3,99 €
Rainer öffnet sein Mailpostfach, darin befindet sich eine Aufforderung zu einem perfiden Spiel von einem Unbekannten. In dessen Schreibstil schwingt eine gehässige Note mit. Die Spielregeln sehen folgendermaßen aus: Der Täter wird in unregelmäßigen Abständen Anschläge ankündigen. Die Ausmaße variieren. Kann Rainer die Tat verhindern, erhält er einen Punkt, scheitert er, geht dieser an den Täter. Sollte Rainer zuerst zehn Punkte erreichen, verspricht der Täter sich der Polizei zu stellen. Verliert Rainer das Spiel jedoch …
Nicht nur das Leben des Kommissars steht auf dem Spiel, sondern auch das vieler ahnungsloser Menschen. Kann er den Attentäter aufhalten? Oder wird Rainer dieses Mal verlieren?
Ein perfides Spiel ist der sechste Band der Reihe Mörderisches Hamburg. Jeder Krimi ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. Er ist eine Neuauflage und erschien ursprünglich unter dem Titel Fieses Spiel.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Robin D. Jensen
Über den Autor:
Robin D. Jensen wurde 1959 in Nordenham geboren, studierte BWL und arbeitete über 35 Jahre in Hamburg als IT-Berater in größeren Unternehmen. 2016 begann er zu schreiben und bezeichnet sich selbst als »Zufallsautor«, denn von ihm stammt unter anderem die Krimireihe mit dem Hamburger Kommissar Rainer Zufall. Der sympathische, etwas schüchterne Protagonist seiner Krimis löst gemeinsam mit seinem Team die kniffligsten Fälle, aber auch sein Privatleben nimmt in den Büchern einen größeren Raum ein.
Buchbeschreibung:
Rainer öffnet sein Mailpostfach, darin befindet sich eine Aufforderung zu einem perfiden Spiel von einem Unbekannten. In dessen Schreibstil schwingt eine gehässige Note mit. Die Spielregeln sehen folgendermaßen aus: Der Täter wird in unregelmäßigen Abständen Anschläge ankündigen. Die Ausmaße variieren. Kann Rainer die Tat verhindern, erhält er einen Punkt, scheitert er, geht dieser an den Täter. Sollte Rainer zuerst zehn Punkte erreichen, verspricht der Täter sich der Polizei zu stellen.
Verliert Rainer das Spiel jedoch …
Nicht nur das Leben des Kommissars steht auf dem Spiel, sondern auch das vieler ahnungsloser Menschen. Kann er den Attentäter aufhalten? Oder wird Rainer dieses Mal verlieren?
»Ein perfides Spiel« ist der sechste Band der Reihe Mörderisches Hamburg. Der Roman ist eine Neuauflage und erschien ursprünglich unter dem Titel »Fieses Spiel«.
Jeder Krimi ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden.
Robin D. Jensen
Ein perfides Spiel
Mörderisches Hamburg 6
Kriminalroman
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© November 2023 Empire-Verlag
Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer
Lektorat: Petra Bülow
Korrektorat: Jasmin Schulte – http://www.zeilenstark.de/
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –
nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Cover: Chris Gilcher
https://buchcoverdesign.de/
Illustrationen: Adobe Stock ID 276838953, Adobe Stock ID 177733062
Prolog
Sehr verehrter Herr Kommissar Zufall (ein schöner Name übrigens),
darf ich Sie zu einem kleinen Spielchen einladen? Ach, warum frage ich? Natürlich spielen Sie mit. Sonst würde es ja keinen Spaß machen. Und Spaß benötigen wir doch, oder?
Hier kurz die Spielregeln: Ich werde eine Tat ankündigen. Das kann etwas ganz Harmloses sein wie ein kleines Feuerchen, ein wenig Gift in einem Verkaufsartikel, vielleicht aber auch etwas Schlimmeres. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Sie bekommen dann ein Zeitlimit von mir gesetzt, und wenn Sie es bis dahin schaffen, das Rätsel zu lösen und rechtzeitig am Tatort einzutreffen, dann bekommen Sie einen Punkt. Wenn nicht, bekomme ich einen Punkt. Um den Reiz zu erhöhen, setze ich den Preis hoch.
