Dr. Stefan Frank Sammelband 2 - Arztroman - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Sammelband 2 - Arztroman E-Book

Stefan Frank

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

3 spannende Arztromane lesen, nur 2 bezahlen!


Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:

Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2203 bis 2205:

2203: Du bist mein Held!

2204: Hochzeit in der Gartenstraße

2205: Dr. Bayers großes Versprechen


Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.

Jetzt herunterladen und sofort sparen und lesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 346

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: Andrey Arkusha ISBN 978-3-7325-6897-0

Stefan Frank

Dr. Stefan Frank Sammelband 2 - Arztroman

Inhalt

Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2203Um Anna zu retten, riskiert Christian sein Leben - und findet die Liebe. Wie schön sie doch ist, denkt Christian ein ums andere Mal, wenn er Josefine begegnet. Ihre beiden Töchter Anna und Lilli gehen in denselben Kindergarten wie sein Sohn Daniel, und so laufen sich die beiden fast täglich über den Weg. Leider wechseln sie bisher nicht mehr als ein paar höfliche Worte miteinander. Doch dann unternimmt der Kindergarten eines Tages einen Ausflug in den Münchner Tierpark Hellabrunn, und Christian und Josefine unterstützen die Erzieherin. Es wird ein vergnüglicher Tag für alle Beteiligen - bis Josefines Tochter Anna in das Elefantengehege klettert. Irritiert betrachten die Dickhäuter das kleine Mädchen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, denkt Christian und überwindet ebenfalls den Sicherheitszaun. Aber kaum hat er das Mädchen über den Zaun gehoben, fühlt er einen heftigen Schmerz, und dann wird es schwarz um ihn herum ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2204Als Jakob Westermann dem jungen Gärtner Timo kennenlernt, hat der lebenslustige Rentner nur einen Gedanken: Das ist der richtige Mann für meine Enkelin! Aber wie soll er die beiden zusammenbringen? Da ist guter Rat teuer, zumal Timo eher schüchtern und Franziska Fremden gegenüber skeptisch ist. Doch nachdem Timo einige Wochen in Jakobs Garten gewirkt hat, kommen sich der attraktive Landschaftsgärtner und die bildhübsche Franziska endlich näher. Und tatsächlich scheinen die beiden wie füreinander geschaffen zu sein. Bereits nach wenigen Wochen beschließen sie, zu heiraten. Natürlich soll Jakob seine Lieblingsenkelin zum Altar führen. Aber dann geschieht etwas, was das Glück des jungen Paares in seinen Grundfesten zu erschüttern droht...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2205Seit ein Verrückter Anna mit seinem Wagen angefahren hat, kann die hübsche junge Frau ihr rechtes Bein nicht mehr bewegen. Schon viele Ärzte haben versucht, ihr zu helfen - bisher leider ohne Erfolg. Und einen neuen Versuch will Anna nicht mehr wagen, ihr Vertrauen in die Medizin hat sich erschöpft. Resigniert und traurig sitzt sie Tag für Tag im Wohnzimmer ihrer Mutter Gabriele und starrt ins Leere. Doch eines Tages hält Gabriele es nicht mehr aus. Sie wendet sich an ihren Hausarzt Dr. Frank und bittet ihn um Hilfe. Zum Glück weiß der Grünwalder Arzt, dass an der Waldner-Klinik ein sehr erfolgreicher neuer Kollege eingestellt wurde. Dr. Nick Bayer ist Chirurg und Orthopäde, vor allem aber kennt er sich mit einem völlig neuen Verfahren aus, das Annas Leben die entscheidende Wende bringen könnte. Aber wie kann man die junge Frau davon überzeugen, dass sie ausgerechnet diesem Arzt noch eine Chance geben soll?Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Du bist mein Held!

Vorschau

Du bist mein Held!

Um Anna zu retten, riskiert Christian sein Leben – und findet die Liebe

Wie schön sie doch ist, denkt Christian ein ums andere Mal, wenn er Josefine begegnet. Ihre beiden Töchter Anna und Lilli gehen in denselben Kindergarten wie sein Sohn Daniel, und so laufen sich die beiden fast täglich über den Weg. Leider wechseln sie bisher nicht mehr als ein paar höfliche Worte miteinander.

Doch dann unternimmt der Kindergarten eines Tages einen Ausflug in den Münchner Tierpark Hellabrunn, und Christian und Josefine unterstützen die Erzieherin. Es wird ein vergnüglicher Tag für alle Beteiligen – bis Josefines Tochter Anna in das Elefantengehege klettert. Irritiert betrachten die Dickhäuter das kleine Mädchen.

Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, denkt Christian und überwindet ebenfalls den Sicherheitszaun. Aber kaum hat er das Mädchen über den Zaun gehoben, fühlt er einen heftigen Schmerz, und dann wird es schwarz um ihn herum …

„Daniel, jetzt lass das endlich sein!“, rief Christian Tillberg durch die weit geöffnete Terrassentür seines Arbeitszimmers in den Garten hinaus. „Herrje, und ich dachte, ihr hättet euch heute im Kindergarten genug ausgetobt.“

Christians fünfjähriger Sohn Daniel stand im Sandkasten und schleuderte mit seiner Schaufel Sand über den Zaun in den Nachbargarten. Dort hockte der ein Jahr ältere Kevin ebenfalls im Sandkasten und schleuderte mit lautem Gejohle Sand zurück. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis einer von den beiden anfangen würde zu weinen, weil er Sand ins Auge bekommen hatte.

Christian lief in den Garten, wo die Sandschlacht aber bereits wieder geendet hatte.

„Ich treff den Kevin doch eh nicht“, erklärte Daniel seinem Papa missmutig. „Der ist viel zu weit weg.“

„Dann frag ihn doch, ob er nicht zu uns rüberkommen will“, schlug Christian vor.

Mit den beiden Jungen war es doch immer das Gleiche. Sie stritten sich, und im nächsten Moment hatten sie sich bereits wieder vertragen und waren die dicksten Freunde.

„Baut euch eine Sandburg, grabt Löcher im Sand oder spielt von mir aus auch irgendwas ganz anderes. Aber mit Sand schmeißen gibt es nicht! Ist das klar?“

Daniel schaute seinen Vater aus großen Augen an, so als hätte er das mit dem verbotenen Sandwerfen noch nie zuvor gehört. Dann nickte er brav, und Christian zauste ihm durch die sandigen Haare, bevor er wieder ins Haus zurückging. Er wollte gerne noch ein wenig arbeiten.

