Das Haus Zamis 30 - Dario Vandis - E-Book

Das Haus Zamis 30 E-Book

Dario Vandis

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Beschreibung

Hubert Ehrenreich fuhr aus dem Schlaf hoch. Er war sicher, den Schrei einer Frau vernommen zu haben. Aber jetzt war es wieder still.
Er schob den Vorhang zur Seite, aber die Sicht endete dort, wo sich ein von Baumwipfeln verborgener Weg bergan zum Waller schlängelte, auf dessen Gipfel sich das unheimliche Schloss befand.
Und dann sah er die Gestalt. Er hetzte aus dem Haus und blieb wie im Traum gefangen stehen.
Irene ...
Aber das war unmöglich, denn seine Frau Irene war seit Jahren tot!


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Seitenzahl: 137

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DAS BUCH DER TOTEN

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Epilog

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt. Die Zamis sind Teil der sogenannten Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben und nur im Schutz der Dunkelheit und ausschließlich, wenn sie unter sich sind, ihren finsteren Gelüsten frönen.

Der Hexer Michael Zamis wanderte einst aus Russland nach Wien ein. Die Ehe mit Thekla Zamis, einer Tochter des Teufels, ist standesgemäß, auch wenn es um Theklas magische Fähigkeiten eher schlecht bestellt ist. Umso talentierter gerieten die Kinder, allen voran der älteste Bruder Georg und – Coco, die außerhalb der Sippe allerdings eher als unscheinbares Nesthäkchen wahrgenommen wird. Zudem kann sie dem Treiben und den »Werten«, für die ihre Sippe steht, wenig abgewinnen und fühlt sich stattdessen zu den Menschen hingezogen.

Während ihrer Hexenausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels lernt Coco ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Als ihr schließlich zu einem vollwertigen Mitglied der Schwarzen Familie nur noch die Hexenweihe fehlt, meldet sich zum Sabbat auch Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, an und erhebt Anspruch auf die erste Nacht mit Coco. Als sie sich weigert, wird Rupert Schwinger in den »Hüter des Hauses« verwandelt, ein untotes Geschöpf mit einem von Würmern zerfressenen Gesicht, das fortan ohne Erinnerung an sein früheres Leben über Coco wachen soll.

Auf weitere Konsequenzen verzichtet Asmodi vorerst, als es Coco gelingt, einen seiner Herausforderer zu vernichten – durch die Beschwörung des uralten Magiers Merlin, der sich auf Cocos Seite stellt. Merlin aber ist seinerseits gefangen – im centro terrae, dem Mittelpunkt der Erde. Um ihn zu befreien, muss Coco sieben Siegel erbeuten, die sie vor dem Einfluss der Zentrumsdämonen schützen. Sie meistert diese Aufgabe – und verliert im Anschluss ihre Erinnerungen an die Reise ins centro terrae, wie Merlin es ihr prophezeit hat.

Zurück auf der Erdoberfläche, erfährt Coco, dass Asmodis Groll auf die Zamis nicht geschwunden ist. Asmodis Plan, die Zamis mit Hilfe des künstlichen Dämons Axinums zu vernichten, schlägt jedoch fehl. Stattdessen schließen Asmodi und Michael Zamis einen Burgfrieden, in dessen Folge Coco aus der Stadt verbannt wird. In Rio de Janeiro besucht sie einen mysteriösen schwarzen Jahrmarkt. Dessen Initiator, der Kinddämon Chico, gibt Coco einen Hinweis auf die TABULA TENEBRARUM, der Coco nach Europa zurückkehren lässt. Diese »Tafel der Finsternis«, auch als »Buch der Toten« bezeichnet, befindet sich nämlich im Besitz des Wiener Anwalts Skarabäus Toth, der damit die Armee der Toten heraufbeschwören kann ...

DAS BUCH DER TOTEN

von Dario Vandis

Wehdorf in Österreich, im September 1812

Hubert Ehrenreich fuhr aus dem Schlaf hoch. Er war sicher, den Schrei einer Frau vernommen zu haben. Aber jetzt war es wieder still.

Er quälte seinen über neunzig Jahre alten Körper aus dem Bett und schob den Vorhang zur Seite. Durch die schmutzige Fensterscheibe fiel Mondlicht in das kleine Zimmer, tastete über die karge Einrichtung, das Strohbett und den Holzfußboden.

