sehnsüchte der Menschen, die sie im letzten Winkel ihres Unterbewusstseins vergraben hatten, weckten. Diese finsteren Geschöpfe, zu dieser Zeit die Schwarzen genannt, weilten mitten unter uns, gaben sich zusammen mit den Bewohnern unverblümt dem lasterhaften Treiben hin.
Mord und Totschlag waren ebenso an der Tagesordnung wie Hurerei und Massenorgien, in denen schändliche Triebe ausgelebt wurden. Das Leben bestand nur noch aus ausschweifenden Festen und Tagträumen. Niemand kümmerte sich mehr um die Arbeit, keinen scherte, was das Leben bisher ausgemacht hatte. Alle gaben sich den Verlockungen und Versprechungen der Schwarzen hin, die ihnen scheinbar paradiesische Zustände vorgaukelten, welche letzten Endes doch nur Vorboten einer Hölle waren. Wahrlich, dieser Sündenpfuhl hatte jegliches Recht auf Existenz verloren. Die Bewohner hatten sich vom rechten Weg abgekehrt und buhlten mit dem Satan, frönten der körperlichen Lust, der Gewalt und der Macht, die ihnen von den Ausgeburten des Bösen versprochen wurden.
Die Menschen waren gewarnt worden, mehr als einmal. Aber selbst die Erwähnung von Gottes Namen und seinem furchtbaren Zorn konnte sie nicht mehr schrecken. Sie hatten vor seinen Priestern ausgespien, seine Boten verleumdet und fortgejagt. Die Bewohner wähnten sich in Sicherheit unter dem Schutz der Schwarzen.
Mit gesenktem Kopf und auf dem Rücken verschränkten Armen schritt ich die große Hauptstraße ab, die beide Städte miteinander verband. Es war früher Abend, und die Sonne war noch nicht ganz hinter dem Horizont versunken. Ich genoss den letzten Glanz, den ihre Strahlen auf diese Stätte der Sünde und Verderbtheit warfen, badete mich in dem natürlichen Licht, das bald der Finsternis weichen sollte. Ich war betrübt und besorgt. All die Leute hier ... wie hatte es dazu kommen können? Warum wandten sie sich vom Guten ab und erlagen ihren ureigensten, dunklen Trieben?
Aus einem der Hausschatten trat eine hochgewachsene Gestalt an mich heran. Ich erkannte diese schöne, anmutige Frau sofort und nickte ihr zu. Ihr langes, schwarzes Haar fiel lockig auf ihre Schultern und umrahmte ihr hübsches Gesicht. Ihr Anblick stand im krassen Gegensatz zu den düsteren Vorahnungen, die meine Gedanken beschäftigten. War das Leben hier tatsächlich nichts mehr wert?
»Da bist du«, sprach sie mich an.
»Ich wollte es noch einmal mit eigenen Augen sehen, bevor es vergeht«, teilte ich ihr mit leiser Stimme mit.
Auch ihr Blick war verbittert, und ich meinte, einen feuchten Glanz in ihren Augen zu erkennen. Sie weinte um die Menschen, genau wie ich es getan hätte – aber ich konnte nicht. Meine Tränen waren versiegt.
»Es ist bald so weit«, sagte sie.
Ich presste die Lippen aufeinander. Mein Atem sog ein allerletztes Mal die früher so reine Luft ein, die jetzt einen feinen Geruch von Pech und Schwefel enthielt. Pech und Schwefel, ging es mir durch die Gedanken. Genau so wird es enden!
Ich folgte meiner Begleiterin die Straße entlang bis zu ihrem Ende. Von dort nahmen wir eine Abbiegung und verließen die Städte, um in sicherer Entfernung den Untergang zu erleben.
»Sind sie fort?«, fragte ich auf halbem Wege.
Die Frau an meiner Seite nickte. »Ja, sie haben die Stadt am frühen Nachmittag verlassen und werden in Sicherheit sein.«
»Trotzdem mache ich mir Sorgen, um all jene hier«, erwiderte ich.
Ich spürte ihre Hand auf meiner Schulter. Sie versuchte, mich zu trösten, doch das vermochte niemand mehr. Wir erreichten den nahe gelegenen Hügel. Von hier aus hatten wir einen weiten Überblick über den gesamten Ort mit seinen beiden Städten. Leichter Wind brauste auf und zerrte an unserer Kleidung.
»Es beginnt«, verkündete meine Gefährtin.
Das war eine fast schon lächerliche Umschreibung dessen, was in diesem Augenblick geschah. Vielleicht sind meine Erinnerungen an das Ereignis nicht mehr die frischesten, aber das glosende Feuer, das vom Himmel fiel, hatte sich für alle Zeiten in mein Bewusstsein gebrannt. Obwohl ich sie nicht wirklich hören konnte, glaubte ich, die Schreie der Bewohner zu vernehmen, als sie die Wahrheit erkennen mussten, in dem Augenblick, als alles zu spät war.