„Kevin, willst du zu uns rüberkommen?“, hörte er Daniel draußen vergnügt rufen. „Papa ist wieder weg.“

Christian seufzte. Hoffentlich heckten die beiden nicht wieder etwas Neues aus.

Er wollte an diesem Nachmittag noch das Projekt abschließen, das er heute Morgen im Büro nicht ganz fertigbekommen hatte. Üblicherweise schaffte Christian es recht gut, Kind und Beruf unter einen Hut zu bekommen, aber an manchen Tagen war es eben doch etwas anstrengend.

Christian war ein sehr erfolgreicher Architekt und arbeitete mit drei Kollegen in einem Gemeinschafts-Architekturbüro im Münchener Süden. Er war froh darüber, dass er sich seine Arbeitszeiten frei einteilen konnte. So konnte er außerhalb der Kindergartenzeiten gut für seinen Sohn da sein, den Christian seit zwei Jahren alleine großzog. Was Christian bis halb drei nicht im Büro erledigt bekam, das erledigte er abends, wenn Daniel schlief, vom heimischen PC aus. Oder gelegentlich auch am Nachmittag, wenn Christian ihm eine ruhige Stunde schenkte.

Aber egal, was sein Sohn auch gerade wieder ausheckte, Christian liebte seinen Jungen über alles, und er konnte ihm nie lange böse sein. Daniel war ein vergnügter, kleiner Racker, der zum Glück nicht unter der Trennung seiner Eltern zu leiden schien.

Vor zwei Jahren hatte Christians Frau Sarah ihn verlassen und war zu ihrem Geliebten nach Fürstenfeldbruck gezogen. Seitdem lebte Christian allein mit seinem Jungen in dem großen Grünwalder Backsteinhaus. Daniel sah seine Mama bloß noch jedes zweite Wochenende, wenn Sarah ihn von Freitag bis Sonntag zu sich nach Fürstenfeldbruck holte.

Christian konnte es immer noch nicht richtig fassen, dass Sarah ihn und den gemeinsamen Sohn damals so einfach sitzengelassen hatte. Sicher, in ihrer Ehe hatte es schon länger gekriselt, doch Christian hätte sich noch zusammengerissen und wäre mit Sarah zusammengeblieben, des Kindes zuliebe.

Nun ja, rückblickend war es vielleicht besser so, denn Sarah und er waren schon lange nicht mehr glücklich miteinander gewesen. Im Grunde genommen war ihre Ehe von Anfang an bloß auf Sand gebaut gewesen, dachte Christian manchmal.

Er hatte Sarah vor sechs Jahren während eines Tauchurlaubs in Ägypten kennen und lieben gelernt. Da sie zufälligerweise beide aus München kamen, hatten sie sich auch nach dem Urlaub problemlos weiter treffen können.

Nach einem halben Jahr war Sarah dann schwanger geworden. Es war, wie man so schön sagte, ein Unfall gewesen. Sarah hatte gar keine Kinder haben wollen, sie hatte ihre Freiheit sehr geliebt.

Ihre Eltern hatten ihr aber dringend nahegelegt, zu heirateten, denn ihrer Meinung nach sollte ein Kind im Schutz einer Familien aufwachsen. Auch Christian war dieser Ansicht gewesen. Und obwohl er zu der Zeit schon gespürt hatte, dass er und Sarah nicht so richtig zueinander passten, hatte er Ja gesagt.

In ihrer Ehe hatte sich dann schnell weiter abgezeichnet, dass es mit einer gemeinsamen Zukunft schwierig werden würde. Sarah und Christian waren vom Typ her völlig verschieden, und sie hatten unterschiedliche Vorstellungen vom Zusammenleben.

Während Sarah ständig etwas erleben wollte, war Christian das, was man gemeinhin einen Familienmenschen nannte. Er war gerne zu Hause und kümmerte sich um seinen kleinen Jungen. Dafür steckte er auch im Beruf ein wenig zurück.

Sarah hatte auch ein Jahr lang Erziehungsurlaub genommen, aber das hatte überhaupt nicht funktioniert. Sie war mit ihrer Mutterrolle von Anfang an nicht gut zurechtgekommen und hatte sich aus dem Haus geschlichen, so oft es ging. Christian war vom ersten Tag an die Hauptbezugsperson für den kleinen Daniel gewesen.

Eines Tages hatte Sarah Christian dann gestanden, dass sie einen anderen Mann kennengelernt habe, mit dem sie nun zusammenziehen wolle. Es war alles ganz schnell gegangen, innerhalb von einer Woche war Sarah ausgezogen, und jetzt wohnte sie in Fürstenfeldbruck. Christian und Daniel waren in dem Haus in Grünwald geblieben.

Eigentlich hatte sich für Vater und Sohn gar nicht so viel verändert, dachte Christian manchmal, denn Sarah war ja sowieso eher selten zu Hause gewesen.

Er hatte dann schnell die Scheidung eingereicht, und seit einem Jahr war Christian geschieden; das Sorgerecht für Daniel hatte er.

Manchmal fragte sich Christian, ob er nun für immer mit seinem Sohn allein bleiben würde. Würde er überhaupt jemals eine Frau kennenlernen, die er von Herzen lieben konnte und die seine Liebe erwiderte?

Durch seine schlechten Erfahrungen mit der Ehe war Christian vorsichtig und auch ein wenig skeptisch geworden. Vielleicht war er für die wahre Liebe einfach nicht geschaffen.

Vor seiner Beziehung mit Sarah hatte er zwar schon andere Freundinnen gehabt, aber die Frau, bei der sein Herz ganz eindeutig Ja gerufen hätte, hatte Christian bisher nicht gefunden. Und so langsam zweifelte er daran, dass er der Frau seines Herzens überhaupt jemals begegnen würde.

***

Am Mittwochnachmittag ging Christian mit seinem Sohn zum Kinderturnen. Es war ein schöner Frühlingstag, sodass sie die Strecke bis zur Turnhalle der Grünwalder Grundschule zu Fuß zurücklegen konnten.

Daniel hatte zuerst keine Lust zu laufen, aber als er sich dann Christians Cityroller ausleihen durfte, war er sofort Feuer und Flamme. Er sauste damit über den Bürgersteig, und sein Vater hatte Mühe, hinterherzukommen.

Nicht immer blieb Christian beim Turnen dabei. Manchmal brachte er Daniel auch nur hin, ging in der Zwischenzeit im nahegelegenen Supermarkt einkaufen und holte seinen Sohn dann nachher wieder ab. Aber heute hatte Christian keine Einkäufe zu erledigen, und so wollte er wieder einmal beim Kinderturnen zuschauen.