Und dann hörte er das Schreien wieder.

Es kam ganz aus der Nähe.

Seine Blicke versuchten die Finsternis zu durchdringen, aber die Sicht endete dort, wo ein von Baumwipfeln verborgener Weg bergan zum Gipfel des Wallers schlängelte.

Schloss Waller ...

Jeder vernünftige Mann aus Wehdorf wusste, was dort heute Nacht geschah.

1. Kapitel

Huberts Atem stockte, als er eine Gestalt an der Wegmündung erblickte. Sie stand an einen Baum gelehnt, zierlich, blass und in ein weißes Kleid gehüllt. Eine Frau.

Hubert spürte, wie das Herz in seiner Brust sich zusammenkrampfte. Sein Puls begann zu fliegen. Dieses Gesicht, dieser Körper ... Es durfte nicht sein!

Er hetzte aus dem Haus, so schnell ihn seine alten Beine trugen. Als er auf der anderen Seite des Hauses anlangte, blieb er wie im Traum gefangen stehen.

Die Frau war immer noch da. Sein Anblick ließ alle Kraft aus Huberts Körper weichen.

Irene ...

Seine Knie begannen zu zittern. Eine Täuschung, nichts als eine Täuschung, versuchte er sich zu beruhigen.

Langsam näherte er sich der Gestalt. Ihre langen schwarzen Haare flatterten im Wind, ihr zierlicher Körper schimmerte durch das Kleid. Sie war barfuß, aber ihre Füße waren ebenso blass und sauber wie ihr Gesicht.

»Irene ...?«

Sie lächelte. Sie freute sich, dass er sie erkannte.

»Ich habe auf dich gewartet, Hubert – all die Jahre.«

Tränen schimmerten in seinen Augen. Er konnte es nicht fassen.

Zwei Meter vor ihr blieb er stehen. Die Mistgabel entrann seinen Händen, er sackte auf die Knie.

»Sei nicht traurig, Hubert, jetzt bin ich wieder bei dir.«

Das kann nicht sein, pochte es hinter seiner Stirn. Irene ist tot. Was du siehst, ist ein Gespenst ... Oder noch schlimmer – eine Hexe, die von Schloss Waller herabgestiegen war, um ihn zu holen!

»Komm zu mir, Hubert. Lass uns allen Schmerz vergessen.«

Er kroch auf sie zu. Seine lehmverschmierten Hände tasteten nach ihrem Kleid.

Er schrie auf, als seine Finger das seidige Gespinst durchstießen. Er spürte keinen Widerstand.

»Komm zu mir, Hubert«, sagte sie wieder, und in ihren Augen stand das Verlangen nach seinen starken Armen. »Halt mich, Hubert, wie du mich früher gehalten hast ...«

Er stürzte mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Er hoffte, einer Selbsttäuschung erlegen zu sein, hoffte, dass sie trotz allem wirklich war. Aber er spürte nur den borkigen Stamm der Fichte, über den seine rauen Hände schabten. Er rutschte ab und fiel mit dem Gesicht in die feuchte Lehmerde zu seinen Füßen.

»Halt mich fest, Hubert ... halt mich fest ...«

Irenes Rufe wurde immer schwächer.

Hubert lag auf der Seite, Arme und Beine an den Körper gezogen, und weinte.

So fand man ihn am nächsten Morgen.

2. Kapitel

Gegenwart

Kerstin Ahrens wischte eine schwarzgefärbte Haarsträhne aus der Stirn, die auf ihrer schweißnassen Haut klebte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und mümmelte sich in ihre Jacke ein. Fröstelnd sah sie zu, wie der Atem an der Windschutzscheibe kondensierte.

»Was für eine Schnapsidee«, sagte sie, »mitten in der Nacht einen Ausflug nach Schloss Waller zu machen.«

Monika Beck schlug wütend auf das Lenkrad. »Kann ich wissen, dass diese verdammte Karre ausgerechnet heute Nacht den Geist aufgibt?«

Verzweifelt blickte sie auf die Anzeigen des Armaturenbretts. Der altersschwache Golf hatte sie fünf Jahre lang treu begleitet, aber nun schienen ihm die Kräfte zu versagen.

