Ein Klinik-Krimi - Oskar Josef Beck - E-Book

Ein Klinik-Krimi E-Book

Oskar Josef Beck

5,0

Beschreibung

Es liest sich wie ein Krimi, wenn ein weltbekannt erfolgreicher und anerkannter Neurochirurg, der seit 1985 Professor der Neurochirurgie ist, 1992 Präsident der Laser Association of Neurological Surgeons International (LANSI) war, 1995 ohne juristisch haltbaren Grund mit einem Operations- und Dienstverbot bestraft wurde. Der Kern dieses Buches beschreibt wahrheitsgetreu neun Gerichtsfälle (die neun Kröten), deren Verlauf bei einem normalen Gerechtigkeitsempfinden nur schwer, eigentlich gar nicht nachvollziehbar ist. Das Wegschauen bei Straftaten eines Ordinarius, die in Gerichtsakten, Briefen und Aufzeichnungen dokumentiert sind, zeigt die enge Verbundenheit von KuMi, Universität, Gutachtern und Justiz. Zurück bleibt die Erkenntnis, dass ein Ordinarius noch am Übergang zum 21. Jahrhundert mit einer Machtfülle ausgestattet ist, der von keiner demokratischen Institution Einhalt geboten werden kann.

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Gewidmet Frau Maria Eichner, meinem guten Geist, Schwester Mary, die in schwerer Stunde immer zu mir gehalten hat und ohne die ich diese unglaubliche Geschichte nicht durchgestanden hätte.

Gewidmet meinem Rechtsanwalt Dr. Manfred Klüver, der mich mit seiner Besonnenheit vor unüberlegten Schritten bewahrt hat.

Ein Leitfaden für junge Mediziner und angehende Juristen, der einen Stoff vermittelt, den Studierende in Vorlesungen und Lehrbüchern nicht erfahren, dessen Kenntnis aber für das Studium wertvoll und für das spätere Leben hilfreich sein kann.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Chefarztberufung und Chefarztwechsel

2.1 Allgemein

2.2 In der Neurochirurgie

Chronologie des OP-Verbotes von 1991 –1998

OP-Verbote und ihre Rechtsgrundlage

4.1 Das OP-Verbot im Routineprogramm vom 01.08.1991

4.2 Das totale OP- und Dienstverbot

Die Folgen des OP-Verbotes

5.1 Für Patienten

5.2 Verlust der Chefarztstelle der Neurochirurgie am Klinikum Bogenhausen

5.3 Für einweisende Ärzte (1996)

5.4 Für die Laserneurochirurgie (1996)

5.5 Aus der Sicht ehemaliger Patienten und Mitarbeiter

Die Petition

Psychoterror

7.1 Verbale Attacken des H.-J. R.

7.2 Verleugnung von O. J. Beck

7.3 Vorlesung zur Unzeit

7.4 Manipulationen am Schwarzen Brett des Hörsaales

7.5 Wiederholte Manipulationen am Türschild meines Dienstzimmers H1 515

7.6 Wiederholte Manipulationen am Türschloss meines Dienstzimmers H1 515

7.7 Mobbing Total

Falsche Verdächtigungen

8.1 Abwesenheit während der Dienstzeit

8.2 Ein Brief – zwei falsche Verdächtigungen

8.3 Angebliche Anzeigenerstattung gegen zwei Kollegen

8.4 Eine Operation – zwei falsche Verdächtigungen

Patientenschädigung

9.1 Unnötige Reoperation

9.2 Große Verunsicherung der Patientin

9.3 Unterlassene Hilfeleistung

9.4 „Erpressung oder Unterbindung einer aktiven Sterbehilfe“?

Kriminelle Energie

10.1 Verletzung des Briefgeheimnisses

10.2 Verletzung des Briefgeheimnisses zum Schaden der Patientin mit Todesfolge

10.3 Verletzung des Briefgeheimnisses zum Schaden des Patienten

10.4 Sachverständigenladung des Amtsgerichts München (23.05.2000)

10.5 Sachbeschädigung mit unabsehbaren Folgen

10.6 Freie Wahl meines Todes (Auswahl verschiedener Todesarten)

Die neun Kröten

Stellungnahme zum Strafbefehl vom 01.10.1998 im Fall E. G.

Nachspann

Gutachten

Zusammenfassung

Anhang

Resilienz oder die Kraft des seelischen Widerstandes

Kämpfer für die Gerechtigkeit von Silka Strauss

Vorwort zur Buchbesprechung und den Rezensionen

Analyse der Kröten VIII und IX.