Daniel freute sich immer, wenn sein Papa da blieb – und heute freute sich die Sportlehrerin auch darüber.

„Ach, das ist schön, dass Sie hierbleiben, Herr Tillberg“, sagte sie mit einem Lächeln. „Ich wollte heute nämlich einmal die Turnringe herunterlassen, und wenn Sie möchten, können Sie auf der Matte Hilfestellung leisten.“

So stand Christian zehn Minuten später auf einer großen, blauen Turnmatte und passte auf, dass die Kinder an den Ringen nicht zu heftig hin- und herschwangen.

Als die Kleinen eine Trinkpause einlegten, hängte sich Christian selbst an die Ringe und schaukelte ein wenig. Er musste beim Schwingen die Knie anziehen, um nicht über die Matte zu schrappen.

Er war gerade dabei, neuen Schwung zu holen, als die Tür zur Turnhalle aufging und eine verspätete Mutter mit ihren beiden Kindern eintrat.

Als Christian die Frau sah, konnte er sich kaum mehr an den Ringen halten. Was war das für eine attraktive Frau! Sie war sehr groß und schlank, mit dunkelblonden Haaren, die ihr bis auf die Schultern fielen. Ihr Gesicht war zart und die Augen groß und leuchtend. Nur mit Mühe konnte Christian seinen Blick von der Frau abwenden.

Ihre beiden Mädchen glaubte er schon einmal gesehen zu haben. Gingen sie nicht auch in Daniels Kindergarten? In die Bärengruppe?

Die beiden Kindergartengruppen waren auf zwei verschiedenen Etagen. Daniel ging in die Zebragruppe im Erdgeschoss, die Eltern der Kinder aus der anderen Gruppe kannte Christian bei weitem nicht alle. Außerdem brachte Christian Daniel morgens immer schon recht früh in den Kindergarten …

Oh Gott, er baumelte ja immer noch an diesen Ringen. Christian kam sich plötzlich reichlich albern vor.

So elegant wie möglich ließ er sich auf die weiche Matte fallen, sank tief ein und erhob sich mit Mühe. Die Frau stand vorne neben der Bank und unterhielt sich mit der Sportlehrerin. Als Christian über die weiche Matte stapfte, warf sie ihm einen raschen Blick zu und lächelte. Christians Herz schmolz wie Butter in der Sonne. Diese Grübchen!

Oje, wie peinlich ihm das alles war. Dabei war er normalerweise sportlich, sehr sportlich sogar. Er bereitete sich zurzeit auf den Münchener Marathon vor, bei dem er in diesem Jahr um zweiten Mal mitlaufen wollte. Mindestens dreimal in der Woche ging Christian im Grünwalder Forst joggen. Aber hier beim Kinderturnen kam seine Fitness nicht unbedingt zur Geltung, dabei hätte Christian im Moment gerne einen guten Eindruck gemacht.

Die Trinkpause war zu Ende, und die Kinder stellten sich wieder bei den Ringen an.

Christian leistete Hilfestellung und strengte sich sehr an, es ganz besonders gut zu machen. Dabei schaute er immer wieder aus den Augenwinkeln zu der schönen Mutter hinüber. Wenn sich ihre Blicke trafen, begann Christians Herz augenblicklich, aufgeregt zu holpern.

Ich bin ja verrückt, dachte er. So schnell verliebt man sich doch nicht. Oder etwa doch?

Die Liebe auf den ersten Blick war wohl eher etwas für Fünfzehnjährige, die sich zu viele romantische Filme anschauten. Aber das war doch nichts für ihn, einen gestandenen Mann von neununddreißig Jahren, der als erfolgreicher Architekt mit beiden Beinen fest im Leben stand.

Doch im Moment stand Christian keineswegs fest auf seinen Beinen, sondern auf einer weichen und sehr nachgiebigen Turnmatte. Vielleicht war das mit ein Grund dafür, dass er sich tatsächlich wie ein Fünfzehnjähriger fühlte, der sich Hals über Kopf verliebt hatte – in eine Frau, die er nicht kannte und mit der er noch kein Wort gewechselt hatte.

***

„Nein, morgen kann ich wirklich nicht eher von der Arbeit kommen“, sagte Klaus Millmann genervt. „Herrje, Josefine, jetzt lass mich doch endlich mit deinem Kram in Ruhe, ja? Du kriegst das schon hin, da bin ich mir sicher.“

„Und wie soll ich morgen bitteschön um sechs Uhr in der Fotogalerie in München sein, wenn ich um fünf noch mit Lilli und Anna zum Schwimmkurs muss? Das schaffe ich nie im Leben!“

„Jetzt übertreib mal nicht. So dringend wird das mit deiner Besprechung – oder was auch immer da ist – schon nicht sein. Sonst ruf die Leute doch an, und regle das am Telefon. Ich muss schließlich auch ständig meine Termine verlegen, wenn es nicht anders geht. Im Übrigen muss ich jetzt mal weiter arbeiten, bis später dann.“

Josefine konnte es nicht glauben – ihr Mann hatte einfach aufgelegt! Da bat sie ihn – was äußerst selten einmal vorkam – bei der Kinderbetreuung um Hilfe, und er? War sie inzwischen eigentlich ganz allein für die Kinder zuständig?

Klaus war doch wohl der Vater! Warum passte er nicht auch mal auf die beiden auf? Warum unterstützte ihr Mann sie so gar nicht – jetzt, wo es bei ihr beruflich aufwärts ging?

Josefine war gelernte Fotografin. Bevor die Kinder auf die Welt kamen, hatte sie in einem Münchener Fotogeschäft gearbeitet. Aber von den Arbeitszeiten her hatte sich das gar nicht mit dem Familienleben vereinbaren lassen. Also hatte Josefine ihren Job an den Nagel gehängt. Er verdiene genug, sie brauche nichts hinzuzuverdienen, hatte Klaus immer gesagt.

So hatte sich Josefine in den letzten Jahren um die inzwischen vierjährige Lilli und die fünfjährige Tanja gekümmert. Sie hatte den Vier-Personen-Haushalt in Ordnung gehalten und sich um Haus und Garten gekümmert. Das war ganz sicher Arbeit genug, aber Erfüllung hatte sie bei ihrer Tätigkeit als Nur-Hausfrau und Mutter immer weniger gefunden. Und so hatte Josefine in ihrer Freizeit, wenn Kinder und Haushalt sie einmal nicht forderten, an neuen Fototechniken gearbeitet, Motive gesucht und immer wieder viele neue Fotos gemacht.

