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Sie ist eine bemerkenswerte, eine wirklich erstaunliche Frau, und sie steht mit beiden Beinen mitten im Leben. Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Alle Kinder, die sie kennen, lieben sie und vertrauen ihr. Denn Dr. Hanna Martens ist die beste Freundin ihrer kleinen Patienten. Der Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Es gibt immer eine Menge Arbeit für sie, denn die lieben Kleinen mit ihrem oft großen Kummer wollen versorgt und umsorgt sein. Für diese Aufgabe gibt es keine bessere Ärztin als Dr. Hanna Martens! Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! »Carola! Bist du endlich fertig? Ich habe nicht ewig Zeit!« Die gereizte Stimme von Rolf, ihrem Ehemann, riß Carola aus ihrer Überlegung, ob sie vielleicht noch etwas vergessen haben könnte. Heute wollte Rolf sie und ihren Sohn Tobias in die Heide fahren. Die Ferien hatten gerade begonnen, vor ihnen lagen sechs Wochen Erholung. Rolf wollte versuchen, die letzten zwei Wochen ebenfalls zu kommen. Sein Beruf als Abteilungsleiter eines großen Kaufhauses in Hamburg fraß ihn fast auf, da wäre es fraglich, ob er sich wirklich freinehmen könnte. Carola brauchte die Erholung dringend. Sie war erst vor vier Wochen aus dem Krankenhaus gekommen nach einer schweren Erkrankung. Eigentlich hätte der Arzt gern gesehen, daß sie eine Kur macht, aber Rolfs Vorschlag, mit Tobias zu verreisen, schien ihr doch ganz vernünftig, zumal er sich überfordert fühlte, den Neunjährigen neben seiner anstrengenden beruflichen Tätigkeit noch länger allein zu betreuen. Außerdem war Tobias durch die Krankheit seiner Mutter verunsichert und ängstlich. Zusammen konnten sie nun versuchen, wieder Kraft und Vertrauen zu schöpfen. Tobias war ein sehr sensibles, ruhiges Kind. Zur Enttäuschung seines Vaters interessierte er sich nicht für Sport, war schmal und zart, nach Carolas Meinung eher ein musisch begabtes Kind als der »Macher«, den Rolf wohl lieber gehabt hätte. Sie mußte oft ausgleichen zwischen den beiden. Seufzend strich Carola sich die blonden Haare aus der Stirn und griff nach ihrer Reisetasche, in die sie die letzten Sachen eingepackt hatte. Die Koffer waren bereits im Auto verstaut. Sie lächelte über sich selbst, weil sie wohl ein wenig übertrieb mit ihrer Besorgnis, ob alles für Rolf gut vorbereitet war.
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Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2021
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»Carola! Bist du endlich fertig? Ich habe nicht ewig Zeit!«
Die gereizte Stimme von Rolf, ihrem Ehemann, riß Carola aus ihrer Überlegung, ob sie vielleicht noch etwas vergessen haben könnte. Heute wollte Rolf sie und ihren Sohn Tobias in die Heide fahren. Die Ferien hatten gerade begonnen, vor ihnen lagen sechs Wochen Erholung. Rolf wollte versuchen, die letzten zwei Wochen ebenfalls zu kommen. Sein Beruf als Abteilungsleiter eines großen Kaufhauses in Hamburg fraß ihn fast auf, da wäre es fraglich, ob er sich wirklich freinehmen könnte.
Carola brauchte die Erholung dringend. Sie war erst vor vier Wochen aus dem Krankenhaus gekommen nach einer schweren Erkrankung. Eigentlich hätte der Arzt gern gesehen, daß sie eine Kur macht, aber Rolfs Vorschlag, mit Tobias zu verreisen, schien ihr doch ganz vernünftig, zumal er sich überfordert fühlte, den Neunjährigen neben seiner anstrengenden beruflichen Tätigkeit noch länger allein zu betreuen. Außerdem war Tobias durch die Krankheit seiner Mutter verunsichert und ängstlich. Zusammen konnten sie nun versuchen, wieder Kraft und Vertrauen zu schöpfen.
