Echo der Sehnsucht - Alisa Kevano - E-Book

Echo der Sehnsucht E-Book

Alisa Kevano

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Beschreibung

"Echo der Sehnsucht" entführt Sie in eine Welt voller tiefgründiger Emotionen und unerwarteter Wendungen. Dieser Sammelband vereint neun fesselnde Geschichten über Liebe, Selbstentdeckung und die Mutproben des Herzens. Von Sascha, dessen Leben durch die Begegnung mit dem geheimnisvollen Jonas auf den Kopf gestellt wird, über David, der sich durch die unerwarteten Gefühle für Alex in unbekannte Gewässer wagt, bis hin zu Erik, dessen Leidenschaft für Autos durch die Begegnung mit Julian neue Richtungen einschlägt – jeder dieser Charaktere steht vor der Herausforderung, sich zwischen vorgezeichneten Wegen und den unerforschten Pfaden des Herzens zu entscheiden. Die Geschichten reichen von der heimlichen Liebe des Journalisten Matthew in einer Motorradgang, über Finn, der einem rätselhaften Kunstdieb auf der Spur ist, bis hin zu Erik, dessen Liebe zum Rennsport durch die Begegnung mit dem Umweltaktivisten Manuel auf die Probe gestellt wird. Lars ringt mit seinen unerwarteten Gefühlen für den attraktiven Anwalt Paul, während der talentierte Koch Michael auf den geheimnisvollen John trifft, dessen Geheimnis alles verändern könnte.

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Seitenzahl: 493

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Echo der Sehnsucht

Großer Gay Romance Sammelband

Alisa Kervano

© 2024

likeletters Verlag

Inh. Martina Meister

Legesweg 10

63762 Großostheim

www.likeletters.de

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Autorin: Alisa Kervano Bildquelle: Midjourney

ISBN: 9783946585770

Teilweise kam für dieses Buch künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Dies sind frei erfundene Geschichten. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

Zarter Schmetterling

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

David und Alex:

Durch dich bin ich frei

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Epilog

Felix und Lukas:

Dein Herz bleibt bei mir

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Unter der Motorhaube des Herzens

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Epilog

Peter und Sam

Mein Herz ist undercover

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Epilog

Elias und Finn

Diebstahl meines Herzens

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Manuel und Erik

Rennen um dein Herz

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Epilog

Paul und Lars

Baupläne des Schicksals

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Epilog

Michael und John

Das Menü der Liebe

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Epilog

Zarter Schmetterling

Kapitel 1

Der Geruch von süßem Weihnachtsgebäck und abgestandenem Kaffee war selbst an der Pforte noch präsent.

Die heiteren Stimmen der Mitarbeiter und ihrer Familien, die der Weihnachtsfeier zugesagt hatten und sich überwiegend im großen Festsaal der Villa Berberich versammelt hatten, um das vergangene Jahr in Form eines Betriebsfestes gebührend feiern zu können, verstummten zunehmend.

Der Sprössling der Gastgeberfamilie, Sascha Flemming, suchte in der Zwischenzeit die Toilette auf, in der er, entgegen aller Annahmen, lediglich Schutz vor Desiré Flemming suchte, seiner Mutter.

Das LeVin Flemming hatte mit den Jahren einen guten Ruf erworben und durch die wirtschaftliche Expansion in Frankreich, England und vielen deutschen Großstädten, waren nicht nur der Umsatz und die Stellung in der Unternehmer- und Medienwelt gestiegen, sondern auch die Zahl der Mitarbeiter und ihrer Führungskräfte.

Demnach war die Anzahl an Menschen an dem besagten Tag alles andere als bescheiden.

Genau so wie der unterschwellige Konkurrenzkampf, bei dem Sascha jedes Mal Mühe hatte, nicht mit den Augen zu rollen, wenn ihm wieder einer dieser Schlipsträger begegnete. Denn aus irgendeinem Grund glaubten die Leute tatsächlich, dass er einen Einfluss auf die Entscheidungen seines alten Herren hätte.

Das marmorierte Badezimmer betretend beugte er sich heftig ausatmend über das Waschbecken, um zur Ruhe zu kommen. Sascha hasste große Veranstaltungen.

Er war zwar alles andere als schüchtern, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er sich gerne unter diese Leute mischte. Und vergleichen sollte man ihn am besten gar nicht mit ihnen.

Allein der Gedanke, den Laden eines Tages übernehmen zu müssen, ließ ihn sauer aufstoßen. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass er sich überhaupt darauf eingelassen hatte.

Er war Künstler!

Wie zum Teufel konnte er innerhalb eines halben Jahres auf die Verkäuferschiene rutschen?

Er hasste Wein.

Und das schon seit fast zehn Jahren!

Deshalb konnte er die Hingabe seiner Eltern für diesen vergorenen Saftladen auch überhaupt nicht nachvollziehen.

Jedes ihm aufgedrängte Meeting war ein Grauen. Die Verhaltensweisen der Geschäftspartner wirkten gekünstelt, die Gesprächsthemen waren meist überschaubar und eintönig und jede Sitzung war buchstäblich ein Kampf gegen die Müdigkeit.

Er seufzte, nahm Haltung an und richtete den Kragen seines bordeauxroten Hemdes.

Er trug an die dunkle Krawatte angepasst eine ebenso dunkle Stoffhose. Die kurzen rabenschwarzen, sonst immer sehr voluminösen Haare, waren gegellt und nach hinten gekämmt.

Der junge Mann war eigentlich recht zufrieden mit seinem Aussehen. Nur die Farbe seiner Augen störte ihn ein wenig. Statt die grünen Augen seiner Mutter, hatte er die dominanten zartbitterfarbenen Augen seines Vaters geerbt, genau so wie den dunklen, bronzefarbenen Teint, der einen osmanischen Hintergrund andeutete.

Den kaum erkennbaren Kinn- und Lippenbart, der ihm bereits in den frühen Morgenstunden im Spiegel begegnet war, hatte er nach langem Überlegen nicht abrasiert. Er würde niemanden stören, dachte er. Am wenigsten diese profitgierigen Säcke da draußen.

Im Großen und Ganzen hatte er sich sehr fein herausgeputzt. Nur war der eigentliche Anlass dafür nicht die Weihnachtsfeier gewesen, sondern sein achtzehnter Geburtstag.

Der Tag, der aus dem reservierten Minderjährigen einen stolzen, ernstzunehmenden Erwachsenen machen sollte.

Da die Villa zum geplanten Zeitpunkt jedoch belegt war, hatte man das ‚unausweichliche‘ Event einfach mit seinem Geburtstag übereinandergestapelt.

Als Sascha davon mitbekommen hatte, hätte er platzen können vor Wut.

Er hatte alles geplant gehabt. So viele Leute eingeladen. Und dann kam sowas.

Und als er versucht hatte den Tag zu retten, indem er sich unter seinesgleichen gemischt hatte, musste er von seiner Mutter belagert werden, die ihn seit gut zwei Stunden durch die Villa schleifte, um jedem zu zeigen, was für einen klugen und charmanten Sohn sie doch hatte.

Es war einfach nur zum Fremdschämen.

Dabei war sie gar nicht so stolz auf ihn, wie sie immer behauptete. Die meiste Zeit nörgelte sie nur an ihm herum.

Sie hatte überhaupt keine Ahnung, wer er war, und schon gar nicht, was ihn auszeichnete. Sie hatten sich mit den Jahren spürbar auseinandergelebt und der Weinhandel war mittlerweile das Einzige geworden, was die Familie zusammen hielt.

Und er wünschte, es wäre ihm egal.

Doch das war es nicht.

Als er wieder im Festsaal angekommen war, fiel sein Blick auf den zweiten Büffettisch, der zu einer Weinkosttheke umfunktioniert wurde. Auf dieser standen angefangen von den zwei duzend bauchigen Gläserpaaren für den Rotwein, auch noch einige Sektgläser und, für die besonders Experimentierfreudigen unter den Gästen, auch ein paar kleine Gläschen für exotische Liköre.

Eine kleine Gruppe von gestriegelten Männern in weißen Hemden standen davor und debattierten angeregt die Qualität der einzelnen Jahrgänge. In ihrer Mitte sonnte sich ein großgewachsener Mann in einem schwarzen Anzug.

Marik Flemming war der geborene Gastgeber. In den vielen Stunden des Beisammenseins war er stets bemüht, hier ein Glas nachzufüllen und dort eine Unterhaltung wieder in Gang zu setzen. Dabei hielt er sich weder allzu lange im Zentrum, noch fiel er aus der Reihe.

Sein ausgeprägtes Fachwissen und sein Charisma hatte selbst in der belanglosesten Situation eine so starke Aussagekraft, dass sie die klügsten Köpfe zum Zweifeln brachten.

Diese Gabe nutzte er nicht selten zu seinen eigenen Gunsten. Und niemand hatte das in den vergangenen Jahren so intensiv zu spüren bekommen wie sein Sohn.

Nichtsahnend erwiderten seine Gäste die Gastfreundschaft ihres Vorgesetzten mit einem ungezwungenen Lächeln und viel ausgesprochenem Verständnis für seine Sichtweisen.

Selbst die verschlossenen Hausfrauen, die ihren Männern lediglich als ästhetischer Ausgleich zu dienen schienen, blühten in seiner Gegenwart auf.

