Dr. Stefan Frank Sammelband 4 - Arztroman - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Sammelband 4 - Arztroman E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

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Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:

Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2209 bis 2211:

2209: Ärzte in Not

2210: Ein Herbstspaziergang mit Folgen

2211: Du wärmst mein Herz


Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.

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Seitenzahl: 351

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: wavebreakmedia ISBN 978-3-7325-6899-4

Stefan Frank

Dr. Stefan Frank Sammelband 4 - Arztroman

Inhalt

Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2209Dieses ständige Piepen der Apparate macht ihn noch ganz verrückt! Dabei ist Detlef Berander sich ganz sicher, dass das alles ein groß angelegter Schwindel ist. Sicher täuschen die Ärzte an der Waldner-Klinik nur vor, dass seine geliebte Lucia sterben wird. Wahrscheinlich will sie sich nur klammheimlich aus dem Staub machen und irgendwo anders eine neues Leben beginnen. Aber nicht mit ihm! Wenn dieser Dr. Waldner ihm seine Frau wegnimmt, dann wird er es ihm mit gleicher Münze heimzahlen! Nur wenige Tage später ist es so weit. Lucia sei tot, behauptet Ulrich Waldner, doch Detlef glaubt ihm nicht. Er besorgt sich ein langes, scharfes Messer und macht sich auf den Weg zu Ruth Waldners Büro. Auge um Auge, Zahn um Zahn, ist das Letzte, was er denkt, bevor er die Tür auftritt...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2210Melanie ist das hübscheste und intelligenteste Kind auf der ganzen Welt, das versichert ihr ihre Mama Barbara jeden Tag. Doch nun soll plötzlich alles anders werden. Seit Dr. Frank gesagt hat, dass Melanie bald ein Geschwisterchen bekommen wird, ist ihre Mama ganz aus dem Häuschen. Auf einmal ist nur noch die Rede von diesem Jungen. Ihre Mama ist sich ganz sicher: Der kleine Bruder wird alles noch viel toller machen als Melanie. Das kann die Fünfjährige jedoch nicht hinnehmen. Was soll denn dann aus ihr werden? Als sie im Kindergarten das Märchen von Hänsel und Gretel kennenlernt, nimmt in ihrem Kopf langsam ein Plan Gestalt an: Sobald das Baby auf der Welt ist, wird sie es in den Wald bringen. Von dort aus findet es bestimmt nie wieder nach Hause, und Melanie hat ihre Mama wieder ganz für sich alleine...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2211Was für eine wundervolle Frau, denkt Simon Bethmann gleich beim ersten Mal, als ihm die hübsche Kostümbildnerin Sandra Albertz auf Korsika begegnet. Doch leider findet das auch sein Freund Tobias Kirchhoff, und der hat wesentlich mehr Erfahrung darin, Frauenherzen zu erobern - nur dass ihn das Herz in der Regel gar nicht interessiert. Es kommt, wie es kommen muss: Tobias erobert Sandra und lässt sie wenige Wochen später wieder fallen, um sich der nächsten Frau zu widmen. Als sich die beiden Cliquen im November beim Skilaufen in den Alpen erneut begegnen, ist Sandra zu sehr mit ihrem Groll auf Tobias beschäftigt. Wieder bemerkt sie nicht den stillen und aufmerksamen Simon, der bereit wäre, alles für sie zu tun. Doch dann kommt es zu einem tragischen Unfall, der von einer Sekunde auf die andere alles verändert ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Ärzte in Not

Vorschau

Ärzte in Not

Als ein verzweifelter Patient die Ärzte der Waldner-Klinik bedrohte

Dieses ständige Piepen der Apparate macht ihn noch ganz verrückt! Dabei ist Detlef Berander sich ganz sicher, dass das alles ein groß angelegter Schwindel ist. Sicher täuschen die Ärzte an der Waldner-Klinik nur vor, dass seine geliebte Lucia sterben wird. Wahrscheinlich will sie sich nur klammheimlich aus dem Staub machen und irgendwo anders ein neues Leben beginnen. Aber nicht mit ihm! Wenn dieser Dr. Waldner ihm seine Frau wegnimmt, dann wird er es ihm mit gleicher Münze heimzahlen!

Nur wenige Tage später ist es so weit. Lucia sei tot, behauptet Ulrich Waldner, doch Detlef glaubt ihm nicht. Er besorgt sich ein langes, scharfes Messer und macht sich auf den Weg zu Ruth Waldners Büro. Auge um Auge, Zahn um Zahn, ist das Letzte, was er denkt, bevor er die Tür auftritt …

Lucia Berander war bewusst, dass sie viel zu schnell fuhr. Regen hatte eingesetzt. Die Wolken hingen tief, sie schienen sich fast in den Spitzen der Tannen zu verfangen.

Ich will nach Hause, dachte die hübsche blonde Frau, will mit Clemens reden, ihn anrufen, seine Stimme hören.

Bald hatte sie es geschafft, dann würde sie endlich bei ihm sein, für immer bei dem Mann, den sie liebte – der aber nicht der Mann war, mit dem sie verheiratet war.

Lucias Blick flog zu Detlef, ihrem Ehemann, der neben ihr auf dem Beifahrersitz saß, ihr leicht zugewandt, die Augen halb geschlossen. Er wirkte schläfrig, doch sie wusste, dass er alles andere als schläfrig war, dass er sie genau beobachtete. So, wie er sie immer beobachtete. Nicht eine Sekunde ließ er sie aus den Augen, wenn sie zusammen waren, denn stets wollte er wissen, was sie tat, was sie sagte, was sie dachte.

Wie ich ihn verabscheue, dachte sie und trat noch ein wenig mehr aufs Gas.

Sie hatte sich verfahren, war irgendwann vorhin falsch abgebogen, und nun leitete das Navi sie über dieses schmale, kurvige Strecke Richtung München.

Die Straße machte ihr Angst. Von beiden Seiten schien der düstere Wald sie zu bedrängen, schienen die Äste nach ihr greifen zu wollen, um sie festzuhalten und wie in einem Gefängnis einzuschließen. So, wie sie in ihrer Ehe gefangen war.

Lucias Lippen wurden zu einem schmalen Strich. Dass ein Mensch sich so verändern konnte! Wie charmant Detlef vor ihrer Ehe gewesen war, wie großzügig und liebevoll.

Er ist ein Traum von einem Mann, hatte sie ihren Freundinnen glücklich erzählt, doch längst war ein Albtraum daraus geworden. Detlef erstickte sie, ließ ihr keinen Raum zum Atmen, war krankhaft eifersüchtig, wollte ihr gesamtes Leben bestimmen und kontrollieren. Nur Gretas wegen war sie überhaupt bei ihm geblieben.