Buchbesprechung

Rezensionen.

Oskar Josef Beck:

Curriculum vitae

Vorträge

Publikationen

Seminare, Workshop, Film

Glossar

1. Einleitung

Ziel jeder Regierung ist die Erhaltung der Macht. Menschen, die sich diesem Ziel nicht unterordnen, gelten als personae non gratae und werden „in der Regel“ eliminiert. Totalitäre Staaten bevorzugen Gefängnisse oder Hinrichtungen, Demokratien die Kaltstellung. Bei der Einweisung in die Psychiatrie nähern sich die beiden Systeme grenzwertig.

Die Kaltstellung ist eine Hinrichtung auf Raten. Der vermeintliche Delinquent (lateinisch: delinquere, sich vergehen, einen Fehltritt begehen) wird gemobbt, bis er zusammenbricht. Hat sich der Gemobbte nichts zuschulden kommen lassen, sind die Methoden besonders infam, um ihn zu Fall zu bringen und selbst glaubwürdig zu bleiben. Hilfe bekommt der Gemobbte in der Regel nicht, da bereits eine Reihe Anwärter auf seine Position warten und den „Täter“ mit vorauseilendem Gehorsam unterstützen. Die Geschichte soll vor allem jungen Menschen die Augen öffnen, dass es nicht ausreicht, korrekt und anständig seine Ziele zu verfolgen. Die vom 35. Präsidenten der USA John F. Kennedy und von mehreren Bundespräsidenten eingeforderte Zivilcourage wird auch in Demokratien oft nur dann honoriert, wenn man sich systemloyal verhält.

Die medizinischen Fakultäten der Deutschen Hochschulen sind hierarchisch organisiert. Unter Hierarchie versteht man eine auf gesellschaftliche Bereiche bezogene Ordnung, gesellschaftlicher Rechte und Kompetenzen, z. B. bei der bürokratischen Verwaltung des Staates, beim Militär, usw.

Die diskriminierenden Handlungen greifen auch die Stellung als Hochschullehrer an. Unter Mitwisserschaft führender Persönlichkeiten der medizinischen Fakultät kann dieser Ordinarius Mitarbeiter beruflich ruinieren, denen man nur vorwerfen kann, durch wahrheitsgemäße Angaben bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Korpsgeist dieser Klinik verstoßen zu haben. Korpsgeist und Ehrenkodex jeder ehrenwerten Gesellschaft verlieren aber ihre Berechtigung, wenn gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen wird (Behinderung der Justiz). Nach Meinung von Ordinarien anderer Fakultäten an der gleichen Universität wären vergleichbare Maßnahmen in ihren Bereichen undenkbar. Nachgeordnete Oberärzte und Assistenten, die um wissenschaftliche Ehren, Vertragsverlängerung und neue Chefarztstellen buhlen, werden eingespannt oder üben vorauseilenden Gehorsam, um die Position von Ordinarien gegen „missliebig“ gewordene Oberärzte und Assistenten zu stärken. Auch höchste Fachgremien sehen sich nicht in der Lage, Stellung zu beziehen oder Entscheidungen zu treffen oder können dies auch gar nicht, da sie selbst in diesem Netzwerk integriert sind. Mit beobachtender Ignoranz hält der zuständige Minister die Ausschaltung des „missliebig“ gewordenen Untergebenen aufrecht, obwohl aufgrund eines vom Ministerium eingeholten Gutachtens gegen den Betroffenen von der Rechtsabteilung der LMU kein Disziplinarverfahren erfolgte. Eine ethische oder fachkompetente Kontrolle für einen Ordinarius gibt es nicht, weder innerhalb noch außerhalb der Klinik. Wer es wagt, gegen das Versagen des Ordinarius aufzubegehren, darf seine Karriere als beendet betrachten. Berechtigte Anschuldigungen werden zwischen Klinikleitung, Universität und Ministerium so lange hin- und hergeschoben, bis sie in Vergessenheit geraten oder einer der Betroffenen das Pensionsalter erreicht hat. Diese Hinhaltetaktik geht zu Lasten von Patienten und Steuerzahlern und gelingt besonders gut mit stetem Vertrösten auf nur allzu lang anstehende juristische Entscheidungen. Gutachterliches Verschleppen dringend anstehender Fälle nährt den Verdacht, dass ein falsch verstandener Korpsgeist unter hochdotierten Medizinern sein Unwesen treibt (J. Dege, Schwäb. Zeitung Nr. 229 vom 04.10.1997).