«Sind die Gemälde neu? Ich meinte, hier hing mal das Bild von der Pforte aus dem Jahre 1892.»

Die neugierige Bemerkung weckte schlagartig die Aufmerksamkeit des jungen Mannes und er sah an einem turtelnden Pärchen vorbei und damit direkt auf die beiden großen Männer, die an ihren dunkelblauen Anzügen fummelten, darunter auch sein Vater. Der Wein vom Kostprobenstand hatte seinem faltigen Gesicht eine milde Röte verpasst und mit freudiger Stimmung wandte er sich dem Gemälde über dem Büffettisch zu.

«Meine Frau und ich haben hier einige Bilder unseres Sohnes aufhängen lassen. Der Junge ist heute stolze achtzehn Jahre alt.»

Er strich sich gedankenverloren über den schwarzen Schnurrbart.

«Das Gemälde hatte er im Frühjahr letzten Jahres gemalt. Wenn ich mich noch recht erinnere, hat es sogar einen Preis gewonnen. Auch, wenn er damit nicht viel anfangen konnte». meinte sein Vater lachend und kippte den Restinhalt seines Glases in sich.

«Er war im Herzen schon immer ein kleiner Picasso gewesen. Apropos Sohn. Da ist er auch schon. Sascha!», hörte er den kräftig gebauten 50-Jährigen rufen und verkrampfte sich schlagartig.

Er war immer noch sauer und wollte ihm, als Dank für dieses lieblose Fest, ursprünglich aus dem Weg gehen.

Er zögerte einen Moment, in dem Gedanken den Tauben spielen zu können, setzte sich dann aber doch in Bewegung, als er merkte, wie der Blick seines Vaters sich zunehmend verfinsterte.

Ein zaghaftes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Dunkelhaarigen aus, während er langsam in ihre Mitte trat. Er schüttelte die Hand des Gastes so selbstsicher wie die eines Bekannten. «Erst einmal herzlichen Glückwunsch junger Mann. Ich wünschte, ich hätte die Chance, nochmal so jung zu sein wie Sie», meinte er lachend und erwiderte den Handschlag.

«Sie erinnern sich wahrscheinlich nicht mehr an mich. Mein Name ist Klaus Lindner. Ich bin für die Außenstelle in Hamburg verantwortlich», meinte der Gentleman und reichte dem Sprössling anschließend ein gefülltes Weinglas, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

Er war einen halben Kopf kleiner als sein Vater und hatte eine runde schwarze Brille auf der Nase. Nachdem er mit Sascha angestoßen hatte, nippte er an seinem Château Haut-Brion und neigte seinen Kopf anerkennend in Richtung des Gemäldes. «Ich bin zwar kein Profi, aber ich finde diese abstrakten Farbverläufe einfach nur einmalig. Bei der Pforte hängt so ein ähnliches Bild und ich bin mir fast schon sicher, dass es ebenfalls von Ihnen ist.»

Sascha bedankte sich und musterte, seinen Frust unterdrückend, das Gemälde.

«Ja, die Bilder sind beide von mir.»

Herr Lindner nickte zufrieden. «Und da soll mir doch einer sagen, ich hätte kein Auge für sowas.», meinte er lachend. «Das Bild an der Pforte hat mir so sehr zugesagt, dass ich es gleich meiner Tochter schicken musste. Sie ist auch sowas wie eine Künstlerin, allerdings eher im digitalen Bereich.» Sascha zeigte sich seiner Position entsprechend fast immer sehr bescheiden. Doch jetzt konnte er den Stolz und die Zufriedenheit, die damit einhergingen kaum unterdrücken. «Ich hoffe, die Welt kann auch in Zukunft noch von Ihren künstlerischen Fähigkeiten profitieren.»#

Der junge Mann ließ etwas Luft zwischen seinen Lippen entweichen und senkte einen Moment bedrückt den Blick. «Nein, ich… » Er lächelte bedauernd. «Ich fürchte, meine Tage als Künstler sind vorbei.»

Das Lächeln des Mitarbeiters kippte schlagartig. «Das ist wirklich sehr schade. Sie haben Talent.»

Marik Flemming, der ursprünglich vorhatte sich aus der Unterhaltung herauszuhalten, winkte schließlich abwertend mit der Hand ab und klopfte seinem Sohn mehrmals aufmunternd auf die Schulter. «Mag sein, dass er Talent hat, aber er ist der Sohn eines Geschäftsmannes und keine Prinzessin, die ein Studium der freien Künste absolvieren muss, um sich im Leben positionieren zu können.

Außerdem leben Künstler von der Hand im Mund und mein Sohn weiß das. Deshalb hat er die Sache auch wieder aufgegeben. Er ist eben ein Realist. Genau wie sein Vater», sagte er lachend, während Sascha bemüht war sein Lächeln nicht zu verlieren. «Zum Glück ist er ja nicht nur Künstler, sondern auch ein besonders charmanter Verkäufer. Erinnern Sie sich noch an die Wein-Style-Messe in Stuttgart?

Die Idee kam von Sascha. Er hat sogar die Verköstigung geleitet und das Resultat war wirklich ‚einmalig‘»,, meinte der Unternehmer stolz und zog den Dunkelhaarigen so ruckartig an seine Seite, dass Sascha beinahe das Gleichgewicht verlor.

«Er wird ein guter Nachfolger, das weiß ich genau.»

Herr Lindner lächelte auf seine Worte hin und musterte Sascha mit einem Hauch von Bewunderung. «Schön zu hören, dass ein so pfiffiger junger Mann wie Sie Teil unseres Teams werden möchte. Sie müssen sehr zufrieden sein, schließlich bekommt nicht jeder so eine zukunftsreiche Arbeitsstelle geboten. Vor allem nicht so einfach.»

Sascha zog die Stirn kraus und unterdrückte die respektlose Bemerkung, die langsam in ihm hochstieg. Die starre Miene wahrend hob er das Weinglas, nickte einmal lächelnd und trank. «Ja», sagte er schließlich, während er die schwere glühende Feuerkugel in seiner Magengegend ignorierte, die mit jedem weiteren Schluck seinen Magen zu verätzen schien.

«Ich bin ein richtiger Glückspilz. Mir wird es hier langsam ein wenig zu warm. Ich werde etwas frische Luft schnappen.»

Sascha leerte sein Glas, stellte es auf den Servierwagen und nickte seinem Vater und Herr Lindner noch einmal kurz zu, bevor er den Herrschaften den Rücken kehrte.

Die verglaste Schiebetür, die zum Balkon hinaus führte, war einen Spalt breit geöffnet. Er trat auf den Balkon hinaus und warf erleichtert den Kopf in den Nacken.

Sascha war ziemlich erschöpft.

Er hatte tagsüber den Saal geschmückt und wurde anschließend von seiner Mutter von einer öden Unterhaltung in die nächste gehetzt. Nicht mal das Büffet konnte er genießen.

Das war eindeutig der schlimmste Geburtstag, den er je erleben durfte!

Er seufzte verbittert und beugte sich über die halbkreisförmige Balustrade aus weißem Marmor. Seine ausdruckslose Miene starrte auf den gewaltigen Park vor sich.

Die gemischten Gefühle in ihm machten ihn fertig. Einerseits freute es ihn, dass sein Vater so viel Vertrauen in ihn hatte und andererseits nervte ihn die offensichtliche Ignoranz seiner Eltern in Hinsicht auf dieses ganze Erbthema.

Klar war er der Einzige, der das LeVin auf familiärer Ebene übernehmen konnte, aber warum musste das Unternehmen überhaupt von einem Flemming aufrecht erhalten werden?

Wieso musste man heutzutage immer noch jede noch so alberne Tradition übernehmen?

Sascha war für gewöhnlich nicht der Typ, der sich von Anderen vorschreiben ließ, wie er sein Leben zu führen hatte, und er hätte sich dem Beschluss seines Vaters sicher widersetzt, wenn der alte Mann nicht so verdammt stolz gewesen wäre, als Sascha ihn bei der Verköstigung auf der Messe vertreten hatte.

Seit dem Event hatte sich der Kontakt zu seinen Eltern auch schlagartig verbessert und er fühlte sich bei seiner Familie so willkommen wie schon lange nicht mehr.

Ein Gefühl, dass er längst aufgegeben hatte. Spätestens nachdem ihm zufällig zu Ohren gekommen war, dass er von Anfang an nicht erwünscht war.

Kapitel 2

In den vergangenen Jahren hatte er dann viel dazu gelernt. Vom Feldanbau über Weinetiketten bis hin zum Kundenservice vor Ort. Und je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass sein Vater immer Recht gehabt hatte. Mit Kunst konnte man kein Geld machen. Und ohne Geld war man in dieser Welt ein niemand.

Erschöpft rieb er sich die müden Augen. Er machte gerade sein Abitur und befand sich bereits im letzten Halbjahr vor den Abschlussprüfungen. Seine Noten waren ganz passabel, weshalb er mit dem Gedanken spielte den Master of Science an der Universität in Stuttgart zu machen.

Betriebswirtschaftslehre machte ihn jetzt nicht unbedingt an, aber mit der richtigen Motivation würde er sich da schon irgendwie durchkämpfen können.