Für einen Moment spielte ein Lächeln um ihren Mund. Greta, ihre süße kleine Tochter, niedliche vier Jahre alt, ein Geschenk des Himmels. Sie war trotz der bedrückenden Atmosphäre im Elternhaus ein Kind mit sonnigem Gemüt, und ihr Lächeln erwärmte jedes Herz. Nur nicht das ihres Vaters.

Nein, Detlef liebte seine Tochter nicht, er behauptete sogar, sie wäre nicht sein Kind. Und doch hatte er ihr, Lucia, angedroht, ihr die Kleine zu nehmen, falls sie je auf die Idee kommen sollte, ihn zu verlassen. Er würde dafür sorgen, dass sie Greta nie wiedersähe, hatte er ihr versichert – und sie glaubte ihm. Sie wusste ja, wie überzeugend er lügen konnte. Niemand würde ihr auch nur ein Wort glauben, wenn sie erzählte, was für ein Mensch in Wirklichkeit hinter seiner charmanten Maske steckte.

Und so achtete Lucia sorgsam darauf, Greta von ihrem Vater fernzuhalten. Sooft es ging, brachte sie die Kleine zu ihrer Schwester, ihrer einzigen Vertrauten. Bei Tina hatte sie auch Clemens kennengelernt, hatte sich schließlich in ihn verliebt, und gemeinsam hatten sie einen Plan geschmiedet, wie sie Detlef entkommen konnte.

„Denkst du gerade an mich?“ Die spöttische Stimme ihres Mannes riss Lucia aus ihren Gedanken.

„Ich denke immer an dich“, erwiderte sie, den Blick fest auf die Straße gerichtet.

Detlefs Lachen klang hässlich.

„Das will ich dir auch geraten haben“, meinte er. „Wer ist er?“

„Wer soll wer sein?“ Das Herz schlug Lucia plötzlich bis zum Hals.

„Der Kerl, für den du mich verlassen willst.“

„Warum sollte ich dich verlassen wollen?“, fragte sie und umklammerte das Lenkrad so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

Wusste Detlef tatsächlich, dass es einen anderen gab? Oder war seine Bemerkung, wie schon so oft, einfach ein Schuss ins Blaue? Wollte er sie damit so verunsichern, dass sie sich verriet? Irgendwie?

„Ja, warum wohl …“ Detlef hatte sich aufgerichtet, sein Gesicht wirkte plötzlich hart und gefährlich. „Schließlich weißt du ja, was passiert, wenn du fortgehst – oder?“

In diesem Moment klingelte ihr Handy. Detlef wollte danach greifen, doch Lucia war schneller. Mit einer Hand hielt sie sich das Telefon ans Ohr, mit der anderen lenkte sie.

„Lucia? Du musst sofort nach Hause kommen!“ Die Stimme ihrer Schwester klang ganz atemlos. „Ich war wirklich nur einen Moment, einen einzigen Moment abgelenkt.“

Lucia wurde ganz blass. War irgendetwas mit Greta passiert?

Doch bevor sie etwas sagen konnte, redete ihre Schwester schon weiter.

„Ich war mit deiner Tochter im Park, und wir waren eben auf dem Weg nach Hause, als ein Wagen neben uns hielt – und plötzlich hat so ein Kerl versucht, Greta in sein Auto zu zerren. Ich hab sie festgehalten und geschrien, und Gott sei Dank war so ein bulliger Typ in der Nähe, der wollte sich den Kerl gleich schnappen und ihm eine reinhauen, aber da ist der Wagen auch schon davongerast. Wir konnten beide das Kennzeichen nicht erkennen, ich war ja eh viel zu fertig, und Greta hat geheult, und ich wollte auch nicht zur Polizei, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dass Detlef …“

Tina brach ab.

Doch Lucia wusste auch so, was ihre Schwester hatte sagen wollen: dass Detlef dahintersteckte.

„Ich bin eh schon auf dem Heimweg“, sagte sie nur. „Spätestens in einer Stunde müsste ich bei dir sein“, fügte sie hinzu und beendete dann das Gespräch.

„Ist was mit Greta?“, fragte Detlef mit falscher Freundlichkeit. „Eine überraschende Begegnung vielleicht?“

Er lächelte, doch Lucia hätte ihm dieses Lächeln am liebsten aus dem Gesicht gekratzt. In diesem Moment wusste sie mit absoluter Sicherheit, dass ihr Mann für diesen Entführungsversuch verantwortlich war.

Detlef lehnte sich zurück und schloss die Augen.

„Na, willst du mich jetzt immer noch verlassen?“, meinte er wie beiläufig.

Es war purer Hass, der Lucia alle Vorsicht vergessen ließ. Hass und Zorn über all das, was Detlef ihr angetan hatte.

Am schlimmsten war, dass er versucht hatte, ihrer Tochter etwas anzutun! Damit hatte er eine Grenze überschritten. Nichts, aber auch gar nichts mehr würde sie sich von ihm gefallen lassen! Was ihrem Kind alles hätte zustoßen können! Greta zuliebe würde sie sich endlich wehren.

Flüchtig dachte sie an den Streit zurück, der sie vorhin aus ihrem Wochenendhaus in den Bergen getrieben hatte – Detlef hatte sie gezwungen, ihn dorthin zu begleiten. Eigentlich hatten sie bis zum nächsten Tag bleiben und erst am Sonntagabend zurückkehren wollen. Doch dann hatte er ihr eine besonders hässliche Szene gemacht, ihr wieder einmal vorgeworfen, sich jedem Mann, den sie sah, an den Hals zu werfen.

Plötzlich hatte sie alles so sattgehabt, dass sie einfach aus dem Haus gerannt war. Sie hatte nur noch weg gewollt, zurück nach München, zu Clemens.

Aber Detlef war schnell. Im letzten Moment war er in den Wagen gesprungen, den sie bereits gestartet hatte.

„Und ob ich dich verlassen werde!“, stieß Lucia hervor.

Der Motor heulte auf, als sie erneut Gas gab. Der Wagen raste über die schmale Straße.

„Es ist aus, Detlef. Aus und vorbei. Such dir jemand anderen, den du quälen kannst. Ich spiele nicht mehr mit.“ Ihre Worte überschlugen sich fast. „Ja, ich fange ein neues Leben an. Mit einem anderen. Mit einem Mann, der mich wirklich liebt.“

Sie schaute nicht zu Detlef hin, und so sah sie nicht, wie sich sein Gesicht verzerrte. Sie sah auch nicht die Hand, die zu ihr herüberschoss.