Tobias war ein sehr sensibles, ruhiges Kind. Zur Enttäuschung seines Vaters interessierte er sich nicht für Sport, war schmal und zart, nach Carolas Meinung eher ein musisch begabtes Kind als der »Macher«, den Rolf wohl lieber gehabt hätte. Sie mußte oft ausgleichen zwischen den beiden.
Seufzend strich Carola sich die blonden Haare aus der Stirn und griff nach ihrer Reisetasche, in die sie die letzten Sachen eingepackt hatte. Die Koffer waren bereits im Auto verstaut. Sie lächelte über sich selbst, weil sie wohl ein wenig übertrieb mit ihrer Besorgnis, ob alles für Rolf gut vorbereitet war. Er war schließlich ein erwachsener Mann und alles andere als hilflos.
Nachdem die Haustür sorgfältig verschlossen war, stieg sie zu Rolf in das Auto.
Tobias saß auf dem Rücksitz und blätterte in einem Comic-Heft. Wieder einmal überfiel sie eine leise Traurigkeit, daß ihre beiden Männer sich so gar nichts zu sagen hatten.
Dann schob sie die trüben Gedanken entschlossen beiseite. Die Ärztin im Krankenhaus hatte sie aufgefordert, positiv zu denken, keine Angst zu haben, damit der Schock der rechtzeitig erkannten Krebserkrankung nicht länger Gewalt über sie hatte. Sie war nun wieder gesund, das Leben konnte weitergehen. In den langen, bangen Stunden hatte sie viel nachgedacht. Ob sie alles würde umsetzen können, was sie sich vorgenommen hatte, wußte sie noch nicht. Aber versuchen wollte sie es, schon Tobias zuliebe, der mit seinem ganzen Kinderherzen an ihr hing. Auch jetzt strahlten seine Augen auf, als sie sich zu ihm umdrehte.
»Na, mein Schatz, freust du dich, daß es losgeht?«
»Ja, Mami! Sechs Wochen keine Schule, das ist super!«
Carola lachte, Rolf runzelte die Stirn.
»Hast du ein paar Schulbücher eingepackt? Tobias hat in Mathe wenig Ahnung, auch in anderen Fächern sind seine Leistungen nicht gerade berauschend!«
Carola nickte ergeben. Ein ewiger Streitpunkt, der hier angerührt wurde.
Sie dachte gar nicht daran, Tobias in den Ferien mit seinen Schulbüchern zu plagen. Ferien waren zur Erholung da und nicht zum Lernen. So hatten es auch ihre Eltern stets gehalten. Wenn man gut erholt und vergnügt zurückkam, fiel auch das Lernen wieder leichter. So wollte sie es machen. Aber es hätte nur Streit gegeben, weil Rolf das, wie so vieles, ganz anders sah.
»Na, dann mal los. Ich will heute abend wieder zurück. Morgen habe ich eine wichtige Besprechung, auf die ich mich noch vorbereiten muß!«
»Ach, ich dachte du bleibst eine Nacht? Wie schade!«
»Carola, du weißt, daß ich durch deinen Krankenhausaufenthalt meine Arbeit gröblich vernachlässigen mußte. Jetzt kann ich mir solchen Luxus nicht leisten.«
Carola zuckte leicht zusammen. Er tat ja gerade so, als hätte sie einen Vergnügungsurlaub hinter sich.
»Mama war doch so krank, Papa! Das ist gemein, wie du das sagst!«
»Halt den Mund, Tobias. Ihr wißt genau, wie ich es gemeint habe.«
Eben, hätte Carola gern geantwortet. Immer spürte der Kleine sofort, was in ihr vorging, und stand ihr mannhaft zur Seite, auch wenn er dadurch den Zorn seines Vaters auf sich zog. Ihr Herz tat ihr weh bei diesen Disputen.
»Laß uns ein Lied singen! Das haben wir doch früher auch immer getan, wenn wir in Urlaub fuhren«, lenkte sie schnell ein.