Wenn Sie zehn Punkte haben, werde ich mich stellen, ohne Wenn und Aber. Falls ich aber vorher zehn Punkte erreiche, habe ich gewonnen. In diesem Fall stellen Sie sich mir zur Verfügung oder ein paar Menschen sterben.
Ist das nicht ein tolles Spiel? Ich weiß, es wird Ihnen gefallen. Morgen kommt das erste Rätsel. Seien Sie gespannt! Ach ja, ich bin doch kein Unmensch. Ich schenke Ihnen zwei Punkte Vorsprung. Das ist doch fair, oder?
Bis morgen zur ersten Spielrunde
Ihre Maus (Sie sind die Katze)
Die Mail trug den Absender [email protected] und hatte ein Bild im Anhang, auf dem Tom und Jerry abgebildet waren.
Kapitel 1
Kommissar Rainer Zufall blickte auf seinen Bildschirm und las die Nachricht immer wieder. Was war das denn für ein Spinner? Ob man das ernst nehmen konnte oder sogar musste?
Rainers Hände waren schweißnass und seine Hand zitterte leicht, als er zu seinem Glas Apfelschorle griff. Er blickte aus dem Fenster und dachte nach. Momentan konnte er keinen Stress gebrauchen. Es hatte ziemlich gekracht zwischen seiner Freundin und Kollegin Britta und ihm. Es gab keine großen Themen, die das Problem verursacht hatten, sie hatten keinen schlimmen Streit gehabt, sondern es waren eher Diskussionen um Kleinigkeiten gewesen, zumindest aus seiner Sicht. Kleinigkeiten, die sich anscheinend über einen gewissen Zeitraum hochgeschaukelt hatten.
Aber letzte Woche war es so weit eskaliert, dass Britta auf eine räumliche Trennung bestanden hatte, die sich auch in das Berufsleben hineinzog, sodass sie zurzeit auch nicht mehr im gleichen Büro und am gleichen Fall arbeiteten, wie ihm sein Chef gestern mitgeteilt hatte.
Die Tür ging auf und Rainer blickte erstaunt dem Mann entgegen, mit dem er bei seinen ersten beiden Fällen zusammengearbeitet hatte: Karl Steiner. Rainer traute seinen Augen kaum, denn er hatte inzwischen nicht mehr damit gerechnet, dass Karl jemals wieder in den Dienst zurückkehren würde.
»Mensch, Karl, was machst du denn hier?« Rainer stand auf, um seinem Kollegen die Hand zu schütteln. Karl sah richtig erholt aus, hatte Farbe im Gesicht und lächelte Rainer glücklich an.
Sein Kollege strahlte über das ganze Gesicht. »Ich bin wieder fit und einsatzbereit. Mein Arzt hat grünes Licht gegeben unter der Voraussetzung, dass ich es langsam angehen lasse und vor allem …« Er machte eine bedeutungsvolle Pause.
»Vor allem?« Rainer runzelte die Stirn.
»Kaffee nur noch in kleinen Mengen trinke.« Karl grinste verschmitzt und hob eine kleine Kiste mit Kräutertee in die Höhe.
Rainer hatte noch die ersten Wochen mit Karl in Erinnerung, als dieser literweise Kaffee in sich hineingeschüttet hatte, und er musste mit Schrecken daran denken, wie er kurz darauf mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Rainer war sich damals nicht sicher gewesen, ob sein Kollege überleben würde. Lange Zeit hatten sie regelmäßigen Kontakt gehabt, aber irgendwann war der abgebrochen. Die Arbeit hatte Rainer voll in Beschlag genommen.
»Wie läuft es mit Britta?«, erkundigte sich Karl.
Bei der Frage verzog Rainer die Stirn.