Unentschuldbar ist, wenn ein Ordinarius und seine Helfer Außenstehende, wehrlose Dritte, nämlich Patienten, zu deren Schaden in die Querelen mit einbeziehen, und Wachsamkeit ist angesagt, wenn Stellvertreter oder Assistenten versuchen, ihren Chef in falsch verstandener Pflichterfüllung noch zu übertreffen. Es ist geradezu unverständlich, wie die ehrenwerte Fakultät der Medizin einen rechtswidrig handelnden Kollegen gewähren lässt und das Kultusministerium (KuMi) jahrelang die schrittweise Vernichtung seiner Beamten toleriert, für die es eine Fürsorgepflicht hat. Verantwortung wird nicht übernommen, sondern weitergeschoben und Entscheidungen folgen, wenn sie überhaupt getroffen werden, einem Fächer- und Gruppenegoismus. Archaische Strukturen warten auf ihre Entkrustung.

In ihrem ehrlichen Bemühen, Ordnung zu schaffen, hat es die universitäre Selbstverwaltung bisher am nötigen Durchsetzungsvermögen fehlen lassen. Vertrauen wir darauf, dass in Zukunft auch fehlgeleitete Ordinarien die Deutsche Rechtsprechung respektieren, damit das gnadenlose Schikanieren gesetzestreuer Mitarbeiter ein Ende findet. Das einstimmige Votum der Abgeordneten des Ausschusses für Hochschule, Forschung und Kultur im Bay. Landtag belegt das Verlangen nach Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien. Leider sind Petitionen in Ländern mit jahrzehntelangem Parteifilz aufgrund der jahrelangen eingespielten Seilschaften meist chancenlos und deshalb ineffektiv.

Auf dieses Klinik-Mobbing und diesen Kollegen-Neid zum Schaden der Patienten gibt der Pro-Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) Herr Prof. Dr. Dr. Adam die passende Antwort: „Die Ärzteschaft kann und darf ein Fehlverhalten in ihren eigenen Reihen weder verschweigen, noch darf sie es decken. Und wenn nach der rechtskräftigen Feststellung des Fehlverhaltens eines Arztes der Repräsentant der Standesvertretung nicht tätig würde oder dies verhinderte, dann muss er sich dafür verantworten“ (SZ, Nr. 152, S.16, 1998).

Nachdem ich noch unter meinem verehrten langjährigen Chef Prof. Dr. Frank Marguth, Lehrstuhlinhaber für Neurochirurgie der LMU in Großhadern, mit dessen Einverständnis eine Chefarztstelle ausgeschlagen hatte, hatte mich dieser, nach dem Ausscheiden von Herrn Chefarzt Dr. S., für die Neurochirurgie im Klinikum Bogenhausen vorgesehen. Sein Nachfolger H.-J. R. hatte Marguth sein Einverständnis signalisiert. Umso überraschter war ich, als ich nach Einsicht meiner Personalakte erfahren musste, dass H.-J. R. von Anfang an meine Entlassung beim Rektor angestrebt hatte, ohne mich zu verständigen. Ich sah mich deshalb gezwungen, Aufzeichnungen vorzunehmen und einen Rechtsanwalt mit der Wahrung meiner Interessen zu beauftragen. Mein Buch ist deshalb seit dieser Zeit ein Tatsachenbericht, dessen Fakten in sieben Aktenordnern zeitnah aufgezeichnet worden sind. Diese Unterlagen sind mit vollem Einverständnis der betreffenden Patienten bzw. ihrer Angehörigen für die Öffentlichkeit freigegeben. „Damit die Wahrheit endlich an´s Licht kommt“, wie viele Patienten sagten, oder „damit endlich Licht in das Dunkel“ kommt, wie Frau Dr. H. in ihrem Brief vom 24.04.1996 schrieb. Ein Aktenordner enthält in Chronologie unzählige frustrane Briefwechsel, die im Hinblick auf eine außergerichtliche Einigung von mir mit der Medizinischen Fakultät, der LMU und dem KuMi zur Aufhebung meines widerrechtlichen OP-Verbotes geführt worden waren. Als ich nach meiner Pensionierung diesen Akt Herrn H., dem Rektor der LMU, übergab, nicht um Vorwürfe zu erheben, sondern mit der Bitte daraus in Zukunft Lehren und Konsequenzen zu ziehen, war der betreffende Aktenordner, als ich ihn abholen wollte, nicht mehr auffindbar.

Staatsanwälte und Richter waren trotz intensiver Bemühungen meinerseits zu einer nachträglichen Stellungnahme ihrer Entscheidungen nicht zu erreichen.

