Dr. Stefan Frank 2618 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2618 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Die Kinderärztin Astrid Wiesbach hat lange mit ihrem Ehemann bei "Ärzte ohne Grenzen" gearbeitet. Inzwischen ist die 43-Jährige Oberärztin an der Waldner-Klinik. Vor drei Jahren wollte ihr Mann ein letztes Mal für ein paar Monate nach Afrika. Dort kam er ums Leben. Nach diesem einschneidenden Schicksalsschlag hat sich Astrid ganz ihrem Beruf verschrieben. Eine Psychotherapie hat sie abgebrochen. Sie lebt allein in einem viel zu großen Haus in Unterhaching. Oft fällt ihr die Decke auf den Kopf, deswegen hält sich fast nur noch in der Klinik auf, schläft manchmal auch dort - wenn sie überhaupt schlafen kann. Neben den Schlafstörungen hat sie Depressionen, die sie sich aber nicht eingestehen will.
In der Waldner-Klinik trifft sie Claudio Wolf, den Jugendfreund ihres älteren Bruders wieder, den sie immer heimlich bewundert hat. Da der Universitätsprofessor eine neue Bleibe sucht, bietet Astrid ihm ihr Haus an. Die Kinderärztin gewöhnt sich langsam an ihren neuen Mitbewohner, doch dann steht eines Tages der 17-jährige Julian Peters vor der Tür. Er sei der Sohn von Ludwig Wiesbach und auf der Suche nach ihm. Astrids Welt gerät erneut ins Wanken ...


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Inhalt

Cover

Weil das Leben schön ist

Vorschau

Impressum

Weil das Leben schön ist

Eine Patientin mit Depressionen kämpft sich zurück

Die Kinderärztin Astrid Wiesbach hat lange mit ihrem Ehemann bei »Ärzte ohne Grenzen« gearbeitet. Inzwischen ist die 43-Jährige Oberärztin an der Waldner-Klinik. Vor drei Jahren wollte ihr Mann ein letztes Mal für ein paar Monate nach Afrika. Dort kam er ums Leben. Nach diesem einschneidenden Schicksalsschlag hat sich Astrid ganz ihrem Beruf verschrieben. Eine Psychotherapie hat sie abgebrochen. Sie lebt allein in einem viel zu großen Haus in Unterhaching. Oft fällt ihr die Decke auf den Kopf, deswegen hält sie sich fast nur noch in der Klinik auf, schläft manchmal auch dort – wenn sie überhaupt schlafen kann. Neben den Schlafstörungen hat sie Depressionen, die sie sich aber nicht eingestehen will.

In der Waldner-Klinik trifft sie Claudio Wolf, den Jugendfreund ihres älteren Bruders wieder, den sie immer heimlich bewundert hat. Da der Universitätsprofessor eine neue Bleibe sucht, bietet Astrid ihm ihr Haus an. Die Kinderärztin gewöhnt sich langsam an ihren neuen Mitbewohner, doch dann steht eines Tages der 17-jährige Julian Peters vor der Tür. Er sei der Sohn von Ludwig Wiesbach und auf der Suche nach ihm. Astrids Welt gerät erneut ins Wanken ...

Der dreizehnjährige Leon litt an Knochenschmerzen im linken Unterschenkel. Auch eine Schwellung war deutlich sichtbar. Nach der ersten Röntgendiagnose wurden nun weitere Verfahren durchgeführt.

Dr. Astrid Wiesbach, chirurgische Kinderärztin an der Waldner-Klinik, schob den jungen Patienten an diesem Nachmittag im Rollstuhl zum Magnetresonanztomographen. Einen solchen Gang unternahm sie gern selbst. Auf diese Weise konnte sie Leon auf das, was ihn erwartete, noch ein wenig vorbereiten.

»Kontrastmittel haben wir dir schon gespritzt. Und jetzt schieben wir dich in das Gerät. Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte sie.

»Hab ich auch nicht. Ich wollte schon immer wissen, wie es in einer Röhre so ist«, erwiderte der Junge.