Sie begann die Melodie »Hoch auf dem gelben Wagen« anzustimmen, Tobias fiel mit seiner hübschen Stimme ein, schließlich brummte auch Rolf ein paar Takte mit.
Als sie die Autobahn erreichten, die sie von Hamburg in die Heide führte, war die Stimmung im Auto spürbar entspannt. Die Sonne schien, es war warm, und Carola freute sich auf die Ferien. Der kleine Heideort Ögela, den sie sich als Ferienort ausgesucht hatten, war ihr von der Nachbarin empfohlen worden, die dort jedes Jahr mit ihrem Mann zwei Herbstwochen verbrachte. Zuerst hatte Tobias lieber an die Ostsee fahren wollen, aber die Aussicht auf Schlangen, die in der Heide noch zu finden waren, hatte seine Abenteuerlust geweckt. Bisher kannte er sie nur aus dem Zoo. Außerdem lag auch der Vogelpark Walsrode nicht weit, ebenso wie ein großer Vergnügungspark.
Je näher sie dem Ziel kamen, desto aufgeregter wurde Tobias. Carola freute sich über seinen Eifer. Viel zu lange war er still und ernst gewesen.
»Mensch, Mama, sieh mal, die kleinen lustigen Häuser! Da, der Hund ist ja süß. Ob die Leute, bei denen wir wohnen, auch einen Hund haben? Meinst du, ich darf mit dem mal spazierengehen?«
»Warum nicht? Wenn sie sehen, wie gut du mit Tieren umgehen kannst, haben sie bestimmt nichts dagegen. Sofern sie einen Hund haben, heißt das.«
Carola kannte seinen Traum von einem eigenen Hund. Aber Rolf war strikt gegen Haustiere. Da hatte sie sich nicht durchsetzen können.
Etwas abseits gelegen fanden sie schließlich »Das weiße Lamm«. Der kleine Gasthof, ein hübsches, altes Fachwerkhaus, wurde von einem Strohdach »behütet«. Die Fenster waren alle geöffnet, rotweiß karierte Gardinen flatterten im leichten Sommerwind. Vor jedem Fenster gab es einen Blumenkasten, aus dem rote Geranien, blaues Männertreu und gelbe Pantoffelblumen förmlich überquollen. Vor der grünen Eingangstür, die einladend geöffnet war, stand ein großer Blumenkübel.
Rolf parkte auf dem kleinen Parkplatz neben dem Eingang. Sie stiegen aus.
Schwanzwedelnd kam ein Boxerhund um die Ecke geschossen, bellte zweimal, wie um ihren Besuch anzukündigen, und sprang sofort auf Tobias zu. Sein ganzer Körper wackelte vor Freude über die angekommenen Gäste.
»Hallo, Hund, wie heißt du denn? Du bist aber ein Feiner!«
Tobias hatte ihm zuerst die Hand hingehalten, die der Hund beschnüffelte. Dann streichelte er ihn begeistert. Sein Gesicht strahlte. Für ihn konnten die Ferien nur noch ein Erfolg werden!
»Suse, du sollst doch nicht immer gleich auf die Gäste zustürmen! Oh, du bist wirklich unmöglich!«
Die Stimme gehörte zu einer rundlichen jungen Frau, die jetzt lachend in der Tür erschienen war. Sie kam die wenigen Stufen herunter, um ihre Gäste zu begrüßen.
»Da haben wir einen schönen Wachhund. Herzlich willkommen! Sie sind doch Familie Reimann aus Hamburg?«
»Ja, das sind wir. Guten Tag!«
Rolf verbeugte sich, als er der Wirtin die Hand schüttelte, dabei lächelte er.
Carola war immer wieder überrascht, wie sehr er vor Fremden sein Verhalten änderte. Nie war er mürrisch oder gar unhöflich, alle kannten ihn nur als äußerst zuvorkommend und liebenswürdig.
»Ich bin Maria Seefeld. Guten Tag, Frau Reimann. Bestimmt werden Sie sich gut erholen mit Ihrem Sohn. Du bist also der Tobias?«
Den Namen wußte sie aus der Anmeldung. Carola fand es aufmerksam von ihr, daß sie ihn sich gleich gemerkt hatte. Die junge Frau, die etwa in ihrem Alter war, gefiel ihr ausnehmend gut.