Seine Augen wanderten wieder über das gewaltige Grundstück des Anwesens. Verglichen zu dem stickigen Saal war es auf dem Balkon deutlich angenehmer. Es war ein wenig dunkel, denn die Beleuchtung bestand großteils aus historischen Wand- und Wegleuchten, die einen eher bescheidenen Durchmesser ihrer Umgebung einfingen.

Im Winter wirkte die Villa, äußerlich betrachtet, eher trostlos.

Doch im Frühling, wenn alles blühte, erwachten Anwesen und Park zum Leben und erinnerte an ein kleines, farbenfrohes Märchenschloss.

Das war auch der Grund, warum Sascha es im Laufe seiner jungen Jahre so oft gemalt hatte. Hinzu kam, dass viele seiner Vorfahren an diesem Ort geheiratet hatten, unter anderem auch seine Eltern.

Und wahrscheinlich würde er das auch irgendwann mal tun. Als sich plötzlich zwei Hände auf seine Augen legten, hob er überrascht den Kopf. «Wer bin ich?» hörte er eine weibliche Stimme hinter ihm kichern und er grinste. «Lia?!»

Kaum hatte er sich umgedreht, nahm er das zierliche Mädchen auch schon in den Arm und wirbelte sie einmal um sich.

Die rothaarige Prinzessin mit den winzigen Sommersprossen im Gesicht war seine Sandkastenfreundin, die vor einem Jahr mit ihren Eltern nach London gezogen war. Seitdem pflegten sie nur noch telefonischen Kontakt. Also wenn man das ‚Kontakt pflegen‘ nennen konnte. Meistens war sie viel zu beschäftigt.

Die Sprache lag ihr nicht, weshalb sie viel Zeit in das Lernen investieren musste, um mithalten zu können.

Dadurch ging die Verbindung zunehmend unter und das Telefonieren verwandelte sich rasch in ein paar bescheidene monatliche Grußnachrichten. «Wie kommt es, dass du hier bist? Ich dachte, deine Eltern wollten nach Madeira?» Sie lachte.

«Da sind sie auch hin. Aber deine Eltern hatten uns vor ein paar Wochen angerufen und gefragt, ob ich über die Ferien nicht Lust hätte, euch zu besuchen. So zu Ehren deines achtzehnten Geburtstags.»

Sie zwinkerte. «Und weil du mich doch sooo sehr vermissen würdest.»

Sascha verdrehte die Augen und ließ wieder von ihr ab. «Klar hab‘ ich dich vermisst. Seit du weg bist, habe ich kein Model mehr. Jetzt musste ich mich auf Landschaften und Stillleben spezialisieren», gab er überspitzt zur Antwort und simulierte einen Schwindelanfall.

Lia lachte. «Entschuldigung, ich kann doch nichts dafür, dass meine Eltern plötzlich Reisefieber bekommen mussten. Ich wäre auch viel lieber hier bei dir geblieben. London ist total doof und teuer! Keine Ahnung warum da alle immer hin wollen», maulte sie kopfschüttelnd und verschränkte die Arme vor der Brust. «Das glaube ich dir.» Sascha schmunzelte und nahm etwas Abstand, um seine Freundin von Kopf bis Fuß zu mustern. «Du siehst toll aus! Das Ballkleid steht dir richtig gut. Du hattest auf jeden Fall einen besseren Berater als meine Mutter.»

Sie blinzelte ein paar Mal, als hätte sie sich plötzlich an etwas erinnert. «Stimmt ja, die habe ich heute noch gar nicht gesehen. Wieso? Wer hat sie denn beraten?», fragte sie neugierig und Sascha rieb sich verlegen den Nacken. «Ich, aber pscht…» Lia lachte so laut, dass der Hall den gesamten Park einzufangen schien. «Das hätte ich nur zu gerne miterlebt. Wenn wir deine Mutter heute noch abgefangen kriegen, muss ich sie mir unbedingt mal anschauen.» Lia zückte ihr Handy hervor. «Wir haben noch eine halbe Stunde bevor wir Feierabend machen können», bemerkte sie und tippte an ihrem Handy herum.

Sascha warf einen trüben Blick auf das Geschehen im großen Saal vor ihm. «Ich habe nicht wirklich Lust, mich von der Meute da drinnen ausquetschen zu lassen. Lass uns spazieren gehen oder so.» 

Sie steckte ihr Handy weg und grinste aufgeregt. «Dasselbe wollte ich dir auch gerade vorschlagen.» Vor dem Eingang stand eine kleine Gruppe von Leuten, die gelangweilt an der Wand lehnte und die Asche ihrer Zigarren auf den gepflasterten Boden rieseln ließen.

Sie schenkten Lia und Sascha kaum Beachtung und so umwickelte sich das Duo mit ihren Wintermänteln und marschierte tuschelnd auf den Kiesweg zu.

Während sie in ihr Gespräch vertieft die einzelnen Pfade durchwanderten, wichen sie immer wieder einigen vertrauten Gesichtern aus der Villa aus, die dieselbe Idee zum Ausnüchtern zu nutzen schienen.

Irgendwann mündete einer der Pfade in den Wald hinein und als die beiden an einer Lichtung angekommen waren, hielt der junge Mann abrupt an. «Ich glaube, wir sind viel zu weit weg. Wir sollten zurückgehen.»

Er wollte sich gerade umdrehen, als seine Freundin ihn plötzlich am Arm packte. «Warte! Hörst du das?» flüsterte sie und starrte auf den linken Pfad vor sich. «Was meinst du?» Sascha spähte in die Dunkelheit hinein, als er plötzlich Stimmen hörte. Lia kräuselte die Stirn und sah besorgt zu Sascha hoch. «Ich glaube, da hat jemand Beef», meinte sie, als Sascha ihr prompt signalisierte, still zu sein. Er schirmte sie mit einer Hand hinter sich ab und schritt langsam den Waldpfad entlang bis sie kurz vor einer Laterne mit einer abgenutzten Bank zum Stillstand kamen.

Zwei junge Männer hatten sich aneinander vergriffen und versuchten, den jeweils anderen umzuwerfen.

Der eine trug eine Kappe, über die er eine Kapuze geworfen hatte, während den Kopf des anderen lediglich eine helle auffällig zerzauste Haarpracht zierte.

Als es dem Jungen mit der Kopfbedeckung endlich gelang seinen Gegner umzuwerfen, realisierte Sascha plötzlich, dass sie wie zwei schamlose Gaffer aussehen mussten, und drehte sich zu seiner Freundin um. «Ich glaube, wir sollten gehen. Die Sache geht uns doch gar nichts an», flüsterte der Dunkelhaarige und wollte erneut die Flucht ergreifen, als Lia wieder seine Hand drückte. «Warte!», raunte sie und zog ihn zurück. «Ich glaube, der eine hat ein Messer. Was ist, wenn er ihn umbringt?», flüsterte sie besorgt.

Er warf den Kopf in den Nacken und seufzte. Wieso musste er immer so nett sein? «In Ordnung. Bleib genau hier stehen. Ich schaue mal, ob ich die beiden auseinanderkriege.»

Als plötzlich ein gedämpfter Aufschrei folgte, schoss Sascha ein regelrechter Schauer über den Rücken. Der blonde Bursche zupfte an seiner abgenutzten Collegejacke und entfernte sich abrupt von seinem Gegner, der sich krümmend den Bauch hielt und fluchend Richtung Boden sackte. «Hey!»

Während Lia erstarrte, war Sascha aus Reflex auf die Lichtung gesprungen.

Der Angreifer zuckte auf und richtete ein blutiges Klappmesser auf den Dunkelhaarigen, der langsam die Hände anhob, während er Lia hinter sich abschirmend in den Hintergrund drängte.

Mit der abgenutzten viel zu großen Kleidung und dem wüsten schulterlangen, blonden Haar sah er auf den ersten Blick aus wie ein obdachloses Mädchen.

Die weit aufgerissenen Augen und die tiefliegenden Brauen verströmten pure Verachtung, während das Zittern der Hände eine heruntergespielte Panik signalisierte.

Er mochte zwar bewaffnet sein aber die Bedrohung, die von ihm ausging, erinnerte Sascha eher an einen fauchenden Hauskater.

Für einen Moment hielten die beiden einfach nur Blickkontakt, bis Sascha realisierte, dass er sich in dem ausdrucksstarken Blick des Jungen verloren zu haben schien. Dabei war es noch nicht mal der Blick selbst, sondern eher die Farbe seiner Augen.

Noch nie war ihm so ein klares Indigoblau begegnet. Und bis vor ein paar Minuten hätte noch jedem den Vogel gezeigt, der ihm erzählt hätte, dass diese Augenfarbe überhaupt existierte.

Ursprünglich wollte er den Burschen zurechtweisen. Oder zumindest beruhigen. Doch sein surrealer Anblick schien Sascha nach jedem Anlauf den Atem zu rauben. Dabei schien Sascha selbst nicht der Einzige zu sein, der meinte sich seltsam zu verhalten. Auch der Blonde konnte seinem Blick nicht länger standhalten.