„Oh nein, du wirst mich nicht verlassen, niemals, Liebes!“, zischte er. „Wenn ich dich nicht mehr haben kann, soll dich auch kein anderer haben!“

Mit diesen Worten griff er ihr ins Lenkrad und riss es herum.

Greta, dachte Lucia entsetzt, meine Kleine, meine Süße! Was soll jetzt aus dir werden? Du brauchst mich doch!

Es war der letzte klare Gedanke, den Lucia hatte.

***

Der Wagen schleuderte, streifte einen Baum und hinterließ tiefe Spuren in dem nassen Boden am Straßenrand. Einen Moment schien er innezuhalten, bevor er kippte und dann fiel – immer tiefer, den steilen Hang hinab, der sich an dieser Stelle neben der Straße befand, genau dort, wo der Wald endete. Hier wuchsen nur ein paar Büsche, die nicht stark genug waren, um das Auto aufzufangen.

Das Auto überschlug sich, einmal, zweimal, prallte gegen einen Felsbrocken, der aus dem Boden ragte, und kam dann endlich zum Stehen. Nach all dem Krachen und Kreischen von sich verbiegendem Metall herrschte auf einmal unheimliche Stille.

Detlef Berander hatte für eine Weile das Bewusstsein verloren. Als er wieder erwachte, versuchte er, sich zu bewegen, nach seiner Frau zu greifen.

Doch Detlef konnte sich nicht rühren. Die Brust tat ihm weh, als hätte jemand mit einer Riesenfaust dagegen gedrückt, sein Kopf schmerzte höllisch, und etwas Warmes sickerte seine Schläfe herab.

Er blutete.

Unwillkürlich wollte er nach der Wunde tasten, und erst da merkte er, dass er eingeklemmt war. Das Dach war eingedrückt, genau wie die Beifahrertür, und es wollte ihm nicht einmal gelingen, den Gurt zu lösen.

Hilflos hing er in seinem Sitz.

„Lucia“, flüsterte er. „So hilf mir doch!“

Doch Lucia antwortete nicht. Sie saß in ihrem Sitz, nach vorn über das Lenkrad gebeugt, als ob sie schliefe. Nicht mehr als die rechte Wange konnte er von ihr sehen – und dass ihr blondes Haar von Blut dunkel gefärbt war.

„Lucia! Jetzt sag doch was!“

Aber sie sagte nichts.

Ob sie tot war?

Doch dann hörte er, wie sie einen Atemzug tat, und er schöpfte neue Hoffnung. Sicher war sie nur bewusstlos, genau wie er vorhin, und gleich würde sie wieder aufwachen und ihm helfen. An ihrer Seite war der Wagen kaum eingedrückt, bestimmt konnte sie sich bewegen und ihn aus seiner misslichen Lage befreien.

Dass seine Brust aber auch so schmerzen musste! Und das Atmen fiel ihm irgendwie schwer.

Verdammt. Das war alles nur ihre Schuld! Hätte sie vorhin nicht so einen Unsinn geredet, wäre das alles nie passiert. Es war ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, aufzuwachen und ihm zu helfen!

Doch Lucia wachte nicht auf.

***

Detlef hatte keine Ahnung, wie viel Zeit mittlerweile vergangen war. Inzwischen war es dunkel geworden, stockdunkel, und der Regen fiel unaufhörlich weiter, pochte in stetigem, entnervenden Rhythmus auf das Autodach.

Ihm war kalt. Das Blut an seiner Schläfe war geronnen. Die Brust schmerzte immer noch, dort, wo die Rippen saßen. Ein paar Mal hatte er den Versuch unternommen, sich aus dem Gurt, doch stets schnell wieder aufgegeben.

Sein Zorn war Verzweiflung gewichen. Er steckte fest. Er kam hier nicht heraus. Und Lucia wollte einfach nicht aufwachen. Beängstigend still und reglos saß sie da, reagierte auf nichts. Er hatte sie angeschrien, gebettelt, sie beschworen, endlich etwas zu tun, etwas zu sagen, ein Wort nur, ein einziges Wort.

„Ich liebe dich doch“, flüsterte er irgendwann, doch nicht einmal das schien sie zu erreichen.

Und dann kam die Angst. Dass Lucia doch noch sterben könnte. Dass er mit ansehen müsste, wie das Leben aus ihr schwand, wie sie ihm entglitt, ohne dass er sie aufhalten konnte. Dass sie ihn doch noch verließ. Für immer.

Sie durfte nicht sterben! Er brauchte sie!

Alle Sinne angespannt, lauschte Detlef Berander auf jeden Atemzug seiner Frau. Jedes Mal, wenn ihr Atem für einen Moment stockte, hielt er selbst die Luft an.

Es wurde die längste Nacht seines Lebens.

***

Unruhig lief Tina in ihrer kleinen Wohnung auf und ab. Wo Lucia nur blieb? Höchstens eine Stunde, hatte sie gesagt, dann wäre sie da – und nun waren bereits drei Stunden vergangen. Sie machte sich solche Sorgen!

„Ob ihr irgendetwas passiert ist?“, fragte sie Clemens und blieb stehen. „Ich meine, sie wollten doch erst morgen zurückkommen, aber sie war schon auf dem Heimweg. Detlef ändert nie seine Pläne. Nie. Wenn er sagt, sie bleiben bis Sonntag, dann tun sie das auch. Irgendwas muss da vorgefallen sein. Ich fand, sie hat sich auch so komisch angehört.“

Tina schwieg einen Moment.

„Oder vielleicht hatten sie einen Unfall“, fügte sie dann hinzu. „Vielleicht sollte ich die Polizei informieren …“

„Ach was.“ Clemens winkte ab. „Wenn irgendwas passiert wäre, dann hätte man dir längst Bescheid gegeben.“

„Aber wieso kommt sie dann nicht her? Wenn nichts passiert ist, müsste sie doch schon hier sein.“

„Wer weiß, was dieser Detlef sich wieder hat einfallen lassen.“ Clemens’ Stimme klang müde. „Ich versteh einfach nicht, warum sie ihn nicht längst verlassen hat. Es gibt doch Frauenhäuser, da hätte sie mit Greta Zuflucht gefunden.“

Tina seufzte.

„Wir haben schon so oft darüber geredet“, erwiderte sie. „Du kennst ihn eben nicht. Er ist schlau und berechnend, und irgendwie hat er immer instinktiv gespürt, wenn Lucia versucht hat, sich ihm zu entziehen. Einmal, als Greta noch ein Baby war, hat er sie sich einfach geschnappt und ist eine Woche lang mit ihr verschwunden. Lucia ist fast durchgedreht. Ein Warnschuss sei das gewesen, hat er gesagt, als er damals mit der Kleinen zurückgekommen ist.“

Sie schwieg einen Moment.

