Dr. Stefan Frank Großband 15 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Großband 15 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

10 spannende Arztromane lesen, nur 7 bezahlen!

Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:
Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2340 bis 2349 und umfasst ca. 640 Seiten.

Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in die Welt des Dr. Stefan Frank.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 1217

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Stefan Frank
Dr. Stefan Frank Großband 15

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covermotiv von © shutterstock/Caftor

ISBN 978-3-7517-2955-0

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Dr. Stefan Frank Großband 15

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Dr. Stefan Frank 2340

Urlaub auf Rezept

Dr. Stefan Frank 2341

Er will doch nur dein Geld!

Dr. Stefan Frank 2342

Das Geheimnis der schönen Apothekerin

Dr. Stefan Frank 2343

Tu alles, nur verlass mich nicht!

Dr. Stefan Frank 2344

Das Mädchen ohne Stimme

Dr. Stefan Frank 2345

Was so schön begonnen hatte …

Dr. Stefan Frank 2346

Vertrauen ist kein leeres Wort

Dr. Stefan Frank 2347

Deine Nähe ist mein Glück

Dr. Stefan Frank 2348

Helfen Sie mir, Dr. Frank

Dr. Stefan Frank 2349

Frisch verliebt und einfach glücklich

Guide

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Contents

Urlaub auf Rezept

Als Dr. Frank einer Familie ihr Lachen zurückschenkte

M ichaela Horten weiß nicht, was in ihrer Ehe los ist. Früher hat sie sich mit ihrem Mann Sebastian doch so gut verstanden, doch mittlerweile gibt es zwischen den Eheleuten nur noch Streit. Sebastian arbeitet als Fotograf, wartet bisher aber vergebens auf den großen Durchbruch. Da ist es eigentlich ein Glück, dass zumindest Michaela seit Kurzem als Autorin erfolgreich ist, wodurch die Familie finanziell gut über die Runden kommt.

Doch statt sie zu unterstützen, lässt Sebastian seine Frau und die beiden gemeinsamen Kinder immer öfter allein. Von Arbeitsteilung im Haushalt und bei der Kinderbetreuung will er nichts mehr wissen, sodass Michaela erst in den Abendstunden dazu kommt, sich ihrer Arbeit zu widmen.

Wie es scheint, ist die Ehe des Paares am Ende. Die Kinder leiden, Michaela weint sich nachts in den Schlaf, und Sebastian spürt eine ungeheure Wut in sich, die ihm fast die Luft zum Atmen nimmt.

Als ein neuerlicher Streit eskaliert, packt der Familienvater seine Koffer und zieht aus. Die völlig verzweifelte Michaela lässt sich von Dr. Frank dazu überreden, mit den Kindern spontan zu verreisen. Mit Italien verbindet sie so viele schöne Erinnerungen, hier wird es ihr vielleicht besser gehen.

Doch der Grünwalder Arzt tut noch etwas anderes, um nicht nur Michaelas Glück, sondern die ganze Familie zu retten …

„Er ist noch nicht zu Hause?“, fragte Inga Kornelius ungläubig. „Es ist bald Mitternacht, Michi. Außerdem ist Sonntag.“

Michaela Horten schloss die Augen, als sie mit müder Stimme antwortete.

„Ich weiß, sonst hätte ich dich ja nicht angerufen. Ich musste einfach mit jemandem reden, sonst wäre ich durchgedreht. Dabei habe ich so viel zu tun mit dem neuen Buch, aber ich kann mich nicht konzentrieren, wenn ich immer darüber nachdenke, wo Sebastian jetzt wohl gerade ist und was er macht …“

Ihre Freundin unterbrach sie.

„Hast du versucht, ihn zu erreichen?“

„Ungefähr zehn Mal, aber er nimmt die Anrufe nicht an, und meine Nachrichten beantwortet er nicht. Er hasst es, wenn ich ihn bei der Arbeit störe, sagt er immer. Wenn er nach Hause kommt, wird er mir gleich wieder Vorwürfe machen, dass ich es trotzdem versucht habe. Ich kenne das schon.“

Michaela machte eine kurze Pause.

„Wahrscheinlich hat er eine andere“, setzte sie leise hinzu. „Das ist die einzig vernünftige Erklärung für sein Verhalten.“

„Das kann ich mir nicht vorstellen, es würde nicht zu ihm passen.“

„Ich würde es gern so sehen wie du, aber was soll ich denn davon halten, dass er mindestens dreimal pro Woche erst in der Nacht nach Hause kommt? Außerdem streiten wir neuerdings ständig, und ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann wir das letzte Mal miteinander geschlafen haben.“ Michaela schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter.

„Wieso hast du mir das nicht schon früher erzählt?“

„Ich dachte, es wäre nur eine Phase, die vorübergeht. Außerdem gibt niemand gerne zu, dass bei ihm gerade etwas gehörig schiefläuft, oder?“

„Du musst mit ihm reden. Sag ihm, was du vermutest.“

„Was soll das bringen? Wenn er mit mir darüber reden wollte, hätte er es längst getan. Er wird alles leugnen. Vielleicht hat er ständig Affären, und ich habe das bis jetzt bloß noch nicht mitbekommen, weil ich immer so beschäftigt bin mit den Kindern, dem Haushalt, den Büchern …“

„Ach, Michi“, sagte Inga. „Jetzt rede dir doch nicht so etwas ein. Es ist noch nicht lange her, da wart ihr noch ein sehr glückliches Paar, auf das die meisten Menschen in eurer Umgebung voller Neid geblickt haben.“

„Es kommt mir so vor, als läge diese Zeit schon sehr lange zurück.“

„Ein paar Monate vielleicht, mehr nicht. Dir hat das Glück nur so aus den Augen gestrahlt und ihm auch. Das kann ja nicht plötzlich alles weg sein.“

„Ich glaube doch, dass das möglich ist. Da muss nur die richtige – oder, je nach Blickwinkel, die falsche – Frau auftauchen, und schon verflüchtigt sich das vermeintlich so stabile Glück.“

„Du hast mir damals erzählt, dass es jetzt auch besser mit der Aufteilung der Hausarbeit und der Kinderbetreuung klappt …“

„Im Augenblick klappt das überhaupt nicht mehr. Sebastian bereitet sich auf eine Ausstellung seiner Fotos vor. Das nimmt ihn so in Anspruch, dass er für banale Dinge wie einzuräumende Geschirrspülmaschinen und das Abholen der Kinder vom Kindergarten keinen Sinn hat. Das bleibt wieder alles an mir hängen.“

„Mit welcher Begründung?“

„Ich hatte ihm damals gesagt, nach dem letzten Buch würde ich eine Pause einlegen, und das wollte ich auch. Aber dann ist es halt anders gekommen als gedacht. Niemand konnte ja mit einem solchen Erfolg rechnen und damit, dass der Verlag gleich einen Nachfolgeband haben will. Aber wenn ich das sage, hört er es einfach nicht. Dabei …“

Michaela verstummte. Sie verdiente im Augenblick deutlich mehr Geld als Sebastian, aber es erschien ihr kleinlich, das zu erwähnen. Es war ja nicht immer so gewesen.

Doch Inga kannte sie gut genug, um zu ahnen, was ihr auf der Zunge gelegen hatte.

„Du bist im Augenblick die Haupt-Ernährerin der Familie“, stellte sie sachlich fest, „also hast du Unterstützung verdient. Warum suchst du dir keine Hilfe im Haushalt?“

„Weil wir das eigentlich zu zweit ganz gut schaffen könnten, wenn wir an einem Strang ziehen würden, und weil ich nicht weiß, wie lange meine Erfolgssträhne anhält.“

Michaela seufzte.

„Kochbücher gibt es wie Sand am Meer, Inga. Gut möglich, dass der Erfolg meines letzten Buches reiner Zufall war, der sich nicht wiederholt. Und dann? Dann haben wir so wenig Geld wie zuvor und können uns keine Haushaltshilfe mehr leisten. Erfolg ist in diesem Geschäft flüchtig, ich will mich darauf lieber nicht verlassen.“

„Das verstehe ich, aber …“

Michaela hörte, wie ein Schlüssel ins Schloss der Wohnungstür gesteckt wurde.

„Da kommt er, Inga, lass uns Schluss machen“, flüsterte sie hastig. Ich ruf dich wieder an.“

„Frag ihn!“, hörte sie ihre Freundin noch sagen, bevor sie das Telefon zur Seite legte und sich wieder dem Bildschirm ihres Laptops zuwandte.

Sebastian ließ sich Zeit, bevor er hereinkam.

„Du bist ja noch auf“, sagte er.

„Ja, bin ich. Es wäre nett gewesen, wenn du mich vorgewarnt hättest, dass es bei dir so spät wird.“

Sofort klang seine Stimme gereizt.

„Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich es getan, aber leider ist es so, dass man bei künstlerischen Prozessen nie vorhersehen kann, wie sie verlaufen. Ich habe mit einem Foto experimentiert, und das hat leider länger gedauert.“

„Trotzdem wäre es nett, wenn du dir zwischendurch die Zeit nehmen könntest, wenigstens Bescheid zu sagen. Ich habe den Tisch für vier gedeckt, aber wieder einmal waren wir beim Essen nur zu dritt …“

„Jetzt hör auf, dich als Märtyrerin darzustellen“, erwiderte Sebastian unwillig. „Schon heute Morgen habe ich gesagt, dass es spät werden kann – und es ist spät geworden. Mehr ist nicht passiert.“

„Wirklich nicht?“

Er starrte sie an.