Aber im Grunde war ihre „Fotografiererei“, wie Klaus sich gerne etwas belustigt ausdrückte, für sie und ihre Familie nicht mehr als ein nettes Hobby gewesen. Niemand hatte sie richtig ernst genommen.

Doch vor einem halben Jahr hatte sich das alles gewandelt. Josefine hatte einige Fotocollagen aus Landschaftsfotos, die sie in der letzten Zeit am Computer zusammengestellt hatte, an ein bekanntes Fotomagazin geschickt.

Dabei hatte sie gar nicht ernsthaft damit gerechnet, dass ihre Fotos auch angenommen werden würden. Ihre Fototechnik war eher ungewöhnlich und entsprach nicht unbedingt dem gängigen Geschmack. Dennoch hatte sie ihr Glück einmal versuchen wollen.

Überraschenderweise war ihre Collage jedoch hervorragend angekommen. Zu Josefines großer Freude hatte sich nicht nur das eine Fotomagazin begeistert gezeigt und die Fotos gekauft – nein, es hatte sich gleich noch ein weiteres, international bedeutsames Magazin bei ihr gemeldet und nachgefragt, ob Josefine ähnliche Collagen auch für dieses Magazin erstellen wolle. Und dann hatte man ihr ein Honorar angeboten, mit dem Josefine nie im Leben gerechnet hätte.

Seitdem war die junge Mutter als Fotografin sehr gefragt. Ihre Arbeiten wurden in Galerien überall im Land ausgestellt, und Josefine musste viel reisen. Das machte ihr zwar viel Spaß, doch natürlich war es auch sehr anstrengend.

Was aber das eigentliche Problem war: Seitdem Josefine beruflich wieder aktiv war, kriselte es in ihrer Ehe gewaltig. Solange sie sich ausschließlich um den Haushalt und die Kinder gekümmert hatte, war alles in Ordnung gewesen. Doch seitdem Josefine an ihrer Kariere arbeitete und nun mehr Zeit für sich und ihre Arbeit brauchte, hing der Haussegen schief.

Mit einem tiefen Seufzer stellte Josefine das Telefon zurück auf die Halterung. Sie trat ans Fenster und schaute in den Garten hinaus. Eigentlich sollte der Anblick der Tulpen und Narzissen, die in den Beeten leuchteten, sie aufmuntern, aber Josefine fühlte sich bloß müde und ausgelaugt.

Sie fand es furchtbar anstrengend, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen. Ständig hatte sie das Gefühl, dass eines von beidem zu kurz kam.

Statt sie zu unterstützen und sich mit ihr über ihren beruflichen Erfolg zu freuen, machte Klaus ihr alles madig. Seit zehn Jahren waren sie nun verheiratet, und bisher war Josefine glücklich mit ihrem Klaus gewesen. Doch seitdem sie wieder arbeitete, war alles anders geworden.

Am Anfang ihrer Ehe hatten sie sich darauf geeinigt, dass Josefine zu Hause bei den Kindern bleiben sollte, während Klaus das Geld verdiente. Aber das hatte nicht für immer so bleiben sollen, zumindest hatte Josefine das nicht vorgehabt. Sie liebte ihre Kinder, gar keine Frage, und sie war auch gerne für sie da – aber eben nicht ausschließlich.

Inzwischen warf Klaus ihr vor, dass sie die Kinder vernachlässigte.

„Ich verdiene doch wohl wirklich genug“, hatte er letztens noch zu ihr gesagt. „Wir brauchen kein zusätzliches Gehalt, Liebling, denk doch lieber an unsere Kinder. Sie brauchen ihre Mutter. Genieß die Zeit mit ihnen, solange sie noch so klein sind. Wenn Lilli und Anna erst einmal älter sind, bereust du jede verpasste Minute mit ihnen. Wirklich, du musst nicht die Karrierefrau spielen.“

„Ich spiele nicht die Karrierefrau!“, hatte Josefine empört entgegnet. „Aber ich möchte nun mal auch gerne arbeiten und eigenes Geld verdienen. Meine Arbeit macht mir viel Spaß, und wenn du ein bisschen mehr mithilfst – zum Beispiel die Kinder auch mal zum Turnen bringst oder abends etwas eher nach Hause kommst, damit ich dann noch weg kann –, dann klappt das schon. Ich habe dir doch auch die ganzen Jahre über den Rücken freigehalten, damit du deinen Job machen kannst. Jetzt kannst du das auch mal für mich tun.“

Aber dieses Streitgespräch hatte, wie die vielen anderen davor, zu nichts geführt. Klaus hatte behauptet, er leiste schon genug im Haushalt und sie müsse ihre Bilder schließlich nicht in jeder Galerie in München ausstellen. Josefine hatte zwar etwas Passendes erwidert, aber insgeheim doch Schuldgefühle bekommen, weil sie im Moment tatsächlich häufig außer Haus war. Entweder waren die Kinder dann im Kindergarten, oder Josefine brachte sie zu ihrer Bekannten Ella Maiers, die für eine oder zwei Stunden auf sie aufpasste.

War das vielleicht wirklich zu viel für die beiden? Sollte Josefine wieder kürzertreten, den Kindern zuliebe? War sie tatsächlich zu wenig für die beiden Mädchen da?

All diese unerfreulichen Gedanken gingen ihr durch den Kopf, während sie in den Garten hinausschaute. Ein leichter Wind war aufgekommen und ließ die hohen Gräser im Wind schaukeln.

Plötzlich musste Josefine an den Mann denken, der gestern beim Kinderturnen die Hilfestellung geleistet hatte und dabei so witzig auf der Turnmatte gewippt war.

Josefine grinste, als ihr dieses Bild noch einmal deutlich vor Augen trat. Es hatte zu komisch ausgesehen, wie dieser große Mann an den für ihn viel zu niedrig eingestellten Turnringen gehangen hatte. Dabei hatte man ihm durchaus angesehen, dass er durchtrainiert war. Wie sich die Muskeln unter seinem weißen T-Shirt abgezeichnet hatten …

Sie glaubte, ihn schon einmal im Kindergarten gesehen zu haben. Ging sein Sohn nicht in die Zebragruppe im Erdgeschoss?

Während sie noch darüber nachdachte, hörte sie, wie die Mädchen im Kinderzimmer anfingen sich zu streiten. Sie seufzte und ging, um nachzusehen, was da wieder los war.