„Du weißt doch, was heute passiert ist“, fuhr sie dann fort. „Detlef hat keine Skrupel, und er weiß genau, dass er meine Schwester mit Greta erpressen kann. Sie würde es nicht ertragen, wenn sie ihre Tochter verlieren würde.“

„Bei einer Scheidung würde man Greta doch garantiert ihr zusprechen.“

„Hast du eine Ahnung!“ Tina lachte bitter auf. „Er hat ihr das mal in aller Ausführlichkeit erklärt. Dass es kein Problem für ihn wäre, jede Menge falsche Zeugen aufzutreiben, die beschwören würden, was für eine schlechte Mutter sie sei und wie oft sie ihn schon betrogen hätte. Clemens, der Mann ist so reich, dass er sich alles und jeden kaufen kann, und er hat verdammt viele Freunde an den richtigen Stellen. Lucia hätte nicht die geringste Chance zu beweisen, dass das alles nur erstunken und erlogen ist.“

Sie schluckte.

„Dazu kommt, dass sie ganz anders ist als ich. Sie ist … Na ja, nicht unbedingt schwach, aber sie kann sich zumindest nicht besonders gut wehren. Ich hätte ihm gleich einen Tritt in den Hintern gegeben. Sie aber hat sich von Detlef einschüchtern lassen. Du ahnst ja gar nicht, welche Angst sie vor ihm hat!“

Doch, Clemens ahnte es. Und es entsetzte ihn immer wieder, dass manche Menschen anderen so völlig ihren Willen aufzwingen konnten.

„Ich versuche noch mal, sie anzurufen.“ Tina griff nach ihrem Handy. „Hoffentlich geht sie diesmal endlich dran!“

***

Detlef hörte das Handy klingeln, wie schon all die Male zuvor. Doch das Mobiltelefon lag neben Lucia, auf der anderen Seite. Genauso unerreichbar wie sein eigenes.

Bestimmt war das Tina, die wissen wollte, wo ihre Schwester blieb. Er verabscheute seine Schwägerin, doch in diesem Moment hätte er alles dafür gegeben, mit ihr sprechen zu können.

Ihm war kalt. Seine Brust schmerzte immer noch. Er wollte hier raus. Oh Gott, wie sehr er sich wünschte, dass jemand kam und ihn aus diesem verdammten Auto holte!

Sein Blick wanderte zu Lucia, doch in der Dunkelheit ahnte er mehr, wo sie war, als dass er sie sah. Ab und zu verriet ihm ein etwas lauterer Atemzug, dass sie noch lebte, doch ansonsten blieb sie gespenstisch still.

Das Einzige, was er sonst noch hörte, war der Regen, der immer noch auf das Autodach prasselte.

***

„Oje, ist das ein Sauwetter!“ Dr. Alexandra Schubert zog schnell wieder die Vorhänge zu, die sie eben einen Spalt aufgeschoben hatte, um nach dem Wetter zu schauen. „Da draußen ist alles grau in grau, man kann noch nicht mal die Berge auf der anderen Seite des Tals erkennen.“

Die Ärztin wandte sich um.

„Ich fürchte, es hat sich eingeregnet. Es sieht nicht so aus, als ob das Wetter sich in absehbarer Zeit bessern würde. Was meinst du, Stefan, sollten wir nicht lieber nach Grünwald zurückfahren?“

Dr. Frank lächelte sie an.

„Komm erst mal wieder her zu mir ins Bett“, sagte er. „Es ist noch viel zu früh, um aufzustehen.“

„Früh!“ Alexandra lachte. „Es ist schon halb neun. Da sitzt du normalerweise bereits in deiner Praxis.“

„Eben.“

„Ach, komm, Stefan, lass uns frühstücken und dann heimfahren. Ich hab einen Riesenhunger.“

„Wovon?“

Sie lachte, dann setzte sie sich zu ihm auf die Bettkante, beugte sich vor und gab ihm einen Kuss. Einen Kuss, der zärtlich begann und dann immer leidenschaftlicher wurde.

„Vielleicht, weil mir ein sehr bekannter und geschätzter Grünwalder Arzt vorhin viel Appetit gemacht hat?“, meinte Alexandra schließlich ganz atemlos.

„Ach … und noch ein bisschen mehr Appetit möchtest du nicht bekommen?“

In diesem Augenblick knurrte Alexandras Magen laut und vernehmlich.

„Da habe ich meine Antwort“, sagte er. „Also gut, gehen wir frühstücken. Und ja, danach fahren wir zurück. Es macht wirklich nicht viel Sinn, hier zu bleiben, wenn es wie aus Eimern schüttet.“

Alexandra lächelte ihn an.

„Wir können es uns ja zu Hause gemütlich machen, einen schönen Sonntag zu zweit verbringen, ganz ruhig und ungestört …“

„Dein Wort in Gottes Ohr!“, warf Dr. Frank ein.

„… nur wir beide allein“, beendete sie ihren Satz.

Eine halbe Stunde später saßen sie beim Frühstück, umsorgt von der freundlichen Wirtin des abgelegenen Berggasthofs, und eine weitere halbe Stunde darauf machten sie sich auf den Weg zurück nach Grünwald.

Alexandra fuhr, sie hatten diesmal ihren Wagen genommen. Dr. Frank, gesättigt von dem guten, reichlichen Frühstück und noch ein wenig müde, nickte immer wieder ein.

„Ein schöner Beifahrer bist du“, murmelte Alexandra vor sich hin, als sie einen kurzen Blick auf ihn warf.

Aber sie nahm es ihm nicht übel, dass er schlief, denn sie wusste, dass er eine harte Woche hinter sich hatte. Einer seiner Kollegen war plötzlich krank geworden, und er hatte etliche von dessen Patienten übernommen, obwohl seine eigene Praxis mehr als ausgelastet war. Hinzu kam, dass eine alte Dame, die er sehr mochte und schon seit vielen Jahren betreute, gestorben war. Obwohl das nicht unerwartet gekommen war, nahm ihr Tod ihn doch ziemlich mit.

„Ach, Stefan, du darfst das alles nicht immer so nah an dich herankommen lassen“, hatte sie ihm noch gesagt.