»Nicht gut momentan.«
»Oh, warum? Was ist passiert?«
In kurzen Zügen berichtete Rainer, was in den letzten Wochen passiert war. Vielleicht hatte er ihre Beziehung als zu selbstverständlich angesehen. Nachdem sie das Wochenende auf Helgoland verbracht hatten, war irgendetwas passiert, was er nicht greifen konnte. Hatte sie es ihm übelgenommen, dass er sie zu dem Kurztrip überredet hatte, obwohl er wusste, dass sie nicht seefest war? Durch den Mord auf Helgoland war aus ihrem entspannten Urlaub auf der Insel, auf den zumindest er sich sehr gefreut hatte, nichts geworden. Aber was danach in ihr vorgegangen war, konnte er sich nicht erklären. Er hatte nur gespürt, dass sie irgendwie verändert war.
Rainer wusste einfach nicht, ob und was er falsch gemacht hatte, aber Britta war in den Tagen danach zunehmend gereizter gewesen. Statt das Gespräch mit ihr zu suchen, war Rainer immer öfter geflüchtet, was er im Nachhinein sehr bereute.
Und in der letzten Woche hatte Britta dann erklärt, dass sie erst einmal Abstand bräuchte. Sie hatte ihre Sachen gepackt und war ausgezogen. Am gestrigen Montag hatte ihr Chef Rainer dann mitgeteilt, dass Britta erst einmal nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten würde. Rainer hatte sie angerufen, aber sie hatte seinen Anruf weggedrückt. Er hatte es noch ein paar Mal versucht, aber ohne Erfolg.
»Was soll ich jetzt machen?«, fragte Rainer hilflos.
Karl blickte ihn ernst an. »Vermutlich musst du ihr erst einmal ein paar Tage Zeit lassen. Anscheinend muss sie sich ein wenig sortieren.«
»Vermutlich hast du recht«, stimmte Rainer ihm zu.
»Und was liegt hier an?«, fragte Karl und rieb sich tatendurstig die Hände.
Erst jetzt fiel Rainer wieder die Mail ein, die er gerade gelesen hatte, als Karl ins Büro kam.
»Eigentlich ist es derzeit etwas ruhiger. Aber …« Er machte eine kurze Pause und setzte dann fort: »Ich habe eben eine merkwürdige Mail bekommen. Was meinst du? Ist das ein Spinner oder muss ich mir Sorgen machen?«
Rainer stand auf und Karl setzte sich auf seinen Platz, um die Mail zu lesen. Er zog die Augenbrauen hoch und pustete dann einmal kräftig durch.
»Ich fürchte, du musst dir Sorgen machen. Das klingt gar nicht gut. Hast du irgendeine Idee, wer das geschrieben hat? Der scheint dich zu kennen, wenn er dich so direkt anschreibt.«
Rainer ließ seinen Blick wieder aus dem Fenster schweifen und dachte nach.
»Ganz ehrlich. Ich habe keine Ahnung.«
Die Katze kennt die Maus vermutlich nicht, dachte er und war gespannt, ob der Verfasser der Mail sich am nächsten Tag wirklich melden würde. Eigentlich war er geneigt, das Ganze für einen schlechten Scherz zu halten. Aber was, wenn nicht? Karl sah das, wie es aussah, anders.
»Wir sollten das auf jeden Fall ernst nehmen.« Karl sah Rainer besorgt an. »Ich werde unseren Chef informieren und unsere Techniker sollen versuchen herauszufinden, von wo die Mail abgeschickt worden ist.«
Rainer nickte zweifelnd. »Wenn du meinst?«
»Ja, meine ich.« Karl griff zum Telefon. Schneller als gedacht war er in seinen Job zurückgekehrt.
Kapitel 2
Rainer betrat seine Wohnung und stellte fest, wie still es war, ungewohnt still. Die Küche war aufgeräumt, das Geschirr in den Geschirrspüler eingeräumt. Ein Blick in den Kleiderschrank bestätigte: Britta war dagewesen, hatte aufgeräumt und ihre restlichen Sachen mitgenommen. Offenbar war es nicht nur ein vorübergehender Auszug gewesen.