„Was soll denn die Frage jetzt?“

„Du weißt genau, was sie soll. Triffst du dich mit einer anderen Frau?“

„Drehst du jetzt völlig durch?“ Seine Stimme war unwillkürlich lauter geworden. „Ich habe doch gesagt, wo ich war und was ich gemacht habe! Wenn du einen geregelten Tagesablauf hättest haben wollen, dann hättest du eben jemanden heiraten müssen, der morgens um acht das Haus verlässt und abends pünktlich um fünf aus dem Büro heimkommt.“

„Und woher soll ich wissen, dass du mich nicht anlügst? Du wärst ja nicht der erste Mann …“

„Ich höre mir das nicht länger an!“ Sein Gesicht war hochrot geworden, er sah sich selbst nicht mehr ähnlich. „Wenn es jetzt schon so weit ist, dass du mir nicht mehr glaubst, was ich sage, sind wir am Ende!“

Michaela biss sich fest auf die Lippen, damit ihr nur ja kein Wort mehr entschlüpfte. Sie konnten einfach nicht mehr miteinander reden, es schlichen sich jedes Mal sofort scharfe Untertöne ein, die eine sachliche Diskussion unmöglich machten. Sie wusste, dass sie auch selbst dazu beitrug, aber sie wusste nicht, wie sie es hätte anders – und besser – machen können. Sie traf den richtigen Ton nicht mehr.

Früher, wenn ein Streit aufzuziehen drohte, hatte ganz oft einer von ihnen angefangen zu lachen, und damit war jegliche Schärfe bereits aus der Debatte genommen worden. Heute wurde es immer gleich giftig und böse. Wenn sie jetzt etwas erwiderte, würde alles nur noch schlimmer werden, das wusste sie aus Erfahrung.

„Mir reicht es für heute, ich bin müde, ich gehe ins Bett“, sagte Sebastian. „Es war ein anstrengender Tag.“

Beinahe hätte sie erwidert: Für mich etwa nicht? Doch das konnte sie gerade noch verhindern. Wann hatte das eigentlich angefangen, dieses Aufrechnen, wer was wann getan oder nicht getan hatte? Sie wusste es nicht mehr.

Sie hörte Sebastian ins Bad gehen, und wieder kamen ihr die Tränen. Sollte das jetzt so weitergehen, für immer? Inga hatte recht gehabt: Sie waren ein glückliches Paar gewesen, noch vor gar nicht langer Zeit, doch davon schien nichts übrig geblieben zu sein. Jetzt waren sie ein Paar, das dauernd stritt, weil es sich augenscheinlich über nichts mehr einigen konnte.

Sie fuhr ihren Laptop herunter, arbeiten würde sie ohnehin nicht mehr. Sie musste noch das Vorwort für das neue Buch schreiben und einige der Rezepte überarbeiten, dann konnte sie das Manuskript wegschicken.

Eigentlich hatte sie das heute machen wollen, denn der Verlag saß ihr bereits im Nacken. Natürlich wollten die Verantwortlichen an den Erfolg des letzten Buches anknüpfen. Offenbar war es sinnvoll, nicht allzu viel Zeit verstreichen zu lassen, sonst erinnerten sich die Leute nicht mehr an das erste Buch.

Sie ging ins Bad, danach sah sie noch in die Zimmer der Kinder. Emma, die Fünfjährige, lag wieder einmal ohne Decke da, auf dem Bauch, in leicht verdrehter Haltung. Sie hatte die glänzenden braunen Haare ihrer Mutter geerbt und sah Michaela auch sonst ähnlich. Zärtlich strich sie dem Mädchen über die Wange und deckte es zu. Emma murmelte etwas im Schlaf. Michaela drückte ihr einen Kuss auf die Wange und ging leise wieder hinaus.

Tim, Emmas dreijähriger Bruder, lag auf der Seite, den Daumen im Mund, sein Kuscheltier fest im Arm. Es war ein mittlerweile haarloser Dinosaurier, den Tim immer und überall mit sich schleppte. Nicht einmal im Kindergarten wollte er auf ihn verzichten. Er lag bis zur Nasenspitze unter der Decke, nur seine blonden Haare und die Stirn waren zu sehen.

Auch ihm gab sie einen Kuss, bevor sie das Zimmer wieder verließ.

Im Flur kam ihr Max, die schwarz-weiß getigerte Dogge entgegen und stupste sie zärtlich mit der Schnauze an. Max schlief im Flur, sie hatten von Anfang an klargemacht, dass der Hund in den Schlafzimmern nichts zu suchen hatte. Zunächst hatten die Kinder dagegen rebelliert, die Anweisung schließlich aber akzeptiert.

Das hatte wohl auch damit zu tun, dass Max nicht lange das niedliche Hundebaby geblieben war, als das sie ihn seinerzeit bekommen hatten.

Er war schnell ein sehr großer Hund geworden, der manche Freundinnen und Freunde der Kinder erschreckte, jedenfalls zu Beginn. Doch der Schrecken hielt nie lange vor, denn Max war ein überaus liebenswürdiger Hund, der sich beim Spielen einiges von den Kindern gefallen ließ, ohne jemals unwillig zu reagieren.

„Leg dich wieder hin und schlaf weiter, Max“, flüsterte Michaela, nachdem sie ihm liebevoll den Kopf gekrault hatte.

Aber Max stupste sie wieder, was so viel hieß wie: Kraul mich noch ein bisschen weiter. Das tat Michaela, es beruhigte sie und offenbar auch den Hund. Max reagierte verstört, wenn Sebastian und sie sich stritten, er war harmoniebedürftig. Schließlich trottete er zurück zu seinem Korb, legte sich nieder, bettete den Kopf auf die Vorderpfoten und schloss die Augen.

„Bis morgen“, flüsterte Michaela, bevor sie das Schlafzimmer betrat.

Dort war es dunkel, sie konnte Sebastian atmen hören, leise und regelmäßig, aber sie ließ sich nicht täuschen. Sie wusste, dass er wach war. Dennoch sagte sie kein Wort, schlüpfte auf ihrer Seite des Bettes unter die Decke und drehte sich sofort auf die Seite, mit dem Rücken zu ihm.

Eine Weile lauschte sie seinen Atemzügen, während sie selbst versuchte, ebenso leise und regelmäßig zu atmen. Es war schon vorgekommen, dass er sich nach einem ihrer Wortgefechte zu ihr umgewandt und sie umarmt hatte, aber in dieser Nacht tat er es nicht.

Irgendwann schlief sie ein, während die ungeweinten Tränen dieses Tages hinter ihren geschlossenen Lidern brannten.

***

„Frank“, murmelte Stefan Frank, als am nächsten Morgen zu sehr früher Stunde sein Telefon klingelte. Um diese Uhrzeit konnte es sich nur um einen Notfall handeln.

„Chef, ick glaube, ick muss einen Tag im Bett bleiben“, sagte eine krächzende Stimme.

Es dauerte einen Moment, bis ihm aufging, dass am anderen Ende der Leitung Martha Giesecke sprach, seine langjährige Sprechstundenhilfe. Wie oft war sie in dieser Zeit krank gewesen? Zwei oder drei Mal vielleicht.

„Schwester Martha!“, rief er. „Sie hören sich schrecklich an, ich komme gleich bei Ihnen vorbei.“

„Auf keinen Fall, det will ick nicht. Ick komme schon zurecht …“ An dieser Stelle unterbrach ein Hustenanfall Martha Gieseckes Rede.

„Decken Sie sich zu, ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen“, erklärte Stefan Frank. „Und hören Sie auf, mir zu widersprechen, ich bin immer noch Ihr Chef.“ Er beendete das Gespräch und sprang aus dem Bett.

Die letzte Nacht hatte er allein verbracht, wie auch schon die Nächte davor, denn seine Freundin Alexandra war für ein paar Tage zu einem Kongress für Augenärzte gereist. Er vermisste sie schmerzlich, jeden Tag ein bisschen mehr.

Alexandra hatte sein Leben verändert, es schöner gemacht, er wollte nie mehr ohne sie sein. Bei diesem Gedanken lächelte er unwillkürlich, denn er wusste, dass es ihr umgekehrt ebenso ging.

Er verkürzte seine Morgentoilette auf ein Minimum. Schon zwanzig Minuten später verließ er das Haus mit einem gut gefüllten Arztkoffer und setzte sich in seinen Wagen. Martha Giesecke wohnte nicht sehr weit von ihm entfernt, er brauchte also nicht lange, bis er bei ihr war.

Als sie ihm in einem Morgenmantel die Tür öffnete, erschrak er. Ihr Gesicht war grau, die Augen blickten trübe, und ihm entging nicht, dass sie nicht ganz sicher auf den Beinen war.

„Sie hätten nicht …“, begann sie, doch er ließ sie nicht ausreden.

Behutsam nahm er ihren Arm und schloss die Wohnungstür hinter sich.

„Kommen Sie, Sie müssen zurück ins Bett, Schwester Martha“, sagte er entschieden.

Er untersuchte seine Mitarbeiterin gründlich, horchte ihre Herz- und Lungengeräusche ab und sah ihr in den Hals.