»Ohne dich wäre ich jetzt jedenfalls nicht hier«, sagte Kerstin vorwurfsvoll.

Monika verdrehte die Augen. Kerstin war schon immer etwas wehleidig gewesen. »Vom Rumsitzen wird es jedenfalls auch nicht besser. Es sind noch zwei Kilometer bis Schloss Waller.«

Kerstins Kopf ruckte herum. »Willst du etwa, dass wir zu Fuß weitergehen? Ich habe nur eine Sommerjacke dabei.«

»In zwei Stunden ist es hier im Auto genauso kalt wie draußen. Dann könnten wir längst auf dem Schloss sein.«

Monika verfluchte sich für die Idee, Schloss Waller aufzusuchen.

Sie hatten sich einen Spaß erlauben wollen. Um etwas Abwechslung in ihr Leben zu bringen, das im Augenblick in ziemlich unruhigen Bahnen verlief. Der endlose Streit mit ihren Eltern, die meinten, ihre achtzehnjährige Tochter wie ein Baby behandeln zu müssen ... Nächste Woche würde sie ausziehen, das stand fest.

Sie hatte Kerstin davon berichten wollen, aber die war ausgerechnet gestern von ihrem Freund verlassen worden. So kam es wie immer. Monika kümmerte sich um Kerstins Seelenzustand, obwohl sie eigentlich genug eigene Probleme hatte.

Sie fand, dass die Idee, das verfallene Schloss Waller aufzusuchen, ziemlich abgefahren war. Eine Nacht in der Ruine zuzubringen, war mal was anderes, als in der wohlbehüteten Enge ihres alten Kinderzimmers zu schlafen.

Sie zog den Schlüssel ab und öffnete die Tür. »Kommst du nun mit oder nicht?«

»Ich weiß nicht ...« Kerstin wischte sich über die Stirn. »Im Schloss ist es doch bestimmt noch kälter als hier.«

Monika kniff die Augen zusammen. »Was ist denn los? Du bist ja schweißnass ... Ist dir nicht gut?«

»Ich habe mich bestimmt erkältet.«

»Quatsch, das ist nur die Sache mit Sven. Er war ein Nichtsnutz. Umso besser, dass er weg ist.«

Monika stieg aus, und Kerstin folgte ihr widerwillig. In der Ferne türmte sich der Waller auf, über dessen Gipfel die runde Vollmondscheibe hing. Monika bekam bei dem Anblick eine Gänsehaut, ohne dass sie wusste, warum.

»Zwei Kilometer, hast du gesagt?«

»Höchstens«, erwiderte sie, obwohl sie sich nicht ganz sicher war.

Nach einer halben Stunde begann Kerstin sich zu beschweren. Sie schwitzte am ganzen Körper. Die schwarze, nietenbesetzte Stoffjacke flatterte, obwohl der aufkommende Wind höchstens ein laues Lüftchen war.

Monika verzichtete darauf, Kerstin daran zu erinnern, dass sie selbst es gewesen war, die auf einer leichten Jacke bestanden hatte. Weil sie nicht so spießig aussah wie die gefütterte Regenjacke, die Monika trug. Das hatte sie jetzt davon.

»Wir sind nicht besonders schnell gegangen«, beschwichtigte sie Kerstin. »Da kommt einem der Weg umso länger vor. Sieh mal, da vorn ist es schon!«

Tatsächlich war der Gipfel des Waller immer näher gekommen, und auch Monika konnte sich beim Anblick des verfallenen Schlosses eines ehrfürchtigen Schauers nicht erwehren. Das Schloss Waller besaß eine Jahrhunderte alte Geschichte, blutig und voller Tragödien.

Sie erreichten das Eingangstor. Ein drei Meter hoher Metallzaun umgab das riesige Grundstück. Er verlor sich rechts und links in der Finsternis zwischen den Bäumen.

»Ich weiß nicht«, sagte Kerstin plötzlich, »vielleicht sollten wir lieber umkehren.«

»Papperlapapp.«

Monika tastete über das verrostete Gitter. Der Riegel war nicht verschlossen. Als sie mit aller Kraft an dem Griff zog, öffnete sich das Tor mit einem hässlichen Quietschen.

Der Weg, den sie dahinter erblickten, war von Gras und Unkraut überwuchert. Seit Jahrzehnten schien hier niemand mehr gegangen zu sein.