„Tue ich ja gar nicht“, hatte er behauptet. „Aber weißt du, wenn man jemanden so lange kennt und so gut leiden mag, dann schiebt man das nicht einfach von sich weg. Ich habe sie immer bewundert. Leicht hatte sie es ganz bestimmt nicht in ihrem Leben, doch sie hat sich nie unterkriegen lassen. Ich habe selten einen Menschen kennengelernt, der sein Schicksal so tapfer angenommen hat wie sie.“

Alexandra lächelte leicht, als sie an einige der Geschichten dachte, die Stefan ihr von dieser alten Dame erzählt hatte. Wie hatte sie gelacht, als er ihr von dem Kleinkrieg berichtet hatte, den Antonia Bergentheimer mit Schwester Martha geführt hatte, seiner resoluten Sprechstundenhilfe. Nicht etwa, weil die beiden sich nicht ausstehen konnten, sondern einfach, weil es ihnen so viel Spaß machte, sich zu kabbeln.

Alexandra war so in ihre Gedanken versunken, dass ihr erst nach einer Weile auffiel, dass sie sich verfahren haben musste. Ganz sicher hatten sie diese schmale, kurvige Straße auf der Herfahrt nicht genommen. Sie kam ihr vollkommen unbekannt vor.

„Verflixt, irgendwo muss ich vorhin falsch abgebogen sein“, fluchte sie leise vor sich hin.

Sie fuhr noch ein Stück weiter, wurde dann immer langsamer und hielt schließlich an. Alexandra fuhr ohnehin nicht besonders gern in den Bergen, aber diese Straße hatte etwas Bedrückendes, fand sie. Etwas Einschüchterndes.

„Stefan?“

„Ja?“ Der Grünwalder Arzt schreckte hoch. „Was ist? Ist etwas passiert? Warum halten wir?“

„Ich habe mich verfahren“, erwiderte sie. „Ich hab keine Ahnung, wo wir sind. Irgendwie finde ich die Gegend hier unheimlich. Kannst du dich ans Steuer setzen?“

„Ja, natürlich“, meinte er, dann öffnete er die Beifahrertür, stieg aus und ging um den Wagen herum, um mit Alexandra den Platz zu tauschen.

Einen Moment blieb er stehen und streckte sich. Es hatte aufgehört zu regnen, und die Wolken hingen nicht mehr so tief, waren aber immer noch dunkel und regenschwer.

„Danke“, meinte Alexandra, die nun ebenfalls ausgestiegen war, und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Du bist doch der Beste!“

„Hast du je daran gezweifelt?“

„Nie!“

Dr. Frank schaute sich kurz um.

„Ich denke, ich weiß, wo wir sind“, murmelte er vor sich hin. „Sag, Alexandra, gab es dort, wo du abgebogen bist, einen Gasthof mit einem auffallend roten Dach?“

„Hm … lass mich nachdenken … ich glaube schon.“

„Und bist du eben eine langgezogene S-Kurve gefahren?“

„Ja.“ Sie nickte. „Das ist mir aufgefallen, weil all die anderen Kurven hier so schmal und eng sind.“ Dann sah sie ihn erstaunt an. „Aber woher, um Himmels willen, weißt du denn, wo wir sind? Hier gibt es nichts, was man wiedererkennen könnte. Hier stehen doch nur Bäume!“

„Genau hier an dieser Stelle bin ich mal mit dem Wagen liegengeblieben, und ich musste verdammt lange warten, bis Hilfe kam.“ Der Grünwalder Arzt lachte. „Ich hatte also ausreichend Zeit, mir die Gegend einzuprägen.“

Er packte sie an den Schultern und drehte sie herum, sodass sie genau auf die Berge schaute, deren Gipfel die Wolken freigegeben hatten.

„Sieh mal, von hier aus hast du einen fantastischen Blick auf den Wendelstein, der ja auch von München aus zu sehen ist. Man erkennt ihn sofort an seiner Form.“

„Ach ja?“

„Ja, du Nordlicht! Er ist wirklich unverkennbar. Und dort drüben, ganz nah an der Straße, steht diese Fichte mit dem sonderbar verkrüppelten Stamm. Merkwürdig, nicht, dass du ausgerechnet hier angehalten hast.“

„Ich würde das als eine Art ausgleichende Gerechtigkeit dafür sehen, dass auf der Herfahrt mein Navi ausgefallen ist.“ Alexandra zuckte mit den Schultern. „Ich meine, hätte ich woanders gestoppt, würden wir wohl immer noch raten, wo wir sind.“

Sie schauderte plötzlich.

„Ich weiß nicht, ich finde es richtig unheimlich hier“, gestand sie. „Diese Bäume … irgendwie wirken sie so, als wollten sie gleich auf einen losmarschieren.“

„Na ja, ein bisschen düster ist es hier schon“, gab Dr. Frank zu. „Aber dort vorn, ein Stück weiter, lichtet sich der Wald. Dann kommt bald wieder ebenes Gebiet. – Okay, Alexandra, steig jetzt ein. Wir fahren weiter.“

Der Wagen rollte an. Dr. Frank fuhr langsam, denn er wusste, dass nun einige gefährliche Kurven folgten, zudem fiel der Boden neben der Straße an einer Seite steil ab.

Alexandra saß schweigend neben ihm und ließ den Blick schweifen. Als sie sah, dass der Wald tatsächlich allmählich zurückwich, atmete sie hörbar auf.

Plötzlich fasste sie nach Dr. Franks Arm.

„Sieh doch mal, Stefan! Da vorne an der Seite, von der Straße weg, sind Reifenspuren. Sie sind vom Regen verwischt, aber man kann sie trotzdem noch gut erkennen. Und der Busch dort schaut ziemlich mitgenommen aus, als wäre irgendwas hineingerast.“ Sie schauderte. „Schrecklich, wenn einem hier was passiert. Da findet einen doch kein Mensch.“

Der Grünwalder Arzt trat auf die Bremse.

„Lass uns nachschauen“, sagte er. „Alexandra, das kann noch nicht so lange her sein. Ich habe das Gefühl, dass hier etwas Entsetzliches geschehen ist!“

Im Nu war er aus dem Wagen. Er blickte über den Abhang nach unten und sah, etliche Meter tiefer, das zerstörte Auto der Beranders liegen.

***

Die Notfalltasche, die er stets bei sich hatte, behinderte ihn, denn der Hang war steil und rutschig. Dr. Frank schlidderte die Böschung hinab, fiel einmal hin und konnte sich gerade noch mit der freien Hand an den Ästen eines Busches festklammern.

Entsetzen erfasste ihn, als er ins Innere des Autos schaute und zwei Menschen entdeckte. Am Steuer saß eine Frau, sie war über dem Lenkrad zusammengesunken. Halb von ihr verdeckt erkannte er einen Mann, der nun schwach eine Hand hob.