***

„Guten Morgen, meine Damen“, sagte Dr. Stefan Frank zu seinen beiden Sprechstundenhilfen, als er am Montagmorgen seine Praxisräume betrat.

Sein morgendlicher Weg von Haustür zu Haustür war nicht besonders weit. Dr. Frank brauchte sich keine Jacke anzuziehen, geschweige denn das Auto aus der Garage herauszufahren. Der Grünwalder Arzt wohnte im ersten Stock seiner geräumigen Villa, und im Untergeschoss befanden sich die Praxisräume. Er musste morgens bloß eine Treppe hinuntergehen, und schon befand er sich in seiner Praxis.

„Ach, juten Morgen Chef“, sagte Schwester Martha.

Sie stand auf einem kleinen Hocker am Fenster und dekorierte gerade die Scheibe mit einem blumigen Fensterbild.

Ihre jüngere Kollegin Marie-Luise Flanitzer saß an der Anmeldung vor dem PC und telefonierte mit einem Patienten. Marie-Luise Flanitzer war in der Praxis hauptsächlich für die Anmeldungen und die Termine zuständig, während Martha Giesecke sozusagen die gute Seele der Praxis war.

„Also, ick hab hier gestern so wat Schönes von meiner kleinen Nichte gebastelt bekommen“, sagte sie. „Damit wollte ick hier doch mal ein bisschen das Fenster verschönern. Ick dachte mir, wenn ick hier drinnen die Blumen aufklebe, dann lockt das draußen heute ganz sicher auch die Sonne hervor.“

Seit gestern regnete es in Grünwald. Es war kalt und nass, und wenn im Kalender nicht das Wort „März“ gestanden hätte, dann hätte man glauben könne, der Winter stünde vor der Tür.

Viele Patienten waren in den letzten Tagen mit Grippesymptomen zu Dr. Frank in die Praxis gekommen. Auch fiebrige Erkältungen, Angina und Harnwegsinfekte standen im Moment „hoch im Kurs“.

„Haben sich für heute bereits viele Patienten angemeldet?“, wollte Dr. Frank wissen, während er sich einen frischen Kittel aus dem Garderobenschrank holte und überzog.

Marie-Luise Flanitzer, die immer noch das Telefon am Ohr hatte, nickte.

„Oh ja, Chef“, antwortete Schwester Martha für sie.

Sie stieg vom Hocker und warf noch einen abschließenden zufriedenen Blick auf ihr Kunstwerk am Fenster.

„Heute wird es wieder reichlich voll hier bei uns. Ick hab gesehen, det gleich für halb neun die Frau Millmann mit ihrer Tochter angemeldet ist. Anschließend kommt der Gichtpatient noch einmal vorbei, der sonst ein Patient von Dr. Hauser ist. Aber Dr. Hauser ist ja jetzt die janze Woche in Urlaub, und deshalb kommen seine Patienten zu uns. Um zehn kommt die Frau Düsseltal mit ihrem Gatten, es geht um die Neueinstellung seines Blutdrucksenkers. Und so geht es dann heute den ganzen Tag weiter. Wie viele Patienten ohne Termin kommen, kann ick Ihnen natürlich nicht sagen.“

Dr. Frank schmunzelte insgeheim, nickte aber mit ernster Miene. Schwester Martha war schon etwas ganz Besonderes. Sie arbeitete schon so lange in seiner Praxis, dass er sich einen Arbeitstag ohne Schwester Martha gar nicht mehr vorstellen konnte. Immer hatte sie ein offenes Ohr für die Patienten, und die dankten es ihr mit ihrem Vertrauen.

Dabei verbarg Martha Giesecke ihr herzliches Wesen und ihr mitfühlendes Herz gelegentlich hinter einer bärbeißigen Maske. Sie konnte durchaus resolut sein, wenn es sein musste, und nahm kein Blatt vor den Mund.

„Haben Sie denn noch einen Kaffee für mich, Martha?“, fragte Dr. Frank.

„Aber klar doch, Chef. Ick habe gerade eben frischen gekocht.“

Schwester Martha ging nach hinten und kehrte kurz darauf mit einer großen Tasse zurück, aus der es dampfte.

Dr. Frank nahm sie dankbar. Mithilfe von Marthas gutem Kaffee würde seine Müdigkeit schnell verschwinden, das wusste er.

Heute hatte seine Freundin Alexandra Schubert bei ihm übernachtet, und so war es gestern Abend mal wieder etwas später geworden. Sie hatten heute Morgen die Schlummertaste am Wecker noch zweimal gedrückt und so leider das gute Frühstück von Frau Quandt, Dr. Franks Haushälterin, verpasst. Sie waren einfach viel zu spät aus dem Bett gekommen. Aber Dr. Frank war immer so glücklich, wenn seine Freundin bei ihm war, dass er die Müdigkeit am nächsten Morgen dafür gerne in Kauf nahm.

Alexandra und er waren noch nicht sehr lange zusammen, doch Dr. Frank konnte sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Er empfand es als ein großes Glück, dass die hübsche Augenärztin in sein Leben getreten war. Zumal sie sich nicht nur privat, sondern auch beruflich außerordentlich gut verstanden.

Stefan und Alexandra wohnten nicht zusammen, doch sie besuchten sich, so oft es ihre knappe Zeit zuließ. Mindestens die Wochenenden verbrachten sie immer gemeinsam.

Wenig später öffnete sich die Tür zur Praxis, und Josefine Millmann, eine langjährige Patientin von Dr. Frank, kam mit ihrer Tochter Lilli herein.

„Guten Morgen zusammen“, grüßte sie das Praxisteam.

„Guten Morgen Frau Millmann, hallo Lilli. Du kannst gleich mit mir durch ins Sprechzimmer kommen.“

Wenig später saßen Mutter und Tochter Dr. Frank am Schreibtisch gegenüber.

„Und Lilli? Wie geht es dir mit der neuen Creme, die ich euch beim letzten Mal mitgegeben habe?“, wollte der Arzt wissen.

Die Vierjährige litt schon von Geburt an unter Neurodermitis, einer entzündlichen Hauterkrankungen, die mit starkem Juckreiz einherging. Als Baby hatte Lilli starken Milchschorf am Kopf gehabt, doch inzwischen hatten sich die trockenen, entzündlichen Stellen auf die Arme und Hände ausgebreitet. Ihre Neurodermitis-Schübe kamen besonders dann, wenn Lilli Stress hatte oder sich über etwas aufregte, manchmal reichte es auch schon, wenn sie sich im Kindergarten mit einem anderen Kind gestritten hatte.