„Mindestens drei Tage strikte Bettruhe, besser wären fünf“, sagte er schließlich mit ruhiger Stimme. „Sie haben eine böse Kehlkopfentzündung, dazu eine ziemlich schlimme Erkältung und Husten. Außerdem haben Sie Fieber, und deshalb werden Sie jetzt genau das tun, was ich Ihnen sage, und brav im Bett bleiben. Gibt es jemanden, der nach Ihnen sehen kann? Ihre Nachbarn vielleicht?“

Martha Giesecke hatte jeglichen Widerstand aufgegeben. Das allein war ein deutliches Zeichen dafür, wie elend sie sich fühlte. Sie nickte matt.

„Angela Dormann“, sagte sie leise. „Sie wohnt gleich nebenan.“

„Rechts oder links von Ihnen?“

„Links, aber …“

„Moment“, sagte er. Er ging hinaus und klingelte an der Tür der Nachbarwohnung.

Schon nach sehr kurzer Zeit öffnete eine junge, rundliche Frau mit lebhaften dunklen Augen und lockigen, ebenfalls dunklen Haaren, die ihn verwundert ansah.

„Frau Dormann?“

Sie nickte abwartend.

„Ich bin Dr. Frank“, stellte er sich vor, „Frau Giesecke arbeitet bei mir.“

„Ist sie krank?“, fragte Angela Dormann sofort.

„Ja, und sie braucht Hilfe. Ich wollte fragen, ob Sie vielleicht gelegentlich nach ihr sehen könnten.“

Die junge Frau griff nach einem Schlüssel und folgte Stefan in Martha Gieseckes Wohnung.

„Natürlich sehe ich nach ihr, ich bin im Augenblick arbeitslos, also habe ich Zeit genug. Ich habe Frau Giesecke gestern schon gesagt, dass sie krank aussieht und ins Bett gehört, aber sie hat gemeint, dafür hätte sie keine Zeit.“

Sie kannte sich offensichtlich in der Wohnung ihrer Nachbarin aus, denn sie steuerte sofort das Schlafzimmer an und schimpfte ein bisschen mit Martha Giesecke, allerdings in einem Tonfall, der sowohl Zuneigung als auch Besorgnis erkennen ließ.

„Ich koche Ihnen gleich eine anständige Brühe“, sagte sie, „und wehe, ich erwische Sie dabei, wie Sie in der Wohnung herumlaufen.“

„Ich habe die Medikamente mitgebracht, die die Patientin einnehmen sollte“, sagte Stefan. „Diese Tropfen zunächst jede Stunde, dazu diese Tabletten, davon eine morgens, eine abends.“

„Ich sorge dafür, dass Frau Giesecke das so einnimmt, wie Sie es angeordnet haben, Herr Dr. Frank.“ Kopfschüttelnd betrachtete Angela Dormann ihre Nachbarin. „Sie sehen noch viel schlimmer aus als gestern. Hätten Sie mal auf mich gehört und sich gleich hingelegt!“, sagte sie.

Martha Giesecke nickte nur, ihr fehlte die Energie, um zu widersprechen.

„Ich sehe heute Abend noch einmal nach Ihnen, Schwester Martha“, sagte Stefan. „Und ich hoffe sehr, dass Sie vernünftig sind und auf mich und Ihre Nachbarin hören.“

„Keine Sorge“, krächzte seine Mitarbeiterin. „Was bleibt mir auch anderes übrig?“

„Bis heute Abend also. Und halten Sie sich warm.“

„Ich mache ihr gleich eine Wärmflasche“, versicherte Angela Dormann, als sie Stefan Frank zur Tür begleitete. „Und Hühnerbrühe koche ich auch. Sie war gestern noch draußen, wissen Sie? Sie hatte jemandem einen Besuch versprochen und hat es nicht übers Herz gebracht, den abzusagen. So eine Unvernunft! Dabei konnte sie gestern schon kaum noch sprechen.“

Auf dem Weg zurück zur Gartenstraße schmunzelte Stefan in sich hinein. Bei ihrer energischen Nachbarin war Martha Giesecke sicherlich in guten Händen.

Er stellte den Wagen ab und betrat das Haus. Ihm blieb noch genug Zeit für ein rasches Frühstück. Also lief er hinauf in den ersten Stock, denn seine Wohnung lag über der Praxis. Er kochte Kaffee und aß zwei Scheiben Brot. Währendessen überlegte er, was Martha Gieseckes überraschender Ausfall für die Sprechstunde bedeutete.

Es würde ohne Zweifel ein heilloses Durcheinander geben, denn Marie-Luise Flanitzer, Marthas jüngere Kollegin, bediente normalerweise Computer und Telefon, und sie führte den Terminkalender. Bei den Patienten half sie nur aus, wenn Not am Mann war.

Das würde heute ganz anders laufen müssen, denn heute war tatsächlich Not am Mann.

Eine Viertelstunde später betrat er die Praxis. Marie-Luise war noch nicht da. Sie kam meistens erst kurz vor Beginn der Sprechstunde, während Martha Giesecke fast immer vor ihm da war, um schon einmal nach dem Rechten zu sehen. Sie lüftete dann auch noch einmal, kochte Kaffee und warf einen Blick in den Terminkalender, um abschätzen zu können, was auf sie zukam.

Heute übernahm Dr. Frank das Lüften und Kaffeekochen, dann fuhr er den Computer hoch. In dem Augenblick betrat Marie-Luise die Praxis.

„Guten Morgen, Schwester Martha, guten Morgen, Herr Dr. Frank!“, rief sie vom Flur her.

„Guten Morgen, Marie-Luise, wir beide werden heute allein mit den Patienten fertigwerden müssen“, sagte er.

Marie-Luises blonder Haarschopf erschien an der Tür. Wie fast immer war sie erhitzt und außer Atem. Ihr Blick war bestürzt.

„Was ist denn mit Schwester Martha?“

Stefan berichtete ihr von seiner Diagnose.

„Ich schätze, sie wird die ganze Woche krank sein“, schloss er seinen Bericht. „Wenn es schlecht läuft, auch noch länger. Die Frage ist, wie wir den Praxisbetrieb organisieren.“

Marie-Luise dachte kurz nach. Sie war nicht so begabt im Umgang mit Menschen wie ihre ältere Kollegin, aber sie konnte methodisch denken.

„Ich sage allen, die kommen, dass Schwester Martha krank ist, Herr Dr. Frank. Es hat keinen Sinn, dass ich versuche, sie zu ersetzen, denn dann haben wir bald Chaos, weil niemand ans Telefon geht und alles Nötige in den Computer eingibt. Also sollte ich wie immer am Empfang sitzen, aber ich rufe jeweils den Patienten auf, der als Nächster an der Reihe ist.“

Sie schaute den Arzt entschlossen an.

„Wenn Blut abgenommen werden muss, kann ich das übernehmen, Blutdruckmessen auch – aber ich schlage vor, dass Sie alles, was Schwester Martha sonst macht, aufschieben, so weit es möglich ist. Wir haben heute eigentlich nur Patienten, die regelmäßig zu uns kommen, die haben sicher Verständnis, wenn wir manche Untersuchungen, die sonst vielleicht heute gemacht worden wären, aufschieben.“

Stefan Frank nickte beifällig.

„Das hört sich vernünftig an, wir versuchen es so. Aber Ihnen ist sicher klar, dass das nur funktioniert, solange wir keinen Notfall hereinbekommen.“

„Malen Sie den Teufel nicht an die Wand“, bat Marie-Luise.

In diesem Augenblick kam die erste Patientin herein, sodass sie ihr Gespräch beendeten. Stefan holte sich noch eine Tasse Kaffee und betrat sein Sprechzimmer, während Marie-Luise mit ihren Erklärungen begann.

Sie hatten zweifellos eine anstrengende Woche vor sich.

***

„Was ist los mit dir?“, fragte Martin Sommerlau, als er sich gegen Mittag in Sebastian Hortens Atelier einfand. „Wieder Ärger mit Michi?“

Martin war Karikaturist, fast zwei Meter groß und hager. Seine dunklen Haare waren zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Er hatte ein kleines Büro neben Sebastians Atelier gemietet, und im Laufe der Zeit waren sie Freunde geworden.

Sebastian nickte. „Wir streiten eigentlich nur noch“, erwiderte er. „Ein ruhiges Gespräch ist gar nicht mehr möglich. Ich bin gestern sehr spät nach Hause gekommen, weil ich so lange an einem Foto gearbeitet habe, und was macht sie? Als Erstes mault sie mich an, weil ich sie nicht angerufen habe. Sie tut dann immer so, als könnte ich meine Arbeit jederzeit unterbrechen …“

„Sie ist deine Frau, und ihr habt zwei Kinder“, warf Martin ein, als Sebastian nicht weitersprach. „Außerdem war Sonntag. Sie hat vielleicht gehofft, ihr würdet etwas zusammen unternehmen.“

„Gehofft, gehofft!“, fuhr Sebastian auf. „Als ginge es immer nur darum, was sie will und was für sie gut ist. Ich hätte auch gerne mehr Zeit, um mit den Kindern zusammen zu sein, aber ich will auch Erfolg haben, und dafür muss man nun einmal arbeiten. Niemand weiß das besser als sie.“

Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar.