»Darf ich mit Suse mal spazierengehen? Die ist ja so süß.«
Tobias konnte sich gar nicht losreißen von dem Hund, der die Zuneigung offenbar teilte.
»Aber sicher, Tobias. Suse braucht sowieso mehr Bewegung, wir haben ja immer soviel zu tun. Da wäre ich dir richtig dankbar, wenn du ordentlich mit ihr herumtobst. Wir haben auch Fahrräder, sie läuft gut am Rad.«
»Oh, prima! Hast du gehört, Mami?«
»Ja, mein Schatz. Aber jetzt laß uns erst einmal das Gepäck ins Haus tragen. Papa muß ja dann wieder los.«
Ohne Widerspruch nahm Tobias von seinem Vater einen Koffer entgegen.
»Lassen Sie nur! Das Gepäck holt mein Mann dann rein. Wo steckt er überhaupt? Richard!« rief sie mit heller Stimme.
»Wo brennt’s denn, Mariechen?« kam eine tiefe Männerstimme als Echo zurück.
»Unsere Gäste sind da. Außerdem heiße ich nicht Mariechen.«
Sie lachte Carola verschmitzt zu.
»Er weiß genau, daß ich es nicht ausstehen kann, wenn er mich so nennt. Damit rächt er sich, weil ich ihn von seinem Lieblingshobby wegrufe. Er hat dahinten im Stall eine Töpferwerkstatt. Die wird er Ihnen bestimmt vorführen, wenn es Sie interessiert. Sein Traum war es immer, damit sein Geld zu verdienen. Er macht hübsche Sachen!«
Aus ihrer Stimme klang Stolz auf ihren Mann. Carola fand sie immer liebenswerter.
»So, da bin ich. Entschuldigen Sie bitte, daß ich jetzt erst komme.«
Ein großer, kräftiger Mann begrüßte sie. Er hatte eine Latzhose an, die voller Tonspuren war. Seine riesigen Hände wischte er sich unbekümmert an der Hose ab, bevor er sie ihnen hinhielt. Die rötlich schimmernden Haare standen wild um seinen Kopf herum.
»Richard, wie siehst du nur wieder aus. So kann man doch die Gäste nicht begrüßen«, stöhnte seine Maria, aber es klang eher liebevoll als ärgerlich.
»Mariechen, laß man. Wir sind hier doch ländlich-sittlich, da erwartet Familie Reimann sicher nicht, daß ich sie im Smoking begrüße, nicht wahr?«
Sein Blick ruhte auf Carola, die sein Grinsen jetzt mit einem Lachen erwiderte.
»Es ist doch schön, daß Sie ein so fesselndes Hobby haben. Zeigen Sie mir später mal, was Sie so machen? Tobias und ich haben auch schon mal getöpfert.«
»Gern zeige ich Ihnen alles! Womit haben Sie denn gearbeitet? Irdenware oder Steinzeug? Haben Sie auch selbst Glasuren gemacht? Ich habe da ein paar schöne Farben zusammengemixt, Sie werden staunen! Wenn Sie Lust haben, können Sie die Werkstatt gern benutzen, der Junge auch. Ich freue mich über Gesellschaft.«
»Richard, laß doch die arme Frau Reimann erst einmal zur Besinnung kommen, bevor du sie einspannst. Sie hat ja noch nicht mal die Zimmer gesehen. So ist es immer, sobald die Sprache auf sein Hobby kommt, ich habe Sie gewarnt! So, jetzt aber rein in die gute Stube. Bestimmt können Sie einen Kaffee gebrauchen. Und du, Tobias, hast sicher auch Durst, was? Ich habe einen herrlichen Kirsch-Streuselkuchen gebacken, magst du den?«
»Hmm, lecker! Darf Suse mit ins Haus?« erkundigte sich Tobias.