Was habe ich falsch gemacht, und wie kann ich es wiedergutmachen?, fragte er sich nicht zum ersten Mal. Er spürte den unwiderstehlichen Drang, sich zu betrinken, wusste aber gleichzeitig, dass das keine gute Idee war. Wieder fiel ihm die Mail ein, die er heute erhalten hatte. Noch immer hatte er leise Zweifel, ob er sie ernst nehmen sollte oder ob sich jemand nur einen dummen Scherz erlaubt hatte. Er wollte eher an die harmlose Variante denken.
Aber Karl schien das nicht als Streich zu interpretieren. Dass Karl plötzlich wieder da war, hatte Rainer ehrlich überrascht, ihm unglaublich gutgetan. Sie hatten bei den wenigen Fällen, an denen sie zusammengearbeitet hatten, sehr gut harmoniert. Doch wie viel Stress würde Karl nach seinem Zusammenbruch vertragen? Er würde versuchen, Karl so wenig wie möglich zu belasten.
Rainer erinnerte sich an die Tage zwischen Hoffen und Bangen, als Karls Leben am seidenen Faden hing. Zu der Zeit war Britta ihm selbst schon eine große Stütze gewesen. Dennoch hatte es danach noch eine ganze Zeit gedauert, bis sie sich nahegekommen waren. Und sollte das jetzt vorbei sein? Er konnte und wollte es einfach nicht glauben.
Sein Smartphone gab einen Laut von sich. Eine Nachricht von Britta? Hastig griff er nach seinem Telefon, öffnete den Maileingang und wurde blass.
Na, Herr Kommissar!
Schon ganz aufgeregt wegen des Spielchens? Schlafen Sie sich gut aus. Sie werden es brauchen, glauben Sie mir. Noch zwölf Stunden, und das Spiel kann beginnen.
Träumen Sie süß und viele Grüße von der Maus
Wieder war im Anhang das Bild von Tom und Jerry. Ganz offensichtlich musste er die Sache ernst nehmen. Aber woher hatte der Typ seine private Mailadresse? Die erste Mail war ja an seine Dienstadresse gegangen. Kannte er ihn persönlich? Aber woher?
Unruhig lief Rainer in seiner Wohnung auf und ab. Wie schön wäre es, jetzt mit Britta zusammenzusitzen und über diese Situation zu sprechen. Er griff zu seinem Telefon und wählte ihre Nummer. Wieder nur die Mailbox.
Er hatte ihr bestimmt schon zehn Nachrichten draufgesprochen, aber sie hatte nicht zurückgerufen. Also ließ er es dieses Mal und legte wieder auf. Karl mochte er jetzt auch nicht stören. Rainer fühlte sich nun allein und total schlecht.
Unschlüssig stand er vor seiner Hausbar, die eine Flasche Rotwein und eine angebrochene Flasche Wodka enthielt. Er nahm die Wodkaflasche in die Hand und starrte sie minutenlang an. Dann stellte er sie zurück und ging in die Küche, um sich ein Glas Apfelschorle einzugießen.
»Bleib vernünftig«, sagte er laut zu sich selbst und schüttelte den Kopf. »Jetzt führ ich schon Selbstgespräche.«
Noch einmal nahm er sein Telefon und las die Mail. Was wollte dieser Typ und wer konnte das bloß sein? Er hatte einfach keine Idee.
Gegen dreiundzwanzig Uhr beschloss er, ins Bett zu gehen, konnte aber keinen Schlaf finden. Tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Es wurde schon hell draußen, als er dann doch in einen kurzen Schlaf sank. Das Piepen seines Smartphones weckte ihn.
Es war sieben Uhr. Ein Blick auf sein Telefon zeigte ihm eine neue Mail an. Rainer las und wurde schnell in die Realität zurückgeholt.