»Die Untersuchung ist völlig schmerzlos. Allerdings wirst du ein lautes Geräusch hören, eine Art Knall. Und das jedes Mal beim Ein- und Ausschalten der Magnetfelder, also recht häufig. Wenn du was sagen willst oder Zuspruch brauchst, über dir ist ein kleines Mikrofon. Wir können dann miteinander reden.«

»Mach ich«, sagte Leon. Inzwischen hatten sie ihr Ziel erreicht. Nun freilich schmolz angesichts des großen Geräts sein Selbstbewusstsein dahin. »Wie lange wird es dauern?«

»Maximal eine halbe Stunde, vielleicht auch weniger.« Die Ärztin half dem Jungen, sich hinzulegen. »Bist du bereit? Und vergiss nicht, ich bin gleich nebenan. Melde dich jederzeit, wenn dir danach zumute ist. Ich bleibe die ganze Zeit an deiner Seite.«

Doch der Junge ließ das Geschehen in der Röhre klaglos über sich ergehen.

Als Astrid dann später die Aufnahmen sah, empfand sie große Betroffenheit. Das Kind hatte schon viele Metastasen im Körper. Da Leon sehr sportlich und in einem Fußballverein aktiv war, hatten die Eltern die Schmerzen zunächst für Zerrungen und Überdehnungen gehalten, die sie mit Salben und Gel behandelten.

Als dann aber noch eine Schwellung hinzukam, war die Mutter mit ihrem Sohn zum Hausarzt gegangen, der eine sofortige Überweisung in die Waldner-Klinik veranlasst hatte. So hatte Dr. Stefan Frank ihr den Hergang erzählt.

Es schmerzte Astrid Wiesbach, dass sie die Eltern nun mit dieser Hiobsbotschaft konfrontieren musste. Ihr war klar, dass sie mit der Diagnose das ganze Familienleben zum Einsturz brachte.

Bevor sie die Mutter anrief und zum Gespräch bat, suchte sie die Cafeteria in der Waldner-Klinik auf. Schon seit Stunden knurrte ihr Magen vorwurfsvoll. Seit dem frühen Morgen hatte er nichts mehr zu tun. Und da sie auch nicht ausreichend getrunken hatte, fühlte sie sich schwach und zittrig.

Sie kaufte an der Selbstbedienungstheke eine große Flasche Wasser und ein Stück Apfelkuchen. Gleichzeitig wurde sie von ihrer inneren Stimme für Gesundheitsfragen daran erinnert, endlich mal wieder eine richtige Mahlzeit zu sich zu nehmen.

Das freilich war schneller gedacht als getan, denn mit Kochen hatte sie nichts am Hut. Nudeln in kochendes Salzwasser zu werfen, bekam sie gerade noch hin. Aber da sie sich danach meist gleich wieder in ihre Fachliteratur vertiefte, vergaß sie jedes Mal den Kochvorgang. Wenn er ihr wieder einfiel, war die Pasta aufgequollen oder schon matschig geworden und nicht mehr genießbar.

Also blieb sie lieber bei Pizza und Gerichten aus dem Asia-Imbiss, die sie sich gleich ins Haus liefern ließ.

»Darf ich?«

Die Ärztin schaute auf. »Aber sicher. Grüß dich, Stefan, dich habe ich immer gern in meiner Nähe.«

Dr. Stefan Frank, Facharzt für Allgemeinmedizin in Grünwald, setzte seine Kaffeetasse ab.

»Ich brauche unbedingt eine kleine Aufmunterung für meine Lebensgeister. Gut, dass ich dich hier treffe. Hast du schon die Befunde von Leon Wagner?«

Astrid seufzte betrübt. »Es sieht leider gar nicht gut aus. Die Befunde weisen auf ein Ewing-Sarkom hin. Es hat auch schon Metastasen gestreut.«

»Mit anderen Worten, die Prognose ist schlecht«, fasste Dr. Frank den kurzen Bericht der Kollegin zusammen.

»Ganz genau. Es tut mir so leid, aber ich muss den Eltern die Wahrheit sagen. Sie werden schockiert sein. Du weißt selbst, wie bösartig dieser Krebs ist, der auch noch sehr früh Metastasen bildet. Aber natürlich werden wir die ganze Standard-Therapie durchführen. Das heißt, morgen machen wir eine Stanzbiopsie aus dem Knochen. So können wir die einzelnen Zellen und auch die Gewebestruktur beurteilen.«

Stefan betrachtete seine Kollegin nachdenklich. Das schmale Gesicht wurde von einer üppigen Haarpracht umrahmt, die sie allerdings immer eng am Kopf zusammenband, was sie streng und unnahbar aussehen ließ.