„Als sie ihr erstes Buch herausgebracht hat, hat sich auch die ganze Familie ihrem Zeitplan unterordnen müssen. Wie oft hat es da geheißen: ‚Tut mir leid, ich kann jetzt nicht, übernimm du das bitte, ich muss unbedingt noch dieses und jenes fertig machen.‘ Habe ich mich beschwert? Nein, habe ich nicht. Aber ich finde, jetzt bin ich mal an der Reihe.“

„Sie hatte Erfolg mit dem Buch, da ist es doch klar, dass der Verlag daran anknüpfen möchte. Das war ja nicht Michis Idee, dass sie gleich weitermacht, sondern die ihres Verlegers. Ich finde, das kannst du ihr nicht vorwerfen.“

„Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“, knurrte Sebastian.

„Ich wusste nicht, dass man sich bei euch neuerdings entscheiden muss“, erwiderte Martin ruhig. „Nehmt euch mal Zeit, wieder richtig miteinander zu reden. So ist das doch kein Zustand.“

„Ich glaube, unsere Ehe ist am Ende“, murmelte Sebastian.

Martin sah ihn ungläubig an.

„Das ist jetzt aber nicht dein Ernst, oder? Ihr habt zwei Kinder, und bis vor Kurzem seid ihr bestens miteinander ausgekommen.“

„Bis vor Kurzem, aber jetzt eben nicht mehr. Sie geht mir auf die Nerven, und ich gehe ihr auch auf die Nerven, das merke ich. Ich glaube, sie bereut es, dass sie keinen Lehrer geheiratet hat oder einen Büromenschen mit geregelten Arbeitszeiten.“

„Das ist doch Quatsch, Sebastian, und das weißt du auch. So ist Michi nicht. Sie war immer so stolz auf dich und deine Fotos …“

„Ist sie jetzt aber nicht mehr, jetzt ist sie nur noch stolz auf sich und ihre Arbeit. Und auf ihren Erfolg, natürlich.“

„Darauf kann sie ja auch stolz sein. Das ist ein großartiger Erfolg. Du solltest auch stolz auf sie sein.“

„Bin ich ja, aber darüber muss man ja nicht alles andere vergessen, oder?“

„Tut sie das denn? Alles andere vergessen?“

„Für mich und meine Fotos interessiert sie sich jedenfalls nicht mehr. Alles, was sie von mir will, ist, dass ich ihr Arbeit im Haushalt und mit den Kindern abnehme, damit sie mit ihrem neuen Buch schneller fertig wird.“

Martin sah ein, dass es wenig Sinn hatte, die Diskussion an diesem Punkt fortzusetzen.

„Lass uns was essen gehen“, schlug er daher vor. „Ich habe Hunger. Oder willst du über Mittag nach Hause?“

„Auf keinen Fall“, entgegnete Sebastian. „Die Kinder sind sowieso im Kindergarten, und mit Michi bin ich im Moment lieber nicht allein. Das endet immer gleich, und das kann ich gerade nicht gebrauchen. Außerdem, wenn ich ihr erzähle, dass ich nächste Woche nach New York fliege …“

„Wie bitte? Davon weiß ich ja noch gar nichts.“

„Ich habe eine Einladung von einer Galerie bekommen. Sie sind an meinen Fotos interessiert und wollen sie ausstellen.“

„Aber das ist doch großartig! Und wieso hast du Michi davon nichts erzählt?“

„Weil sie es mir madigmachen würde. Ich habe nur ganz allgemein gesagt, dass ich eine Ausstellung vorbereite. Sie meckert ja jetzt schon die ganze Zeit, dass sie viel mehr mit den Kindern und im Haushalt macht als ich.“

„Stimmt das denn nicht?“, fragte Martin.

Ein zorniger Blick traf ihn.

„Sie arbeitet zu Hause, ich nicht. Da ist es doch ganz klar, dass sie mehr macht, oder nicht?“

Martin hielt es für besser, diese Frage nicht zu beantworten.

„Lass uns gehen“, schlug er vor.

Sebastian nickte, zog eine Jacke über und folgte seinem Freund über die Straße zu einer Pizzeria, in der sie Stammgäste waren. Er hatte ein schlechtes Gewissen, schob es aber beiseite.

Natürlich war er früher so oft es nur ging mittags nach Hause gegangen, um mit Michaela zusammen zu sein, aber jetzt war es eben nicht mehr so. Jetzt ging er lieber mit Martin essen. Und natürlich hätte er ihr früher sofort von der Einladung nach New York erzählt, aber jetzt verspürte er keinerlei Bedürfnis danach.

Dabei liebte er sie immer noch. Manchmal, wenn sie nicht merkte, dass er sie ansah, verspürte er dieses vertraute Ziehen in seinem Körper und ertappte sich bei dem Wunsch, sie in die Arme zu nehmen und so lange zu küssen, bis alles wieder so wäre wie früher.

Er hatte Sehnsucht nach ihr, nach dem Strahlen in ihren Augen, wenn sie sich geliebt hatten, nach ihren zärtlichen Händen. Und er sehnte sich auch nach der Unbeschwertheit, die sie früher immer ausgestrahlt hatte.

Aber wie stark sein Wunsch, sie zu umarmen, auch war, er gab ihm nicht mehr nach.

Er schob die Fragen beiseite, warum das so war und wann die Probleme angefangen hatten. Er fand ja doch keine Antworten, und er hatte es satt, immer wieder erfolglos darüber nachzudenken.

***

Michaela wollte gerade in die Küche gehen, um sich einen Salat zu machen, als das Telefon klingelte und sich ihre Lektorin meldete.

Katharina Weissenberg war eine lebende Legende. Sie war über sechzig, seit mehr als vierzig Jahren im selben Verlag tätig und in dieser Zeit eine Art Berühmtheit geworden.

Sie hatte, wie man so sagte, „ein Händchen“ für Projekte, die Erfolg versprachen. Ihr Verlag war eigentlich ein literarischer Verlag, in dem einige Bestsellerautoren ihre Romane veröffentlichten, die in der Mehrzahl von Katharina entdeckt und gefördert worden waren.

Doch kurz vor ihrem sechzigsten Geburtstag hatte sie ihrem Verleger gestanden, sie habe die Nase voll von Romanen, sie wolle etwas ganz anderes machen. Und da sie nicht nur eine leidenschaftliche Lektorin war, sondern auch eine leidenschaftliche Köchin, hatte sie ihm eine Reihe mit dem Titel „literarische Rezeptbücher“ vorgeschlagen, worin es eben nicht nur um Rezepte ging, sondern auch um Geschichten, die sich um die jeweiligen Gerichte rankten.

Michaelas Buch war das dritte in der Reihe gewesen. Sie hatte es ihren Kindern gewidmet und hauptsächlich Rezepte veröffentlicht, die Emma und Tim liebten. Es war ein buntes Allerlei geworden, hatte aber offenbar den Nerv junger, berufstätiger Frauen und Männer getroffen, die daran verzweifelten, dass ihre Kinder vor allem Nudeln und Hamburger essen wollten.

Katharina hatte ihren Ansatz von Anfang an großartig gefunden und nach Kräften unterstützt. Ihre Idee mit den Rezeptbüchern wurde mittlerweile von niemandem im Verlag mehr belächelt, zumal deren Erfolg so manchen Roman mitfinanzierte.

„Wie weit bist du?“, fragte Katharina, die immer gleich zur Sache kam.

„Mit zwei Rezepten bin ich noch nicht zufrieden, aber das Vorwort ist fertig, und der Rest steht auch.“

„Kannst du mir das schon schicken? Die zwei Rezepte lieferst du dann nach. Wir wollen mit der Fotoproduktion beginnen. Du bist dir sicher, dass dein Mann die Fotos auch dieses Mal nicht machen will?“

„Ganz sicher“, antwortete Michaela. „Diese Art Fotos macht er nicht, Kathi, das habe ich dir doch schon gesagt.“

Ihre Lektorin seufzte.

„Dabei wird die Arbeit gut bezahlt, und auch ein Künstler kann sich dabei verwirklichen. Essen so zu fotografieren, dass einem das Wasser im Munde zusammenläuft, ist eine Kunst für sich, und ich bin mir sicher, Sebastian hätte Vergnügen daran.“

„Vergiss es, ich frage ihn nicht noch einmal. Er will nicht. Punkt.“

„Schade.“ Eine kurze Pause entstand, bevor Katharina noch einmal nachhakte. „Kannst du mir alles, was fertig ist, schicken?“

„Ja, das mache ich gleich“, versprach Michaela. „Hoffentlich ist es kein Fehler, dieses zweite Buch so schnell nachzuschieben, Kathi.“

„Nein, ist es nicht, glaub mir. Aber mit dem dritten lassen wir uns mehr Zeit, auf jeden Fall. Und zu Weihnachten bringen wir dann alle drei in einem hübschen Schuber heraus, als Geschenkkassette. Außerdem denke ich, wir sollten eine DVD machen.“

„Wofür das denn?“

Katharina lachte. „Du vor der Kamera, wie du die einzelnen Schritte erklärst, die nötig sind, um zum gewünschten Erfolg zu kommen – also zu einem schmackhaften Essen. Sag bloß, dieser Gedanke ist dir noch nicht selbst gekommen.“

„Bestimmt nicht. Außerdem wäre ich vor einer Kamera gehemmt, das könnte ich nicht.“

„Doch“, erklärte Katharina bestimmt, „das könntest du. Vertrau mir, das wird ein noch größerer Erfolg als die Bücher. Aber wir machen eins nach dem anderen. Jetzt ist erst einmal das zweite Buch an der Reihe.“

Als sie sich voneinander verabschiedet hatten, fühlte sich Michaela ein wenig schwindelig. Das ging alles viel zu schnell! Erst der unglaubliche Erfolg ihres ersten Buches, jetzt erschien schon bald das zweite, und dann sollte sie auch noch vor der Kamera kochen …

Sie ertappte sich dabei, dass sie zum Telefon greifen und Sebastian anrufen wollte, um ihm die Neuigkeit brühwarm zu erzählen, wie sie es früher immer getan hatte, aber sie ließ die bereits erhobene Hand wieder sinken. Es war ja nichts mehr so wie früher, warum also sollte sie es ihm erzählen?