„Die andere Creme war schon besser, Herr Frank“, sagte die Kleine ehrlich. „Manchmal juckt es ganz schlimm, aber kratzen darf ich ja nicht, sagt meine Mama. Ich hatte sogar schon mal nachts Handschuhe an, damit ich mich nicht kratze, wenn ich schlafe.“

„Da hat deine Mama recht“, sagte Dr. Frank. „Das Kratzen ist gar nicht gut für die Haut, das macht denn Juckreiz nur noch schlimmer.“

„Wir nehmen die Kortisonsalbe, die Sie uns verschrieben haben, wirklich nur dann, wenn es ganz schlimm wird“, sagte Frau Millmann. „Ich habe aber auch den Eindruck, dass die Salbe mit dem Zink vorbeugend recht gut hilft.“

Der Arzt nickte.

„Die Kortisonsalbe sollte man tatsächlich nur bei einem sehr schweren Schub benutzen und ansonsten eher auf das Präparat zurückgreifen, das ich Lilli beim letzten Mal aufgeschrieben habe. Eine gute Basispflege kann einem neuen Schub vorbeugen. Zeig mir doch bitte noch mal deine Arme, Lilli.“

Lilli schob die Ärmel hoch, und Dr. Frank schaute sich die betroffenen Stellen an.

„Das sieht doch gut aus“, sagte er zufrieden. „Unsere Basispflege scheint gut zu helfen.“

Vor einem Monat hatte das noch anders ausgesehen. Lilli hatte einen schweren Schub gehabt, und ihre Haut an den Unterarmen und Händen war rot und geschwollen gewesen, in einigen Bereichen hatte sie genässt, und es hatten sich Krusten gebildet. Im Moment waren zwar noch auffällig trockene Stellen vorhanden, doch insgesamt war der Zustand der Haut in Ordnung.

Neurodermitis war nicht heilbar, allerdings inzwischen recht gut behandelbar. Mit dem Heranwachsen verminderten sich die Symptome meist, und bei vielen waren sie mit der Pubertät verschwunden.

„Du kannst gelegentlich auch mal ein Ölbad in der Badewanne nehmen, Lilli“, schlug er vor. „Deine Haut ist insgesamt sehr trocken, und das Öl hilft der Haut, gesund zu bleiben.“

„Au ja, Baden ist toll. Die Anna hat nämlich zum Geburtstag Badefarben gekriegt“, plapperte Lilli vergnügt los und zog ihre Pullover-Ärmel wieder herunter. „Die kann man ins Wasser tun, und dann wird alles ganz lila oder orange. Hast du auch so Badefarben, Herr Frank?“

„Nein, leider nicht“, antwortete der Arzt mit einem Lächeln. „Aber die sind bestimmt ganz toll, die kannst du ruhig mal mit dem Öl zusammen ins Wasser geben. Die schaden der Haut nicht.“

Wenig später verabschiedeten sich Mutter und Tochter, und Schwester Martha schickte gleich den nächsten Patienten zu Dr. Frank ins Sprechzimmer.

Es wurde tatsächlich ein sehr langer Arbeitstag. Als Stefan Frank am Abend die Treppe hinauf in seine Wohnung stieg, war er müde, aber auch sehr zufrieden. Er konnte sich keinen schöneren Beruf vorstellen als seinen.

***

„Es tut mir leid, aber ich werde mich so bald wie möglich um Ihr Anliegen kümmern. Auf Wiedersehen.“

Verärgert drückte Klaus Millmann das Telefon aus. Ihm fiel es zunehmend schwer, immer freundlich zu bleiben. Bei einigen Anrufern musste er sich regelrecht zusammenreißen, damit ihm keine bösen Worte herausrutschten. Aber zu den Kunden musste man nun einmal freundlich sein, so gab es der Chef vor.

Warum dachten die Menschen bloß immer, dass ein Angestellter im Finanzamt alles am besten bis vorgestern erledigt haben musste, überlegte Klaus mürrisch. Nein, das war wirklich kein Traumberuf, den er da erwischt hatte. Klaus fand seinen Job bloß noch frustrierend.

Dabei war er immer sehr ehrgeizig gewesen. Er hatte unbedingt in das höhere Beamtentum aufsteigen wollen und eine große Karriere in der obersten Finanzbehörde anvisiert. Aber was war daraus geworden? Nur Ärger und Frust. Er war von jüngeren Kollegen ausgebremst worden, vielleicht hatte er auch immer zu viel Rücksicht auf andere genommen. Klaus wusste gar nicht mehr genau, was bei ihm beruflich alles schiefgelaufen war.

Inzwischen war er tagein, tagaus bloß noch damit beschäftigt, Telefonanfragen zu beantworten, Papiere zu sortieren und Steueranträge zu bearbeiten.

Ob es daran lag, dass er so missgelaunt auf seine Frau schaute? Josefine machte ja gerade ihre große Karriere als Künstlerin.

Wieder einmal stiegen Neid und Missgunst in Klaus auf, als er an Josefine und ihren großen Erfolg dachte. Während er selbst frustriert im Büro hockte, legte sie aus dem Nichts einen Blitzstart hin und war quasi über Nacht eine angesehene Fotografin.

Klaus hatte ihr komisches Hobby nie richtig ernst genommen, es hatte ihn aber auch nicht sonderlich gestört. Andere Frauen töpferten, und Josefine fotografierte eben. Nun gut, wenn sie damit glücklich war …

Für Klaus war es wichtig, dass die Hausfrau für die Familie da war. Wenn er abends nach Hause kam, sollte etwas Warmes auf dem Tisch stehen.

Doch in letzter Zeit war das schöne – und seiner Meinung nach so harmonische – Zusammenleben mit seiner Frau völlig aus den Fugen geraten. Was war bloß aus seiner unkomplizierten, netten Josefine geworden? Aus seiner Frau, für die er immer gerne das Geld nach Hause gebracht hatte, die immer ein wenig zu ihm aufgeblickt hatte. Die ihn vor allem täglich so gut bekocht hatte? Wenn Klaus bloß an Josefines selbstgemachte Lasagne dachte, lief ihm schon das Wasser im Munde zusammen.

Kochen konnte sie richtig gut, aber seit einer Weile kamen immer bloß irgendwelche Schnellgerichte auf den Tisch, weil Josefine keine Zeit mehr zum Kochen hatte.