Ihr trauriger Gesichtsausdruck, die nach unten zeigenden Mundwinkel, die glanzlosen Augen und eine Körperhaltung, als läge eine schwere Last auf ihren Schultern, taten dabei ein Übriges. Mit all diesen Attributen wirkte sie wie eine Frau, die vom Schicksal vernachlässigt worden war.

»Lass die Patienten nicht zu nah an dich herankommen«, mahnte Stefan. »Wir sind Ärzte, und wir wollen helfen, aber wir müssen und auch schützen und können nicht mit unseren Kranken mitleiden.«

»Theoretisch hast du natürlich recht, aber ich behandele Kinder und Jugendliche, da fällt der nötige Abstand oft nicht leicht. Auch jetzt ist es so. Wenn ich mir vorstelle, dass es dieser Junge womöglich nicht schafft, den Krebs zu überwinden, dann ist mir schon sehr nach Heulen zumute.«

»Ich habe schon geahnt, dass es nicht gut um ihn steht. Aber ich hatte natürlich gehofft, dass es was besser Behandelbares sein würde. «

Obwohl Astrid recht groß war, machte sie einen zarten Eindruck. Stefan kannte ihre tragische Geschichte, an der sie fast zerbrochen wäre

»Wie geht es dir?«, fragte er ganz direkt. »Ganz ehrlich bitte.«

Astrid Wiesbach war nicht nur eine gute Kollegin in der Klinik. Stefan und seine Lebensgefährtin Alexandra hatten auch immer wieder privaten Kontakt zu ihr. Auch mit Ruth Waldner, der Frau des Klinikchefs, verstand Astrid sich gut, zumal sie auch oft im OP zusammenarbeiteten.

»Ich komm schon klar«, erwiderte sie ausweichend.

Doch Stefan ließ nicht locker. »Bist du noch in Therapie?«

»Ja«, antwortete sie. Und er sah ihr an, dass sie log.

»Astrid, du musst endlich aus deinem Kokon raus. Sich zu verpuppen wie eine Schmetterlingsraupe und sich auf diese Weise von der Umwelt abzukapseln, ist doch für uns lebende Menschen nicht sinnvoll. Wie wär's, wenn wir wieder mal was zusammen unternehmen? Wir haben vor, ein paar Tage an den Gardasee zu fahren. Komm doch einfach mit.« Dr. Frank wusste, dass seine Alexandra damit einverstanden sein würde.

»Kein Ahnung, ob ich von hier weg kann ...«

»Du hast dieses Jahr noch keinen Urlaub gemacht«, hielt er ihr vor.

»Du brauchst dich um mich nicht zu sorgen«, wies sie ihn mit plötzlicher Schärfe zurück.

»Sicher?«

»Ganz sicher. Ich liebe meinen Beruf und versuche, ihn besonders gut zu machen. Ich habe mein Auskommen. Mehr brauche ich nicht. Ich bin zufrieden.«

Für einen Moment presste Dr. Frank die Lippen zusammen, bevor er zu einer längeren Rede ansetzte, doch da piepste Astrids Pager.

»Tut mir leid, Stefan, aber ich werde gebraucht. Grüß Alexandra von mir.«

Sie griff nach der Wasserflasche, die noch halb voll war und verließ geradezu fluchtartig die Cafeteria.

***

»Was kann ich für Sie tun, Herr Wolf?« Dr. Frank warf einen kurzen Blick auf das Krankenblatt des Patienten. Den Professor für Vor- und Frühgeschichte sah er nur einmal im Jahr zu einer Vorsorgeuntersuchung.

»Ich habe Schulterschmerzen«, erklärte der Mann und fasste mit der rechten Hand an das linke Gelenk.

»Seit wann?«

»Seit meinem dämlichen Fahrradunfall«, erwiderte Claudio Wolf selbstironisch. »Ich hab nicht aufgepasst und nun das Nachsehen.«

»Wann war das?«, wollte der Grünwalder Arzt wissen.

»Bei meiner letzten Radwanderung, ungefähr vor zwei Wochen. Der Aufprall war gar nicht so schlimm, aber die Schmerzen nehmen eher zu als ab.«

»Zeigen Sie mal.«

Claudio, ein schlanker sportlich wirkender Mann mit leicht angegrauten dunklen Haaren knöpfte sein Hemd auf. Stefan betastete fachmännisch die Schulter.