Eine grelle Flammensäule gleißte über den Himmel und fraß sich bis zum Boden herab, kam über die Leute und brachte den Tod mit. Das tosende Inferno löschte alles binnen eines Lidschlags aus – und dennoch reichte die Zeit, um jedem Menschen die Missetaten, die er begangen hatte, vor Augen zu führen. So abrupt, so plötzlich hier auch alles endete, es war nur für den Außenstehenden in einem Sekundenbruchteil vorüber. All jene, die betroffen waren, die in den Städten zurückblieben und den Schwarzen huldigten, wurde die Zeit zur Erkenntnis gegeben. Das gemeinsame Erwachen aus dem dunklen Paradies sorgte dafür, dass ihre Gedanken in die Welt hinausgeschrien wurden. Ich spürte ihre Pein am eigenen Leibe, hörte die unmenschlichen Schreie der Sterbenden und Büßenden, erkannte ihr Flehen und die Gebete, die sie nun doch zum Himmel hinauf sandten.
Es war vergebens.
Die Entscheidung war endgültig, niemand würde sich ihr entziehen können – weder die Bewohner der zwei Städte, noch das Böse, das dort weilte und jetzt erfahren musste, dass es ebenfalls ausgelöscht werden konnte. Donner tobte wie die Stimme eines strafenden Gottes über den Ort der Sünde hinweg. Ihm folgte eine immense Druckwelle, die Gebäude wie Lebewesen gleichermaßen packte und in einem einzigen Augenblick in ihre Atome pulverisierte. Nichts und niemand mochte der Urgewalt der Vernichtung etwas entgegenzusetzen. Die Bilder von Leuten, denen ich während meines Aufenthalts in der Stadt begegnet war, tauchten vor meinem geistigen Auge auf. Ich sah ihre gequälten Gesichter, hörte ihre stummen Schreie um Gnade, ihre Versprechen zur Besserung. Die Erinnerungen marterten mich und ließen mich unachtsam werden.
»Obacht!«, schrie die Frau neben mir.
Genau in jenem Moment, als ein letzter, gewaltiger Blitz aus den Wolken jagte, um das Vernichtungswerk zu vollenden, schoss etwas Dunkles aus den Ruinen der Städte hervor. Ich gewahrte einen pfeilschnellen Schatten, der genau auf mich zuhielt. Die Warnung kam zu spät. Was immer es war, es hüllte mich ein und zog mich hinüber zu dem Ort der Vergeltung.
Plötzlich stand ich direkt in der Hölle. Die Zeit lief hier im Herzen der Vernichtung vollkommen anders ab als draußen, wo die Zerstörung nur wenige Sekundenbruchteile währte. Es herrschte das reinste Chaos. Menschen liefen in Panik wie wild durcheinander, schrien ihre Ängste und Schrecken in die Straßen hinaus. Nacheinander fielen die Häuser wie Papptürme in sich zusammen, Menschen standen plötzlich in Flammen, vergingen in kleinen Explosionen, wurden von Druckwellen zerfetzt, nur um eine Sekunde später fast unversehrt wieder aufzuerstehen. Meine Augen weiteten sich vor Unglauben. Nie hätte ich geahnt, welche Folter den Bewohnern noch auferlegt wurde. Es war nicht einfach vorbei. Sie mussten tausendfach für das büßen, was sie getan hatten.
»Warum?«, rief ich hinaus. Ich wollte fort. Der Anblick, der Schrecken, der sich vor meinen Augen und in meinem Innersten abspielte, war nicht länger zu ertragen. Aber es war mir versagt zu fliehen. Die dunkle Kraft, die mich hierher geschleudert hatte, hielt mich unerbittlich fest, wollte mich mit in den Untergang reißen, der ich doch beteiligt war an dem Schicksal der beiden Städte.
Trümmer von zerfetzten Häusern flogen umher und bohrten sich in den trockenen, lehmigen Boden. Schlacke und Asche prasselten wie Regen aus dem nunmehr pechschwarzen Himmel und schlossen die sandige Ebene rund um das Vernichtungswerk in einen dunklen, undurchdringlichen Mantel ein.
Ein Mann fiel vor mir auf die Knie. Seine Haut warf Blasen ob der unsagbaren Hitze. Er sah aus einem noch gesunden Auge zu mir auf, streckte mir die Hand entgegen und erflehte meine Hilfe. Ich konnte nichts für ihn tun. Nur einen Moment später ging sein geschundener Körper in Flammen auf, verbrannte innerhalb eines Lidschlags zu Asche – und dennoch hörte ich seinen qualvollen, nicht enden wollenden Schrei, der hundertfach verstärkt in mein Bewusstsein drang.
Aus den Augenwinkeln registrierte ich erneut den Schatten und fuhr herum. Da war er und verspottete mich im Angesicht des eigenen Untergangs. Es war einer der Schwarzen. Jener, der mich hierher gebracht hatte – es verschaffte ihm Genugtuung, mich leiden zu sehen, mich mit in den Tod zu reißen.