Er würde doch nur eine abfällige Bemerkung machen und ihr den Spaß gründlich verderben. Da war es doch besser, sie behielt ihre Neuigkeit erst einmal für sich.

***

„Das war der letzte Patient für heute, Herr Dr. Frank“, sagte Marie-Luise. „Wir haben es ganz gut hingekriegt, oder?“

Er nickte lächelnd.

„Das haben wir, Marie, und unsere Patientinnen und Patienten haben ordentlich mitgeholfen. Aber ein bisschen Glück hatten wir natürlich auch, dass kein Notfall hereinkam und auch sonst nichts Unvorhergesehenes passiert ist.“

Marie-Luise Flanitzer hatte ihren angestammten Platz am Empfang mehrere Male verlassen müssen, um Patienten Blut abzunehmen, das dringend untersucht werden musste. Sie hatte auch zwei Verbände angelegt, aber im Allgemeinen waren sie so verfahren, wie sie es morgens vorgeschlagen hatte: Was von Martha Gieseckes Tätigkeiten aufgeschoben werden konnte, hatten sie aufgeschoben, und so waren sie sogar recht gut in der Zeit geblieben.

Freilich gab es keinerlei Garantie dafür, dass die nächsten Tage ähnlich glimpflich verlaufen würden, aber für heute konnten sie zufrieden sein.

„Fahren Sie jetzt noch einmal zu Schwester Martha?“, erkundigte sich Marie-Luise.

„Auf jeden Fall, ich habe ihr einen zweiten Besuch für heute angekündigt.“

„Dann grüßen Sie sie bitte herzlich von mir, Chef. Wenn sie sich morgen ein bisschen besser fühlt, gehe ich abends mal bei ihr vorbei.“

„Warten Sie lieber noch, bis die Ansteckungsgefahr vorüber ist“, riet Stefan Frank. „Und jetzt ab mit Ihnen nach Hause, Marie. Sie haben heute sehr viel geleistet.“

Er sah, wie sehr sie sich über das Lob freute, und sofort bekam er ein schlechtes Gewissen. Er arbeitete mit Martha Giesecke viel enger zusammen als mit Marie-Luise, was vor allem daran lag, dass er mit Martha ständig zu tun hatte, während er ihre jüngere Kollegin an manchen Tagen kaum zu Gesicht bekam.

Aber das durfte ihn nicht daran hindern, ihr gelegentlich zu sagen, wie zufrieden er mit ihrer Arbeit war, denn das war er. Ihre Praxisorganisation war tadellos, und auch bei Notfällen oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen behielt sie stets einen klaren Kopf und die Übersicht. Er würde in Zukunft öfter ein Lob aussprechen, nahm er sich vor.

Sie verabschiedete sich mit einem strahlenden Lächeln. Stefan Frank ging kurz nach oben in seine Wohnung, um wenigstens eine Kleinigkeit zu essen, bevor der letzte Teil seines Arbeitstages begann. Sein Besuch bei Martha Giesecke würde nur der Anfang davon sein, deshalb brauchte er etwas im Magen.

Er war seit Studientagen mit Ulrich Waldner befreundet, der Chirurg geworden war und immer von einer eigenen Klinik geträumt hatte. Diesen Traum hatte er sich vor Jahren erfüllt, während Stefan sich als Allgemeinmediziner und Geburtshelfer mit eigener Praxis im Münchner Vorort Grünwald niedergelassen hatte.

Die Waldner-Klinik lag in Schwabing, direkt neben dem Englischen Garten, und seit ihrer Eröffnung hatte Stefan dort Belegbetten.

Für die Freunde war das ein in jeder Hinsicht vorteilhaftes Arrangement: Stefan wusste, dass seine Patienten die bestmögliche Behandlung erhielten, Ulrich hatte gesicherte Einkünfte, und sie konnten endlich wieder zusammenarbeiten, was immer ihr Ziel gewesen war. Außerdem sahen sie sich sehr oft, was ihre Freundschaft vertieft und gefestigt hatte.

Der einzige Nachteil war die Entfernung zwischen Grünwald und Schwabing. Die Fahrt kostete besonders während des Berufsverkehrs viel Zeit. Aber da Stefan fand, dass seine stationär aufgenommenen Patienten ein Anrecht auf tägliche Betreuung durch ihren Hausarzt hatten, fuhr er jeden Tag nach der Sprechstunde nach Schwabing, trotz des weiten Weges.

Heute würde er noch später als sonst in der Waldner-Klinik eintreffen, da er zuerst Martha Giesecke besuchen wollte.

Als er bei seiner Mitarbeiterin geklingelt hatte, wurde ihm von ihrer Nachbarin Angela Dormann geöffnet.

„Es geht ihr schon viel besser“, raunte sie ihm vergnügt zu, „aber sie ist eine schreckliche Patientin, Herr Dr. Frank. Dauernd muss ich aufpassen, dass sie auch wirklich unter der Decke bleibt. Ich habe schon ein paar Mal richtig mit ihr geschimpft. Aber sie hat drei Teller Hühnerbrühe gegessen, wer weiß, wann sie zuletzt etwas gegessen hatte.“

„Gut, dass Sie da sind“, erwiderte er und meinte es auch so.

Er sah auf den ersten Blick, dass Angela Dormann recht gehabt hatte mit ihrer Einschätzung, dass es Martha Giesecke besser ging. Als sie ihn begrüßte, krächzte sie zwar immer noch wie ein Rabe, aber ihre Augen blickten nicht mehr so trüb, und auch das Fieber war gesunken. Also hatten die Medikamente – zusammen mit Frau Dormanns sicherlich hervorragender Hühnerbrühe – Wirkung gezeigt.

Er griff nach dem Handgelenk der Patientin, sah in ihren Hals und nickte zufrieden.

„Noch ein paar Tage Bettruhe, dann haben Sie es überstanden, Schwester Martha“, sagte er.

„Es macht mich verrückt, im Bett zu liegen, wo ick doch weiß, wie viel in der Praxis zu tun ist.“

„Sie hören das bestimmt nicht gern, aber wir sind heute gut zurechtgekommen, Marie und ich“, erklärte er. „Von ihr soll ich Sie übrigens herzlich grüßen, sie kommt vorbei, sobald keine Ansteckungsgefahr mehr besteht. Und nun geben Sie Ruhe, meine Liebe. Wenn jemand in Ihrem Zustand in unsere Praxis käme, was würden Sie dem dann sagen?“

Sie funkelte ihn an.

„Det wissen Sie ganz genau, aber ick …“

„Sie würden ihm sagen, er solle ja im Bett bleiben, und genau das sage ich jetzt zu Ihnen. Und ich will keinen Widerspruch mehr hören, verstanden? Machen Sie das Beste daraus, Schwester Martha. Lesen Sie ein Buch, das Sie schon immer mal lesen wollten, sehen Sie sich von mir aus ein paar Filme an, wenn Sie dabei warm eingepackt auf dem Sofa liegen, lassen Sie sich von Frau Dormann verwöhnen, und versuchen Sie, die Praxis und Ihre Arbeit mal für ein paar Tage zu vergessen.“

„Det kann ick nicht!“

„Natürlich können Sie das, Sie müssen sich nur ein bisschen anstrengen. Ich sehe morgen in meiner Mittagspause wieder nach Ihnen.“ Stefan lächelte breit. „In der Zwischenzeit vertritt mich Frau Dormann. Ihren Anweisungen ist unter allen Umständen Folge zu leisten.“

Martha wollte etwas erwidern, doch die Stimme versagte ihr den Dienst. Ihr fassungsloser Blick folgte ihm, bis er das Zimmer verlassen hatte.

Angela Dormann strahlte über das ganze Gesicht.

„Was Sie da gesagt haben, gefällt mir: ‚Den Anweisungen von Frau Dormann ist Folge zu leisten.‘ Haben Sie Frau Gieseckes Gesicht gesehen? Sie ist beinahe in Ohnmacht gefallen.“ Sie kicherte vor sich hin. „Morgen kriegt sie neue Hühnerbrühe und zum Frühstück vielleicht ein weichgekochtes Ei. Ich glaube, das würde ihr schmecken.“

„Was sind Sie eigentlich von Beruf, Frau Dormann?“, fragte Dr. Frank.

„Verkäuferin“, antwortete sie. „Textilfachverkäuferin. Ich war in einem kleinen Geschäft für Damenmoden, aber die Inhaber waren alt und haben es aufgegeben. Mir tut das leid, ich würde lieber wieder in einen kleinen Laden gehen als in ein Kaufhaus, aber mir bleibt wahrscheinlich nichts anderes übrig, wenn ich nicht ewig arbeitslos bleiben will.“

„Oder Sie machen noch eine Ausbildung zur Krankenschwester. Mir scheint, Sie haben Talent.“

Doch Frau Dormann winkte ab.