Seine blassen teilweise mit Erde verschmierten Wangen bekamen eine rötliche Färbung, während die Augen verlegen Richtung Boden glitten. «Verschwindet!» zischte er plötzlich kaum hörbar, ohne das Messer auch nur einen Millimeter zu senken. Seine Stimme holte Sascha schlagartig wieder in die Realität zurück. «Beruhig dich erst mal!», stolperten ihm die ersten Worte über die Lippen, während er den Blick nicht vom Messer ließ. «Was für ein Problem ihr beide auch miteinander hattet, dein Kumpel braucht jetzt ganz klar Hilfe.» «Das mach ich selber!», zischte er wieder und Saschas Brauen zogen sich ungläubig zusammen. «Sei nicht albern! Was garantiert uns, dass du ihn nicht umbringst?» «Wieso sollte ich das tun? Ich hab‘ mich doch nur verteidigt!» rief er fast schon verzweifelt und hob das Messer noch weiter an, als Sascha einen Schritt in seine Richtung wagte. «Bleib stehen!», rief er mit zittriger Stimme und wich vor ihm zurück. Dabei war nicht ganz klar, ob er vor Unsicherheit oder vor Kälte zitterte. Schließlich war er nicht gerade wettergerecht gekleidet. «Sascha sei vorsichtig!» Lia sah besorgt zwischen den beiden jungen Männern hin und her, doch entgegen ihrer Bitte schien Sascha überraschend furchtlos. «Steck das Messer weg!», forderte der Dunkelhaarige ihn mit ruhiger Stimme auf und kam ihm zunehmend näher, woraufhin der Blonde plötzlich die ungewöhnlich vollen Lippen zu einem schmalen Strich formte.

Er wechselte ein paar hastige Blicke zwischen dem Opfer und dem Duo und ergriff schließlich die Flucht.

Sascha sah ihm wie gebannt hinterher und rannte ihm keine zwei Sekunden später auch schon hinterher. «Ruf den Notarzt… und die Polizei»,, rief er Lia in Eile zu, ohne den Jungen aus den Augen zu lassen.

Ein gedämpftes «pass auf dich auf» hallte durch die Nacht, während er in der Dunkelheit des Waldes verschwand.

Zu Saschas Leid war der Kerl schneller als erwartet. Und vor allem beweglicher. Als die beiden an einem Bach ankamen, bog der Geflohene schlagartig vom Weg ab und verschwand im Gestrüpp.

Noch die letzten Schritte Richtung Bach schlendernd, blieb Sascha schließlich stehen und sah sich um. Er hatte nicht vor, den Typen quer durch den Wald zu jagen, auch wenn ihn der Gedanke durchaus reizte.

Sein Herz hämmerte gegen seine Brust und obwohl die Temperatur in jener Nacht längst den Gefrierpunkt erreicht hatte, brannte sein ganzer Körper wie mit Feuer übergossen. Er lehnte erschöpft an einen kahlen Baum, um zu verschnaufen.

Wie sehr ihn seine Niederlage auch plagte, er wollte seine Freundin nicht so lange sich selbst überlassen. Wenn ihr etwas passieren würde, würde er das sich selber niemals verzeihen können. Einen letzten Blick auf das dichte Buschwerk vor sich werfend, trat er schließlich den Rückweg an.

Als er ein blinkendes Licht vernahm, folgte er diesem, bis er schließlich wieder auf die vertraute Gabelung mit der Bank zurückkam, wo Lia sich mit einem Polizisten unterhielt.

«Der Krankenwagen ist gerade weggefahren. Hast du ihn verloren?»

Sascha fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht und stemmte diese schließlich in die Hüften. «Leider ja.»

Kapitel 3

Nach dem Vorfall hatte die Weihnachtsfeier ein ziemlich schnelles Ende gefunden. Sascha konnte froh sein, dass die Eltern von Lia nicht dabei waren, sonst hätte er sich nach der nächtlichen Aktion sicher so einiges anhören müssen.

Wäre er mit dem Messerschwinger gemeinsam zurückgekehrt, wäre er wohl sowas wie ein Held gewesen, aber in diesem Fall, konnte er schon froh sein, dass man ihm lediglich nur seine ‚Sorglosigkeit‘ vorwerfen konnte.

Die besagte Nacht hatte in den ersten Tagen für viel Panik gesorgt. Woran auch die lokalen Medien nicht ganz unschuldig waren. Da es sich um einen Einzelfall handelte -und nicht die Tat eines Serienmörders- kehrte bald wieder Frieden in die Städte. «Kaum zu glauben, dass so eine Kleinigkeit, so eine Massenpanik auslösen würde. Ein Streit zwischen zwei Leuten eskaliert und die Leute glauben, ein kleiner wildgewordener Michael Myers würde außerhalb seiner Sendezeiten sein Unwesen treiben.

Da ist doch bei jeder Mittagspause im Zentrum mehr los als in diesem Kaff und da machen die nicht so ein Theater.»

Sascha ging gerade ein paar Online-Zeitungsberichte durch und ließ sein Handy anschließend in die Manteltasche gleiten. Dabei versuchte er neben Lia Gleichschritt zu halten.

Nachdem die Sicherheitsmaßnahmen von seinen Eltern gelockert wurden, konnten die beiden endlich wieder das Haus verlassen und spazierten nun schon seit zwei Stunden durch die belebten Einkaufsmeilen, auf der Suche nach einer ansprechenden Bar. «Ich bin jedenfalls froh, dass das Ganze vorbei ist.», flötete Lia erleichtert, während sie vergnügt an einer sauren Schlange kaute.

Sascha konnte ihre gute Laune gut nachvollziehen. Sie durfte von ihren Eltern aus nicht ohne Begleitung nach draußen. Und nach 20 Uhr schon gar nicht.

Deshalb war der Hausarrest für sie der blanke Horror gewesen, denn so konnte sie die eigentlichen Vorteile ihres Urlaubs überhaupt nicht genießen.

Sascha hätte ihr in der Hinsicht gerne geholfen, aber nachdem die ganzen Vorwürfe seiner Eltern ihn förmlich erschlagen hatten, wollte er ihnen lieber nicht ins Wort fallen.

In den vergangenen Tagen hatten er und Lia sich dann öfters die Frage gestellt, ob es nicht doch besser gewesen wäre, eine Täterbeschreibung abzugeben.

In der Zeitung stand nichts darüber, dass man den Messerschwinger je gefunden hätte oder ob das Opfer die Verletzung überstanden hatte. Allerdings gab es in einem kleinen Artikel den Hinweis, dass ein ausgezehrter Minderjähriger in eine Suchtklinik eingewiesen werden musste. Ob es sich dabei um einen der beiden Jungs handelte, war fraglich. «Glaubst du, die haben den Typen jetzt endlich gefunden», fragte Lia, woraufhin Sascha ein merkwürdiges Gefühl überkam.

Wenn er ehrlich war, hoffte er insgeheim, dass dem nicht so sein würde.

Etwas an dem Blonden war seltsam. Sonderbar.

Das war das erste Mal, dass ihn eine Begegnung so berührte.

Vielleicht spielte ihm sein Körper auch nur wieder einen Streich.

Die letzten Monate nagten auch so schon an seiner Psyche und auch wenn er es immer wieder auf die Reihe bekam, sich eloquent und freundlich zu zeigen, so konnte er nicht verneinen, dass etwas nicht stimmte. «Keine Ahnung. Vielleicht. Wenn er schlau ist, hat er bestimmt schon seinen Wohnplatz gewechselt. Das hätte jedenfalls ich an seiner Stelle getan.»

Als Sascha das gesagt hatte, blieb er stehen und sah auf das Klappschild mit der Aufschrift einer Cafébar vor sich. «Wie wär’s damit? Hier war ich noch nie.»

Lia sah an ihm vorbei. «Jaja, ich weiß ganz genau, was du hier willst, du Kaffeejunkie.» meinte sie grinsend und zog ihn in den Laden hinein. «Aber wenn es dich glücklich macht.»

Sie suchten sich einen ungestörten Tisch mit einer Eckbank neben einem großen Doppelfenster und wurden wenige Minuten später auch schon von einer jungen Bedienung mit den Menükarten vertraut gemacht. «Hier sieht’s eigentlich ganz nett aus, findest du nicht auch?», meinte Lia und Sascha ließ den Blick durch den Raum schweifen.

Die Beleuchtung war eher spärlich und verlieh dem Raum einen rötlichen Schimmer. Die Möbel waren aus dunklem Holz, genau so wie die lange abgerundete und direkt im Zentrum gelegene Bar, die sich über den gesamten Laden hinweg erstreckte.

Im Hintergrund lief ein einfühlsamer Popsongsmix, der zum Träumen einlud und Sascha fragte sich, warum er dem Laden früher nie sonderlich Beachtung geschenkt hatte. «Einmal Piña colada bitte.»

Sascha sah auf Lia’s Bestellung hin abrupt zur Bedienung vor sich. «Ein ganz normales Bier für die Dame bitte.»

Seine beste Freundin warf Sascha einen verdatterten Blick zu. «Was! Warum?» «Du bist eine 17-Jährige mit der Alkoholtoleranz einer Fünfjährigen.» «Aber es fehlt doch nur noch ein alberner Monat!»

Sascha ignorierte sie und lächelte stattdessen die Bedienung an. «Für mich bitte einen Latte Macchiato Amaretto bitte.» «Selbstverständlich», sagte die Kellnerin mit einem zerlaufenen Lächeln, nahm die Karten an sich und verschwand hinter der Theke. Lia verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich schmollend auf die Eckbank zurückfallen. «Ich glaube, das Jahr ohne mich hat dir nicht gutgetan. Du bist verdammt spießig geworden. Meine Toleranz ist doch mein Problem!», maulte sie und sah genervt aus dem Fenster.