„Wie sieht’s aus?“, rief Alexandra von oben herab. „Sag mir alles, was ich für den Notruf wissen muss.“

„Zwei Verletzte, keine Ahnung wie schwer. Der Beifahrer ist bei Bewusstsein.“ Er ging um den Wagen herum und versuchte vergeblich, die Beifahrertür zu öffnen. „Die Rettungssanitäter und der Notarzt werden Hilfe von der Feuerwehr brauchen. Der Hang ist extrem steil und fällt circa acht, neun Meter ab, auf normale Weise kriegt man niemanden hinauf. Das Dach ist eingedrückt, die Beifahrerseite auch. Ich krieg die Tür nicht auf. Vermutlich wird man den Mann herausschneiden müssen.“

Schließlich gab er ihr noch durch, auf welcher Straße sie sich befanden.

„Alexandra, bitte versuch dann, ebenfalls herunterzukommen!“, fügte er hinzu. „Ich brauche deine Unterstützung. Aber bitte sei sehr, sehr vorsichtig!“

Genau wie er selbst rutschte und stolperte Alexandra den Abhang herunter, doch im Gegensatz zu ihm schaffte sie es ohne Sturz.

„Oh mein Gott“, meinte sie nur, als sie den Wagen aus der Nähe sah. „Was ist mit ihr? Meinst du, wir können wenigstens sie herausholen?“

Dr. Frank zuckte mit den Schultern.

„Probieren wir’s“, meinte er nur.

Er musste kräftig ziehen, doch nach ein paar Versuchen gelang es ihm endlich, die Fahrertür zu öffnen, wenn auch nur gerade so weit, dass er sich hineinzwängen konnte.

„Wann ist das passiert?“, fragte er Detlef, während er vorsichtig Lucias Oberkörper anhob und sie gegen den Sitz lehnte.

Ihr Kopf fiel sofort wieder nach vorn, und er sah, dass sie eine Schädelwunde hatte.

„Sie lebt noch“, flüsterte Detlef. „Ich hab sie vorhin noch atmen hören. Aber sie reagiert nicht mehr. Ist schon die ganze Zeit so. Unfall … gestern Abend …“ Das Sprechen fiel ihm schwer, die Worte kamen stockend, sein Atem war mühsam. „Bin eingeklemmt … Helfen Sie ihr. Bitte!“

Dr. Frank tastete nach Lucias Puls, der kaum noch spürbar war.

„Wir sind Ärzte“, sagte er. „Bis der Notarzt kommt, werden wir versuchen, Sie so weit zu versorgen, wie es in unserer Macht steht“, versicherte er.

Was aber nicht viel sein dürfte, fügte er in Gedanken hinzu.

Wenn der Unfall tatsächlich schon am vergangenen Abend passiert und die Fahrerin seitdem bewusstlos war – dann sah es übel aus.

Eilig überprüfte er die Vitalwerte: Atmung, Puls und Blutdruck. Eigentlich war es angeraten, jemanden, der so lange ohne Bewusstsein war, künstlich zu beatmen, doch dazu fehlte ihm jetzt die Möglichkeit – aber immerhin atmete sie noch selbstständig, wenn auch schwach und unregelmäßig.

„Versuch, ihren Kopf zu halten und leicht zu mir zu drehen“, bat er Alexandra, die neben ihm stand und zwei Decken im Arm hielt.

Sie nickte.

Es war schwierig, denn sie hatten kaum Platz, und sie mussten sich beide sehr verrenken.

Der Grünwalder Arzt zog vorsichtig Lucias Lider hoch und leuchtete mit der kleinen Lampe aus seiner Tasche in ihre stark geweiteten Pupillen, die genau so blieben und sich nicht zusammenzogen.

Als Nächstes überprüfte er ihr Schmerzempfinden, doch auch dabei zeigte sich keine Reaktion. Ebenso wenig, als er sie ansprach. Und auch sonst waren keine Reflexe mehr vorhanden.

Das war noch schlimmer als übel. Das waren Anzeichen für eine sehr tiefe Bewusstlosigkeit. Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war davon auszugehen, dass ihr Gehirn bereits schwere Schäden davongetragen hatte.

„Was ist mit ihr?“, krächzte Detlef.

„Das wird man erst im Krankenhaus genau feststellen können“, wich Dr. Frank aus, dann stutzte er, als er vorsichtig die Kopfwunde der Verletzten betrachtete. Irgendwie kam ihm die Frau bekannt vor.

Ja, tatsächlich, er war ihr bereits begegnet. Zwei oder drei Mal, in München, bei irgendwelchen Festivitäten. Lucia hieß sie, dieser ungewöhnliche Vorname hatte sich ihm eingeprägt, doch der Nachname wollte ihm nicht gleich einfallen.

In der Zwischenzeit hatte er begonnen, sie nach weiteren Verletzungen abzutasten.

Dann wusste er den Namen wieder.

„Sind Sie Herr Berander?“, fragte er.

„Ja …“

„Ich bin Dr. Frank, wir kennen uns ganz flüchtig. Herr Berander, ich möchte Ihre Frau lieber nicht aus dem Auto heben, nur im äußersten Notfall, also komme ich auch nicht an Sie heran. Können Sie durchhalten, bis weitere Hilfe kommt? Und mir beschreiben, welche Beschwerden Sie haben? Irgendwelche Wunden, Frakturen?“

„Die Rippen tun mir weh, und die Brust. Das Atmen … fällt schwer … Eine Wunde. Am Kopf. Mir ist kalt. Sonst … sonst geht es …“

Alexandra war inzwischen zur Beifahrerseite hinüber gegangen und versuchte nun ebenfalls, die eingedrückte Tür zu öffnen. Sie rüttelte und zerrte daran, doch auch sie hatte nicht den geringsten Erfolg. Dann inspizierte sie den Kofferraum und überlegte, ob man durch ihn hindurch in den Wagen gelangen konnte, aber auch die Kofferraumklappe war mächtig verzogen und verformt.

Über den Wagen hinweg blickte sie Stefan an, der sich aufgerichtet hatte, und zuckte mit den Schultern.

Mist, dachte der Grünwalder Arzt. Wenn ich doch nur an Herrn Berander herankäme! Aber ich kann ja schlecht über seine schwer verletzte Frau krabbeln, um ihn zu untersuchen. Ob es mir passt oder nicht, wir müssen warten, bis man ihn befreit hat.

Er beugte sich wieder in den Wagen.

„Es kann jetzt nicht mehr lange dauern, bis Unterstützung kommt“, versuchte er Detlef zu beruhigen. „Wir sind ja bei Ihnen. Und man wird Sie dann so schnell wie möglich aus dem Auto holen.“

Detlef versuchte, den Kopf ein wenig zu Dr. Frank zu drehen.