»Hattest du nicht gesagt, dass in dem Schloss niemand wohnt?«, fragte Kerstin.

»Natürlich. Schon seit über fünfzig Jahren nicht mehr ...«

Ihr blieben die Worte im Halse stecken, als sie Kerstins Blick folgte. In einem der Turmzimmerfenster brannte Licht.

»Lass uns umdrehen«, flehte Kerstin.

»Blödsinn. Das wird sich schnell aufklären. Vielleicht leben die Bewohner so zurückgezogen, dass man sie einfach vergessen hat.«

»Dann mögen sie sicher auch keine Besucher.«

Monika drehte sich um und blitzte Kerstin an. »Es ist kurz vor Mitternacht, mir ist kalt, und mein kaputter Wagen steht zwei Kilometer entfernt. Wenn das Schloss bewohnt ist, umso besser. Ich werde jetzt nicht umkehren.«

Sie stapfte weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen. Nach einigen Sekunden hörte sie, wie Kerstin ihr folgte. Treffer, dachte sie. Kerstin war viel zu ängstlich, um allein zum Auto zurückzukehren.

Sie erreichten die beiden großen Torflügel, auf denen zwei große eiserne Klopfringe angebracht waren. Die Fenster im Erdgeschoss waren dunkel.

Monika hob einen der Ringe an. Er war schwer wie Blei. Als er gegen das Tor schlug, hallte es wie ein Donnerschlag über das Grundstück. Kerstin zog fröstelnd den Kragen ihrer Jacke zusammen.

Ein Lichtschimmer fiel unter dem Torspalt hindurch. Sie vernahmen Schritte, und eine Klappe öffnete sich im Tor. Das hagere Gesicht eines Greises erschien.

Monika stellte sich und Kerstin vor. »Wir brauchen Hilfe. Mein Auto ist auf der Landstraße stehen geblieben.«

»Wir haben kein Telefon.«

Kein Telefon?, dachte Monika betroffen. Die Bewohner dieses Schlosses schienen tatsächlich ziemlich wunderlich zu sein.

»Ich kann Ihnen aber einen Platz zum Schlafen anbieten«, sagte der Greis. »Dann können Sie morgen früh ins Dorf zurückkehren und Hilfe holen.«

Na toll. Der nächste Ort lag mindestens zehn Kilometer entfernt.

Monika blickte Kerstin an, die zögernd die Lippen zusammenkniff. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf.

»In Ordnung«, sagte Monika. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden wir gern bleiben.«

Die Klappe schloss sich, und Monika vernahm, wie ein Riegel zurückgeschoben wurde.

»Ich gehe da nicht rein«, zischte Kerstin.

Das Tor öffnete sich langsam und gleichmäßig, als würde es von einem Relais gezogen. Dahinter kam die Gestalt des Alten zum Vorschein. Er schien trotz seiner mageren Erscheinung sehr rüstig zu sein.

»Kommen Sie herein, meine Damen. Mein Name ist Hubert Ehrenreich. Ich heiße Sie auf Schloss Waller herzlich willkommen.«

Sie traten durch das Tor, und Monika hielt den Atem an, als sie sah, wie der Alte mit einer beiläufigen Armbewegung den Torflügel hinter ihnen schloss.

Sie hatte auf einmal das Gefühl, sich in einem riesigen Gefängnis zu befinden.

»Du hast dich abermals meinen Anweisungen widersetzt. Du bist wirklich eine Schande für unsere Sippe, Coco!«

Ich saß auf dem Sofa im Wohnzimmer unserer Villa in der Ratmannsdorfgasse und fühlte den Blick meines Vaters wie einen Bannstrahl auf mir.

Michael Zamis saß in einem Sessel, die schlanke Gestalt aufgerichtet, das schwarze Haar umrahmte sein kantiges, strenges Gesicht.

Er war vor einer Stunde von einer seiner »Geschäftsreisen« zurückgekehrt, und weder meine Geschwister noch ich wussten, wo er sich aufgehalten hatte. Nur Georg schien eingeweiht zu sein, aber mein älterer Bruder zog es vor, mir gegenüber zu schweigen – wofür ich ihm sogar dankbar war.