Der Dunkelhaarige beugte sich mit einem milden Lächeln über den blanken Holztisch. «Herzblatt, sei mal ehrlich! Spätestens wenn du kaum stehen kannst, wirst du schnell zu meinem Problem werden. Und am Ende werde ich nur wieder eifersüchtig, weil du mir mit unserer Kloschüssel fremd gehst.»

Ihre Mundwinkel zuckten und sie schlug mit der überflüssigen Speisekarte impulsiv, aber schmerzlos auf seinen Kopf. «Du tust ja so, als würde ich mich überhaupt nicht im Griff haben.» «Du hast recht. Tut mir leid. Du kannst zwei Bier haben.»

Sie schlug ihn ein weiteres Mal. «Mann, Sascha!», sie lachte und warf die Karte auf den Tisch. Sie konnte ihm einfach nicht böse sein. «Du hast mich gerade trotzdem total blamiert», flüsterte sie schmollend. «Besser ich als du selbst, oder? Einer muss ja auf dich aufpassen.»

Er wollte gerade noch etwas ergänzen, als sie sich ruckartig aufrichtete und mit geschürten Augen an ihm vorbeistarrte.

Weil seine Freundin für eine Weile nichts mehr sagte, folgte Sascha ihrem Blick.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Bar standen zwei junge Männer und Sascha erkannte zu seinem Überraschen sofort die beiden nächtlichen Waldbesucher von vor ein paar Tagen. Sie sahen zwar deutlich gepflegter aus als damals, doch es waren zweifellos der blonde Messerschwinger und sein Opfer.

Und gerade in dem Augenblick schienen die beiden alles andere als verfeindet zu sein.

Der Typ, der auch diesmal die Kapuze über der Basecap trug, hatte das Kinn auf der Schulter des Blonden gestützt und wirkte zwar ein wenig benebelt, aber keineswegs aggressiv oder auch nur wütend.

Wenn sie behauptet hätten, dass diese Typen die Ursache für die unnötige Panik der vergangenen Tage gewesen waren, dann hätte ihnen das niemand abgekauft. «Glaubst du, die hatten letztes Mal nur einen Ehekrach oder sowas?», fragte Lia plötzlich. 

Saschas Augenbrauen zuckten ungläubig auf. «Na also, wenn das ein typischer Ehekrach sein sollte, dann bleibe ich doch lieber Single.» Im selben Moment brachte die Bedienung die Getränke. Sascha nippte an dem Macchiato, während seine Gedanken immer wieder zu den beiden Jungs wanderten. Irgendetwas an ihrem Verhalten verunsicherte ihn. «Schmeckt dein Kaffee so gut?» Aus seinen Gedanken gerissen blinzelte er mehrmals und hob schließlich anerkennend nickend das Glas, bevor er es ihr vor die Nase stellte. «Mit bester Empfehlung.»

Sie betrachtete das Glas von allen Seiten, nippte vorsichtig am Strohhalm und verzog kaum merkbar das Gesicht. «Der ist ziemlich bitter!» sie räusperte sich und zog ihr Bier an sich. «Ich glaube, ich bleibe doch lieber dabei. Prost!»

Sie stießen auf den gemütlichen Abend an und unterhielten sich anschließend über die anstehenden Prüfungen. Sascha rührte dabei phasenweise in seinem Glas herum und linste beiläufig immer wieder zu dem Blonden und seinem Freund rüber. «Stört dich das?», fragte Lia plötzlich und Sascha sah abrupt wieder vor. «Was?» er fühlte sich irgendwie ertappt. «Na, weil da ein schwules Pärchen ist. Oder jedenfalls denke ich, dass sie das sind. Sie sind nicht gerade unauffällig.»

Er stützte den Kopf in die hohle Hand und rührte weiterhin nachdenklich in dem großen gestreiften Glas herum. «Nein, nicht wirklich. Es ist nur ungewohnt.»

Eine unbegründete Unruhe stieg in ihm auf. Er spürte den inneren Drang, irgendetwas tun zu müssen und dabei kannte er die beiden noch nicht einmal.

«Meinst du, wir sollten die Polizei rufen?», fragte Lia und Sascha verzog das Gesicht.

«Wozu? Worüber willst du denn mit denen reden? Über den Ehekrach?» Sie verdrehte die Augen. «In dem Fall hoffen wir einfach, dass nicht wieder das Gleiche passiert wie beim letzten Mal.»

Lia nahm einen großzügigen Schluck aus ihrem Glas und nickte auf seinen verständnislosen Blick hin vorsichtig an ihm vorbei.

Als Sascha sich umdrehte, versuchte der Junge mit der Basecap gerade seinen blonden Freund zu umarmen, doch dieser stieß ihn bei jedem seiner Versuche von sich. Das Bild kam ihm irgendwie bekannt vor und er erinnerte sich plötzlich wieder an den Vorfall im Wald zurück. Konnte der Blonde das gemeint haben, als er sagte, dass er sich nur verteidigt hatte?

Als sich Sascha wieder das erschrockene Gesicht des Blonden ins Gedächtnis drängte, kam ihm schlagartig eine unbegründete Wut hoch.

Der Junge in der Collegejacke drehte sich um und schritt genervt in Richtung Ausgang während der Andere ihm fluchend folgte und versuchte, ihn aufzuhalten. Anfangs konnte man nicht viel von ihrer Unterhaltung verstehen, doch je mehr sie sich dem Ausgang näherten, desto deutlicher wurde es.

Ihr Streit zog ziemlich viele Blicke auf sich. «Ohje.. ich glaube, diesmal halten wir uns lieber wirklich raus.»,, flüsterte Lia und tat so, als hätte sie etwas Interessantes auf der anderen Seite des Fensters gesehen.

Doch da war Sascha schon aufgestanden und so abrupt zwischen das Paar gesprungen, dass der Typ in der Kappe direkt gegen ihn lief. «Was soll das?!»

Als zu zu dem 1,80m großen Dunkelhaarigen aufsah, waren seine Pupillen ungewöhnlich groß, während die Lederhaut leicht gerötet war. Sascha wollte sich zwar mit ihm anlegen, realisierte aber schnell, dass der Typ den Eindruck vermittelte, jeden Augenblick von alleine zusammenzubrechen.

Das Gesicht war blass, die Schatten unter seinen Augen bläulich, der Blick leblos und ein leichter Schweißfilm klebte an seiner Stirn, der das dunkle Haar an seinen Kopf klebte.

Als er mit ihm zusammengestoßen war, federte er zurück wie auf einem senkrecht aufgestellten Trampolin. «Jonas, warte!» lallte der Junge und versuchte, an Sascha vorbeizugehen, was dieser jedoch verhinderte. «Vergiss es Jan! Ich ruf jetzt Dorian an, der soll dich abholen», hörte Sascha den Blonden hinter sich sagen und warf einen knappen Blick über die Schulter.

Seine Unachtsamkeit ermöglichte es diesem Jan, ihn zu umgehen. Bevor der Blonde sein Handy auspacken konnte, hatte sein wandelnder Zombie von Freund ihn auch schon wieder eingefangen und fing an, ihn zu schütteln. «Lass das! Erst stichst du mich ab und dann tust du so, als wärst du das Opfer hier! Zeigst du so deine Dankbarkeit du Schlampe!»

Stille breitete sich in der Cafébar aus. Selbst die Musik wurde angehalten.

Die Atmosphäre war elektrisch geladen. Der Kommentar zog viel Aufmerksamkeit auf sich. Und das, was daraufhin folgte, sogar noch mehr.

Sascha konnte sich diese Scharade nicht mehr länger ansehen und riss diesen Jan von dem Blonden los. «Hörst du jetzt endlich auf hier so ein Theater zu machen!», warf er ihm provokant ins Gesicht, während er ihn vorsichtig, aber bestimmt vor sich hin stieß, bis die beiden am Ausgang angekommen waren. «Merkst du eigentlich nicht, wie kaputt du bist? Verzieh dich nach Hause, wasch dir das Gesicht und geh schlafen!»

Jan war von dem Schwall an Sätzen sichtlich überfordert, doch zeitgleich schien er genau zu wissen, was sie zu bedeuten hatten, da seine Augen zunehmend glasiger wurden. «Hey, Sascha, ich glaube, das reicht jetzt. Er weint ja sogar schon.»

Lia war hinter ihrem Freund aufgetaucht und musterte Jan besorgt über seine Schulter hinweg. Sascha ließ daraufhin von ihm ab. «Hier versuchen Leute, ihren Abend zu genießen. Wenn ihr euch streiten wollt, dann geht woanders hin!» Seine Augen trafen erneut auf den überraschten Blick des Blonden. Für einen Moment fürchtete Sascha, erneut demselben Phänomen zu verfallen, wie bei ihrer ersten Begegnung, als es plötzlich wieder laut wurde. «Hey, lass ihn in Ruhe!»