Der Inhalt dieses Buches betrifft nur die Neurochirurgie der LMU. Schlüsse auf andere Fachrichtungen im Klinikum Großhadern können daraus nicht gezogen werden.

Kröten wurden deshalb gewählt, weil diese Tiere am ganzen Körper mit Drüsen überzogen sind, die ein giftiges Sekret produzieren. Diese Giftstoffe enthalten vor allem Bufotenin, das kardiotoxisch und halluzinogen wirkt.

Wenn H.-J. R. auch eine Legion Kröten auf mich losgelassen hatte, beschränkte er sich bei seiner Forderung auf ein Disziplinarverfahren, bzw. meiner Eliminierung auf neun Fälle (Kröten), die ich gerichtlich überprüfen ließ, leider ohne dass entsprechende Konsequenzen daraus gezogen worden sind. Vielleicht waren diese Tiere für die Bayerische Justiz wirklich zu ekelerregend und abstoßend.

Der berufliche Stand entspricht der damaligen Zeit. Im folgenden Text werden Titel von Personen nach der ersten Benennung nicht mehr berücksichtigt. Die römischen Zahlen sind ein Hinweis auf das betreffende Krötenkapitel.

2. Chefarztberufung und Chefarztwechsel

2.1 Allgemein

2.1.1 Chefarztberufung

Eine korrekte Chefarztberufung hat zum Ziel, die Besten für das betreffende Fachgebiet auszuwählen. Jede Klinik handhabt diesen Prozess anders. Die Stadt München übernimmt, bei entsprechender Qualifikation, den Ersten Oberarzt als Chefarzt. Alle Ärzte einer Klinik haben jahrelang die Möglichkeit sich von den Fähigkeiten des Ersten Oberarztes zu überzeugen, eine sinnvolle Entscheidung, wie ich meine.

So hatte der Pathologe Dr. K. als Erster Oberarzt die letzten Jahre tausende Präparate befundet. Durch intensive Zusammenarbeit mit der Neuropathologie hatte er sich auch auf diesem schwierigen Gebiet einen Namen gemacht. Er war in erster Linie ein Pragmatiker, und die Chefarztstelle in Bogenhausen war mit ihm hervorragend besetzt.

An dieser Stelle möchte ich meine persönliche Erfahrung an einem Beispiel aufzeigen. Meine Labrador-Hündin hatte mit 2 Jahren am rechten Ohrläppchen einen rasch wachsenden Tumor, den ich selbst operativ entfernte. Der histologische Befund aus der Pathologie der Universitäts-Veterinärklinik war niederschmetternd: Bösartig, Bestrahlung und Chemotherapie. In meiner Verzweiflung ging ich zu meinem alten Klassenkameraden K. Dieser sah sich das Präparat kurz an und sagte: „Ich sehe Zellen, die zu keinem Tumor passen.“ Und wie Recht er hatte! Nach 12 Jahren erfreut sich mein Hunderl immer noch bester Gesundheit und wedelt mit dem Schwanz, wenn es seinen Lebensretter sieht, ohne Bestrahlung und ohne Chemotherapie.

In kleineren Städten oder an Kreiskrankenhäusern ist die Besetzung häufig auch eine politische Entscheidung, wobei von den Kandidaten nicht immer der Beste, sondern der ausgewählt wird, der politisch am besten ins Gefüge der Stadt oder des Landkreises passt. Um den Frieden im Haus zu wahren, hören die verantwortlichen Politiker dabei auch auf die Meinungen der Chefs anderer Fachrichtungen.

Ein persönliches Beispiel: Obwohl ich von München nie weg wollte, wäre Rosenheim aufgrund seiner Gebirgsnähe für mich akzeptabel gewesen. So trug ich mein Anliegen meinem alten Schulfreund und Chefarzt der Orthopädie Dr. F. und dem Chefanästhesisten Dr. S. vor, den ich noch von der Poliklinik in München kannte. F. sagte mir dann in aller Freundschaft: „Ossi, wenn Rosenheim eine Neurochirurgie bekommt, sorgen wir dafür, dass Du den Chefposten erhältst, aber ich werde alles dafür tun, dass Rosenheim keine Neurochirurgie bekommt“. F. war seit Generationen der Stadt Rosenheim verbunden und fürchtete hohe Kosten zu Lasten etablierter Abteilungen. Vielleicht witterte er auch in mir Konkurrenz, weil die Neurochirurgen damals schon die Bandscheiben-Eingriffe unter dem Mikroskop operierten und deshalb bessere Ergebnisse erzielten. Die Politiker hörten auf F. und die Neurochirurgie kam einige Jahre später nach Vogtareuth, im Landkreis Rosenheim, weit ab von der Autobahn München – Salzburg. In Nähe der Autobahn wäre die Neurochirurgie wegen der Unfälle wohl besser aufgehoben gewesen.