Guten Morgen, liebe Katze,
noch zwei Stunden und die Mäusejagd kann beginnen. Bereit? Dann los, ich freue mich. Und nicht vergessen: Du führst 2:0, aber das wird sich schnell ändern. Ach, es ist dir doch recht, dass wir uns duzen, oder? Wir werden ja in den nächsten Wochen oder Tagen viel Zeit miteinander verbringen und Spaß haben. Also, good luck.
Deine Maus
Rainer spürte, dass seine Hände wieder feucht wurden. Der Kerl meinte es wirklich ernst. Aber was sollte das? Eilig stieg er unter die Dusche, trank hastig einen Kaffee und machte sich dann auf den Weg ins Präsidium. Um halb neun saß er an seinem Schreibtisch und wartete ungeduldig auf die nächste Mail. Mehr als zu warten, konnte er im Moment ohnehin nicht tun.
Kurz vor neun erschien Karl im Büro. »Und?«, fragte er statt einer Begrüßung.
Rainer berichtete von den beiden Mails, die er erhalten hatte und zeigte sie seinem Kollegen. Karl kniff die Lippen aufeinander und blickte minutenlang sinnierend aus dem Fenster.
»Und du hast wirklich keine Idee, wer das ist und weshalb er das macht?«
Rainer schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, was das soll, und schon gar nicht, wer das ist. Ich habe quasi die ganze Nacht wachgelegen und bin alles durchgegangen, aber mir fällt niemand so wirklich ein.«
»Ich habe ja die Kollegen von der Technik gebeten zu checken, wer hinter der Mail steckt und von wo sie abgeschickt wurde. Leider ist die Suche ins Leere gelaufen. Hinter der Mailadresse steckt ein Martin Maus und die Mail wurde aus einem Internetcafé hier in der Stadt abgeschickt«, erklärte Karl. »Ich habe Kollegen gebeten, dort mal nachzufragen, ob man sich an jemanden erinnert, aber die Kollegen wurden ausgelacht, weil da so viel Betrieb ist und alles anonym läuft. War ein Versuch, aber da kommen wir leider nicht so richtig weiter. Also müssen wir wohl auf das sogenannte Spiel warten.« Karl blickte seinen Kollegen mitfühlend an.
»So ein Mist!« Rainer starrte wie gebannt auf seinen Bildschirm. Rechts unten die Uhrzeit zeigte fünf Minuten vor neun. Mit jeder Minute, die verstrich, wuchs seine Nervosität. Wenn er seinen Gegenspieler richtig einschätzte, würde er pünktlich sein und die Mail würde um Punkt neun eintreffen.
Und tatsächlich: Fünf Minuten später meldete sein Rechner den Eingang einer neuen Mail. Rainer atmete geräuschvoll aus und öffnete die Nachricht.
Kapitel 3
Nun, liebe Katze Zufall (oder soll ich lieber Rainer sagen?),
das Spiel beginnt. Heute ist es quasi zum Warmlaufen, und ich gebe dir eine faire Chance. Du hast neunzig Minuten Zeit, das Rätsel zu lösen. Ich bin zwar nicht ausländerfeindlich, aber ich hasse Döner. Dieses abgeschnippelte Fleisch ist einfach widerlich. Weißt du eigentlich, wie viele Dönerläden es in Hamburg gibt? Ich kenne die genaue Zahl nicht, aber eines weiß ich: Wenn du dich nicht beeilst, dann wird es in genau neunzig Minuten einen weniger geben. Aber du hast eine faire Chance: Der Laden steht in einem Stadtteil, der mit einem der Buchstaben des Wortes Esel beginnt und der Straßenname beginnt mit dem gleichen Buchstaben. Das kann doch nicht so schwer sein, oder? Du musst natürlich vor mir vor Ort sein. Also, die Zeit läuft.
Bis später, wir sehen uns beziehungsweise wohl nur ich dich
Deine Maus (nenn mich ruhig Jerry)
»Ein Stadtteil mit E, S oder L, welcher könnte das sein?«, dachte Rainer laut. »Davon gibt es ja nun mehrere. Eppendorf, Eimsbüttel, Lokstedt, Lurup, Sternschanze, Sülldorf und und und. Die Liste ist doch endlos!« Verzweifelt trommelte er auf den Tisch.