Ich wollte gar nicht wissen, in welche Machenschaften mein Vater unsere Sippe wieder einmal verstrickte. Es schien ihm nicht genug zu sein, dass unsere Auseinandersetzung mit Asmodi und Skarabäus Toth noch einmal glimpflich ausgegangen war. Er strebte immer noch nach dem Thron der Schwarzen Familie, und ich hatte das Gefühl, dass ihm dieses Ziel eines Tages das Genick brechen würde.

»Indem du Toths Aufmerksamkeit auf uns gezogen hast, hast du den Interessen unserer Sippe zuwidergehandelt. Ich sollte dich bestrafen.«

Ich duckte mich unwillkürlich bei den Worten meines Vaters – und gleichzeitig ärgerte ich mich über seine Vorwürfe, die in meinen Augen alles andere als gerechtfertigt waren.

Du hast mich längst genug gestraft, dachte ich wütend. Schließlich war ich es gewesen, die Georg auf der Teufelsinsel gerettet hatte, und zum Dank dafür hatte man mich als Bauernopfer benutzt. Auch wenn der Trip nach Südamerika am Ende ganz anders und vor allem kürzer ausgefallen war, als es zunächst den Anschein gehabt hatte, dachte ich nicht gerade mit Vergnügen an die Auseinandersetzung mit Chico, dem Kinddämon, zurück.

»Es war Toth, der mich angegriffen hat«, rechtfertigte ich mich. »Er hat Giacomo auf mich gehetzt.«

»Wir werden nichts gegen den Schiedsrichter der Schwarzen Familie unternehmen.«

Ich sprang auf. »Ich bin kein Kind mehr, Vater. Toth hat außerdem dafür gesorgt, dass der Geist einer Toten mich attackiert hat! Ich musste meinen Körper mit ihr teilen, und sie ist schuld, dass ich von mehreren Männern auf einmal ...«

»Schluss jetzt!«, brüllte mein Vater. »Ich will kein Wort mehr davon hören!«

Er stand ebenfalls auf und funkelte mich an. »Georg hat mir berichtet, was vorgefallen ist. Toth hat dich verschont, obwohl du in sein Haus eingedrungen bist. Jetzt sind wir ihm womöglich etwas schuldig.«

Ich überraschte mich selbst, indem ich antwortete: »Du denkst doch immer nur an dich! Deine Kinder, deine ganze Sippe ist dir völlig egal. Du verfolgst nur deine Ambitionen auf den Thron. Wenn ich dabei draufgehen würde, umso besser für dich, dann wärst du endlich eine Querulantin los!«

Ich hatte noch nie erlebt, dass Vater sprachlos war. Sein Gesicht wurde weiß vor Zorn, aber ich war fest entschlossen, diesmal nicht einzuknicken. Ich war eine erwachsene Frau, und ich würde mich von ihm nicht länger gängeln lassen.

»Du bleibst ab sofort im Haus!«, schrie er. »Ich werde nicht zulassen, dass du noch mehr Ärger machst. Georg wird dein Zimmer mit einem magischen Bann versehen, so dass du nicht entkommen kannst!«

Mein Herz klopfte bis zum Hals. »Ich werde überhaupt nichts«, schrie ich zurück. »Versuch doch, mich aufzuhalten. Ich bin eine starke Hexe, ich weiß, was ich kann.«

Ich versetzte mich in den rascheren Zeitablauf, noch bevor mein Vater etwas erwidern konnte. Seine Grimasse erstarrte zur Bewegungslosigkeit.

Ich lief zur Haustür und warf mir meinen Mantel über. Auf dem Flur traf ich Georg und meine Mutter Thekla. Offenbar hatten sie unsere Auseinandersetzung belauscht. Jetzt waren sie ebenfalls bewegungslos.

Ich spuckte meiner Mutter ins Gesicht. Ich hasste sie, wie ich meine gesamte Sippe hasste. Sie hatte stets geduldet, dass unser Vater uns wie Leibeigene behandelte. Zwar war sie eine Tochter Asmodis, aber von ihren Fähigkeiten her höchstens eine mittelmäßige Hexe. Dass Vater sie zum Weib genommen hatte, konnte ich mir nur damit erklären, dass er keine Frau neben sich duldete, die ihm gleichrangig oder sogar stärker war als er.

Ich werde es euch allen zeigen, dachte ich.