Die Chefarztberufung an der Universität ist ein aufwändiger und lang anhaltender Vorgang. Ein bis zwei Jahre vor dem Chefarztwechsel werden Kommissionen ins Leben gerufen, die dann von den Bewerbern meist sechs bis zwölf Kandidaten auswählen, die sich persönlich mit Vorträgen vor der Fakultät bewähren müssen. Von den Bewerbern kommen drei in die engere Wahl, wobei der zukünftige Chef von einer neuen Kommission, in der die Entscheidungsträger der Universität sitzen, berufen wird. Dabei werden unzählige Telefongespräche geführt, um einen Entscheidungsträger für den gewünschten Kandidaten zu mobilisieren. Eine wichtige Rolle spielen hierbei Emeriti, d. h. ehemalige Ordinarien, die beratend für Berufungen besonders viel Zeit aufwenden, da sie selbst nicht mehr ins Geschehen eingreifen können. Der nun auf Nr.1 gesetzte Kandidat wird dem Kultusminister präsentiert und von diesem in der Regel abgesegnet. Der Kultusminister oder auch Ministerpräsident kann sich aber auch direkt einschalten. So geschehen bei der Berufung des neuen Anästhesisten Prof. Dr. P. Anfänglich ging die Berufung ihren üblichen Weg. Die Kommissionen tagten und in der Endausscheidung waren drei angesehene Chefarzt Anästhesisten, einer auch aus Mannheim. Als die Kommission der Entscheidungsträger gerade die Reihung 1 – 2 – 3 vornehmen wollte, kam plötzlich der Dekan zur Tür herein und sagte: „Der Minister hat bereits entschieden, neuer Chef wird Prof. Dr. P.“. Dieser hatte auf der Liste den siebten Platz inne, also einige Plätze hinter seinem eigenen Chef.

Diese politischen Berufungen, in Bayern „Strauß-Berufungen“ genannt, entsprachen zwar nicht den üblichen Berufungen der medizinischen Fakultät, können qualitativ aber durchaus akzeptabel sein. Franz Josef Strauß ließ sich vielseitig über die Bewerber informieren und wählte gezielt den geeignetsten aus. In der medizinischen Fakultät standen große Strukturänderungen an, wie die Inbetriebnahme des Klinikums Großhadern und die allmähliche Auflösung der Innenstadtkliniken der LMU. Großhadern wurde zum Aushängeschild der Bayerischen Regierung und da war in erster Linie ein Managertyp gefragt. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass ein Fakultätsfremder, wie z. B. Strauß, bei der Berufung eine bessere Entscheidung traf als die Kommissionskollegen, die sich gegenseitig oft genau beobachteten, damit nicht ein leistungsstärkerer Professor ein angrenzendes Fachgebiet besetzte. P. füllte diesen Posten, insbesondere als Dekan, viele Jahre hervorragend aus. Als Faustregel galt: Gute Professoren ziehen gute Kollegen nach und die LMU hatte in der medizinischen Fakultät viele gute Professoren. Je besser mein Durchblick wurde, fiel mir aber auf, dass Professoren, die fachlich und moralisch hervorragend waren, wie der Hämatostasiologe Prof. Dr. Marx oder der Neuropathologe Prof. Dr. Stochdorph, nie zu denen zählten, die in der Fakultät das Sagen hatten. Der Dekan verstand sich gut zu verkaufen, einerseits der Ehrenmann: „Als Beamte müssten wir schon wirklich verrückt sein, wenn wir uns nicht an das Gesetz halten würden“ (SZ Nr.44/1996), andererseits: Der hierarchisch ausgerichtete Dekan, der das Recht buchstäblich untergehen ließ, wenn es galt, Unebenheiten zu umschiffen: „Herr Beck, das Schiff Neurochirurgie hat einen neuen Kapitän bekommen, wenn das Schiff untergeht, haben Sie mit unterzugehen!“ (anlässlich meiner von H.-J. R. geforderten Entlassung wegen fehlender Loyalität am 10.10.1991). Zum Schluss hatte ich sogar den Eindruck, dass P. Strukturen aufgezogen hatte, die auch dem Erhalt bestehender Pfründen dienten.