»Wo tut es weh?«

»Überall, ich kann meinen Arm gar nicht mehr schmerzfrei ausstrecken. Und Radfahren fällt zurzeit auch weg.«

»Bewegen Sie die Hand im Gelenk. Schmerzt das auch?«

»Ein bisschen.«

»Und die Finger?«

»Die kann ich gut bewegen.«

»Taubheitsgefühl oder Kribbeln?«

»Manchmal, hauptsächlich nachts im Bett.«

»Das muss genau untersucht werden«, erklärte Stefan Frank ernst. »Eine Röntgendiagnose wird uns Aufschluss geben. Gehen Sie bitte in die Schulter-Ambulanz in der Waldner-Klinik, die machen das.«

»Wird es mit einer konservativen Therapie erledigt sein?«

»Das werden die Kollegen entscheiden, Dr. Wolf. Aber bitte gehen Sie bald, am besten gleich morgen. Mit unfallbedingten Schulterverletzungen ist nicht zu spaßen. Und für die Schmerzen schreibe ich Ihnen was auf.«

»Haben Sie denn eine Ahnung, was es sein könnte? Sie haben doch Erfahrung mit solchen Verletzungen.«

»Die genaue Diagnose bekommen Sie in der Klinik. Es gibt ausreichend Behandlungsmöglichkeiten, angefangen von schmerzstillenden Injektionen, physikalische Therapie mit Ultraschall oder Eisanwendung sowie Physiotherapie mit lockernden Techniken. Aber es kann auch eine Indikation für eine Operation vorliegen, zum Beispiel dann, wenn eine dauerhafte Ausheilung nur auf diesem Weg erreicht werden kann.«

»Jetzt machen Sie mir Angst.«

»Sie brauchen sich nicht zu fürchten«, versicherte Dr. Frank mit einem beruhigenden Lächeln. »So ziemlich alle Eingriffe an Schultern werden heute arthroskopisch durchgeführt, das heißt, man macht nur kleine Einschnitte mittels einer schonenden Schlüsselloch-OP.«

»Na gut«, meinte der Professor. »Dann werde ich Ihrem Vorschlag folgen.«

Der Arzt nannte ihm noch die Öffnungszeiten der Schulter-Ambulanz. »Vergessen Sie Ihr Rezept nicht.«

»Danke.« Claudio Wolf nahm es entgegen. »Wiedersehen, Dr. Frank. Drücken Sie mir die Daumen, dass es keine schlimme Diagnose sein wird.«

»Sie sind in der Waldner-Klinik gut aufgehoben. Dort kümmern sich Spezialisen um Ihr Problem.«

Wenig später verkündete Schwester Martha, die ältere von Dr. Franks Helferinnen, dass alle Patienten versorgt worden waren und niemand mehr im Wartezimmer saß.

»Na, dann machen wir doch Schluss für heute«, schlug Stefan Frank vor. »Ich schließe die Praxis ab.«

Gut gelaunt ging er nach oben in seine Wohnung, zog sich etwas anderes an und fuhr zu Alexandra Schubert, die in Grünwald eine Augenarzt-Praxis betrieb. Seit Dr. Frank diese wunderbarte Frau gefunden hatte, wusste er wieder, wie Glück sich anfühlte.

***

Astrid saß in der Küche ihres großen Hauses und kaute auf einem Brot herum. Das Stück Käse, das sie noch im Kühlschrank gefunden hatte, war rundherum leicht angeschimmelt, doch wenn sie alle Seiten großzügig abschnitt, war es noch essbar.

Das Gespräch mit der entsetzten Mutter des Jungen belastete sie immer noch. Aber warum nahm sie sich den Kummer der anderen Frau mehr zu Herzen als ihren eigenen?

Es tat ihr leid, dass sie Stefan Frank bezüglich ihrer Therapie nicht die Wahrheit gesagt hatte. So einen liebenswürdigen und hilfsbereiten Menschen sollte sie nicht belügen. Ein bisschen schämte sie sich, aber sie war auch nicht in der Lage, ihm gegenüber offen von ihren Problemen zu sprechen. Nicht, weil sie ihm nicht vertraute, sondern weil sie selbst nicht wusste, was mit ihr los war.

Immer wieder hatte sie Schweißausbrüche, heftige Kopfschmerzen oder ein unangenehmes Engegefühl in der Brust. Vielleicht war sie krank. Aber vielleicht waren das auch nur Anzeichen für ihre seelischen Probleme, hinzu kamen Panikattacken und depressive Stimmungen.