„Helfen Sie meiner Frau!“, flüsterte er. „Sie darf nicht sterben. Ohne Lucia bin ich verloren!“

***

Tina versuchte auch an diesem Morgen, ihre Schwester zu erreichen. Doch wann immer sie Lucias Handynummer wählte, teilte ihr eine freundliche Stimme mit, dass dieser Anschluss momentan nicht zu erreichen sei.

Sie probierte es auch mit der Festnetznummer – selbst auf die Gefahr hin, ihren Schwager an den Apparat zu bekommen –, doch jedes Mal erklang lediglich das Freizeichen.

Sie wurde immer unruhiger, ihre Sorge immer größer. Irgendwann beschloss sie, Greta zu wecken, die noch friedlich in ihrem Bettchen schlief, dann würde sie das Kind anziehen und mit ihm zum Haus seiner Eltern fahren.

„Wenn ich nur wüsste, was mit deiner Mama ist“, murmelte sie vor sich hin, als sie ihr Schlafzimmer betrat, in dem auch das Kinderbett stand. Ihre Nichte hatte schon so oft bei ihr übernachtet, dass sie mit allem ausgestattet war, was die Kleine brauchte.

„Mama?“ Greta schlug die Augen auf und streckte ihrer Tante die Ärmchen entgegen. Offensichtlich hatte sie sie von ihrer Mutter reden hören.

Tina hob das Mädchen aus dem Bett und drückte es an sich.

„Guten Morgen, meine Süße“, sagte sie zärtlich und strich ihr über die Haare, die genauso dunkel waren wie ihre eigenen. Wie oft hatte man sie schon für Gretas Mutter gehalten!

„Morgen, Tantina.“ Greta gähnte, dann lächelte sie ihre Tante strahlend an. „Wo ist Mama?“

Wenn ich das nur wüsste, dachte Tina und unterdrückte einen Seufzer.

„Zu Hause, denke ich“, sagte sie dann laut. „Nach dem Frühstück fahren wir nach Grünwald und schauen nach, ja?“ Sie stellte die Kleine auf den Boden. „Jetzt geht’s aber erst mal ab ins Bad, damit du dir den Schlaf aus den Augen waschen kannst.“

„Kann ich doch nicht, weil da gar kein Schlaf drin ist!“ Greta kicherte, griff dann nach der Hand ihrer Tante und zog sie mit sich ins Bad.

Für eine Weile schob Tina ihre Sorgen beiseite. Während sie der Kleinen half, sich fertigzumachen, lachten und alberten sie herum.

Was für ein Glück, dass du so ein Sonnenscheinchen bist, dachte sie, als sie ihr Frühstück beendet hatten.

Sie zog Greta ein leichtes Jäckchen über, dann machten sie sich auf den Weg zur Straßenbahn, die sie nach Grünwald bringen würde.

***

In der Straßenbahn hatte Tina das Gefühl, dass sie beobachtet wurde. Als sie sich umschaute, entdeckte sie einen jungen Mann, der sie völlig hingerissen betrachtete. Nun lächelte er ihr zu.

Er hatte etwas so Sympathisches, Nettes an sich, dass Tina unwillkürlich sein Lächeln erwiderte.

„Wer ist das?“, wollte Greta wissen.

„Keine Ahnung.“ Tina zuckte mit den Schultern.

„Mag er dich?“, fragte die Kleine, die den Fremden interessiert musterte – und ihm dann jenes strahlende Lächeln schenkte, das so typisch für sie war.

„Woher soll ich das wissen, wenn ich ihn doch gar nicht kenne?“, meinte Tina und sah weg. Komisch, wie schnell ihr Herz plötzlich klopfte.

Sie versuchte, ihre Nichte abzulenken, doch Greta schien von dem jungen Mann völlig fasziniert zu sein. Ganz ungeniert begann sie, mit ihm zu „flirten“.

Tina hatte schon einige Male bemerkt, dass die Kleine ihren ganzen Charme spielen ließ, wenn sie einen Mann sah, den sie nett fand. Unbewusst natürlich, ein Ausdruck ihrer Sehnsucht nach einem liebevollen Vater, dessen war Tina sich sicher.

„Greta!“, mahnte sie, doch ihre Nichte tat so, als hätte sie nichts gehört, und Tina seufzte. Konnte sie es dem Kind denn verübeln, wenn es sich nach väterlicher Zuwendung sehnte?

„Lassen Sie sie ruhig“, meinte der junge Mann und stand auf. „Sie ist ein so reizendes Kind.“ Dann deutete er auf die Sitzbank auf der anderen Seite des Durchgangs und fragte: „Darf ich?“

Tina zuckte mit den Schultern. Was sollte sie schon darauf antworten? Vielleicht: Nein, das möchte ich nicht, weil mein Herz wie verrückt klopft, wenn du mich so anschaust?

„Mike Riemayers“, stellte er sich vor und setzte sich. „Ihre Tochter ist Ihnen wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten.“

Sie sah, wie sein Blick blitzschnell zu ihrer rechten Hand glitt. Sicher wollte er herausfinden, ob sich dort vielleicht ein Ring befand.

„Tantina ist nicht meine Mama“, erklärte Greta sofort. „Aber ich hab sie trotzdem ganz doll lieb.“

„Tantina?“ Mike Riemayers zog eine Augenbraue hoch.

Tina wuschelte der Kleinen zärtlich durch die Haare.

„Tante Tina“, erklärte sie. „Greta ist meine Nichte.“

„Hast du auch eine Nichte?“, wollte Greta sofort wissen – es war nur die erste von vielen, vielen Fragen, mit denen sie Mike geradezu bombardierte.

Tina, die eine solche Fragewut bei ihrer Nichte noch nie erlebt hatte, verkniff sich ein Grinsen. Aber sie stellte auch fest, wie geduldig Mike Greta antwortete, dass er die Kleine ernst nahm und sehr nett auf sie einging.

Wenn Detlef doch nur so zu ihr wäre, dachte sie unwillkürlich – womit ihre Gedanken wieder zu ihrer Schwester zurückkehrten.

„Probleme?“, fragte Mike leise.

Die Straßenbahn hielt, und etliche Leute stiegen aus. Erstaunt stellte Tina fest, dass sie nur noch eine Station von der Endhaltestelle der Tram entfernt waren. Wie schnell die Zeit auf einmal vergangen war!

Dann sah sie, dass Mike sie immer noch anschaute.

Tina zuckte mit den Schultern. Und ob sie Probleme hatte! Aber sie würde bestimmt nicht diesem Fremden auf die Nase binden, was ihr zu schaffen machte, da mochte er noch so sympathisch sein.

Wieder tat ihr Herz einen kleinen Satz.

„Nein“, meinte sie. „Ich habe nur gerade an etwas … na ja, an etwas nicht so Angenehmes gedacht“, wich sie aus.