Als Patienten hatte ich schon 1988 viele Ausländer, insbesondere aus der Türkei. Besonderen Zulauf verschaffte mir ein junges Mädchen mit einem Hirnstammtumor, der von der medulla oblongata bis zur mittleren Halswirbelsäule reichte und dessen Entfernung weltweit abgelehnt worden war (Abbildung 1).

Abbildung 1: Distaler Brain Stem Tumor (Astrozytom Grad 1) a) MRT: präoperativ; b) MRT: postoperativ (zwei Jahre)

Stolz war ich, als ihr Vater 10 Tage nach meiner OP dem neurologisch weitgehend unauffälligen Mädchen vom Olympiaturm aus München zeigen wollte. Groß war das Entsetzen, als die Patientin bewusstlos bei uns eingeliefert wurde. Ursache war eine Thrombose des großen venösen Blutleiters (sinus sagittalis superior), die bei der Liftfahrt durch den plötzlichen Höhenunterschied (Olympiaturm 185 m) ausgelöst worden war, von der sich das Mädchen aber sehr rasch erholte. Die zwischenzeitlich junge Dame hat ein Musikstudium erfolgreich abgeschlossen, vor 8 Jahren geheiratet und einen 5 Jahre alten gesunden Sohn (Abbildung 2).

Hinzu kam eine Freundschaft zu vielen türkischen Mitarbeitern, die im Klinikum beschäftigt waren und die mir beim Übersetzen oft hilfreich zur Seite standen. In der Regel operierte ich die Patienten als Selbstzahler. Dies war ein Salär, das für zwei Wochen im Voraus entrichtet werden musste und in dem alles inbegriffen war, einschließlich Operation und stationärem Aufenthalt auf der Allgemeinstation. Der Preis lag deutlich unterhalb der Gebühren von Privatpatienten. Bei einem türkischen Patienten hatte ich wegen des hohen operativen Risikos eine geprüfte Dolmetscherin hinzugezogen. Nach gelungener Operation konnte der Patient bereits nach zehn Tagen die Heimreise antreten, wobei er für vier Tage überbezahltes Geld zurückerstattet bekam. Drei Monate später rief mich die Dolmetscherin etwas verlegen an, dass unser Patient nach mehreren Rechnungen auch Mahnungen zum Begleichen finanzieller Rückstände bekommen habe. Überrascht war ich vor allem über eine Rechnung des Anästhesisten P., der meinem Rechtsanwalt Klüver in der Streitsache H.-J. R. gegenüber erklärt hatte, dass er schon lange wegen anderweitiger Auslastung keine Narkosen mehr machen konnte. In Unkenntnis der Sachlage bezichtigte ich die Dolmetscherin einer falschen Übersetzung und bat sie zur Klärung in die Abrechnungsstelle zu kommen. Dies fiel mir umso schwerer, da sie die Ehefrau einer angesehenen Persönlichkeit war. Zur Überraschung aller war der Fall rasch geklärt, ein Irrtum der Abrechnungsstelle oder eine falsche Übersetzung konnte ausgeschlossen werden. Ein freundlicher Herr in der Abrechnungsstelle sagte uns ohne zögern: „Herr Prof. Beck, das machen die da oben (gemeint waren die Ordinarien) immer so, und wir, in der Abrechnungsstelle, können nichts dafür.“

Die Mehrzahl der Patienten war glücklich, dass es ihnen nach meiner Operation gut ging, und meldete sich nicht mehr. So hatte ich bis zu diesem Vorfall keine Kenntnis dieser Abrechnungsmethode.

Abbildung 2: a) postoperativ (zwei Jahre); b) postoperativ (26 Jahre)

2.1.2 Chefarztwechsel

Grundsätzlich ist ein Chef(arzt)wechsel ein einschneidendes Ereignis, das gilt für Firmen wie für Kliniken. Ohne Unterschied gilt: „Alte raus, Neue rein“. Während in den Firmen führende ältere Mitarbeiter mit einer angemessenen Abfindung rechnen können, sind andere Mitarbeiter durch Mitgliedschaft in den Gewerkschaften eher vor einer Kündigung geschützt.

Chefärzte in Kliniken tun sich hier wesentlich leichter, da sie beides gesetzlich noch nicht berücksichtigen müssen.

So bleibt älteren Oberärzten nur übrig, sich rechtzeitig um eine andere Chefarztstelle zu bewerben. Durchsetzungsfähige Oberärzte erreichen meist ihr persönliches Ziel, schwache Oberärzte bleiben oft in der Klinik zurück und werden vom „neuen Wind“ an die Wand gedrückt.