»Und dann noch eine Straße, die mit dem gleichen Buchstaben beginnt. Das kriegen wir in neunzig Minuten doch auf keinen Fall hin. Ich bitte die Kollegen der Technik, ob sie uns auf die Schnelle eine Liste der Möglichkeiten erstellen können«, erwiderte Karl.
»Wir müssen uns jeder auf einen Buchstaben konzentrieren«, schlug Rainer vor.
»Okay, welchen nimmst du?«
Rainer rief die Suchmaschine auf seinem Bildschirm auf und überflog die einzelnen Stadtteile. Es gab leider diverse Möglichkeiten für jeden Buchstaben. Am besten kannte er sich in Lokstedt aus. Aber gab es da Straßen mit L und dazugehörige Dönerläden? Er war sich nicht sicher. Die Zeit verrann ohne Gnade. Selbst wenn sie die richtige Straße und den richtigen Laden fänden, wäre kaum ausreichend Zeit, um rechtzeitig vor Ort zu sein.
»Wir fahren jetzt nach Lokstedt. Lass uns losfahren, sonst schaffen wir es nicht. Es nutzt auch nichts, wenn wir den richtigen Laden wissen, aber nicht rechtzeitig vor Ort sind. Die anderen Streifenwagen sollen dann in die anderen Stadtteile fahren«, schlug er vor.
»Die Techniker haben noch zwei andere Optionen herausgefunden. Ich habe zwei Streifenwagen gebeten, dort nach dem Rechten zu sehen.« Karl nickte Rainer zu.
Sie waren gerade im Begriff, sich ihre Jacken zu nehmen und aufzubrechen, als Rainer eine neue Nachricht erhielt. Er zog rasch sein Smartphone aus der Tasche und öffnete die Mail. Sie war wieder von seinem Gegenspieler und Rainer las sie Karl laut vor:
Okay, ich bin ja kein Unmensch, liebe Katze. Der Tipp war wohl nicht so hilfreich. Daher ein Zusatztipp (und du hast ja noch dreißig Minuten Zeit): Der Anfangsbuchstabe des Stadtteils kommt in dem vorgegebenen Wort zwei Mal vor. Jetzt aber schnell, denn die Lunte ist schon gelegt.
Bis gleich
Jerry
»Sch…«, entfuhr es Rainer. »Lokstedt ist es nicht.«
Fieberhaft surfte er durch seinen Browser. E, das konnte Eimsbüttel sein oder Eppendorf. Gab es noch mehr?
»Welche Straßennamen gibt es in Eppendorf?«
Die Uhr lief unerbittlich, die Restzeit wurde immer knapper.
»Da!«, rief Rainer aus. »Die Technik hat das auch in ihrer Liste. In Eppendorf gibt es eine Erikastraße. Dort gibt es auch einen Dönerladen.«
»Dann lass uns auf gut Glück losfahren«, schlug Karl vor.
»Kannst du so schnell …?«, fragte Rainer besorgt, denn er hatte Karls Beinahe-Zusammenbruch vor dessen Herzinfarkt noch deutlich vor Augen.
Karl nickte und schlug vor: »Hol du den Wagen, ich warte vor dem Eingang.«
Idiotischerweise fiel Rainer in dem Moment die Fernsehserie Derrick ein, die immer mit diesem Spruch veralbert worden, obwohl der Satz dort nie gefallen war.
Rainer stürmte los. Es dauerte alles viel zu lange. Der Routenplaner zeigte an, dass sie etwa acht Minuten brauchen würden. Es war bereits zehn nach zehn, als er Karl abholte und losfuhr. Wie üblich kamen sie nur stockend voran. Karl hatte inzwischen einen Streifenwagen geordert, der aber auch nicht in der Nähe war und ebenfalls einige Minuten bis zum Zielort benötigte.
Sie erreichten die Erikastraße genau um halb elf und fuhren im Schritttempo durch die Straße.