»Aber klar doch! Sie ist ein schrecklich verzogener Hund. Komm, Suse, zeig dem Tobias, wo es langgeht.«
Suse schien genau zu verstehen, was ihre Herrin ihr aufgetragen hatte. Sie lief fröhlich bellend vor ihnen ins Haus.
Richard schnappte sich die Koffer, die ihm keinerlei Mühe machten. Einen klemmte er unter den Arm, in jede Hand nahm er einen weiteren, so stapfte er los. Carola trug die kleine Reisetasche selbst, sie war nicht schwer.
Die Gaststube, die sie betraten, war gemütlich mit Holztischen und gepolsterten Bänken eingerichtet. Auf jedem Tisch stand ein Sommerblumenstrauß. Eine Theke zog sich an der Schmalseite des Raumes entlang, dahinter ging eine Tür ab, die wohl in die Küche führte.
»Hier werden die Mahlzeiten eingenommen. Wir haben noch einen anderen Gastraum, aber die meisten Gäste sind lieber nah am Geschehen. Abends kommen oft die Einheimischen und klopfen ihren Skat oder trinken ein Bierchen. Die Gäste von außerhalb mögen gern ein bißchen Lokalkolorit, deshalb sitzen sie lieber hier. Aber wenn Se die Ruhe lieben, können Sie auch…«
»Nein, Frau Seefeld, Tobias und ich werden auch hier sitzen. Ruhe haben wir bestimmt genug hier. Es ist so traumhaft schön bei Ihnen! Sie sind zu beneiden, in einer so herrlichen Landschaft zu leben.« Carola meinte es ganz ehrlich.
»Ja, nicht wahr? Ich bin eigentlich ein Stadtkind, aber mein Richard brauchte mich nicht lange zu überreden, als er mir vorschlug, in seinem Heimatort aus dem großen Hof seiner Eltern ein kleines Gasthaus zu machen. Ich lebe jetzt zehn Jahre hier und genieße jeden Augenblick.« Maria strahlte.
»Ich dachte immer, das liegt an mir«, beschwerte sich Richard, der die Koffer durch die Tür gewuchtet hatte und jetzt über das ganze breite Gesicht grinste.
»Das darf ich dir nicht sagen, sonst steigt es dir noch zu Kopf!« Maria stupste ihn gegen die Brust, dann wandte sie sich wieder Carola zu.
»Wenn ich vorgehen darf? Ich zeige Ihnen jetzt Ihre Zimmer. Sie liegen im ersten Stock!«
Sie öffnete eine andere Tür, die von der Gaststube abging. Dahinter lag ein Flur, von dem die Toiletten abgingen, eine weitere Tür, die offensichtlich nach draußen führte in den Garten, und die schmale Holztreppe. Im Gänsemarsch gingen sie nach oben, Suse mit Tobias voran.
»Wir haben sechs Zimmer zu vermieten. Drei Einzel- und drei Doppelzimmer. So, da sind wir.«
Maria Seefeld öffnete eine Kieferntür und ließ Rolf, Tobias und Carola eintreten.
»Wie hübsch«, entfuhr es Carola überrascht.
Der Raum war ungefähr zwanzig Quadratmeter groß, enthielt ein Doppelbett mit fröhlich geblümter Bettwäsche, einen großen, bemalten Kleiderschrank, vor dem Fenster einen Tisch mit zwei Sesselchen. Hinter einem Paravant entdeckte sie ein Waschbecken mit Spiegelschrank.
»Gefällt es Ihnen? Da bin ich aber froh. Leider haben die Zimmer kein eigenes Bad. Das läßt sich baulich nicht machen. Das alte Haus darf nicht mehr verändert werden. Wäre eigentlich ja auch schade. Das Bad liegt am Ende des Flures, ein zweites dem Zimmer von Tobias gegenüber. Er wohnt nebenan.«
Rolf hatte darauf bestanden, ein Doppel- und ein Einzelzimmer zu buchen. Falls er abkömmlich wäre in Hamburg, wollte er nicht mit seinem Sohn in einem Zimmer schlafen. Carola, die gern lange las, fand es schließlich doch ganz praktisch. Wenigstens würde sie Tobias dann abends nicht stören.