Für Städte mit hohem Freizeitwert wie München gilt das allerdings eingeschränkt, da hier manchmal „starke“ Oberärzte eine Lebensstellung auch als Oberarzt einer Chefarztstelle in der Pampa vorziehen. Meist bringt ein neuer Chef heute mehrere Assistenten mit, die ihm während seiner Oberarztzeit gedient hatten. Andere Chefs spielen die zurückgebliebenen Ärzte gegeneinander aus, bis sie Schritt für Schritt mit einer neuen Mannschaft ihre Ziele verfolgen können.

Alle 4 Wochen war während des Semesters am Mittwoch Fakultätssitzung. Hier wurden unter Führung des Dekans sämtliche wichtigen die Fakultät betreffenden Punkte besprochen und verabschiedet. Am Montag, also 2 Tage vor der Fakultätssitzung, hielten die kleinen Professoren (C2 und C3) ihre Konferenz um am Mittwoch in der Fakultätssitzung mit einer gebündelten Meinung auftreten zu können. Einen Tag vorher, also am Dienstag, tagten die großen Professoren (C4), um die Ergebnisse für den nächsten Tag im Voraus festzulegen. Um es vorweg zu nehmen, die kleinen Professoren hatten in der Fakultätssitzung in der Abstimmung (z. B. bei der Wahl neuer Ordinarien, Bestimmung der Mitglieder für Berufungskommissionen, Habilitationen usw.) nur dann eine Chance Entscheidungen zu treffen, wenn sich die Ordinarien nicht einig waren.

Während meiner Medizinalassistentenzeit hatte ich einen Chefarztwechsel in der Poliklinik bereits erlebt. Den älteren Ärzten wurden neue Stellen zugewiesen. Nur Insider bemerkten überhaupt die operative Degradierung. Die Patienten bemerkten diese Veränderungen nicht. Kein lang gedienter Arzt wurde persönlich verunglimpft oder seine operative Tätigkeit in der Öffentlichkeit in den Schmutz gezogen. Patienten kamen aus niedrigen Beweggründen nicht zu Schaden. Es war ein Chefwechsel der üblichen Art, es war eine andere Schule, wenn auch das neue Vorgehen nicht unbedingt das bessere war.

2.2 In der Neurochirurgie

2.2.1 Chefarztberufung

Die Chefarztberufung kann aber auch ihr „G’schmäckle“ haben. Die Nachfolge von Marguth verlief anfänglich planmäßig. Die Kommissionen hatten getagt und G., sein ehemaliger Schüler, und letztlich Chefarzt in Basel, bekam den Listenplatz Nr. 1.

Marguth aber wollte das Feld nicht räumen und G.wurde hingehalten. Uns Neurochirurgen erzählte man immer wieder neue Märchen, dass G. lieber in Basel bleiben möchte, weil seine Frau gern nach Baden-Baden zur Spielbank fahre usw., usw. Als ich ihn persönlich anrief, sagte er mir, dass er sofort kommen würde. Die Hinhaltetaktik funktionierte. Die Neurochirurgie, die sich unter Marguth Jahr für Jahr vergrößert hatte, begann wieder zu schrumpfen. Die Neuroanästhesie wurde wieder dem Lehrstuhl für Anästhesie unter P. einverleibt, die Neuroradiologie der Radiologie unter Chefarzt Prof. Dr. L.

G. aber hatte die „Nase voll“ und sagte ab. Zum Entsetzen der gesamten Fakultät erkrankte Marguth plötzlich schwer. Damit das vermutlich abgekartete Spiel der Hinhaltetaktik mit G. nicht aufflog, wurde H.-J. R. gebeten, die Neurochirurgie in München zu übernehmen. Zu diesem Zweck musste sich Prof. Dr. Dr. S., als weiterer Bewerber, nach München begeben, obwohl er gerade in Hannover seine gewünschte „Kopf-Klinik“ bekommen hatte. Wie er mir persönlich sagte, hätte er gar nicht nach München kommen können. Die Bewerbung um die Nachfolge von Marguth war zu einer reinen Show-Veranstaltung geworden, mit einem Abstimmungsergebnis von 17 zu 4 für H.-J. R. gegen S. So konnte H.-J. R. nach der akut auftretenden Erkrankung von Marguth in München die Lücke schließen, ohne dass der Schwindel einer fehlenden echten Berufung aufgekommen war.