Eine bunte Mischung aus Leuten kam auf die Vier zu, wobei ein junger Mann mit einem Buscut Sascha aus dem Impuls heraus zur Seite stieß. Er hatte bereits zum Schlag ausgeholt, als sich ihm der Blonde in den Weg drängte. «Hey, alles cool, er wollte mir nur helfen!», rief er und drängte sich anschließend zwischen Jan und Sascha, um das ‚Opfer‘ entgegenzunehmen.

Sascha rückte sich daraufhin den Kragen zurecht, atmete kurz und heftig aus beobachtete mit gezügelter Neugier das weitere Geschehen. «Dorian und die Anderen sind da. Geh mit ihnen mit», bat der Blonde seinen Freund stützend, doch dieser schmiegte sich nur noch enger an ihn.

In der Zwischenzeit hatten sich ein paar Gaffer auf der gegenüberliegenden Seite angesammelt und linsten immer wieder zu ihnen rüber. «Verlass mich nicht, Jonas! Wie soll ich ohne dich leben?»

Der Blonde gab einen tiefen Seufzer von sich und sah hilfesuchend zu der Gruppe, von der aus ihm der Junge mit dem Buscut entgegenkam. «Na komm schon Großer, gib Jonas ab und zu auch mal eine Pause. Was machst du überhaupt hier? Solltest du nicht in Therapie sein, oder sowas?»

Er machte eine bedeutende Pause, die ein gewisses Mitgefühl ausdrückte, ohne ihn in seiner Machtposition zu reduzieren. Jan murmelte daraufhin so lange unverständliches Zeug vor sich hin, bis der Cafébarbesitzer die Nase voll von ihnen hatte und damit drohte die Polizei zu rufen.

Die Worte hatten die Wirkkraft eines Gewehrschusses und keine zwei Minuten später war der Großteil von ihnen verschwunden. Während ein gebräunter Stammgast mit erhobenen Händen die miserablen Umstände in der Cafébar bemängelte, warfen Sascha und Lia einander belustigte Blicke zu. Der Blonde, der wohl Jonas hieß, hatte sich an den Türrahmen gelehnt und sah seiner Gruppe mit einem besorgten Blick hinterher, während Sascha sich fragte, warum er ihnen nicht gefolgt war. Die Arme vor der Brust verschränkend, gesellte er sich zu ihm. «So sieht man sich also wieder.»

Die Augen des Blonden weiteten sich und er wollte gerade wieder die Flucht ergreifen, als Sascha ihn am Arm packte. «Nun hau doch nicht ständig ab! Ich tu‘ dir schon nichts. Auch, wenn du mir ziemlich viele Probleme bereitet hast. Was spricht eigentlich dagegen, dass ich dir auf der Stelle die Ohren lang ziehe, hmm?

 Sascha warf ihm einen ernsten Blick zu, doch zu seinem Überraschen versuchte der Junge lediglich ein Lachen zu unterdrücken. «Was ist so lustig?», fragte der Dunkelhaarige perplex. «Du bist so jung, aber du sprichst, als wärst du fünfzig.»

Sascha schoss schlagartig das Blut in den Kopf. «Ich versuche, dich Bengel einfach nur ein wenig zu erziehen, denn deine Eltern scheinen dabei ziemlich versagt zu haben!», meinte er und zog den Blonden zu sich, dessen Lachen schlagartig verstummte.

Er sah bedrückt zu Boden. «Ich…» er machte eine Pause. «Ich habe keine Eltern. Ich lebe mit meinem Freund zusammen.»

Sascha ließ von ihm ab und deutete mit einem verwirrten Gesichtsausdruck auf die Gasse, in der eben die Gruppe verschwunden war. «Mit ‚dem‘ Freund?»

Jonas nickte stumm. «Ist der immer so?»

Der Blonde wich seinem Blick aus. «War das der Grund, warum du ihn mit dem Messer angegriffen hast?», fragte Sascha weiter, woraufhin Jonas wortlos die Lippen spitzte und sich verlegen von ihm abwandte.

Als er plötzlich versuchte, sich von ihm wegzureißen, merkte der Dunkelhaarige sofort, dass was nicht stimmte. «Sag nicht, er wollte dir an die Hose.»

Jonas zuckte bei seinen Worten auf, schwieg jedoch. Seine Wangen waren ganz rot und er traute sich kaum, den Kopf zu heben. «Ist das dein Ernst?»

Sascha schoss das Blut daraufhin genau so in den Kopf wie dem Blondschopf. Allerdings weniger vor Scham als vor purem Zorn. Er hatte bereits im Wald das Gefühl gehabt, dass etwas nicht gestimmt hatte, und jetzt wünschte er, er hätte gar nicht erst gefragt. «Hast du der Polizei von mir erzählt?», fing der Blonde plötzlich wieder zögernd an. «Nein, hab‘ ich nicht», gab Sascha prompt zurück, ließ ihn los und verschränkte die Arme gleich wieder vor der Brust. «Aber hätte ich das mal besser getan. Hättest du mir das sofort gesagt, hätte ich ihm zusätzlich auch noch die Eier abgeschnitten.»

Jonas sah ihn verwundert an. «Wenn Sascha wütend ist, dann sollte man sich besser nicht mit ihm anlegen.»

Lia tauchte plötzlich hinter ihm auf und grinste verlegen. Sie klopfte Sascha auf die Schulter. «Ich hole mir noch ein Bier. Denk an deinen Macchiato.»

Sie zwinkerte Jonas zu und verschwand wieder in der Bar. «Er ist kein schlechter Mensch», meinte Jonas plötzlich kaum hörbar, woraufhin Sascha die Augen verdrehte.

Da waren sie wieder, diese klassischen Ausreden misshandelter Ehepartner. «Na, wenn du das sagst.»

Er ließ von der Wand ab und wollte Lia folgen, bevor ihm sein Gesprächspartner auch noch seine bedingungslose Liebe zu dem Mistkerl verkünden würde.

Warum waren Arschlöcher eigentlich immer so beliebt? Er konnte es nicht begreifen. «Warum bist du denn so wütend?», fragte der plötzlich, woraufhin Sascha kurz innehielt.

Er wusste es selber nicht so recht.

Wahrscheinlich war es sein ausgeprägter Beschützerinstinkt.

Jonas‘ offensichtliche Naivität schien ihn unterbewusst zu provozieren.

Sascha vergrub die Hände in den Manteltaschen und zuckte mit den Schultern. «Keine Ahnung. Du frustrierst mich einfach. Du bist ein Kerl und er hat dich als Schlampe beleidigt. Hast du keinen Stolz?»

Jonas‘ Mundwinkel zuckten. «Schon lange nicht mehr. Tut mir leid, wenn ich dich enttäuscht habe.»

Diese Antwort hatte Sascha nicht erwartet. Sie traf ihn plötzlich, dass er glaubte, nun selbst der Böse geworden zu sein. «Du bist echt seltsam, weißt du das?»

Jonas seufzte leise. «Ich weiß. Aber seltsam sein ist zum Glück keine tödliche Krankheit. Also sollte ich damit leben können.» «Sascha dein Kaffee wird kalt!», hörte er Lia hinter sich rufen und musste schmunzeln. «Das ist der bestimmt schon lange», rief er zurück. «Du solltest wieder reingehen», meinte Jonas und zog sich den Schal enger, als eine kräftige Brise an ihnen vorbeisauste. «Komm doch dazu!», bat Sascha ihm an. «Meine Freundin hat sicher nichts dagegen.»

Der Blonde schüttelte mit einem zaghaften Lächeln den Kopf. «Ich habe vorerst genug Ärger angerichtet. Ich gehe jetzt lieber wieder nach Hause. Lass deine Freundin nicht zu lange warten, sonst wird sie noch eifersüchtig», meinte er leise lachend.

Sascha erwiderte sein ansteckendes Lachen mit einem Lächeln. «Zwischen uns läuft nichts. Wir sind nur Freunde», stellte er klar und meinte einen merkwürdigen Schimmer in den Augen des Blonden zu sehen. «Ich bin mir nicht so sicher, aber du solltest es wohl besser wissen.»

Als er sich umdrehte, überkam Sascha ein plötzliches Kältegefühl, gefolgt von einer unbegründeten Panik. «Warte!», rief er plötzlich und Jonas blieb stehen. «Willst du vielleicht meine Nummer oder gibt es dann nur wieder Probleme mit diesem Jan?» Jonas sah ihn eine Weile nachdenklich an und holte schließlich das Handy raus. «Ich denke, das geht klar.» Nachdem Jonas verschwunden war, saßen die beiden Freunde auch nicht mehr lange in der Cafébar.

Denn spätestens nach Lias fünftem Bier zeigte sie bereits ähnliche Verhaltensmuster wie Jan.

Sascha kam nicht drumherum, sie, wie nicht anders erwartet, auf seinem Rücken nach Hause zu schleppen.

Es war bereits kurz nach Mitternacht und die Straßen waren praktisch leer. Als die beiden das große Einfamilienhaus betreten hatten, brachte Sascha Lia erst mal ins Gästezimmer, nachdem sie ihm geschworen hatte, dass in der Nacht nichts zwischen ihr und der Kloschüssel laufen sollte.

Er setzte sie auf dem Bett ab und versuchte zeitgleich, die vielen Gegenstände auf der Kommode zu retten, die durch ihre ausschweifenden Bewegungen gefährdet waren.