Immer wieder wurde sie von wilden Gefühlen heimgesucht, die sowohl Wut auf Ludwig als auch die Trauer um ihn enthielten. Manchmal konnte sie die Gefühlsgrenzen nicht mehr auseinanderhalten.

Gegen ihren Willen war er für drei Monate nach Mosambik zurückgekehrt, wo sie beide viele Jahre gemeinsam für »Ärzte ohne Grenzen« gearbeitet hatten. Ein letztes Mal wollte er dorthin. Dann, so glaubte er, habe er mit Afrika abgeschlossen.

Aber Afrika schloss mit ihm ab. Er geriet völlig unbeteiligt in eine Schießerei auf offener Straße und war auf der Stelle tot. Nun lag er auf dem Unterhachinger Friedhof.

Wäre er geblieben, würde er noch leben. Mit ihr hier in München, wo sie schon eine gute Stelle als Oberärztin in der Waldner-Klinik gefunden hatte.

»Auch in München gibt es genug kranke Menschen, die du behandeln kannst.« Mit diesen Worten hatte sie immer wieder versucht, ihn zu halten, aber es war ihr nicht gelungen.

Nun war er seit drei Jahren tot. Die erste Trauer war vorbei, doch ihren Frieden fand sie nicht. Astrid hatte allergrößte Mühe, ihren Zustand vor den Mitmenschen zu verbergen. Vor allem die Kollegen sollten von ihren Depressionen nichts merken.

Richtig enge Freunde hatte sie ohnehin nicht. Woher auch? Den größten Teil ihres Lebens hatte sie in Afrika verbracht. Sie hatte dort zwar liebe Menschen kennengelernt, aber es fiel schwer, über die weite Entfernung noch Kontakt zu halten.

Und so lebte sie heute allein im Elternhaus ihres verstorbenen Mannes, das für eine Person allein viel zu groß war. Sie hielt sich fast nur in der Küche und einem kleineren Wohnraum auf, in dem sie auch schlief – wenn sie überhaupt schlafen konnte. War die Grübelspirale erst einmal in Gang gesetzt, lag sie viele Stunden wach und fiel gegen Morgen erschöpft in einen kurzen Schlaf. Wenn sie dann um acht wieder aufstand, brauchte sie zwei sehr starke Tassen Kaffee, um sich einigermaßen fit zu fühlen.

So erging es ihr auch in dieser Nacht. Um 24 Uhr ging sie zu Bett, um sechs schlief sie ein und um halb sieben klingelte der Wecker. Während der Kaffeeautomat schon arbeitete, erledigte sie im Bad ihre Morgentoilette.

Teilnahmslos betrachtete sie die Ringe unter ihren Augen. Macht nichts, sagte sie sich. Mich will ohnehin niemand. Für wen sollte ich also schön aussehen? Nur für mich selbst?

Dennoch vertiefte der Blick auf ihr trauriges Äußeres ihre schlechte Stimmung. Sie nahm sich vor, überhaupt nicht mehr in den Spiegel zu schauen.

***

Abrupt blieb Professor Wolf in der Eingangshallte der Waldner-Klinik stehen und überprüfte den Inhalt seiner Jackentasche. Hatte er das Papier mit der Terminplanung eingesteckt oder es doch in der Verwaltung vor lauter Aufregung vergessen?

Nach einem gründlichen Diagnoseverfahren mit den modernsten Geräten war nun klar, dass er um eine Schulter-Operation nicht herumkam. Das war ihm zwar nicht recht, aber die Ärzte hatten ihm dringend geraten, diesen Eingriff nicht auf die lange Bank zu schieben. Besonders der Chirurg Dr. Stein hatte Druck gemacht und gewarnt, dass er sonst seinen Arm nicht mehr wie gewohnt gebrauchen könnte.

Das alles passte Claudio Wolf nicht, aber ebenso wollte er lieber sofort als später seinen Arm wieder richtig bewegen. Also hatte er nach einem langen Gespräch mit Dr. Stein und dem Orthopäden Dr. Morena das Einverständnis für die Operation unterschrieben.

Ach, da war das Papier, das er vermisst hatte. Er faltete es noch einmal auseinander, um sich die Termine einzuprägen und wandte sich dann zum Ausgang. Fast hätte er in seiner Nervosität eine Frau umgerannt. Er murmelte eine Entschuldigung, eilte weiter – und blieb wieder stehen.

Verwundert drehte er sich um. »Astrid?«, rief er der Frau halblaut hinterher, die nun zurückschaute.