Um die Kinder hatte sich Klaus bisher auch nie groß zu kümmern brauchen, er hatte auch wenig Lust dazu. Natürlich liebte er seine beiden Mädchen, aber Klaus fand schon, dass die Kindererziehung Sache der Frau war. Er wollte gar keiner dieser modernen Männer sein, die zu Hause blieben, Erziehungsurlaub nahmen und die Frau arbeiten ließen.

Klaus fand, dass Josefine den „Innendienst“, wie er es gerne nannte, viel besser beherrschte als er selbst. Wenn er ein Spiegelei in die Pfanne schlug, dann brannte es ihm garantiert an. Und mit den Kindern war er sowieso immer viel zu ungeduldig.

Natürlich ging er ab und zu ganz gerne mal mit den Mädchen zum Spielplatz oder machte auch mal einen netten Ausflug mit ihnen. Aber zu diesem Kinder-Alltags-Allerlei fühlte er sich nun wirklich nicht berufen. Das sollte mal lieber seine Frau übernehmen.

Doch inzwischen war aus seiner recht anspruchslosen Ehefrau eine richtige Emanze geworden, die Karriere machte und ihren Ehemann kaum mehr ernst nahm. Nervös und hektisch war sie, immer auf dem Sprung, hatte bloß noch ihre Arbeit im Kopf. Das wuchs ihr doch alles über den Kopf!

Und dann das viele Geld, das sie verdiente … Klaus gönnte ihr den Erfolg nicht, musste er sich eingestehen.

***

„Spatz, pass mal auf“, sagte Christian zu seinem Sohn. „Heute Abend gehe ich zur Abwechslung mal in deinen Kindergarten. Dort hält jemand einen Vortrag über Leseförderung im Vorschulalter, und den möchte ich mir gerne mal anhören. Deshalb kommt die Mina zu uns, und sie bringt dich auch ins Bett.“

Mina war eine siebzehnjährige Schülerin aus der Nachbarschaft, die ihr Taschengeld durch gelegentliches Babysitten bei den Tillbergs aufbesserte.

„Au ja“, rief Daniel begeistert.

Er freute sich immer sehr, wenn Mina kam. Auch wenn er das Wort „Babysitter“ nicht gerne hörte, schließlich war er kein Baby mehr, sondern mit seinen fünf Jahren schon ein großer Junge, wie er immer gerne behauptete.

Christian wusste auch, warum Daniel sich so freute, wenn Mina zu ihnen kam. Bei ihr durfte er nämlich länger fernsehen, als es ihm sein Papa erlaubte. Mina und Daniel glaubten beide, dass Christian von ihrem kleinen Fernsehgeheimnis nichts wusste. Aber Daniel hatte sich mal verplappert, und so wusste sein Papa Bescheid.

Doch für Christian war das in Ordnung. Er war ja froh, dass die Babysitterin und sein Sohn so gut miteinander auskamen. So konnte er abends schon mal ausgehen.

Als Mina kam und Daniel zufrieden mit ihr ins Wohnzimmer marschierte, machte Christian sich auf den Weg in den Kindergarten.

Draußen dämmerte es bereits. Am Himmel stand ein glutroter Sonnenball, und die Wolken hatten sich ebenfalls rot verfärbt. Es war ein herrlicher Anblick!

Christian blieb stehen und betrachtete das Naturschauspiel. Einen Moment lang verspürte er den tiefen Wunsch, diesen Anblick mit jemandem teilen zu können. Doch er hatte niemanden an seiner Seite.

Christian ging weiter, in seltsam romantischer Stimmung.

Zehn Minuten später erreichte er den Kindergarten, der gar nicht weit entfernt von der Grünwalder Burg lag. Er stieg die wenigen Stufen zum Eingang hoch. Im Flur schaute er in Daniels Garderobenfach nach, ob dort wieder mal etwas liegen geblieben war. Er entdeckte eine lang vermisste Mütze und Daniels Turnbeutel. Unter der Schuhablage lag auch noch irgendetwas … Christian bückte sich, um nachzusehen, was da war.

„Guten Abend“, sagte eine Stimme hinter ihm. „Können Sie mir vielleicht sagen, ob dort unten pinke Turnschläppchen liegen? Anna vermisst sie. Sie war heute im Turnraum, aber da habe ich schon nachgeschaut, da ist nichts liegen geblieben.“

Christian kam mit rotem Kopf wieder hoch, und sein Gesicht wurde noch viel roter, als er die Frau erblickte, die vor ihm stand. Es war Josefine Millmann, die Mutter von Anna und Lilli.

In der letzten Zeit waren sie sich häufiger im Kindergarten begegnet. Anna Millmann hatte nämlich in die Zebragruppe gewechselt, weil sie unbedingt mit ihrer besten Freundin Jenny zusammen sein wollte.

Christian fühlte sich schrecklich unsicher in Josefines Nähe, ihm fehlte die Leichtigkeit im Umgang mit Frauen.

„Nein, hier unten sind keine Schläppchen“, sagte er. „Hier sind bloß so nette Pantoffel.“

Er hielt ihr einen zugestaubten Hausschuh hin, der vermutlich schon etwas länger unter der Bank gelegen hatte.

„Nein, der gehört uns nicht.“ Josefine grinste. „Dann muss ich morgen wohl doch in der Fundkiste nachschauen. Hören Sie sich jetzt auch diesen Vortrag über Leseförderung an? Ich bin mal gespannt, was die für Tipps geben. Meine beiden sind nicht gerade Leseratten.“

„Ja, ich geh jetzt zu dem Vortrag, sonst wäre ich wohl gar nicht hier.“

Himmel, was redete er denn da? In Josefines Nähe fiel ihm einfach kein gescheiter Satz ein.

Wenn Christian in seinem Beruf als Architekt mit einem Auftraggeber redete, hatte er keine Mühe, die richtigen Worte zu finden. Aber dann spielten sein Kopf und auch sein Herz ja auch nicht verrückt …

Doch zum Glück schien sich Josefine nichts weiter aus seiner unfreundlichen Antwort zu machen.

„Ach entschuldigen Sie, da haben Sie natürlich recht“, sagte sie bloß.

Dann erzählte sie Christian, dass sie Fotografin war und ihren Beruf mit Leidenschaft ausübte. Er fand das ungeheuer spannend, und so unterhielten sie sich einen Moment über ihre Berufe und darüber, wie schwierig es war, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen.