„Kein Interesse, echt nicht. Mit Frau Giesecke macht mir das Spaß, weil ich sie gern habe, aber sonst könnte ich mich dafür nicht erwärmen, Herr Dr. Frank. Muss ich auf irgendetwas noch besonders achten?“

„Machen Sie einfach so weiter, Frau Dormann, besser geht’s nicht.“

Sie strahlte wieder.

„Wenn Sie weiterhin so reden, überlege ich mir das mit der Ausbildung zur Krankenschwester noch mal“, sagte sie.

Lächelnd setzte sich Stefan Frank wieder ans Steuer seines Wagens, um nach Schwabing zu fahren. Um Martha Giesecke musste er sich wohl keine Sorgen mehr machen, sie war wirklich in den allerbesten Händen.

Als er die Klinik erreichte, besuchte er zuerst seine Patienten. Das dauerte jeweils unterschiedlich lang, abhängig von der Zahl der Patienten und ihrem Zustand, der manchmal mehr, manchmal weniger ärztliche Zuwendung erforderte. An diesem Abend brauchte er eine knappe Stunde.

Als er das letzte Krankenzimmer verließ, knurrte sein Magen vernehmlich. Er hatte wohl doch nicht genug gegessen, bevor er aufgebrochen war.

Ulrich Waldner erwartete ihn bereits sehnsüchtig, denn er sprang sofort auf, als Stefan sein Büro betrat.

„Da bist du ja endlich!“, rief er. „Wo hast du denn so lange gesteckt?“

Sie umarmten einander freundschaftlich.

„Bei Martha Giesecke“, antwortete Stefan, als sie sich setzten. „Sie ist krank, stell dir vor. Und danach habe ich hier meinen üblichen Rundgang gemacht.“

Ulrich, der bereits zwei Tassen mit Kaffee gefüllt und vor sie auf den Tisch gestellt hatte, blickte überrascht hoch.

„Schwester Martha ist krank? Wann ist das denn zuletzt vorgekommen? Vor zehn Jahren?“

„Ich erinnere mich nicht genau“, gestand Stefan. „Es hat uns unerwartet getroffen, Marie-Luise und mich, aber wir haben uns gut geschlagen, finde ich. Und Schwester Martha wird von einer Nachbarin betreut, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Sie kocht Hühnersuppe und lässt die Patientin nicht aus dem Bett.“

„A propos Hühnersuppe: Bleibst du zum Abendessen?“, fragte Ulrich. „Ruth hat danach gefragt. Sie hätte dich auch gern mal wieder in Ruhe gesehen – und jetzt, wo Alexa auf dem Kongress ist, fühlst du dich doch bestimmt einsam. Was läge also näher als ein Abendessen mit guten Freunden …“

„Schon überredet“, sagte Stefan. „Ich bin hungrig wie ein Wolf.“

Und so tranken sie den Kaffee recht schnell, bevor sie mit dem Fahrstuhl nach oben ins Penthaus fuhren, wo Ruth und Ulrich Waldner eine großzügige Wohnung mit Blick auf den Englischen Garten bewohnten. Für die ausladende Dachterrasse war es noch zu kühl, aber eine Wärmefront war angekündigt worden, also würden sie vermutlich schon bald wieder draußen sitzen können.

Ruth Waldner begrüßte Stefan mit einem Kuss auf jede Wange. Sie arbeitete ebenfalls in der Klinik, als Anästhesistin. Wenn Ulrich operierte, hatte er am liebsten sie an seiner Seite.

„Dass ich dich endlich mal wieder zu Gesicht bekomme“, rief sie. „Du hast dich in den letzten Wochen ja ziemlich rar gemacht, Stefan.“

„Zu viel Arbeit“, erwiderte er. „Du weißt doch selbst am besten, wie das ist.“

„Allerdings“, erwiderte sie mit einem Seufzer. „Bei uns war ja auch Land unter, aber jetzt sieht es wieder besser aus. Hast du Hunger?“

„Sehr großen“, gestand er.

„Dann helft mir, den Tisch zu decken. Es gibt gefülltes Huhn. Wann kommt Alexa wieder?“

„Leider erst am Freitag“, antwortete Stefan und merkte selbst, wie sehnsüchtig seine Stimme klang.

Ruth und Ulrich lächelten nur. Sie deckten den Tisch, und anschließend ließen sie es sich schmecken. Stefan genoss nicht nur das Essen, sondern auch die Gespräche mit seinen Freunden. Es stimmte, was Ruth gesagt hatte: Wieder einmal war viel zu viel Zeit vergangen seit dem letzten gemeinsamen Abend. Sie mussten das in Zukunft häufiger machen.

***

Natürlich war Sebastian auch heute nicht so frühzeitig nach Hause gekommen, dass er die Kinder aus dem Kindergarten hätte abholen können. Michaela schluckte ihren aufwallenden Ärger hinunter. In letzter Zeit tat er so, als wäre er ein Mann ohne familiäre Verpflichtungen.

Sie hatte schon mehrmals versucht, mit ihm darüber zu reden, aber er hatte jedes Gespräch darüber abgeblockt und behauptet, vor der Veröffentlichung ihres ersten Buches hätte er ihr alles Mögliche abgenommen, damit sie in Ruhe habe arbeiten können. Jetzt sei er an der Reihe.

Ganz falsch war das nicht, er hatte damals wirklich viele Pflichten übernommen, als sie vor lauter Arbeit manchmal nicht hatte einschlafen können. Doch das lag nun schon einige Zeit zurück, und sie hatte – jedenfalls war das ihr Eindruck – längst aufgeholt, was er ihr damals an zusätzlicher Arbeit vorausgehabt hatte.

Aber wenn sie das zu erwähnen wagte, ging er immer gleich an die Decke und erklärte, wie trostlos er es fände, dass sie es jetzt schon nötig hätten, ihre Leistungen gegeneinander aufzurechnen.

Sie hatte sich mit Max auf den Weg gemacht, der genau wusste, wohin sie gingen. Er begleitete sie oft, wenn sie die Kinder abholte. Sie hatte ihn gern bei sich, außerdem brauchte er viel Auslauf, und sie war sich nicht immer sicher, ob er genug davon bekam.

Wie üblich waren sie spät dran. Emma und Tim warteten schon ungeduldig auf sie, aber sie beklagten sich nicht, als sie sahen, dass Max ihre Mutter begleitete. Emma fiel zuerst Michaela um den Hals, dann Max; bei Tim war es umgekehrt. Max ließ alle Liebkosungen, auch wenn sie ungelenk ausfielen, geduldig über sich ergehen.

Er war der ideale Familienhund, das hatte Michaela schon öfter gedacht. Er hatte noch nie erkennen lassen, dass ihm etwas zu viel wurde. Das Äußerste, was er sich gestattete, war ein ruhiges Verlassen des Raums, wenn ihm Lärm und Getobe zu viel wurden, aber selbst das kam selten vor. Meistens lag er ruhig auf dem Teppich, auch wenn um ihn herum die Welt unterzugehen drohte.

„Kommt Papa heute Abend zum Essen?“, fragte Emma.

„Das weiß ich nicht“, antwortete Michaela wahrheitsgemäß. „Er hat im Augenblick halt sehr viel zu tun.“

„Aber er isst nie mehr mit uns“, jammerte Emma.

Da wollte Tim nicht zurückstehen und stimmte in ihr Klagelied ein, bis es Michaela zu viel wurde.

„Schluss jetzt“, sagte sie. „Ihr könnt ihn ja nachher anrufen und ihm sagen, dass ihr ihn sehen wollt.“

Das beruhigte die beiden erst einmal, sodass der restliche Heimweg ruhig verlief. Sie nahmen Max zwischen sich und freuten sich an den wahlweise neidischen, ängstlichen, oft aber auch bewundernden Blicken der anderen Kinder.

„So einen großen Hund wie wir hat sonst niemand“, sagte Tim stolz. „Max ist der Größte von allen und der Stärkste und der Schönste.“

„Du bist ein alter Angeber, Tim“, sagte Emma. „Der Berner Sennenhund von Lohmeyers ist noch größer.“

„Aber er ist nicht schöner“, trumpfte Tim auf.

Michaela mischte sich nicht ein, dieses Gespräch gab es mindestens einmal am Tag. Entweder ging es um Max oder um etwas anderes, das größer, schöner, besser war als bei anderen. Es stimmte schon, dass Tim gerade eine angeberische Phase hatte, aber soweit sie wusste, hörte das normalerweise irgendwann von selbst wieder auf.

Sie hatte ihn auch schon damit prahlen hören, dass sein Papa die besten, schönsten, größten Fotos der Welt machte und seine Mama die tollsten Bücher schrieb.

„Du bist manchmal wirklich blöd“, sagte Emma mit der ganzen Verachtung ihrer fünf Jahre.

Tim streckte ihr die Zunge heraus, aber zum Glück erreichten sie ihre Wohnung, bevor Emma zu einem erneuten Tiefschlag gegen ihren Bruder ausholen konnte.