Maria ging mit Tobias in sein Zimmer. Carola hörte ihn einen Jubelschrei ausstoßen. Dann kam er wie ein Wirbelwind in ihr Zimmer zurück. »Mama, stell dir vor, Frau Seefeld hat eine süße Ziege im Garten. Schau mal aus dem Fenster.«
Carola trat neben ihn an das geöffnete Fenster. Es ging in den Garten hinaus. Tatsächlich, da zupfte eine weiße Ziege mit schwarzen Flecken im Fell friedlich Grasbüschel aus und zermalmte sie mit sichtlichem Genuß.
»Süß? Unsere Marte ist ein wahrer Satansbraten. Sie hat doch neulich tatsächlich den Strick durchgekaut und delektierte sich an Marias Himbeersträuchern. Das ist ein ganz raffiniertes Biest«, polterte Richard Seefeld los. »Aber sie gibt gute Milch, und der Käse, den wir machen, ist ein Genuß! Morgen kannst du zuschauen, wenn ich sie melke, Tobias. Kannst es gern versuchen, wenn du Lust hast.«
»Ja, mache ich. Meinen Sie, ich kann das?«
»Aber bestimmt. Ist nicht schwer.«
»Haben Sie noch mehr Tiere?«
»Ja, Hühner, die sind im Obstgarten, der liegt dahinten.« Er deutete aus dem Fenster auf eine stattliche Anzahl von Bäumen. »Landwirtschaft haben wir nicht mehr. Die Felder sind verpachtet, das Geld brauchten wir für den Umbau und die Einrichtung der Gästezimmer. Nur der Gemüsegarten da drüben und die Obstwiese haben wir behalten. Macht grad genug Arbeit.«
»Ich habe auch einen kleinen Gemüsegarten«, berichtete Carola. »Vielleicht kann ich mir ein paar Tricks abgucken bei Ihnen, Frau Seefeld. Manches will mir nicht so recht gelingen!«
»Gern zeige ich Ihnen alles«, strahlte die Wirtin. »Das ist nämlich mein Hobby.«
»Na, ich habe den Eindruck, ihr seid bestens untergebracht, nicht wahr, Tobias!« meldete sich Rolf jetzt zu Wort.
»Oh, Papa, ich finde es ganz superspitzenmäßig. Aber Suse ist das Tollste!«
Er streichelte den Hund, der ihn schmachtend ansah.
»Gut, dann lassen wir Sie jetzt erst einmal allein, Frau Reimann. Soll ich Kaffee machen für Sie?«
»Ja, bitte, Frau Seefeld, mein Mann muß ja dann wieder zurück. Die Arbeit läßt ihm leider keine Zeit.«
»Wie schade, aber da läßt sich ja wohl nichts machen. Gut, in einer Viertelstunde steht alles bereit.«
Die netten Wirtsleute gingen wieder nach unten. Suse mußte mit, obwohl es weder ihr noch Tobias recht war.
»Hier erholen wir uns bestimmt gut, Rolf. Wie schön, daß wir dem Vorschlag von Frau Wieler gefolgt sind.«
Wielers waren die Nachbarn in Hamburg.
»Gut, dann kann ich euch ja beruhigt hierlassen. Ich hatte schon Befürchtungen, daß es doch zu primitiv wäre. Wielers sind ja sehr anspruchslos.«
Sie mögen nur nicht, was du magst, dachte Carola, die seine Meinung über die Nachbarn nicht teilte. Rolf spielte Tennis, ging zum Reiten, fuhr eine Automarke, die eigentlich viel zu teuer war für ihr Einkommen, alles nur, um seiner Karriere auf die Sprünge zu helfen. »Man« hatte dieses und tat jenes, so war das eben. Wer »man« war, konnte Rolf ihr allerdings nie so recht erklären.
»Gut, das Auspacken schaffst du dann ja allein, Carola. Laß uns jetzt noch Kaffee trinken, dann bin ich am späten Nachmittag wieder zu Hause.«
*