H.-J. R. kam aus der experimentellen Chirurgie, aus dem Institut von Prof. Dr. Brendel. H.-J. R. hatte den Einfluss von Cortison auf das Hirnödem studiert und wollte sich bei Marguth rasch habilitieren. Marguth verlangte, wie bei allen Assistenten, vor der Habilitation drei Jahre Klinikarbeit und so zog H.-J. R. nach Mainz zu Prof. Dr. Dr. S. Hier schrieb er Paper um Paper zur Hirnödemtherapie, während andere Assistenten operierten und Ordinarien und Chefs von großen Kliniken wurden, wie die Professoren Dr. D. und Dr. S.

H.-J. R. bekam in seinem Heimatort eine neurochirurgische Abteilung und es dauerte einige Jahre, bis ihm die dortige Oberin nahelegte das Haus zu verlassen, wie mir ein Kollege berichtete, der bei diesem Gespräch neben ihm auf der Treppe stand.

In der Schweiz wurden zu dieser Zeit Neurochirurgen für eine Chefarztstelle gesucht, da der operativ mächtige Prof. Dr. Y. in Zürich das gesamte First Class Patientengut an sich gezogen hatte, keine Assistenten ausbildete und meist sogar nur mit einer Krankenschwester allein die schwierigsten Operationen vornahm.

Unter diesen Gesichtspunkten wurde H.-J. R. Chef in Bern. Da die Schweizer aber vorsichtige Menschen sind, machen sie im Gegensatz zur Universität München Chefarztverträge nur für fünf Jahre. Bald pfiffen es die Berner Spatzen von den Dächern, dass der Vertrag von H.-J. R. nicht verlängert werde. Und H.-J. R. wurde Chef in München.

2.2.2 Chefarztwechsel

Von Anfang an war klar, dass der Nachfolger es schwer haben würde, denn Marguth war ein starker Chef. Mit 100 Betten und jährlich 2000 OPs zählte die Neurochirurgie der LMU zu den weltweit größten neurochirurgischen Kliniken. Zwölf Ärzte, darunter auch ich, konnten sich unter seiner Führung habilitieren. Vier seiner Schüler besetzten Lehrstühle in Deutschland: Kazner, Gratzl, Lanksch und Fahlbusch. Mit einer guten Mischung von klinisch-pragmatisch orientierten und mehr wissenschaftlich ausgerichteten Mitarbeitern hatte er eine Mannschaft geformt, die für ihn durch‘s Feuer ging. Das Verhältnis war geprägt von Zuneigung und Achtung. Wir respektierten uns klinisch, operativ und vor allem menschlich. Meine Abschiedsrede zu Ehren von Marguth wurde mit einem Kuss belohnt (Abbildung 3).

Abbildung 3: Verabschiedung von Professor Marguth am Klinikum Großhadern 1990.

Marguth hatte alles für einen fließenden Übergang vorbereitet. Nach einem Jahr sollte ich die Neurochirurgie in Bogenhausen übernehmen und H.-J. R. hatte zugestimmt. Es war mir unverständlich, warum sich H.-J. R. von Anfang an feindselig gegen mich benahm. Ein Grund war vermutlich, dass ich seine äußerst fragwürdige Berufung hautnah miterlebt hatte. Als ausgewiesen guter Operateur und national und international angesehener Laserspezialist war ich auch fachlich sicher ein Konkurrent. So nahm es nicht Wunder, dass H.-J. R. von Anfang an meine Degradierung betrieb. Noch vor seinem Amtsantritt in München lud H.-J. R. zuerst OA S., den er noch von früher aus dem Labor für experimentelle Chirurgie kannte und zwei Wochen später mich mit unserer Leitenden OP-Schwester nach Bern ein. Voller Stolz erzählte er uns, dass er gleich zu Beginn seiner Tätigkeit in Bern die ältere Leitende OP-Schwester gegen eine neue junge ausgetauscht hatte und dieser Wechsel hätte sich sehr bewährt. Bald darauf eröffnete er auch mir, dass OA S. vermutlich in sechs Monaten in München Leitender Oberarzt würde. In München konnte H.-J. R. unsere erste OP-Schwester aber nicht austauschen, weil die Schwestern zwischenzeitlich nicht mehr den Ärzten, sondern einer neu geschaffenen Pflegeleitung unterstanden. Bei unserer Leitenden OP-Schwester stieg der Blutdruck immer ins Unermessliche, wenn sie bei H.-J. R. instrumentieren musste. Nach seinem Ausscheiden war der Blutdruck wieder normal, die Nieren waren aber irreversibel geschädigt und so muss die gute OP-Schwester heute noch zwei Mal in der Woche zur Dialyse.