Zu Michaelas nicht geringem Erstaunen und zum Entzücken der Kinder war Sebastian zu Hause, als sie die Wohnung betraten. Emma und Tim stürmten auf ihn zu und wollten ihn gar nicht wieder loslassen. Es fiel Michaela schwer, sich zu beherrschen und keine böse Bemerkung zu machen, obwohl ihr etwas Entsprechendes auf der Zunge lag.

War es etwa nicht ungerecht, dass er sie praktisch wochenlang mit dem Haushalt und den Kindern alleinließ? Und dann musste er nur einmal zum Abendessen auftauchen und wurde schon begeistert empfangen.

Aber sie schluckte alles, was sie so gerne gesagt hätte, hinunter und begab sich in die Küche, denn für die Mahlzeiten war sie natürlich auch allein zuständig, seit Sebastian ständig so viel zu tun hatte, dass er sich um nichts als seine Fotos kümmern konnte.

Sie hatte Kartoffeln mit Grünkohl und Spiegeleiern eingeplant, aber Sebastian durchkreuzte ihre Pläne. Als er hörte, was es geben sollte, verzog er das Gesicht.

„Wer möchte lieber Hamburger essen?“, fragte er und hob selbst als Erster die Hand.

Natürlich schlossen sich ihm beide Kinder jubelnd an.

Mehr brauchte es nicht, um Michaela innerlich zum Kochen zu bringen. Er wusste genau, was sie von Hamburgern hielt – und vor allem von den Läden, die sie verkauften – und so war sein Vorstoß ganz klar auch ein Angriff auf ihre Autorität. Sie war sich sicher, dass er das bewusst gemacht hatte, und sie nahm es ihm übel.

Aber es kam nicht in Frage, vor den Kindern eine Grundsatzdiskussion zu führen, also schwieg sie.

„Nun komm schon, wir wollen los, zieh den Kleinen an“, drängte Sebastian.

Michaela schüttelte den Kopf. Inzwischen war sie noch wütender als zuvor. Typisch, dass er nicht einmal auf die Idee kam, Tim selbst anzuziehen!

„Ich habe keine Lust auf Hamburger“, sagte sie. „Wie du weißt, esse ich sie nicht gern. Geht allein, bis später.“ Sie wusste, dass sie den Kindern den Spaß verdarb, aber sie konnte nicht anders, und es freute sie, als sie sah, dass auch Sebastian sofort die Lust verlor.

Natürlich wollte er nicht mit den Kindern allein sein, denn dann musste er Tim beim Essen helfen, damit nicht der größte Teil des Hamburgers auf seiner Kleidung landete, und er würde mit dem Jungen zur Toilette gehen müssen, wenn es wieder einmal dringend war. Und er musste Tim in seine Jacke zwängen und ihn auch wieder herausschälen. Das war normalerweise Mama-Arbeit. Aber er hatte es ja so haben wollen.

„Viel Spaß“, sagte sie, drehte sich um und wollte in die Küche gehen.

„Aber du sollst mitkommen, Mama!“, rief Emma mit leisen Anklängen von Hysterie in der Stimme. Sie war erst fünf, aber sie begriff schon vieles, und natürlich spürte sie den Unfrieden zwischen ihren Eltern.

„Ich mag keine Hamburger, das wisst ihr doch. Ich würde euch nur den Appetit verderben. Geht schon, wir sehen uns später.“

Sebastian sah aus, als würde er jeden Moment platzen, aber er beherrschte sich. Sein Blick verhieß jedoch nichts Gutes, als er Tims Jacke vom Haken riss.

Sie betrat die Küche und überließ ihm alles Weitere. Die Freude der Kinder war jetzt schon gedämpft, sie hörte es an ihren Stimmen. Es war natürlich nicht nett von ihr, ihnen den Spaß zu verderben, aber Sebastians Vorschlag war ja ihr gegenüber auch nicht nett gewesen.

Sie jedenfalls würde essen, was sie für alle geplant hatte: Kartoffeln, Spiegelei und Grünkohl. Eigentlich aß sie das gern, es war ein Essen aus ihrer Kindheit, dabei überkamen sie regelmäßig schöne Erinnerungen, aber heute funktionierte das nicht.

Die Kartoffeln schmeckte fade, und das Eigelb war zerlaufen, was sie nicht mochte. Nur der Grünkohl war gut. Sie aß wenig, den Rest würde sie am nächsten Tag den Kindern vorsetzen.

Sie blieb eine Weile am Küchentisch sitzen und versuchte, über ihre Situation nachzudenken. Es fühlte sich so an, als stünde ihre Ehe vor dem Aus. Zum ersten Mal dachte sie das klar und deutlich, ohne auszuweichen oder etwas zu beschönigen.

Sebastian und sie waren eindeutig in einer Krise, und wenn sie nicht aufpassten, würden sie daran scheitern.

Und noch etwas kam ihr in den Sinn: dass immer beide Parteien zu einer Krise beitrugen. Sie war kein Unschuldslamm, das wusste sie. Sie konnte auch austeilen. Aber … sie hatte eben doch das Gefühl, dass die Probleme von Sebastian ausgingen, dass er derjenige war, der diese Kälte in ihre Beziehung gebracht hatte.

Oder machte sie sich etwas vor? Stimmte das gar nicht? Sie liebte ihn doch noch, obwohl sie manchmal so zornig auf ihn war, dass sie am liebsten laut gebrüllt hätte. Aber sie wusste ja, dass er auch anders sein konnte, als er es in letzter Zeit war, und sie fand ihn noch immer attraktiv mit seinen störrischen blonden Haaren und den blauen Augen, in denen sie früher Liebe und Zärtlichkeit gelesen hatte – und Begehren …

Sie saß noch in der Küche, als sie die drei zurückkommen hörte. Emma kam zuerst herein und umarmte ihre Mutter.

„Bist du böse, Mami?“, flüsterte sie.

„Nein, bin ich nicht. Hat’s euch denn geschmeckt?“

Emma nickte, aber ihr Blick war unsicher. Michaela spürte, dass sie gern zwischen ihren Eltern vermittelt hätte, doch natürlich wusste sie nicht, wie.

Sie hörte Sebastian im Flur über Tims Jacke fluchen und konnte sich ein boshaftes kleines Lächeln nicht verkneifen. Gleich darauf kam der Junge in die Küche.

„Mein Hamburger war so groß“, behauptete er, während er mit den Händen eine riesige Kugel andeutete.

„Hauptsache, er hat dir geschmeckt“, bemerkte Michaela und strich ihm über den Kopf.

„Ja, am liebsten würde ich jeden Tag Hamburger essen“, verkündete Tim.

„Dann soll ich also nicht mehr kochen? Und du gehst jeden Tag mit Papa essen?“

„Tim ist ein Quatschkopf“, sagte Emma schnell, die merkte, dass es gefährlich wurde.

„Bin ich gar nicht!“, rief Tim und rannte beleidigt aus der Küche.

Emma folgte ihrem Bruder. Michaela hörte sie noch eine Weile streiten, aber wie meistens wurde es ihnen bald langweilig. Als sie ein paar Minuten später das Wohnzimmer betrat, lagen beide friedlich auf dem Teppich und sahen sich Bilderbücher an.

Emma „las“ ihrem Bruder frei erfundene Geschichten vor, zu denen er gelegentlich eine Wendung beisteuerte, die sie bereitwillig aufgriff.

Von Sebastian war nichts zu sehen. Auch gut, dachte Michaela, aber natürlich war überhaupt nichts gut. Immerhin sagte er später noch den Kindern gute Nacht, aber mit Michaela sprach er kein Wort.

Das tat er erst, als er eine halbe Stunde nach ihr ins Bett ging. Sie las noch, wie sie es meistens tat.

„Das war heute unfair“, sagte er.

„Was genau?“, fragte sie. „Dass du mein Abendessen sabotiert hast? Oder dass du Hamburger vorgeschlagen hast, obwohl du weißt, dass ich die Kinder an diese Art von Essen gar nicht erst gewöhnen möchte?“

Er stand am Fußende des Bettes und starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an.

„Du kannst überhaupt nichts mehr locker sehen, oder? Ständig reitest du auf irgendwelchen Prinzipien herum, und alle außer dir machen ja sowieso ständig Fehler. Du bist die Einzige, die den Durchblick hat und alles richtig macht. Ich wollte nur mal wieder einen lustigen Abend zu viert verleben, ohne dass wir gleich wieder in eine Grundsatzdiskussion verfallen. Aber nicht einmal das ist ja noch möglich.“

Sie antwortete nicht, weil sie wusste, dass sie in Tränen ausbrechen würde, und sie wollte nicht, dass er sie weinen sah. Sie wollte nicht, dass er sah, wie sehr er sie verletzte. Sie hätte ihn gern gefragt, ob er wusste, was mit ihnen beiden los war, aber sie würde kein Wort herausbringen. Nicht jetzt.

„Klar“, hörte sie Sebastian sagen, „und jetzt auch noch schweigen. Das konntest du auch schon immer gut, mich mit Schweigen bestrafen. Wäre ich doch bloß in meinem Atelier geblieben und hätte gearbeitet. Dabei wäre wenigstens etwas Vernünftiges herausgekommen. Manchmal frage ich mich, was das Ganze hier noch soll.“

Michaela konnte die Tränen nicht länger zurückhalten, sie liefen ihr über das Gesicht, und im Nu war ihr Kopfkissen nass. Aber sie gab keinen Ton von sich und rührte sich nicht. So lag sie da, von ihrem Mann abgewandt, und weinte lautlos, bis irgendwann, nach langer Zeit, keine Tränen mehr kamen.