Durch den Lärm wurde seine Mutter wach, doch da Sascha relativ klar war und ihre Hilfe scheinbar nicht benötigt wurde, verschwand sie bald wieder in ihrem Schlafzimmer. «Hilfst du mir beim Ausziehen?», lallte Lia, woraufhin Sascha sie mit einem kleinen Kissen abwarf. «Siehst du? Das meinte ich vorhin mit Problemen. Als ob du das Kleid nicht selber ausziehen kannst», brummte er wie ein strenger Vater. «Ich krieg‘ aber den Reißverschluss nicht runter.» «Wie hast du den denn heute Morgen hochbekommen?» «Deine Mum hat mir geholfen!» «Und warum habe ich die dann gerade wieder wegschicken müssen?», raunte er irritiert und fuhr sich mit der Hand über die Stirn.

«Sei doch nicht gleich sauer. Dann mach ich es halt alleine», maulte sie und fummelte an ihrem Nacken herum.

Sascha fuhr sich über die Stirn. «Nein, tut mir leid. Warte ich mach das.» 

Er zog den Reißverschluss runter, woraufhin die Rückseite ihrer überraschend auffälligen Unterwäsche aufblitzte. «Kommst du jetzt zurecht?»

Sie warf ihm einen merkwürdigen Blick über die Schulter hinweg zu, als könnte sie nicht glauben, was sie da hörte. Als sie wieder vor sah, wirkte sie gereizt. «Du kannst gehen.»

Sascha presste verunsichert die Lippen aufeinander. «Bist du sicher?»

Sie sprang plötzlich auf und jagte ihn aus dem Zimmer. Kaum war er über die Schwelle getreten, knallte sie ihm auch schon die Tür vor der Nase zu.

Saschas Brauen zogen sich irritiert zusammen.

Was genau hatte er denn jetzt wieder falsch gemacht?

Mit rollenden Augen verschwand er nach langem Überlegen schließlich in seinem Zimmer. Sich aufs Bett werfend sah er, dass sein Handy blinkte.

Kapitel 4

Als er einen Blick auf seine Nachrichten warf, fand er eine Benachrichtigung von Jonas. Er überlegte, ob es so sinnvoll war, ihm so spät noch zu schreiben, doch als er merkte, dass ihm sein Kopf keine Ruhe gab, fragte er ihn, ob er gut angekommen sei.

Die Antwort war ein knappes: «Ja». Sascha fragte sich, ob er ihn nervte oder vielleicht sogar aus dem Schlaf gerissen hatte. «Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe. Also bis… keine Ahnung irgendwann mal.»

Seine Muskeln zogen sich zusammen und er fuhr sich verlegen durchs Gesicht.

Wieso rechtfertigte er sich überhaupt? Er wusste doch gar nicht, ob er schlief. Eine Weile folgte nichts mehr und Sascha meinte, dass Jonas wahrscheinlich einfach nur schlafen wollte. Er zog sich aus und ging ins Bad.

Als er zehn Minuten später wieder rauskam, blinkte sein Handy. «Ich kann nicht schlafen. Dafür ist es hier zu laut.» «Verrückte Nachbarn?», fragte Sascha schmunzelnd. «So ähnlich.», antwortete Jonas. «Wo wohnst du überhaupt?» «Darf ich nicht sagen?»

Okay verständlich. Die beiden kannten sich gerade mal knapp zwei Stunden und er fragte ihn schon, wo er wohnte. Jonas war ein sehr hübscher Junge. Es würde ihn nicht wundern, wenn er in der Vergangenheit schon schlechte Erfahrungen mit Stalkern gehabt hätte.

Dennoch löste seine Nachricht ein merkwürdiges Gefühl in ihm aus, genau so wie die Tatsache, dass er mit diesem Jan zusammenlebte. Die beiden waren zusammen, das musste er akzeptieren. Und er hätte in der Cafébar wahrscheinlich auch nicht so austicken sollen.

Ihre Beziehung hatte nichts mit ihm zu tun und wenn Jonas das Ganze selber klären wollte, dann sollte er sich da nicht einmischen.

Er fragte sich, ob er einen so schlechten Eindruck bei ihm hinterlassen hatte. Äußerlich betrachtet sah er doch auch deutlich besser aus als dieser Jan. Zunehmend zerstreuter rieb sich der Dunkelhaarige die Stirn.

Warum war er überhaupt so vernarrt in Jonas' Meinung über sich?

Der Blonde hatte zwar etwas Mysteriöses an sich -und wenn es etwas gab, was Sascha liebte, dann waren das Mysterien- , aber war das wirklich der Grund für seine Neugier?

Wenn er es nicht besser wüsste, würde er sagen, er hätte sich verliebt. Beschämt fuhr er sich mit der Hand durchs Gesicht als sein Herz bei dem Gedanken, Jonas in seinen Armen zu halten, stolperte. «Verstehe», schrieb der Dunkelhaarige. «Ich würde dir ja anbieten, zu mir zu kommen, aber Lia belegt gerade das Gästezimmer und die ist gerade nicht besonders gut drauf.» «Die Freundin von vorhin? Habt ihr euch gestritten?», fragte Jonas. «Nicht wirklich. Ich habe keine Ahnung, was los ist. Frauen halt.» «Lebt sie bei dir?» «Nein, sie ist nur über die Ferien da. Sie wohnt in London und reist Anfang nächsten Jahres wieder ab», erklärte Sascha und verschwand unter der Bettdecke, nachdem er das Licht ausgeschaltet hatte. «Okay. Sie scheint ganz nett zu sein. Hoffentlich vertragt ihr euch bald wieder.»

Sascha war über diese Aussage ein wenig überrascht. Maik und Till, seine beiden Freunde aus der Schule, waren verglichen zu Jonas ganz anders und sogar Lia selbst hätte ihm wahrscheinlich darum geraten die ‚Olle‘ einfach zu vergessen. Aber wenn es etwas gab, was Sascha nicht konnte, dann war das vergessen. «Danke, ich versuch‘s.»

Er warf einen Blick auf den Kalender und erneut packte ihn die pure Melancholie. Warum war sein Gemüt in letzter Zeit nur so am Schwanken? Ob es die Angst vor der Zukunft war? Der Abschluss rückte immer näher und die einzige Möglichkeit, dem Businessleben seines Vaters wenigstens für ein paar Jahre zu entkommen, war das Einschreiben an der Universität.

Er dachte, wenn Lia in der Nähe sein würde, würde er wenigstens etwas Ruhe von der ganzen Grübelei bekommen. Aber sie schien darauf kaum Einfluss zu haben. Sie hatte sich über das Jahr hin ein wenig verändert. Weiblicher war sie geworden.

Und etwas anzüglicher vielleicht.

Sascha erinnerte sich an die seltsame Bemerkung von Jonas und kräuselte die Stirn.

Unmöglich, dachte er. Sie hatte ihm vor ihrer letzten Abreise sogar noch ‚befohlen‘ gehabt, sich vor ihrer Rückkehr eine Freundin zu suchen.

Hätte sie das getan, wenn sie in ihn verliebt gewesen wäre? Wohl kaum!

Er seufzte.

Vielleicht redete er sich das Ganze aber auch nur ein. Denn wenn seine Befürchtung wirklich stimmen würde, dann wüsste er nicht, wie er ihr in Zukunft die Augen sehen könnte. Sie waren nun schon so lange miteinander befreundet und dabei hatte er nicht einmal daran gedacht, dass aus dieser Beziehung mehr werden könnte als Freundschaft.

Auch wenn manch einer behaupten würde, dass Jungs und Mädchen nicht einfach nur befreundet sein konnten, so schien das bei den beiden doch immer funktioniert zu haben.

Aus seiner Sicht jedenfalls.

Schlagartig fühlte er sich überraschend alleine und er fragte sich, ob es vielleicht gar nicht Lia war, die sich verändert hatte. In den nachfolgenden Tagen schrieben sie regelmäßig miteinander und Sascha hatte zunehmend das Gefühl in Jonas einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Er lobte sich seine strukturierte und fehlerlos Art, Textnachrichten zu verfassen, genau so wie seine einfühlsame Ausdrucksweise, die ihn dazu verleitete immer mehr von sich zu erzählen. Und je länger er mit ihm schrieb, desto mehr wurde ihm bewusst, dass er diesen Jungen unbedingt wiedersehen musste.

Zu seinem Pech erwies sich die persönliche Kontaktaufnahme jedoch als schwieriger als erwartet. Denn obgleich Sascha es kaum erwarten konnte, ihn wiederzusehen, so schien der Blonde sich immer mehr zurückzuziehen. Und je öfter er fragte, desto seltener und kürzer wurden die Antworten.

Jonas schien ganz offensichtlich etwas zu belasten und es nervte Sascha, ihm nicht helfen zu können.

Nach längerem Grübeln beschloss er, etwas geduldiger an die Sache heranzugehen. Er musste in seine Nähe kommen, ohne ihn zu stark zu berühren. Auf einer Ebene, die kaum spürbar war.

Als würde man einem sensiblen kleinen Schmetterling folgen, der bei jeder unachtsamen Bewegung das Weite suchte. Jonas erinnerte ihn wirklich an einen Schmetterling.