Als sich dann eine andere Kindergartenmutter zu ihnen stellte und mit Josefine reden wollte, ging Christian schon einmal in den Gruppenraum, wo der Vortrag kurz darauf begann.

Doch Christian konnte kaum zuhören. Mit seinen Augen und seinen Gedanken war er die ganze Stunde über nur bei Josefine, die ein paar Reihen vor ihm saß. Sie trug ihre Haare heute locker hochgesteckt, und er konnte ihren zarten Nacken sehen, den er zu gerne einmal gestreichelt hätte.

Tief in sich versunken seufzte er. Es war aussichtslos. Er hatte den goldenen Ring an ihrem Finger längst bemerkt.

Josefine war verheiratet, und Christian würde es niemals wagen, ihr seine Zuneigung zu gestehen. Nein, er wollte keiner dieser Männer sein, die sich zwischen zwei Ehepartner drängten und damit womöglich eine Ehe zerstörten, denn von solchen Männern hielt er selbst nicht viel.

***

„Martha, schicken Sie mir bitte den nächsten Patienten erst in zehn Minuten herein“, sagte Dr. Frank zu seiner Sprechstundenhilfe. „Ich möchte rasch Ulrich Waldner anrufen und mich nach einem Patienten erkundigen, der bei ihm in der Klinik ist.“

Dr. Ulrich Waldner, seines Zeichens Chirurg und Leiter der gleichnamigen Waldner-Klinik in München, war ein langjähriger Freund von Dr. Frank, und der Grünwalder Arzt hatte Belegbetten in der Schwabinger Klinik.

„Klar, Chef, det mache ick. Ein paar Minütchen beim Arzt zu warten, hat wohl noch keenem Patienten geschadet.“

„Lange warten müssen die Patienten bei uns doch eigentlich kaum“, sagte Marie-Luise Flanitzer.

Da sie für die Termine zuständig war, war sie stolz darauf, dass sie alles gut organisiert bekam und im Grünwalder Doktorhaus selten längere Wartezeiten entstanden.

„Letztens hat mir meine Mutter noch erzählt, wie lange sie bei ihrem Arzt immer warten muss“, fügte sie mit einem Seufzer hinzu. „Selbst mit Termin sitzt sie da manchmal eine Stunde im Wartezimmer herum. Und das bei ihrem Hausarzt! Von den Fachärzten will ich mal gar nicht erst reden, beim Orthopäden hat meine Mutter letztens über zwei Stunden auf einem äußerst unbequemen Stuhl gehockt. Sie hat gemeint, dass ihr der Rücken allein schon vom ewigen Sitzen auf diesem Stuhl wehgetan hätte.“

„Det nenn ick dann aber mal ne richtige Fehlplanung. Da können wir uns hier selbst alle auf die Schultern klopfen, dass bei uns keener so lange warten muss.“

Alle lachten, als Schwester Martha sich demonstrativ auf die eigene Schulter klopfte.

„Ein klein wenig Wartezeit kann natürlich immer mal entstehen“, sagte Dr. Frank. Er hatte sich eine große Tasse Nachmittagskaffee geholt und war nun auf dem Weg zurück ins Sprechzimmer. „Ich möchte mir ja auch für jeden meiner Patienten genügend Zeit nehmen. Und wir können natürlich auch nicht vorausplanen, welcher Mensch an welchem Tag krank wird und dann ohne Termin zu uns kommt.“

„Aber sag mal, Marie-Luise, wieso wechselt deine Mutter denn nicht einfach hier zu uns in die Praxis?“, hörte Dr. Frank Schwester Martha noch fragen. „Hier findet sie doch alles, was sie braucht. Einen hervorragenden Arzt und ein bestens aufgestelltes Praxisteam. Hier wird deine Mutter so jut behandelt, dass sie gar nicht mehr wegmöchte. Und sie muss eben auch bestimmt nicht lange warten, bis sie drankommt.“

Dr. Frank schmunzelte, als er das hörte.

„Das hab ich ihr auch schon ein paar Mal vorgeschlagen“, antwortete Marie-Luise Flanitzer. „Aber sie will ja nicht. Sie geht schon seit gefühlten hundert Jahren zu diesem Dr. Birling, und sie meint, dass sie jetzt nicht einfach wechseln kann. Außerdem ist ihr der Weg bis zu uns nach Grünwald zu weit. Dabei fährt sie doch sonst auch überall mit ihrem Auto herum.“

„Für einen juten Arzt kann man wirklich ein paar Kilometer mehr fahren“, fand Schwester Martha.

Sie ging mit ihrem großen Schlüsselbund zur Praxistür und schloss sie auf.

Dr. Frank steckte noch einmal seinen Kopf zur Tür des Sprechzimmers hinaus.

„Meine Damen, ich möchte nur anmerken, dass es durchaus auch noch andere gute Kollegen gibt. Schauen Sie doch, wenn alle kranken Menschen aus der Umgebung Münchens zu uns kommen würden, dann müssten wir die Praxis vierundzwanzig Stunden offen halten. Und ich denke, damit ist auch niemandem gedient.“

„Ne, Chef, da haben Sie schon recht. Dann machen Sie jetzt mal Ihren Anruf, ick schick Ihnen dann den ersten Nachmittagspatienten in zehn Minuten. Aaab jetzt“, witzelte sie noch und tippte dabei auf ihre Uhr.

„In Ordnung, Martha.“ Stefan Frank grinste und schloss die Tür. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und rief Dr. Waldner an. „Hallo Uli, hast du einen Moment Zeit für mich?“

„Aber natürlich, Stefan. Für dich nehme ich mir doch immer Zeit. Ich komme übrigens gerade von einem Vorstellungsgespräch zurück. Du weißt ja, dass wir schon eine ganze Weile nach einem Unfallchirurgen suchen, der uns ein wenig entlasten kann. Und heute war ein sehr kompetenter Arzt da, der einen hervorragenden Eindruck macht. Ich denke, ich werde ihn einstellen.“

Interessiert ließ sich Dr. Frank schildern, welche herausragenden Zeugnisse und Referenzen dieses Dr. Gregor Hensel, Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, hatte.

„Mit ihm triffst du sicher eine gute Wahl, Ullrich. Und Eva wird sich bestimmt freuen, wenn sie ein wenig entlastet wird. War Ruth bei dem Vorstellungsgespräch auch dabei?“

Dr. Ruth Waldner war Anästhesistin und die Frau des Chefarztes. Das Ärzte-Ehepaar Waldner wohnte in einem Penthaus über der Klinik.