Zu dem Zeitpunkt war Sebastian längst eingeschlafen.

Sie aber lag da, hellwach und unglücklich und lauschte auf die Geräusche der Nacht, während ihr das Herz immer schwerer wurde. Sie sah keinen Ausweg mehr.

Irgendwann später, sie war noch immer wach, hörte sie ein Geräusch, ganz in der Nähe. Sie setzte sich auf und lauschte. Was war das? Das klang ja beinahe so, als wäre jemand in der Wohnung.

Die Kinder schliefen nachts durch, sie wachten kaum jemals auf und wenn doch, erschienen sie unweigerlich im elterlichen Schlafzimmer, aber das war schon lange nicht mehr vorgekommen. Jedenfalls geisterten sie nachts nicht durch die Wohnung.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Da! Wieder das Geräusch, es klang wie ein Wispern. Sie drehte sich zu Sebastian um, doch der schlief ruhig weiter.

Typisch, dachte sie, was seine Ruhe und Bequemlichkeit stört, kriegt er ja nie mit.

Sie schwang die Beine aus dem Bett und ging zur Tür, die sie leise öffnete. Sie lauschte erneut, doch jetzt war nichts mehr zu hören. Doch gerade, als sie hinaus in den Flur gehen wollte, um sich zu vergewissern, dass die Kinder wohlbehalten in ihren Betten lagen und schliefen, fing das Wispern wieder an.

„Sie streiten immer, Max“, hörte sie Emma sagen. „Sie sind gar nicht mehr lieb zueinander, und sie gucken sich immer ganz böse an. Früher haben sie oft zusammen gelacht, aber das machen sie nicht mehr. Ich will aber nicht, dass sie sich scheiden lassen. Milas Eltern sind geschieden, sie sieht ihren Papa nur noch manchmal, und sie vermisst ihn ganz doll. Und ihren Hund sieht sie auch nicht mehr, der ist nämlich bei ihrem Papa geblieben.“

Scheidung! Das Wort traf Michaela wie ein Peitschenhieb. Offenbar machten sich die Kinder, oder zumindest Emma, mehr Gedanken über den Zustand der Ehe ihrer Eltern, als sie es bis jetzt für möglich gehalten hatte. Sie dachte nicht länger nach, sondern betrat den Flur. Emma lag an Max geschmiegt in dessen Korb, während sie ihm ihren Kummer anvertraute.

„Emma, was machst du denn da, mitten in der Nacht?“

Die Kleine hob den Kopf.

„Ich konnte nicht schlafen, Mami, ich hatte böse Träume.“

Früher war sie dann zu ihren Eltern ins Bett gekrochen, jetzt ging sie zu Max! Eine Welle tiefer Scham überrollte Michaela. Sebastian und sie waren erwachsen, schafften es aber nicht, ihre Konflikte auch wie Erwachsene auszutragen. Stattdessen hatten sie ihre Kinder mit hineingezogen und noch nicht einmal gemerkt, wie sehr.

„Komm, ich bringe dich wieder ins Bett“, sagte sie liebevoll. „Du musst keine bösen Träume mehr haben, alles wird gut.“

Max hob müde den Kopf und blinzelte.

Emma sah sie an.

„Auch mit Papa und dir?“

„Wir versuchen es, Emma. Wir haben gerade eine schwere Zeit.“ Sie umarmte ihre kleine Tochter und drückte sie zärtlich an sich.

„Ihr sollt euch nicht scheiden lassen, Mami.“

„Davon ist ja auch gar keine Rede. Komm. Und du, Max, schlaf jetzt auch weiter.“

Die Dogge gähnte und legte den Kopf wieder auf die Vorderpfoten.

Michaela brachte Emma in ihr Zimmer, deckte sie zu und küsste sie.

„Schlaf gut, meine Kleine.“

„Mami?“

„Ja?“

„Hast du den Papa noch lieb?“

Michaela schluckte. „Ja“, antwortete sie, „ja, das habe ich.“ In Gedanken setzte sie hinzu: Trotz allem. Es war die Wahrheit, sie hatte den Sebastian, in den sie sich seinerzeit verliebt hatte, nicht vergessen, und es gab ihn ja immer noch, auch wenn er sich in letzter Zeit so selten zeigte.

„Und er hat dich auch noch lieb?“

Da bin ich mir gar nicht so sicher, dachte Michaela.

„Ja, er hat mich auch noch lieb“, sagte sie jedoch, um ihre Tochter zu beruhigen.

„Dann müsst ihr doch gar nicht mehr streiten.“

„Manchmal muss man sich streiten, auch wenn man sich noch lieb hat“, erklärte Michaela. „Du streitest doch auch manchmal mit Lea, und dann vertragt ihr euch wieder.“

Emma nickte, sie war schon halb wieder eingeschlafen. Noch einmal küsste Michaela ihre Tochter.

„Ich hab dich auch lieb, Mami“, murmelte Emma, bevor sie sich zusammenrollte.

Michaela blieb bei ihr sitzen, bis sie fest schlief, dann kehrte sie in ihr Bett zurück.

Sebastian öffnete die Augen, als sie sich hinlegte.

„Was ist denn?“

„Emma war wach, aber jetzt schläft sie.“

Er nuschelte etwas, was sie nicht verstand und war bereits wieder eingeschlafen.

Ihr Kopfkissen war noch immer feucht von ihren Tränen. Sie hatte vorher wach gelegen, und jetzt fand sie erst recht keinen Schlaf. Sie mussten sich aussprechen, Sebastian und sie, und eine Lösung finden. Wenn er tatsächlich eine andere Frau hatte …

Es tat zu weh, darüber nachzudenken. Sie fing wieder an, zu weinen.

***

Als Stefan am nächsten Tag in seiner Mittagspause bei Martha Giesecke klingelte, machte ihm wieder Angela Dormann auf.

„Frau Giesecke liegt auf dem Sofa“, flüsterte sie ihm zu. „Wissen Sie was, Herr Dr. Frank? Ich glaube, sie fängt an, es zu genießen, dass sie mal nichts tun muss.“

Diesen Eindruck gewann Stefan Frank gleich darauf ebenfalls.

„Ick hatte ja keine Ahnung, det man den ganzen lieben langen Tag fernsehen kann, Herr Dr. Frank“, begrüßte ihn Schwester Martha. „Und die ganze Nacht dazu, wenn man will.“

„Was Sie natürlich nicht wollen, Schwester Martha.“

Sie riss den Blick vom Fernseher los und schaltete ihn mit der Fernbedienung aus. Sie hatte einen ganzen Berg von Kissen im Rücken, trug eine warme Jacke über ihrem Nachthemd und war in mehrere Decken gehüllt. Neben ihr auf dem Tisch dampfte eine Tasse Tee, nach der sie jetzt griff. Sie trank einen Schluck.

„Das war eine sehr schöne Naturdokumentation über Amerikas Wilden Westen“, sagte sie. „Man bekommt direkt Lust, sich das einmal mit eigenen Augen anzusehen. Aber ich glaube, man kann auch süchtig davon werden. Vom Fernsehen, meine ich.“

Ihre Augen blickten wieder klar, sie krächzte nicht mehr, und der Husten schien fast weg zu sein. Zwar war sie noch blass, aber sie sah wesentlich besser aus als noch zwei Tage zuvor.

Angela Dormann erschien an der Tür.

„Das Fieber ist ganz weg, und Frau Giesecke hatte auch wieder ordentlich Appetit, Herr Doktor.“

„Ich habe es ja schon gesagt: Sie wären eine gute Krankenschwester, Frau Dormann.“

Stefan horchte Martha Gieseckes Brust ab, sah ihr in den Hals, überprüfte Puls und Temperatur und nickte zufrieden.

„Sie bleiben die Woche noch zu Hause, Schwester Martha, nicht, dass es zu einem Rückfall kommt, weil sie zu früh wieder anfangen, zu arbeiten. Wir sehen uns morgen.“

„Sie müssen nicht mehr jeden Tag herkommen, Chef“, wehrte Martha ab. „Sie sehen doch, mir geht es gut. Wenn Sie es genau wissen wollen: Frau Dormann verwöhnt mich nach Strich und Faden.“

Angela Dormann strahlte, das hörte sie gern.

„Ich komme trotzdem morgen wieder“, erklärte Stefan. „Machen Sie den Fernseher wieder an, Schwester Martha, bestimmt läuft die Naturdokumentation noch.“ Er zwinkerte ihr zu, bevor er das Zimmer verließ.

Auch heute brachte ihn Angela Dormann zur Tür.

„Mir wird das richtig fehlen“, gestand sie. „Es ist schön, wenn man sieht, dass man helfen kann.“

„Das glaube ich Ihnen. Ich wünsche Ihnen ganz viel Glück bei der Arbeitssuche“, erwiderte er. „Bis morgen, Frau Dormann.“

Er kehrte eiligst in die Gartenstraße zurück und betrat nach einem sehr kurzen Mittagsimbiss schon bald wieder die Praxis. Das Chaos, das sie am ersten Tag von Martha Gieseckes Krankheit noch verschont hatte, war nämlich jetzt doch noch über sie hereingebrochen.