„Möchten Sie darüber reden?“

„Bieten Sie den Leuten immer Ihre Schulter zum Ausweinen an?“ Es sollte spöttisch klingen, aber er schaute sie so ernst und mitfühlend an, dass Tina plötzlich das Gefühl hatte, sie könnte tatsächlich über alles mit ihm reden.

„Nicht immer, aber schon recht oft“, erwiderte Mike. „Es gehört zu meinem Beruf, irgendwie“, fügte er hinzu.

„Was machen Sie denn?“

„Ich bin Arzt.“

„Ach – und was für einer?“

Mike lächelte.

„Ich arbeite im Krankenhaus, in der Waldner-Klinik. Ich habe meinen Facharzt für Innere Medizin gemacht und vor Kurzem die Weiterbildung zum Gastroenterologen begonnen.“

„Das sind doch die, die in den Magen gucken, oder?“

„Nicht nur in den Magen, aber auch.“ Er grinste. „Wir befassen uns mit dem gesamten Magen-Darm-Trakt und den damit verbundenen Organen. Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse und so.“

„Aha.“ Sie überlegte kurz. „Wenn Sie an der Waldner-Klinik sind, kennen Sie dann Dr. Frank?“

„Natürlich.“ Mike nickte. „Er war mein großes Vorbild, als ich noch Student war – eigentlich ist er es immer noch.“

„Warum?“

„Weil ich denke, dass er eine ganz besondere Art hat, auf seine Patienten einzugehen. Das findet man heute nicht mehr ganz so oft. Vieles in der Medizin ist irgendwie geschäftsmäßig geworden. Der Chef – ich meine, Dr. Waldner – ist allerdings genauso. Die beiden sind Ärzte aus Berufung, und auch für mich ist die Arbeit mehr als nur ein Job.“

Greta, die sich ein wenig übergangen fühlte, weil die Erwachsenen über Dinge redeten, die sie noch nicht recht verstand, mischte sich nun wieder ein.

„Wir suchen meine Mami“, erklärte sie.

„Greta!“

„Stimmt aber.“ Die Kleine sah Mike ernsthaft an. „Ich hab gehört, wie Tantina gestern zu Clemens gesagt hat, dass sie nicht versteht, warum Mami sich nicht bei ihr meldet.“

Zwei Paar braune Augen blickten Tina an. Kindlicher Trotz lag in den einen, die Frage, wer dieser Clemens war, in den anderen.

Die Straßenbahn hielt am Derbolfinger Platz, und Tina stand erleichtert auf.

„Komm, wir müssen aussteigen, Süße“, sagte sie und streckte die Hand nach ihrer Nichte aus.

„Wo wohnst du?“, wollte Greta von Mike wissen, der ebenfalls aufgestanden war und mit ihnen zur Tür ging. „Musst du in die gleiche Richtung wie wir?“

„Dann musst du mir erst mal verraten, in welche Richtung ihr geht“, sagte Mike, während sie ausstiegen.

„Da lang.“ Greta zeigte es ihm. „Wir wohnen ganz nah bei der Burg.“

„Dann können wir tatsächlich fast den ganzen Weg gemeinsam gehen“, meinte Mike erfreut.

Greta griff wie selbstverständlich nach seiner Hand, mit der anderen hielt sie sich bei ihrer Tante fest.

Wer uns so sieht, könnte glauben, wir seien eine Familie, dachte Tina. Eine kleine, glückliche Familie.

Schade nur, dass die Wirklichkeit so ganz anders aussah.

***

An der vorhin noch so stillen Unfallstelle herrschte nun große Geschäftigkeit. Zwei Wagen der Feuerwehr standen mit eingeschaltetem Blaulicht oben an der Straße, dazu ein Rettungswagen und das Auto des Notarztes, außerdem ein Streifenwagen. Die Polizei hatte die Straße für den normalen Verkehr gesperrt, obwohl sich ohnehin kaum jemand auf diese Strecke verirrte.

Viele Hände hatten geholfen, einen Flaschenzug sicher anzubringen. Die Sanitäter hatten Lucia vorsichtig aus dem Wrack geborgen, und sie war auf einer speziellen Trage nach oben gezogen worden. Nun wurde sie vom Notarzt im Rettungswagen versorgt.

Stefan Frank saß nun auf dem Fahrersitz, während die Feuerwehrleute sich bemühten, die Tür und einen Teil des Autodachs wegzuschneiden. Genau wie zuvor bei Lucia überprüfte er die Vitalwerte und stellte fest, dass der Kreislauf relativ stabil war. Dann untersuchte er die Kopfwunde des Mannes – die glücklicherweise nur oberflächlich zu sein schien –, und schließlich öffnete er Detlefs Hemd, schob es beiseite und tastete vorsichtig den Oberkörper ab.

Danach versuchte er, die Atemgeräusche abzuhören. Er war erleichtert, endlich etwas unternehmen und dem Patienten helfen zu können; es hatte ihn schrecklich nervös gemacht, zur Untätigkeit verurteilt zu sein.

Nach Detlefs Schilderungen ging Dr. Frank von einem Thoraxtrauma aus. Brustkorbverletzungen waren äußerlich meist nicht zu erkennen, manchmal jedoch bildeten Gurtmarken – Spuren, die die Sicherheitsgurte hinterlassen hatten – einen indirekten Hinweis darauf. Bei Detlef waren sie deutlich auf der Haut zu erkennen.

Die sechste Rippe war mit Sicherheit gebrochen, das konnte Dr. Frank ertasten. Frakturen der vierten bis neunten Rippe ließen bei Unfällen dieser Art eine Prellung oder Quetschung der Lunge vermuten. Darauf wiesen auch Detlefs Atemprobleme hin, die jedoch zum Glück nicht allzu gravierend zu sein schienen.

Mit Sicherheit konnte eine solche Lungenkontusion jedoch erst mithilfe einer Computertomografie im Krankenhaus festgestellt werden. Auf konventionellen Röntgenbildern war sie nicht zu erkennen, zumindest nicht innerhalb der ersten achtundvierzig Stunden.

Selbst wenn es sich nicht um eine schwere, sondern lediglich um eine leichte Lungenkontusion handelte, musste Detlef stationär überwacht werden.

Einer der Rettungssanitäter hangelte sich an dem Halteseil, das die Feuerwehr angebracht hatte, den steilen Hang hinab und eilte zu Dr. Frank.

Der Grünwalder Arzt kletterte aus dem Wagen.

„Dr. Litters hat einen Hubschrauber angefordert“, informierte ihn der Mann. „Die Patientin muss so schnell wie möglich nach München gebracht werden, in die Waldner-Klinik. Was ist mit ihm?“