Wenn man ihn erst mal zu Gesicht bekommen hatte, wurde er zu einer so strahlenden Erscheinung, dass man kaum die Augen von ihm abwenden konnte. Unbeachtet verschmolz er mit der luftigen bunten Kleidung und seiner stillen Lebensweise so rasch mit seiner Umgebung, wie eine mobile Farbpalette in einem unendlichen Blumenfeld. Seine Bewegungen wirkten gefedert und waren von fast schon mütterlicher Sanftmut begleitet.

Der Gedanke an ihn inspirierte den jungen Künstler sogar dazu, sich wieder an seine Staffelei zu setzen. Er hatte schon ewig nicht mehr gemalt, aber die Bilder, die Jonas in ihm auslöste, führten seine Hände fast schon automatisch.

Seit ihrer Begegnung schien sein Leben gar nicht mehr so schlimm wie früher. Selbst seine Eltern waren von seinen geradezu euphorischen Höhenflügen belustigt. Doch das störte ihn nicht. So vergingen ein paar weitere Tage, bis er schließlich den Entschluss fassen konnte, Jonas nach einem weiteren Treffen zu fragen.

Auf die Antwort wartete er dann auch länger als erwartet, und als er bereits die Hoffnung aufgegeben hatte, kam endlich eine Rückmeldung ,und schließlich eine Zusage.

Daraufhin trafen sie sich fast täglich und nicht selten war auch Lia mit von der Partie, mit der sich Sascha dank Jonas schnell wieder vertragen hatte. Da der Blonde für etwas sparte - was er vorerst geheim halten wollte - scheute er sich oft bei den besonders kostspieligen Aktionen mitzumachen. Er ließ sich auch nicht gerne einladen oder bemuttern. Obwohl er erst sechzehn Jahre alt war, war er sehr verantwortungsbewusst und höflich.

Selbst Lia schien ihn zu mögen. Und das mochte schon was heißen.

Als Lia einmal meinte, sich an ihre Schulbücher setzen zu müssen, beschloss Sascha, Jonas ins Kino einzuladen. Sascha hatte erst Sorge, dass Jonas sich unwohl fühlen würde, aber es schien genau umgekehrt. Der Junge blühte förmlich vor seinen Augen auf, alberte herum und lachte viel.

Das machte Sascha klar, dass er sich in Lias Gegenwart bewusst mit seiner Nähe zurückhielt. Man konnte ihm förmlich vom Gesicht ablesen, dass er sich nicht in ihre Beziehung einmischen wollte. Und dass er sich überhaupt als Konkurrenz ansah, freute Sascha zwar, ließ ihn jedoch an der Treue des Blonden zweifeln.

War er bislang nicht davon ausgegangen, dass Jonas mit Jan zusammen war? Oder war ihm da etwas entgangen?

Kapitel 5

Es war bereits dunkel geworden, als sie das Kino verlassen hatten.

Während sie die Einkaufspassage entlang spazierten, fing es schließlich an zu schneien. Als Sascha schließlich genug von der ganzen Grübelei hatte, packte er Jonas an der Hand, um ihm zu signalisieren, dass er was Wichtiges zu sagen hatte. Als er jedoch die Hände des Blonden berührt hatte, zuckte er auf. Sie waren ganz blass und kalt und als er sich umgedreht hatte, sah Sascha, dass er fror.

«Ey, ich weiß ja, dass du Geld brauchst, aber ich würde an deiner Stelle trotzdem nicht an deiner Gesundheit sparen», schimpfte der Dunkelhaarige seufzend, zog sich seinen Schal vom Hals und wickelte ihn vorsichtig um den Hals des Blonden. Dann drückte er ihm seine Handschuhe in die Hand.

Von seinen Worten peinlich berührt zog Jonas die Handschuhe an, zupfte sich den Schal über den Mund als ihm ein gedämpftes «Danke» über die Lippen kam. Sein Blick wanderte kurz zum Himmel rauf. «Sag mal, was machst du eigentlich an Weihnachten?»

Den Heiligen Abend verbrachte Familie Flemming ganz klassisch mit der ganzen Familie. Das Haus war zwar ziemlich voll, aber Sascha musste zugeben, dass die Weihnachtszeit die einzige Zeit war, die er ganz harmonisch mit seinen engsten Vertrauten verbringen konnte.

Verglichen zu seinen Eltern, waren seine Tanten und seine Großeltern viel herzlicher und schienen sich, verglichen zu seinen Eltern, auch deutlich mehr für ihn zu interessieren.

Nach dem Weihnachtsdinner und der darauffolgenden Bescherung verzog sich Sascha wieder in sein Zimmer.

Wie sehr er seine Familie auch liebte, wenn sie genug getrunken hatten, wurden sie ihm eindeutig zu aufdringlich. Und am schlimmsten waren sie, wenn sie versuchten ihn mit diversen Bekannten zu verkuppeln. Und verkuppeln musste man ihn schon lange nicht mehr.

Um dem also zu entkommen, hatte er sich die sichere Routine angewöhnt, in seinem Zimmer zu verschwinden.

Lia hatte ihre eigenen Verwandten in Stuttgart aufgesucht, die sie über die Feiertage zu sich eingeladen hatten, und so war er der einzige junge Mensch im Haus.

Das störte ihn aber auch nicht. Er wollte sich sowieso die Zeit nehmen, um ein paar kleine Geschenke vorzubereiten. Denn verglichen zu Lia hatte er überhaupt keine Idee, was er Jonas schenken sollte.

Sie hatten sich am ersten Weihnachtstag verabredet, und obwohl die beiden sich nun schon etwas länger kannten und er selber ebenfalls ein Mann war, wusste er nicht, was er seinem Freund schenken sollte.

Er selbst liebte Tiere, besonders Katzen. In seiner Freizeit ging er oft in die Bibliothek, weil er viel und gerne las und sie als angenehm ruhig empfand. Außerdem liebte er es, zu reisen, und war demnach schon in Thailand, Dubai und Norwegen gewesen.

Vielleicht sollte er ihm Geld schenken. Schließlich war er eh am Sparen. Oder ein Buch. Aber er hatte keine Ahnung, was er für Bücher las, und ihn direkt zu fragen würde die ganze Überraschung verderben.

Seine Kleidung sah ziemlich abgenutzt aus und er trug immer denselben dünnen Fetzen.

Ein Gutschein für einen Klamottenladen wäre also auch eine gute Idee. Schmuck und dergleichen war schon viel zu extravagant. Jonas war ein sehr bescheidener Mensch und ein viel zu teures Geschenk würde ihm nur ein schlechtes Gewissen machen.

Am Ende entschied er sich für den Gutschein und etwas Geld, was er beides in einen großen roten Umschlag legte.

Kapitel 6

Jonas wollte ihm zu Weihnachten einen besonderen Ort zeigen und Sascha freute sich schon den ganzen Tag wie ein kleines Kind darauf.

Vor allem, weil Jonas behauptet hatte, dass er diesen Ort noch niemand anderem gezeigt hätte. Er liebte es ganz offensichtlich, aus allem ein Geheimnis zu machen, aber das störte Sascha nicht wirklich.

Ganz im Gegenteil. Ihn reizten die Rätsel, die er ihm in den Kopf setzte mindestens genau so sehr wie das Gefühl, wenn sie enthüllt wurden.

Und das war bei weitem nicht das Einzige, mit dem er Sascha in den vergangenen Tagen den Kopf verdreht hatte.

Da er sich nie wirklich mit der Liebe und seiner sexuellen Orientierung beschäftigt hatte, ging er immer davon aus, dass er schlichtweg asexuell sei.

Seine ganze Leidenschaft steckte in seinem künstlerischen Selbstausdruck und dem regelmäßigen Selbststudium.

Eine Liebesbeziehung war ihm in der Hinsicht immer im Weg und er war sich nie sicher, ob er dazu in der Lage sein würde, eine romantische Beziehung aufrechtzuerhalten. War es doch notwendig, sich regelmäßig zu treffen, treu zu sein und auf die Bedürfnisse des jeweils anderen zu achten.

Doch die Bekanntschaft mit Jonas gab ihm eine völlig neue Sichtweise auf diese Dinge. Die Beziehung zwischen ihnen war so simpel, so locker und unkompliziert, dass er all diese für gewöhnlich einengenden Handlungen ganz von alleine machte, ohne sich ausgenutzt oder überarbeitet zu fühlen.

Doch wie glücklich ihn jede Begegnung mit Jonas auch machte, so waren sie denn noch kein Paar. Und je öfters sie sich trafen, desto schwieriger wurde es für Sascha, sich zurückzuhalten. Er nutzte jede Gelegenheit, um ihn zu berühren. Fing belanglosen Smalltalk an, nur, um seine Stimme zu hören. Seine bloße Präsenz konnte genau so wie eine einfache Whatsapp-Nachricht den schlimmsten Tag retten.

Er liebte diesen Jungen. Und irgendwann würde er ihm das erzählen müssen. «Wir sind ziemlich weit draußen. Bist du sicher, dass wir uns nicht verlaufen haben?»

«Wir sind gleich da.» Jonas zerrte Sascha hinter sich her. Als sie sich am Stadtrand getroffen hatten, hatte Sascha nicht damit gerechnet, dass sie sich auf eine so lange Wanderschaft begeben würden.

Sie waren nun schon sicher seit einer halben Stunde unterwegs und schritten einen schmalen Pfad am Rhein entlang.