Noch einmal bäumte sich die urgewaltige, unsichtbare Kraft auf, um zu einem alles vernichtenden Schlag auszuholen. Blendendes Feuer fegte über die Städte hinweg und fraß alles Leben auf. Es war das Letzte, das ich von Sodom und Gomorrha erblickte, ehe mich ewige Nacht umfing ...
Industriestadt Sedom am südlichen Toten Meer,
Israel, Gegenwart
Das laute Hämmern des Rotors verursachte bei Joram Ulman bohrende Kopfschmerzen. Wieder einmal wurde er daran erinnert, wie ungern er eigentlich flog. Seiner Meinung nach gehörte der Mensch mit beiden Beinen auf den Boden und nicht in die Lüfte – die waren anderen Wesen vorbehalten.
Der Flug war nicht das einzige Ärgernis, mit dem Ulman kämpfte. Mitten in der Nacht hatte ihn das Schrillen seines Telefons aus dem wohlverdienten Schlaf gerissen. Normalerweise war es nicht seine Art, des Nachts Anrufe entgegenzunehmen, doch das hartnäckige Klingeln hatte ihm einfach den letzten Nerv geraubt. Er hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber keinesfalls mit einem Anruf von der Universität. Irgendjemand von der Regierung hatte ihn angefordert, und er war angehalten worden, sich auf dem schnellsten Wege nach Sedom zu begeben.
All sein Fluchen hatte nichts geholfen, zumal der Universitätsdirektor gedroht hatte, ihm die Forschungsmittel zu streichen, wenn er jetzt einfach auflegen sollte. Knurrend hatte Joram Ulman seinem Vorgesetzten bestätigt, sofort zum Flughafen aufzubrechen, wo bereits ein Helikopter auf ihn wartete. Sein Spezialgebiet war die frühgeschichtliche Metallurgie, also musste man irgendetwas Metallisches gefunden haben, das er nun analysieren und vermutlich historisch einordnen sollte. Wenn er Erfolg hatte, konnte ein hübsches Sümmchen für ihn dabei herausspringen.
Auf dem Weg zum Flughafen von Jerusalem loggte er sich über sein Notebook in den Universitätscomputer ein, um sich näher über die Sedom-Ausgrabungen zu informieren. Er war nicht überrascht zu erfahren, dass man dort immer noch auf der Suche nach archäologischen Funden der untergegangenen biblischen Städte Sodom und Gomorrha war. Laut der Datenbank der Hebräischen Universität von Jerusalem handelte es sich dabei um ein Gemeinschaftsprojekt verschiedener Nationen, die zusammen mit der israelischen Regierung arbeiteten und auch von ihr subventioniert wurden.
Joram Ulman hatte die wichtigsten Informationen überflogen und war kurz darauf mit dem Hubschrauber ins knapp einhundertundzwanzig Kilometer entfernte Sedom aufgebrochen. Nun blickte er aus dem Seitenfenster in die klare Wüstennacht hinaus. Unter ihm zogen die Lichter der Industriestadt dahin. Die Abwässer der riesigen Chemiewerke sorgten dafür, dass das Tote Meer weiterhin seinen Namen beibehielt. Ulman schüttelte sich angewidert und blickte nach vorn. Die Ausgrabungsstätte befand sich nur ein paar Kilometer hinter den Stadtgrenzen von Sedom, und wenn man ganz genau hinsah, konnte man schon die Beleuchtung ausmachen.
»Wir sind gleich da«, verkündete der Pilot. Nach der Begrüßung waren dies die einzigen Worte, die er bisher auf dem Flug gesprochen hatte, und Joram Ulman sah sich nicht genötigt, dem etwas hinzuzufügen.
Gebannt sah der Wissenschaftler nach vorn. Er fragte sich, warum man ihn den weiten Weg von Jerusalem bis hierher schickte. Sicherlich befand sich unter dem Sedom-Team auch ein Metallurg. Nachdenklich strich sich Ulman über den Spitzbart.
»Endstation!«, sagte der Pilot.
Ulman zuckte zusammen. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er die Landung des Helikopters nicht mitbekommen hatte. Der Pilot hatte die Maschine einige Hundert Meter von der eigentlichen Ausgrabungsstätte und den Zelten entfernt im Wüstensand aufgesetzt.
»Den Rest werden Sie wohl laufen müssen, Doktor!«
Mit verkniffenem Gesicht starrte der Archäologe den Piloten an, wusste aber, dass die Rotorblätter beim Landeanflug genug Staub aufwirbelten, um tagelange Freilegungsarbeiten wieder mit Unmengen an Sand zuzuschütten. Joram schnallte sich ab und stieg umständlich aus dem kleinen Hubschraubercockpit.
Aus den Schatten der Nacht löste sich eine einzelne Gestalt und kam auf den Wissenschaftler zugelaufen. Es handelte sich dabei um einen Soldaten der israelischen Armee mit den Abzeichen eines Feldwebels.
»Dr. Ulman?«, fragte der Mann und salutierte zackig.